Logo


In: Home > DOSSIER > Myanmar: Einsatz für die muslimischen Rohingya. "Ich bin Rohingya!"

Sprachen: DEU


Myanmar: Einsatz für die muslimischen Rohingya.

"Ich bin Rohingya!"

Von Hanno Schedler

Bozen, Göttingen, 23. April 2018

Seit Jahrzehnten wird das Volk der muslimischen Rohingya in Burma diskriminiert und ihrer Rechte beraubt. Auch ihre neue Hoffnung, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, brachte keine Besserung - im Gegenteil: Eine neue Welle der Gewalt vertrieb tausende Rohingya.

Fast 700.000 der muslimischen Rohingya flüchteten seit August 2017 vor der Gewalt des burmesischen Militärs nach Bangladesch. Hier leben sie in solchen Flüchtlingscamps. Foto: Tommy Trenchard/ Caritas/ DAFOD BY-NC-ND 2.0. Fast 700.000 der muslimischen Rohingya flüchteten seit August 2017 vor der Gewalt des burmesischen Militärs nach Bangladesch. Hier leben sie in solchen Flüchtlingscamps. Foto: Tommy Trenchard/ Caritas/ DAFOD BY-NC-ND 2.0.

"Ich bin Rohingya!" rief Mohamed Ibrahim in Richtung der burmesischen Botschaft. Gemeinsam mit anderen Rohingya und der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte er am 28. Oktober 2016 bei einer Mahnwache in Berlin die burmesische Regierung auf, den Begriff "Rohingya" zu benutzen. In den Tagen zuvor war es ein weiteres Mal zu einer Welle der Gewalt gegen die Rohingya in Burma (Myanmar) gekommen. Zehntausende Rohingya wurden gewaltsam vertrieben.

Mohamed Ibrahim musste vor Jahren vor extremistischen Buddhisten aus seiner Heimat, dem RakhineStaat an der Grenze zu Bangladesch, fliehen. Seine Eltern hat er seitdem nicht wiedergesehen. Inzwischen ist er deutscher Staatsbürger und lebt mit seiner Familie in Offenbach. Er engagiert sich beim Europäischen Rohingya-Rat (ERC), mit dem die GfbV seit Jahren zusammenarbeitet. Seine beiden Söhne, die bei der Mahnwache dabei waren, kennen die Heimat ihres Vaters nur aus Erzählungen.

Die enttäuschte Hoffnung

Die Rohingya werden in Burma seit Jahrzehnten systematisch diskriminiert. Sie sind seit dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982 nicht mehr als Staatsbürger in ihrer eigenen Heimat anerkannt. Ihre Bewegungsfreiheit, das Recht zu heiraten und Kinder zu bekommen, sind stark eingeschränkt. Ihren Kindern wird oft keine Geburtsurkunde ausgestellt.

Große Hoffnungen setzten sie in Aung San Suu Kyi, die einstige Ikone der Menschenrechtsbewegung. 1991 wurde ihr der Friedensnobelpreis verliehen. Erst 21 Jahre später, 2012 konnte sie den Preis nach jahrelangem Hausarrest abholen. Im November 2015 gewann ihre Partei die ersten Parlamentswahlen nach der Militärdiktatur. Sie sollte das Land aus der Militärdiktatur in die Demokratie führen. In der Rohingya-Frage hat Aung San Suu Kyi jedoch versagt. Sie selbst benutzt das Wort "Rohingya" nicht und ihre Regierung hat die EU und die USA aufgefordert, stattdessen den Begriff "Bengali" zu verwenden. Damit soll den Rohingya ihre Eigenbezeichnung genommen werden.

Früh hat die GfbV davor gewarnt, Aung San Suu Kyi einen Freifahrtsschein für ihre Politik auszustellen. 2016 forderten wir die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auf, ihr den Willy-Brand-Preis wieder zu entziehen, der ihr zwei Jahre zuvor verliehen worden war. Die Übergriffe der Armee auf die Rohingya kritisierte Aung San Suu Kyi nicht. Ein Jahr später begann das burmesische Militär nach dem Angriff von bewaffneten Rohingya auf Militärposten mit einer großangelegten Kampagne gegen die Rohingya im Rakhine-Staat. Zwischen August 2017 und Februar 2018 wurden 688.000 Rohingya nach Bangladesch vertrieben. Dort lebten bereits 200.000 Rohingya-Flüchtlinge, die in den Jahrzehnten zuvor aus Burma vertrieben worden waren.

Der UN-Hochkommissar Zeid Ra'ad Al Hussein bezeichnete die Vertreibungen als "ethnische Säuberungen". Auch Aung San Suu Kyis Glaubensbruder, der Dalai Lama, forderte sie auf, dem Treiben der burmesischen Armee Einhalt zu gebieten: "Buddha hätte den Rohingya Schutz gewährt."

Fakten statt Vorurteile

Die GfbV hat Vertretern der Rohingya in den letzten Jahren viele Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern ermöglicht. Der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Regierung, Vertreter des Wirtschaftsministeriums oder des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge in Genf waren nur einige der Gesprächspartner. Auch bei einer GfbV-Veranstaltung beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ging es darum, Vorurteile gegenüber den Rohingya abzubauen und islamophoben Ressentiments gegenüber zu treten. GfbV-Mitarbeiterin Ilaria Cimino, die ein Memorandum zur Lage der Rohingya erstellte, beschrieb die Lage der Rohingya. Sie schilderte die fehlende Anerkennung der UN-Flüchtlingskonvention in den Staaten Südostasiens. Den Rohingya wird nicht nur von extremistischen Buddhisten wie dem Hassprediger Wirathu in Burma unterstellt, sie würden das mehrheitlich buddhistisch geprägte Land islamisieren wollen.

Auch in Europa geht unter Rechtspopulisten die Mär von der Islamisierung Burmas um. Fakt ist jedoch: Nur vier Prozent der Einwohner Burmas sind Muslime. Eine Islamisierung findet nicht statt. Neben der Situation der Rohingya muss auch über Aung San Suu Kyi gesprochen werden. Sie ist in Burma nicht allmächtig. Das Militär hat sich 25% der Parlamentssitze reserviert. In Fragen der inneren Sicherheit legt es die Politik im Land fest. Aber mit ihrem Schweigen legitimiert Aung San Suu Kyi die Menschenrechtsverletzungen der Armee und verhindert Sanktionen durch das Ausland. Mit ihrem Beharren, die Rohingya seien "bengalische Einwanderer", verfestigt sie den blinden Glauben vieler ihrer Landsleute, dass die Rohingya eigentlich nicht zu Burma gehören.

"Ich bin Rohingya"

Mohamed Ibrahim steht in regelmäßigem Kontakt mit Rohingya-Flüchtlingen in Bangladesch. Er versucht, seinen Leuten zu helfen. In Bangladesch werden die Rohingya medizinisch und humanitär nur schlecht versorgt. Dennoch sollte eine Rückführung der Rohingya nach Burma nur dann erfolgen, wenn ihre Menschenrechte gewahrt werden. Nur die Anerkennung als Staatsbürger Burmas kann ihnen Sicherheit geben und sie aus ihrem Status als "Menschen zweiter Klasse" herausholen. Hasspredigern muss die burmesische Regierung entschlossen begegnen. Ohne Druck von außen wird Aung San Suu Kyi ihre bisherige Politik gegenüber den Rohingya nicht ändern. Gemeinsam mit den Rohingya will die GfbV auch in Zukunft dafür sorgen, dass die burmesische Regierung den Satz "Ich bin Rohingya!" zu hören bekommt.

Aus pogrom-bedrohte Völker 305 (2/2018)