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Göttingen, Bozen, den
4. August 1999
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Die Bemühungen des deutschen und österreichischen Außenministers Joschka Fischer und Wolfgang Schüssel, die sich auf dem Treffen des EU-Ministerrates am 19. Juli 1999 für eine rasche Aufnahme Kroatiens in die EU eingesetzt hatten, bezeichnete Zülch als "absurd und viel zu verfrüht". Angesichts der bedrückenden Menschenrechtssituation dürfe die EU dem Regime keinerlei Zugeständnisse machen. Darüber hinaus müsse Kroatien der Sitz im Europarat entzogen werden.
Während und nach der "Offensive Sturm" hatten die kroatische Armee und Polizei schwerste Menschenrechtsverletzungen in der Krajina begangen. Nach Schätzungen internationaler Beobachter wurden mindestens 600 Menschen ermordet. Viele wurden in ihren Häusern verbrannt, darunter Kinder, Frauen und Greise. Hunderte Serben sind bis heute verschwunden. Eine Delegation der GfbV mußte schon eine Woche nach Beendigung der "Operation Sturm" vor Ort feststellen, dass nicht geflüchteten Serben, vor allem älteren Menschen, in Anwesenheit kroatischer Polizei buchstäblich das Dach über dem Kopf angezündet worden war. Serbische Dörfer, Häuser und die persönliche Habe der Geflohenen wurden systematisch zerstört. Einem internen Bericht einer Delegation der Europäischen Gemeinschaft zufolge, die 240 serbisch besiedelte Dörfer beobachtet hatte, wurden bis zum 20. September 1995 rund 73 Prozent oder mehr als 13.600 Häuser ganz oder teilweise mutwillig zerstört. Häufig wurde das Vieh serbischer Bauern getötet, Brunnen wurden vergiftet, Wohnungen geplündert, das Mobiliar zerschlagen.
"Bis heute gehen Häuser serbischer Familien in der Krajina immer wieder in Flammen auf", berichtete Zülch. "Sie haben zudem keinen Anspruch auf ihr Eigentum. Wer es trotz dieser Übergriffe wagt zurückzukehren und wem die Rückkehr schließlich gelingt, ist den Schikanen von Polizei und Behörden sowie Gewaltakten der kroatischen Zivilbevölkerung ausgeliefert." Allein im ersten Quartal 1998 seien vom kroatischen Helsinki Komitee über 100 Brandstiftungen registriert worden. Im Frühjahr 1999 wurden 24 ethnisch motivierte "Minenunfälle" gezählt. Zehn Personen kamen dabei ums Leben, 21 wurden schwer verletzt.
Den unabhängigen Staat Bosnien-Herzgowina habe Tudjman 1993 nach dem Vorbild von Slobodan Milosevic angegriffen, erinnerte die Menschenrechtsorganisation. Unter dem Kommando des kroatischen Generals Tihomir Blaskic, dessen Verurteilung durch das Tribunal in Den Haag erwartet wird, hätten seine Truppen nicht nur 98 muslimische Bosnier im Dorf Ahmici ermordet, sondern auch an vielen Orten weitere Massaker begangen und das Konzentrationslager Heliodrom mit mehr als 10.000 Gefangenen betrieben, sagte Zülch. Systematisch habe die kroatische Armee Moscheen und bosniakische Kulturdenkmäler zerstört, darunter auch die historische Altstadt von Ostmostar. Nach der Befragung von mehr als 500 überlebenden Augenzeugen hat die GfbV dem Haager Tribunal Anfang 1999 Beweismaterial über Kriegsverbrechen kroatischer Truppen in der Herzegowina und Zentralbosnien übergeben.
Die in Westbosnien ansässige serbische Bevölkerung, die dort in einigen Orten die Mehrheit gestellt hatte, sei bei der Rückeroberung durch kroatische Truppen im Sommer 1995 nach demselben Muster wie die serbischen Familien der Krajina vertrieben worden. Obwohl diese Region wie auch Teile Zentralbosniens und der nordwestlichen Herzegowina de jure Teil der sog. Föderation Bosnien-Herzegowina seien, würden sie de facto von Zagreb kontrolliert. Dort seien kroatisches Geld und kroatische Schulbücher im Umlauf, die kroatischen Bewohner hätten die kroatische Staatsbürgerschaft und könnten an Wahlen in Kroatien teilnehmen. Stjepan Klujic, kroatisches Mitglied des ersten multiethnischen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, hatte gegenüber der GfbV am Montag bekräftigt: "Franjo Tudjman hat zusammen mit Slobodan Milosevic die Zerschlagung und Teilung Bosnien-Hergegowinas beschlossen. So lange er an der Macht ist, wird es keinen Frieden geben."
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