Türkei
Hungerstreik fordert 80
Todesopfer!
Die ersten westlichen Unternehmen geben
Ilisu-Staudamm auf!
|
|
|
Bozen,
16.11.2001
Die Situation der
Menschenrechte in der Türkei wird immer schlimmer:
seit über einem Jahr versuchen politische Gefangene,
vor allem Kurden, mit einem Hungerstreik Aufmerksamkeit
für verschiedene Probleme zu erlangen. Die Regierung
aber scheint nicht im Geringsten an einer Lösung der
Probleme interessiert zu sein, und setzt ihre Politik der
„verbrannten Erde“ fort. Im Stadtviertel Kucuk
Armutlu, in Istanbul, stehen die Mitglieder des Vereins
der Familienangehörigen von Häftlingen und
mehrere entlassene Gefängnisinssasen seit Juli im
Hungerstreik: sie protestieren gegen massiven Einsatz von
Isolation und Folter in den neuen Zellen des Typs F, der
für etwa 13.000 politischen Häftlingen (10.000
Kurden und 3.000 Türken) vorgesehen ist.
Am 15. September, und dann neuerdings am 5. und 13.
November, wurde Kukuc Armutlu von Polizei und Armee mit
Panzern, Tränengas, Pistolen, Gewehren und
Maschinengewehren angegriffen. Infolge dieses Angriffes
zählte man 4 Tote (den Autoritäten nach handelte
es sich um Selbstmörder, den Zeugen und der
türkischen CNN nach, um Morde), 12 Schwerverletzte und
mehrere Verhaftungen. In Protest gegen diese Angriffe,
gaben sich 4 Häftlinge in Gefängnis von Sincan
Feuer, und starben. Die sture Weigerung des türkischen
Staates, mit den Häftlingen und ihren Familien zu
verhandeln, lässt so die tragische Bilanz der Opfer
auf 80 Tote steigen: 30 Personen starben beim
Militärangriff am 19. Dezember 2000, 41
Häftlinge und Familienangehörige liesen sich in
einem 13 Monate langen Hungerstreik sterben, 4 Personen
gaben sich am 5. November Feuer, weitere 4 begangen aus
Protest Selbtsmord.
Die Zahlen, die von Husnu Ondul, Präsident des
Menschenrechtsverbandes IHD, vorgelegt werden,
bestätigen die brutale Repression durch den Staat:
seit 2000 sind die Fälle von Foltergebrauch
verdoppelt, und die Anzeigen hierfür kommen allein in
den ersten 10 Monaten 2001 auf 435 Fälle. Die
Verurteilungen wegen Meinungsverbrechen sind vervierfacht,
es wurden dieses Jahr insgesamt 3125 Jahre Haft
verhängt und 21.812 Personen verhaftet. Der Mord
an Burhan Kockar (Führer der Hadep in Dogubeyazit),
der vor seinem Haus von maskierten Militärs begangen
wurde, ist ausserdem Signal für die Wiederaufnahme des
Staatsterrorismus in den kurdischen Provinzen. In vier
dieser Provinzen wurde am 30. Oktober ausnahmezustand
erneuert, während die Gerichte den kurdischen Sender
Gun Radio in Diyarbakir und die Zeitung Batman Dogus in
Batman schliessen liesen.
Inzwischen kann man aber auch einen kleinen
Sieg der NGO's, die sich gegen das Staudammprojekt
Ilisu einsetzen, melden. Das englische Unternehmen Balfour
Beatty und die italienische Firma Impregilo haben sich von
diesen umstrittenen Projekt am Tigris, an der Grenze mit
Syrien und Iraq, zurückgezogen. Das Dorf Hasankeyf
(weitere Fotos in www.rivernet.org/turquie/ilisu.htm#ERN)
hätte vollständig unter Wasser gesetzt werden
sollen, und ca. 80.000 Kurden, die im vom Staudammbau
betroffen Landstrich leben, hätten zwangsumgesetzt
werden müssen. Nicht die Regierung, sondern die
Unternehmen haben also die sozialen und kulturellen
Unkosten dieses Projekts analysiert.
Trotz dieses Wandels bei der Verwirklichung des Staudamms,
fürchten wir, dass das Projekt nicht aufgegeben werden
wird: wer dann die Unkosten dafür tragen werden muss,
sind die Tausenden von Kurden in diesem Landteil leben. Die
bereits schlechte Situation der Menschenrechte in der
Türkei verschlimmert sich andauernd: die
Unterdrückung in den Gefängnissen und das harte
Vorgehen gegen die Hungerstreikenden, die Sonder-Gerichte,
die Todesstrafe, die weiterhin verhängt wird, die
Unterdrückung von kulturellen Rechten, der
Ausnahmezustand, der gegen Kurden und allen anderen
Minderheitenverhängt wird, das alles sind gute
Gründe für die Nichtannahme der türkischen
Kandidatur für die europäische Union. Welchen
Preis aber müssen die Minderheiten in der Türkei
zahlen, während sie auf die Demokratie warten, die
Europa von der Türkei verlangt?
Siehe
auch: