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Afghanistan

Afghanistanreise vom 21. August bis 16. September 2004

Von Evelina Colavita

Bozen, 22.9.2004

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaAm 9. Oktober 2004 finden in Afghanistan die Präsidentschaftswahlen statt. 6 Monate später sollte auch das Parlament gewählt werden. Die Vereinten Nationen haben über 10 Millionen Afghanen in den Wählerlisten registriert und somit mehr als 50% der auf 20 Millionen Personen geschätzten wahlberechtigten Bevölkerung. Im Hazarajat soll die Wahlbeteiligung der Frauen über 50% sein. Mutig sind die Hazara-Frauen, die versuchen ihrem Unmut Ausdruck zu verschaffen. Wen aber sollen sie wählen, wer kann ihre Interessen vertreten? Ich zweifle daran, dass Mohaqiq, einziger Kandidat der Volksgruppe der Hazara, sie vertreten wird. Auch der Warlord Khalili ist ein Hazara. Er ist der wahre Herrscher in den Zentralafghanischen Hochtälern und sorgt für Ruhe und Frieden. Wer weiss welches sein Interesse an den hunderten von Kilos von Opium ist, die vom Polizeikommandanten in Bamyan beschlagnahmt und dann verbrannt werden.

Er und die neuseeländischen Truppen die in Bamyan stationiert sind sollten das Opium eigentlich nach Kabul schaffen, aber die Lagerung und der Transport dieser grossen Mengen von Opium ist viel zu gefährlich, zu gross ist das Risiko von Überfällen. Auch die einzige weibliche Kandidatin, Frau Masooda Jalal wird kaum die Interessen der Hazara-Frauen vertreten, denn sie gehört der Mehrheit der Pashtunen an und in den Palästen von Kabul wird gemunkelt, dass sie von ihrem Ehemann manövriert wird. Die gebildeten afghanischen Frauen werden aus Protest Masooda Jalal wählen, aber in den ländlichen Gebieten ist die Stimmabgabe ethnisch bedingt und die Frauen werden Mohaqiq ihre Stimme geben. Am Ende wird Mohaqiq versuchen ein wichtiges Ministerium gegen seine Stimmen auszuhandeln. Karzai wird die Wahl im ersten Wahlgang gewinnen und einen Teil der mächtigen religiösen Fundamentalisten, moderate ex-Taleban und Männer des gesuchten Pashtunenführers Gulbudin Hekmatyar in seine Regierung eingliedern. Es wird alles genau so sein, wie es der zur Zeit mächtigste Mann in Afghanistan, der amerikanische Botschafter Khalilzad, vorgesehen hat. Niemand weiss was die Tadjiken tun werden, der mächtige Verteidigungsminister Fahim oder Younus Qanuni, der selber Präsidentschaftskandidat ist. Werden sie zu den Waffen greifen, in Erinnerung an ihren Helden Ahmad Shah Massoud, der kurz vor dem 11. September 2001 einem Anschlag zum Opfer fiel und der jedes Jahr mit zwei Tagen Staatstrauer gefeiert wird.

Afghanistankarte. Kabul, Bamyan, Yakawlang, Lal wa Serjangal, Panjao, Shahristan, Behsood, Nahoor, Jaghori, Tabqus, Sarab, Ghazni, KabulIch bin jedoch nicht nach Afghanistan gereist um dem politischen Leben des Landes den Puls zu fühlen oder Vorhersagen zu machen, sondern um unsere Projekte zu kontrollieren und Frau Dr. Sima Samar, Präsidentin der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission und Gründerin, Herz und Seele der Nichtregierungsorganisation Shuhada, die unsere Projekte betreibt und die Bevölkerung im Hazarajat unterstützt, zu besuchen. Die Hazaras sind eine ethnische Minderheit, die in den kargen Hochtälern zwischen 2000 und 3000 Metern Höhe wohnt und seit Jahrhunderten ausgenützt und misshandelt wird. Dieser Volksminderheit und dieser kargen Bergwelt schenken die grossen internationalen Projekte nur wenig Beachtung.

Nach meiner Ankunft in Kabul gehe ich schleunigst für 1250 $, 4200 Schachteln Buntstifte kaufen. Ich werde sie den Kindern unserer Schulen verteilen. Die 1250 $ für die Buntstifte, so wenig kosten sie in Kabul, wurden von einer Dame aus Mailand gespendet. Dann geht es los auf eine Reise durch Zentralafghanistan. Die Reise dauert 2 Wochen auf denen ich 1600 km auf ungeteerten Strassen und Pisten zurücklege (Kabul, Bamyan, Yakawlang, Lal wa Serjangal, Panjao, Shahristan, Behsood, Nahoor, Jaghori, Tabqus, Sarab, Ghazni, Kabul).

Die Schulen in Yakawlang

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaFünf Schulen finanzieren wir im Distrikt Yakawlang, Provinz Bamyan. 704 Mädchen und 92 Knaben besuchen diese Schulen. Yakawlang ist zwei Reisetage von Kabul entfernt und die Schulen liegen weit verstreut in den Dörfern des Distrikts. Unser Geländewagen arbeitet sich tapfer durch die tief in den roten Fels eingeschnittenen Täler. Dünne Rinnsale fliessen auf dem Talgrund und werden in komplizierten Bewässerungskanälen aus Lehm auf die terrassenförmigen Äcker umgeleitet. Es ist Erntezeit, Männer und Frauen arbeiten auf den Feldern. Im ganzen Distrikt wüteten in den letzten Jahren der Talebanherrschaft schreckliche Kämpfe und ganze Dörfer waren dazu gezwungen ins Ausland zu flüchten oder über die noch von der roten Armee in den 80er Jahren gelegten Minenfelder in die Berge zu steigen. Nun herrscht Frieden und Armut. Die 5 Schulen mit ihren rund 800 Kindern kosten uns 20'312 $ jährlich. Nicht alle Kinder werden das siebte Schuljahr abschliessen, viele werden schon vorher arbeiten gehen müssen, damit die Familie ihr Auskommen hat.

Day Hospital in Lal und Serjangal

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaDiese beiden Day Hospitals befinden sich in der Provinz Ghor auf 2600 Metern Höhe. Jede der beiden Strukturen wird von einem jungen Paramediziner und der Ehefrau die Krankenschwester ist, geleitet und wird täglich von etwa 50 Patienten angelaufen. Die Kosten für die beiden Day Hospitals belaufen sich auf 25'227 $ jährlich. Serjangal liegt in einem abgelegenen Tal und die medizinische Versorgung der rund 50'000 Menschen, die in dem Tal leben, stützt sich einzig auf das Day Hospital. Im Winter bleibt das Tal monatelang von der Aussenwelt abgeschnitten und der junge Mediziner nimmt stundenlange Fussmärsche auf sich, um seine Patienten zu besuchen. Sein monatliches Gehalt beträgt 80$.

In Lal besucht mich eine Delegation der Bevölkerung eines Nachbartals. Auch sie möchten ein Day Hospital wie dieses in Lal. Wie kann ich da nein sagen, für mich sind es "nur" 10'000 dollar im Jahr, für sie könnte es der Unterschied zwischen Leben und Tod sein.

Day Hospital in Nahoor und Sarab

Auch diese beiden Day Hospitals liegen weit ab von Städten und staatlichen Einrichtungen. Jedes der beiden Day Hospitals wird von einem Arzt geleitet der vor Ort auch kleine chirurgische Eingriffe vornimmt. Oftmals erreichen die Patienten das Day Hospital nach einem Fussmarsch von mehreren Tagen. Aus diesem Grund ist das Personal rund um die Uhr im Dienst, es gibt keine Öffnungszeiten. Die laufenden Kosten dieser beiden Einrichtungen belaufen sich auf 37'291$ jährlich.

Trinkwasserbrunnen

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaIm Distrikt von Nahoor liegen die 20 Trinkwasserbrunnen die von Omid und Discovery Alps finanziert wurden, weit versträut in den Dörfern der Gegend. Da die Lage vor den Wahlen ziemlich angespannt ist, habe ich nur die Brunnen im Siedlungsgebiet der Hazara besucht. Der Arzt des Day Hospitals in Nahoor begleitet mich auf meiner Wanderung zu einem Dorf wo einer unserer Brunnen steht. Auf dem Weg treffen wir einen jungen Pashtunen, der schon seit dem frühen Morgen unterwegs ist um sich im Day Hospital von Nahoor untersuchen und behandeln zu lassen. Der Distrikt von Nahoor ist von Hazaras und Pashtunen bewohnt, in den einzelnen Dörfern leben die Volksgruppen aber nicht gemischt, jeder hat seine eigenen Dörfer.

Die Schulen in Shahristan

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaShahristan ist ein Distrikt in der neu gegründeten Provinz Daikundi. Vor dem letzten Frühjahr gehörte Shahristan zur Provinz Uruzgan, wo das Versteck des Anführers der Taleban, Mullah Omar, vermutet wird. In diesem Distrikt ist es heiss, die Ernte ist abgeschlossen und im Gegensatz zu nördlicher gelegenen Gebieten, gibt es Obstgärten und Mandelbäume, deren Blätter wegen der Dürre und der Hitze schon Anfang September braun werden und abfallen. In Shahristan unterstützen wir 6 Schulen mit insgesamt 1234 Mädchen und 1760 Knaben für einen Gesamtbetrag von 43'152$ jährlich. Die Schulen unterrichten bis zur zwölften Klasse, das heisst bis zur Maturität. Alle Schulabschlüsse von Shuhada sind vom Erziehungsministerium anerkannt.

Schule in Tabqus, Distrikt von Jaghori

Im Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni fällt seit 6 Jahren kein Regen. Die Felder sind nicht bestellt worden und die Obstbäume stehen da wie Skelette und strecken die vertrockneten und toten Äste gegen den immer blauen Himmel und die erbarmungslose Sonne. In Tabqus herrschen die religiösen Fundamentalisten und Madina, die junge Frau, die die Schule in Tabqus vor 8 Jahren, mit der Hilfe von Sima Samar eröffnet hat, musste gegen die Mullahs und ihre eigene Familie ankämpfen. Am Anfang war es eine einzige Klasse mit 35 Schülerinnen in einem Privathaus und nun sind es zwei Schulhäuer mit 650 Schülerinnen. Sogar während der Herrschaft der Taleban war die Mädchenschule dank tausend Tricks und Ausreden offen und wuchs. Nun besucht Madina die Universität in Kabul und eine andere junge Frau, die nicht weniger mutig ist als Madina, leitet die Schule in Tabqus. Die Schule in Tabqus wird von Margret Bergmann aus Bozen mit den Einahmen des von ihr veröffentlichten Buchs, He du, grosser Komet, finanziert.

Waisenhaus für 100 Mädchen in Jaghori

In Jaghori gehe ich die Baustelle des von der Provinz Bozen finanzierten Waisenhauses anschauen. Nächstes Jahr wird dieses Haus 100 der ärmsten und unglücklichsten Mädchen des Landes aufnehmen können.

Finanzierung unserer Projekte

Afghanistanreise. Foto von Evelina ColavitaOmid Onlus (italien) und Solidarietà Ticino Afghanistan (Schweiz) finanzieren alle diese Projekte dank privaten Zuweisungen und Patenschaften. Beide Vereine stützen sich auf die freiwillige und unbezahlte Arbeit der Mitglieder. Die Verwaltungskosten der Vereine werden von mir getragen. Fall Sie ein Day Hospitals mitfinanzieren möchten können Sie sich mit 200 Euro oder 320 Sfr. Jährlich mitbeteiligen. Natürlich nehmen wir gerne Zuweisungen in jeder Höhe zur Unterstützung der Projekte an.

Die Patenschaften kosten pro Jahr 150 Euro oder 240 Sfr. Der Betrag unterstützt direkt das Projekt und geht weder an das Patenkind noch an dessen Familie. Es handelt sich deshalb um eine rein symbolische Patenschaft. Die Patin/der Pate erhält ein Foto und eine Zeichnung eines Kindes. Foto und Zeichnung sind rein symbolisch und es ist nicht möglich mit den Kinder in den abgelegenen Bergtälern einen Briefwechsel zu unterhalten. Die Schule Dasht e Barchi in Kabul, wurde mit Beginn dieses Schuljahres von Dr. Sima Samar an das Erziehungsministerium übergeben. In Kabul hat sich die Situation verbessert, die ländlichen Berggebiete, wo keine staatlichen Schulen bestehen und bis auf weiteres auch nicht bestehen werden, sind auf Ihre Hilfe angewiesen. Ich hoffe, dass die Patinnen und Paten der Mädchen der Dasht e Barchi Schule ihre Patenschaften zu Gunsten der Kinder in den Bergtälern erneuern werden. Aus Zeitgründen konnte ich die Schule Rabia Balchi in Quetta nicht besuchen. Ich bitte die Patinnen und Paten dafür um Entschulding. Sima Samar hat mir erzählt, dass die Schule immer noch gut besucht ist. Shuhada zieht sich langsam aus Pakistan zurück und kümmert sich nun vor allem um das mausarme zentralafghanische Hochland.

Evelina Colavita
OMID Onlus und Solidarietà Ticino Afghanistan

In der Schweiz: Solidarietà Ticino Afghanistan, Conto corrente postale: 65-240698-1.
Conto corrente bancario: Banca Raiffeisen Balerna, 1877196 80272. Per ulteriori informazioni in Ticino: Solidarietà Ticino Afghanistan, Via Monte Generoso - 6874 Castel S. Pietro; oppure Mirka Studer, 6825 Capolago, tel. 091 648 27 63, e-mail: mstuder@ticino.com.

In Italien: OMID Onlus, Via Bonvicino 24a, 20025 Legnano, tel. 0331.542740, e-mail: evcolavi@tin.it, Evelina Colavita e Maurizio Bada.
Conto corrente, Monte dei Paschi di Siena, agenzia di Legnano, Intestato a OMID, No. 8408,31, ABI 1030, CAB 20200. Conto corrente postale 42703223.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: Patenschaften für Mädchenschulen SchülerInnen spenden für Shuhada in Afghanistan!
Unterstützen Sie eine Spendenkampagne an Südtirols Schulen zugunsten der Mädchenschulen in Afghanistan!
Patenschaften und Selbsthilfeprojekte in Afghanistan
Vergessen wir nicht die Menschenrechte! Von Mateo Taibon
Hazara Flüchtlingsmädchen aus Afghanistan in Quetta
Afghanistan nach den Taliban: Eine Reise in den Ruinen eines zerstörten Landes

* www: Shuhada: www.shuhada.org | Ticino-Afghanistan: www.ticino-afghanistan.ch | Unhabhängige afghanische Menschenrechtskommission: www.aihrc.org.af

Letzte Aktual.: 6.10.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/asia/afghan/afghan-col04de.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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