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Fall-Mair: Keine Aufhetzung zum Rassenhass?

Die GfbV-Südtirol erklärt sich solidarisch mit der Jüdischen Gemeinden von Meran

Bozen, 20. September 2004

Die Synagoge in MeranDie Voruntersuchungsrichterin hat also entschieden: Die freiheitliche Ulli Mair verstieß mit ihrer "kritischen" Wortmeldung zur Spendensammlung für einen jüdischen Gedenkstein der Tageszeitung "Dolomiten" nicht gegen den Strafbestand der Aufhetzung zum Rassenhass.

Die Frage: Ab wann liegt Aufhetzung vor? Wie schrieb die freiheitliche Generalsekretärin, inzwischen Landtagsabgeordnete, im Oktober 2002: "Es ist unbestritten, dass eine Aufarbeitung der Geschichte und der zu unrecht begangenen Gräueltaten an den Juden notwendig ist. Die muss jedoch, in Anbetracht der jahrzehntelangen Propaganda, zur Genüge erfolgt sein." Die Shoah, sechs Millionen ermordete jüdische Europäer, sind für Mair zu "unrecht begangene Gräueltaten". Kein Völkermord? War also die Aufarbeitung dieses industriellen Völkermordes nur das Produkt einer "jahrzehntelangen Propaganda"? In Deutschland und in Österreich fallen solche Aussagen unter den Tatbestand nationalsozialistischer Wiederbetätigung.

In einer ersten Reaktion auf die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens sagte Mair, dass bestimmte Kreise antisemitische Vorurteile in die Aussendung hineininterpretiert haben. Wie stellte Mair damals fest: "Es muss endlich Schluss gemacht werden mit Schuldzuweisungen aus der Vergangenheit, wo immer nur die Juden als Opfer dargestellt würden. Jeder europäische Mensch ist sich heute dessen bewusst, dass die von Seiten der Vorfahren gemachten, zum Teil falschen Aktionen, ein Teil der damaligen Notwendigkeiten für das eigenen Überleben waren".

Ob Richterin Carla Scheidle diese Sätze gründlich gelesen hat? Ulli Mair zweifelt daran, dass nur Juden im vom Dritten Reich besetzten Europa Opfer waren. Da mag sie Recht haben - dem rassistischen Eroberungskrieg der Nazis sind vielen Millionen slawische Osteuropäer zum Opfer gefallen und mehr als eine halbe Million Sinti und Roma. Die Juden waren aber die einzigen, die einem industriellen Völkermord zum Opfer fielen.

Hat Richterin Scheidle den Satz analysiert, dass die von Seiten der Vorfahren gemachten, zum Teil falschen Aktionen, ein Teil der damaligen Notwendigkeiten für das eigene Überleben waren? Die Konzentrationslager, "falsche Aktionen"? Der von Nazi-Deutschland begonnene 2. Weltkrieg - mehr als 20 Millionen Tote nur in der Sowjetunion, in der Folge als Revanche der Kommunisten und Nationalisten in Ost-Europa eine brutale ethnische Säuberung (die Vertreibung der Deutschen, der Polen, der Ukrainer, usw.) - eine Notwendigkeit für das eigene Überleben? Das ist Antisemitismus pur, das ist uneingeschränkte Aufhetzung zum Rassenhass.

Ulli Mair unterstreicht ihre antisemitischen Positionen. "Die Juden haben überall Machtpositionen inne, vor allem in den USA," schrieb sie. Das behauptete schon Adolf Hitler, das wiederholen heute seine Erben. Ihr Vorwurf: Die Juden haben aus der Geschichte nichts gelernt. Sie verweist auf Palästina. Das ist der übliche Versuch, den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern mit dem Weltkrieg der Nazis gleichzusetzen. Außerdem, was haben denn die wenigen Meraner Juden, die Nachfahren der wenigen Überlebenden des Holocaust, allesamt italienische Staatsbürger, mit der Politik des israelischen Staates zu tun?

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist enttäuscht über die Entscheidung von Richterin Scheidle und erklärt sich solidarisch mit Federico Steinhaus von der Jüdischen Kultusgemeinde. Es ist bedauerlich, dass Richterin Scheidle das Verfahren eingestellt hat. Sie geht zu Lasten einer Minderheit in Südtirol, die auch unter Mithilfe Südtiroler Nazis und Mitläufer großteils vernichtet wurde.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031014de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030905de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-3/021026it.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020126de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/01-2/010828de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/26-1-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/31-8-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/8-11-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/pogrom-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html#shoah

* www: www.vhf.org/ | www.museodelleintolleranze.it | www.storiaxxisecolo.it | www.deportazione.too.it | www.olokaustos.org

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