Bozen, Bern, 31. März 2008
Renommierte internationale Juristen - unter ihnen die
Schweizerin Carla del Ponte - und Juristen aus Darfur riefen
heute den UNO-Sicherheitsrat dazu auf, den Sudan mit seiner
Weigerung, zwei mutmassliche Kriegsverbrecher dem Internationalen
Strafgerichtshof zu übergeben, zu konfrontieren. Ahmad Harun
und Ali Kushayb sind in insgesamt 92 Punkten wegen
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan
angeklagt.
So wird Harun und Kushayb beispielsweise vorgeworfen, in Bindisi
im Westen Darfurs die Ermordung von Zivilpersonen, die
Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, die Zerstörung
der Moschee und die Vertreibung von 34'000 Menschen organisiert
zu haben. Weil die sudanesische Regierung sich weigert, diese
Verbrechen zu ahnden, war der UNO-Sicherheitsrat gezwungen, den
Fall von Darfur heute vor drei Jahren (31. März) an den
Internationalen Strafgerichtshof zu verweisen. Ohne Druck seitens
des UNO-Sicherheitsrates gilt es als unwahrscheinlich, dass der
Internationale Strafgerichtshof die wegen massiver Verbrechen in
Darfur Beschuldigten vor Gericht bringen kann.
In einem offenen Brief forderten die Unterzeichner den
UNO-Sicherheitsrat auf, Khartum zu besuchen und verlangten, dass
die Verdächtigen dem Internationalen Strafgerichtshof
überstellt werden. Weiter sollen die Konten von jenen
sudanesischen Regierungsbeamten eingefroren werden, welche die
zwei Verdächtigen schützen. Zudem riefen sie den
UNO-Sicherheitsrat zu einer scharfen Erklärung von
höchster Stelle (presidential statement) anlässlich des
im Juni erscheinenden nächsten Berichts des Anklägers
des Internationalen Strafgerichtshofes auf.
Die Unterzeichner drückten ihre Empörung darüber
aus, dass Ahmad Harun trotz der Anklage weiter für die
sudanesische Regierung arbeite, nun gar das Amt des
Staatsministers für humanitäre Angelegenheiten innehabe
und zurzeit alle humanitären Anstrengungen im ganzen Land
beaufsichtigte. Er sei zum Co-Vorsitzenden eines Komitees ernannt
worden, welches Menschenrechtsbeschwerden überprüfe und
er stehe mit der UNAMID-Friedenstruppe in Darfur in Verbindung.
Über Ali Kushayb sei berichtet worden, er sei in den
Ausschuss für humanitäre Angelegenheiten gewählt
worden. Somit seien bei der Untersuchung über die
Gräueltaten in Darfur die beiden Hauptverdächtigen nun
verantwortlich für das Schicksal der Überlebenden,
kritisieren die Unterzeichner.
"Dass die beiden mutmasslichen Kriegsverbrecher Hurab und Kushayb
nun für humanitäre Angelegenheiten im Sudan
zuständig sind, ist purer Zynismus und eine weitere
Demütigung der Opfer Darfurs", sagte Christoph Wiedmer,
Geschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV). "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu ahnden ist ein elementarer Teil der
Vergangenheitsbewältigung und damit eine Grundvoraussetzung
für ein friedliches Zusammenleben in der Region."
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes
gehören:
Carla del Ponte und Richard Goldstone, ehemalige
Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes für
das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen
Strafgerichtshofes für Ruanda; Henry King, Ankläger im
Nürnberger Prozess; Femi Falana, Präsident der
westafrikanischen Anwaltskammer; David M Crane, Ankläger des
Sondergerichtshofes für Sierra Leone; Irwin Cotler,
ehemaliger Justizminister Kanadas; Salih Mahmoud Osman, Gewinner
des Sakharov-Preises des Europäischen Parlamentes aus
Darfur; Abdelrhman M. Gasim; Mohamed Abdalla Eldoma und Esadig
Ali Hassan von der Anwaltskammer in Darfur; Lord Falconer,
ehemaliger Staatssekretär für Justiz (Grossbritannien);
Héctor Diaz-Basteien Lopez, Union Internationale des
Avocats
Der Brief wurde initiiert von der "Wanted for War
Crimes"-Kampagne (www.wantedforwarcrimes.org),
einem Netzwerk von Organisationen, die sich für die
Verhaftung von mutmasslichen Kriegsverbrechern einsetzen, welche
vom Internationalen Strafgerichtshof für Verbrechen in
Darfur angeklagt sind.
Weitere Informationen:
49 internationale Organisationen haben sich zusammengeschlossen,
um gegen die herrschende Straflosigkeit im Sudan zu kämpfen.
Ihre Kampagne "Wanted for War Crimes" möchte erreichen, dass
beide Verdächtigen in Den Haag vor Gericht gestellt werden.
Mehr Informationen zur Kampagne finden Sie unter: www.wantedforwarcrimes.org.
Folgende Organisationen sind Teil der "Wanted for War
Crimes"-Kampagne: Aegis Trust (UK), Center for International
Human Rights Studies (Ägypten), Center for Peace (Kroatien),
Gesellschaft für bedrohte Völker, Physicians for Human
Rights (USA), Collectif Urgence Darfour (Frankreicht), Waging
Peace (UK), Japanese for Darfur (Japan), Human Rights First
(USA), IDP Action (UK), Italians for Darfur (Italien), Darfur
Australia Network (Australien), Polska dla Darfuru (Polen), Sudan
Organisation Against Torture (UK, Sudan), Investors Against
Genocide (USA), Americans Against the Darfur Genocide (USA),
Enough Project (USA), STAND Canada (Kanada), Independent Advocacy
Project (Nigeria), RADDHO (Senegal), Prepared Society (Kenia), UN
Watch (Schweiz), Bahrain Society for Public Freedom and Democracy
Watch (Bahrain), Darfur Union (UK), Massachusetts Coalition to
Save Darfur (USA), People Against Injustice - PAIN (Gambia),
SERAP (Nigeria), STAND USA, Land Centre for Human Rights
(Ägypten), Darfur Consortium (Ruanda), League of Human
Rights (Tschechische Republik), Global Grassroots (Ruanda), Sudan
Divestment UK, Genocide Intervention Network (UK), Amnesty
International Ghana, Gulf Centre for democratic Development (UK),
ICC Student Network (UK), Stop Genocide Now (USA) GATS (US) Sudan
Divestment (USA), Save Darfur Canada, Minority Rights Group (UK),
Dream for Darfur (USA), American Jewish Committee (USA), Kimathi
Peacenet (Kenia), Justice for the World (Niederlande), Coast
Legal Aid and Resource Foundation (Kenia), Arab Program for Human
Rights Activists (Ägypten), American Islamic Congress (USA),
Fonte di Speranza (Italien).
Kopie des Briefes
Sehr geehrte Damen und Herren,
Es ist beinahe ein Jahr her, seit der Internationale
Strafgerichtshof (ICC) Haftbefehle gegen Ahmad Harun and Ali
Kushayb ausgestellt hat. Den beiden wurden in insgesamt 92
Punkten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit im Sudan angeklagt. So wird ihnen beispielsweise
vorgeworfen, in Bindisi im Westen Darfurs die Ermordung von
Zivilpersonen, die Vergewaltigung von Frauen und Mädchen,
die Zerstörung der Moschee und die Vertreibung von 34'000
Menschen organisiert zu haben.
Dass die sudanesische Regierung die Haftbefehle ignoriert, ist
offensichtlich. Trotz der Anklage arbeitet Ahmad Harun weiterhin
für die sudanesische Regierung, hat nun gar das Amt des
Staatsministers für humanitäre Angelegenheiten inne und
ist damit verantwortlich für die humanitären
Anstrengungen im ganzen Land. Er wurde zum Co-Vorsitzenden eines
Ausschusses ernannt, welcher Menschenrechtsbeschwerden
überprüft und er steht mit der UNAMID-Friedenstruppe in
Darfur in Verbindung. Über Ali Kushayb ist berichtet worden,
er sei in den Ausschuss für humanitäre Angelegenheiten
gewählt worden. Somit sind bei der Untersuchung über
die Gräueltaten in Darfur die beiden Hauptverdächtigen
nun verantwortlich für das Schicksal der
Überlebenden.
Die Regierung des Sudans hat keine ernsthaften Absichten gezeigt,
vergangene oder weiter anhaltende Verbrechen in Darfur zu
untersuchen. Vor drei Jahren verwies die Resolution 1593 des
UNO-Sicherheitsrats den Fall von Darfur an den Internationalen
Strafgerichtshof, damit das internationale Recht durchgesetzt und
die Straflosigkeit bekämpft würde. Diese Resolution
verpflichtete alle Staaten, bei der Untersuchung oder bei der
nachfolgenden Strafverfolgung des Internationalen
Strafgerichtshofs mitzuwirken. Die internationale Gemeinschaft,
welche im UNO-Sicherheitsrat vertreten ist, ist herausgefordert,
das Recht und gerichtliche Entscheide durchzusetzen und die
Verhaftung gesuchter Personen zu gewährleisten.
Wir rufen den UNO-Sicherheitsrat anlässlich des im Juni
erscheinenden nächsten Berichts des Anklägers des
Internationalen Strafgerichtshofes zu einer scharfen
Erklärung von höchster Stelle (presidential statement)
auf. Wir verlangen zudem, dass der UNO-Sicherheitsrat Khartum
rasch einen Besuch abstattet, um die Auslieferung der beiden
Verdächtigen an den Internationalen Strafgerichtshof zu
verlangen. Weiter sollen scharfe Massnahmen gegen diejenigen
sudanesischen Regierungsbeamten ergriffen werden, welche die zwei
Verdächtigen schützen und gegen diejenigen, welche
weiterhin Verbrechen in Darfur verüben. So sollen
beispielsweise deren Konten eingefroren werden.
Unterzeichner:
Carla del Ponte und Richard Goldstone, ehemalige
Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes für
das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen
Strafgerichtshofes für Ruanda; Henry King, Ankläger im
Nürnberger Prozess; Femi Falana, Präsident der
westafrikanischen Anwaltskammer; David M Crane, Ankläger des
Sondergerichtshofes für Sierra Leone; Irwin Cotler,
ehemaliger Justizminister Kanadas; Salih Mahmoud Osman, Gewinner
des Sakharov-Preises des Europäischen Parlamentes aus
Darfur; Abdelrhman M. Gasim; Mohamed Abdalla Eldoma und Esadig
Ali Hassan von der Anwaltskammer in Darfur; Lord Falconer,
ehemaliger Staatssekretär für Justiz (UK);
Héctor Diaz-Basteien Lopez, Union Internationale des
Avocats.