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Aufstand der Völker

Verratene Völker zwischen Hitler und Stalin

Bozen, Göttingen, 3. Dezember 2003

Inhalt
Verratene Völker zwischen Hitler und Stalin, von Tilman Zülch, Johannes Vollmer
Ost polen nach dem Hitler-Stalin-Pakt, von Josef Darski
Die Opfer der Mythen von "Klasse" und "Rasse", von Gustav Herling
Die Weißrussen unter polnischem Regime, Stalinismus und Nationalsozialismus, von Tilman Zülch, Johannes Vollmer

Aufstand der Völker

Verratene Völker zwischen Hitler und Stalin

Von Tilman Zülch, Johannes Vollmer .:: oben ::.

Der Eiserne Vorhang schmilzt, Völker melden sich zu Wort, die fast ein Menschenalter lang dem "europäischen" Bewußtsein nicht mehr gegenwärtig waren. Die Völker und Volksgruppen der 1939/40 von Stalin okkupierten Territorien zwischen Ostsee und Schwarzem Meer erheben ein halbes Jahrhundert nach dem brutalen Einfall der beiden Diktaturen wieder ihre Stimme - zum Erstaunen, aber auch zum Befremden der westlichen Welt. Reval/Taliinn, Riga und Wilna, Lemberg/Lwiw, Czernowitz und Kichinew kehren nach Europa zurück, werden zu Schauplätzen von Demonstrationen, Kundgebungen, Veränderungen. Einst gleichgeschaltete sowjetische "Republiken" erscheinen wieder als eigenständige europäische Nationen. Sprachen, jahrzehntelang unterdrückt oder beinahe ausgelöscht, erkämpfen sich wieder ihren alten Platz, werden wieder zu Amtssprachen wie das Estnische, Lettische, Litauische oder das Rumänische in der Sowjetrepublik Moldawien. Aus der ohnmächtigen Dissidentenbewegung wurden repräsentative Volksfronten, nationale und demokratische Traditionen, Parteien und Organisationen leben wieder auf.

Fragen der ökonomischen Neuordnung, des ökologischen Überlebens, der kulturellen Renaissance und der Menschen- und Bürgerrechte bestimmen den Neuaufbruch dieser Völker. Sie wurden erst durch das verbrecherische Einverständnis zweier Diktaturen Teile der Sowjetunion, blieben es, weil die UdSSR bis heute die Annektionen, die durch den Vertrag mit Hitler möglich wurden, nicht rückgängig gemacht hat. Ein Großteil der historischen Verantwortung für die heutigen Konflikte liegt zuletzt bei einem Mann, der erst seit kurzem in diesen Regionen als Massenmörder und Diktator verurteilt werden kann, bei Stalin.

All die Völker, von denen in diesem Buch die Rede sein wird, sind Opfer des Hitler-Stalin-Paktes, jener Machtaufteilung zweier Diktatoren, die Millionen Menschen das Leben kostete und vielen Völkern das Selbstbestimmungsrecht raubte. Von ihnen, den Nationen, Nationalitäten und Minderheiten, den Finnokareliern, Esten, Letten, Litauern, Deutschen, Juden, Polen, Ukrainern, Weißrussen, Ungarn, Rumänen, Gagausen und Bulgaren, die die von Stalin annektierten Länder und Provinzen in Ostfinnland, Estland, Lettland, Litauen, Ostpolen, Bessarabien und der Nordbukowina, aber auch die erst nach 1945 annektierten Regionen Nordostpreußen und der Karpato-Ukraine bewohnten oder bis heute bewohnen, handelt dieses Buch.

Man erinnere sich: Das nationalsozialistische Deutschland erklärte im Sommer 1939, daß "keine außenpolitischen Gegensätzlichkeiten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer" zwischen Deutschland und der Sowjetunion mehr bestünden. Wie Hitler das sowjetische Stillhalten brauchte, um Polen zu überfallen, war Stalins Drang, sein Imperium nach Westen auszudehnen, von Hitlers Zustimmung abhängig. Diesen Lohn Moskaus schrieben die Außenminister Hitlers und Stalins im Geheimen Zusatzprotokoll des Pakts fest.

Der Pakt mit Stalin erleichterte oder ermöglichte es Hitler, Polen zu überfallen und zu zerschlagen. .Der Osten Polens wurde absprachegemäß der Roten Armee überlassen. Der NS-Staat begann mit Rückendeckung Stalins die Vernichtung des jüdischen Volkes in Polen. Kaum eine andere jüdische Minderheit Europas wurde so weitgehend ausgerottet wie die Polens. In diesem Lande wurden Vernichtungslager aufgebaut und Millionen Juden aus vielen Teilen Europas ermordet.

Gegenüber der polnischen Bevölkerung unterschied sich die Politik der beiden Diktatoren kaum: Hunderttausende Polen wurden vertrieben, deportiert, in Lager verschleppt, starben als Arbeitssklaven oder wurden erschossen. Beiden Diktatoren war die Gegnerschaft gegen den polnischen Staat als Ergebnis des Versailler Vertrags gemeinsam. Hitlers Haß auf das "Versailler System" fand sein Äquivalent in der stalinistischen Außenpolitik. Hitlers in Polen vollendete Zerschlagung der begründeten europäischen Nachkriegsordnung fand ihre Mittäter und Erfüllungsgehilfen in Stalin und Molotow. Polen war für Molotow nur ein "häßlicher Sproß des Versailler Vertrags", von dem nach einem "einzigen raschen Schlag (...) erst seitens der deutschen und dann seitens der Roten Armee (...) nichts übrig" (31.10.1939) blieb. Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 und der sowjetische am 17. September läuteten den Beginn der Zerschlagung der kleinen Staaten des "Cordon Sanitaire" zwischen Deutschland und der Sowjetunion ein und machte die beiden imperialen Mächte zu Nachbarn.

Dem sowjetischen Einmarsch in Ostpolen folgten der Überfall auf Finnland und die Besetzung des Baltikums (Sommer 1940), der bis dahin rumänischen Nordbukowina und Bessarabiens. Bis heute fallen auch die sowjetischen Standpunkte in der Bewertung dieses "Teufelspaktes" weit auseinander. Während Gorbatschow den Hitler-Stalin-Pakt im Juli 1988 als "unausweichlich" rechtfertigte und die Annektion des Baltikums in die UdSSR noch im September 1989 als freiwillige Eintritt in die Sowjetunion bezeichnete, weisen die sowjetischen Historiker Juri Afanassjew und Wjatscheslaw Daschitschew vorbehaltlos auf den verbrecherischen Charakter des Paktes hin. Stalin, der laut "Moskowskije Nowosti" in den Jahren vor Paktabschluß noch 120.000 Offiziere der Roten Armee liquidieren ließ, habe, so Daschitschew, mit "seiner grenzenlosen Arglist und Grausamkeit (...), seiner Unmenschlichkeit und seiner Amoralität" jede Opferzahl in Kauf genommen. "Stalin interessierte es nicht, ob es 20, 30 oder 50 Millionen Tote waren."

Ob im Baltikum, der Ukraine oder in Polen, nun werden diese unfaßbaren Verbrechen schonungslos enthüllt. Doch lange genug hatte man nicht nur deren Leugnung und Tabuisierung zusehen, sondern auch hinnehmen müssen, daß die neostalinistischen Regierungen Osteuropas die Verantwortung auch für viele dieser Massenvernichtungen dem nationalsozialistischen Regime Hitlers zuschoben. Die Gleichsetzung von Hitler und Stalin im Sinne einer gleichen Verurteilung gleichartiger Verbrechen wird von vielen, die ihren Ort als politisch "links" bestimmen würden, noch immer nicht hingenommen. Das zeigen neuere Beispiele "linker" Publizistik wie bei "Spiegel"-Herausgeber Augstein, dessen Behauptung, Stalin habe "vernünftiger als das Monstrum Hitler" gehandelt, eine Verhöhnung der Opfer des Hitler-Stalin-Pakts darstellt. Derartige Kommentare sind Entlastungsversuche, die in ihrer Machart an vertraute deutsche Rechtfertigungsformeln in bezug auf den Nationalsozialismus erinnern.

Kein noch so tiefschürfender Essay, der grundsätzlich ideologische und soziologische Unterschiede zwischen Nationalsozialismus und stalinistischem Kommunismus herausarbeitet, kann die absolute Parallelität der Methoden beider Diktaturen leugnen. Begibt sich nicht derjenige, der Industrialisierung und Elektrifizierung anstelle der Vernichtung von 50 Millionen Menschen als wesentliches Ergebnis der Stalinsehen Diktatur betrachtet, in die Gemeinschaft jener, die, statt Auschwitz zu beklagen, Autobahnen als zentrales Verdienst des Hitlerregimes feiern?

Die Massenvernichtungen der SS in Auschwitz sind nicht deshalb weniger verbrecherisch, weil auch im sibirischen Kolyma drei Millionen Arbeitssklaven unter Aufsicht der Sicherheitstruppen des NKWD den Tod fanden, Hitlers Holocaust an den Juden ist nicht weniger furchtbar, weil in der Sowjetunion 14 Millionen Ukrainer durch Massenerschießungen von "Kulaken", Kollektivierung und planmäßig durchgeführten Hungermord umgebracht wurden. Für das individuelle Opfer, für den Juden in Auschwitz wie für den nach Kolyma deportierten Polen, Ukrainer oder Balten, wäre das Problem der Singularität des einen oder anderen Genocid ohnehin nur eine akademische Frage zu spät Geborener. Die Austauschbarkeit des Grauens in den deutschen wie in den sowjetischen Konzentrationslagern nach dem Angriff auf die UdSSR macht der polnisch-jüdische Journalist Gustav Herling verständlich: "Ich denke voll Grauen und Scham an das durch den Bug geteilte Europa; diesseits beteten Millionen sowjetischer Sklaven für ihre Befreiung durch die Hitler-Armeen und jenseits lebten Millionen in deutschen Konzentrationslagern, deren letzte Hoffnung die Rote Armee war."

Angesichts dieser Abermillionen durch den Stalinismus Ermordeten erscheint es im fünften Jahr der Regierung Gorbatschow kaum noch nachvollziehbar, wie unangefochten Breschnew, Stalins letzter Erbe, agieren konnte. So fiel es denn auch den Westeuropäern schwer, die Forderungen von Balten, Ukrainern oder Weißrussen ernst zu nehmen, die von angeblich "Ewig-Gestrigen" und alten Exilanten in den westlichen Ländern vertreten wurden. Man nahm die osteuropäischen Dissidenten nicht ernst, wenn sie auf nationale Rechte pochten. Man hatte sich an das Blockdenken gewöhnt, hatte die Teilung Europas verinnerlicht, die Funktionäre des Neostalinismus als notwendige Partner akzeptiert.

Baltische, weißrussische oder ukrainische Exilvereinigungen, Parteien und Landsmannschaften wurden nicht selten belächelt, ihre Zeitschriften fanden über einen kleinen Kreis von Sympathisanten hinaus kaum Widerhall. Treffen und Kongresse von Exilgruppen der zweiten oder dritten Generation wurden von vielen als überlebte Heimattümelei abqualifiziert. Die meisten Parteien des Westens mieden in der Regel die Kontakte mit den letzten immer greiser werdenden Repräsentanten der 1940 von Stalin beseitigten baltischen Regierungen wie mit den Exilbewegungen überhaupt. Einerseits Kalter Krieg und strikter Antikommunismus, andererseits Arrangement mit den Erben Stalins - das waren die Gleise, in denen die offizielle Politik des Westens zu fahren pflegte. Die Dissidenten wurden der Fürsorge von Menschenrechtsgruppen überlassen oder bestenfalls mit hochdotierten Literaturpreisen bedacht, und die realsozialistischen Verhältnisse, zustandegekommen durch Angriffskrieg, genocidartige Verbrechen und permanente Unterdrückung, wurden zur politischen Normalität erklärt.

Nun muß Westeuropa, und nicht zuletzt die westeuropäische Linke, umdenken. Die verfolgten Dissidenten von gestern wurden zu gefeierten Repräsentanten des Wandels in ihrer Heimat, der demokratischen Erneuerung. Die Volksfronten stehen für kulturelles Selbstbewußtsein, ökologische Kritik und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die freie religiöse Betätigung, die Aufarbeitung und Bewältigung der stalinistischen Vergangenheit gegen Orthodoxie, Stagnation und Machterhaltung um jeden Preis für eine Funktionärskaste, die nicht zuletzt auch Verantwortung trägt für Genocid und chauvinistische Niederhaltung der nichtrussischen Nationalitäten.

Das nationale Anliegen dieser Völker nicht zu verstehen, ist "ein Problem des Westens", wie der litauische Schriftsteller Sigitas Geda sagt, der immer wieder auf die Mißverständnisse zwischen den ostmitteleuropäischen Völkern und dem Westen hinweist. Im Westen werden das Wiederaufleben nationalen Selbstbewußtseins und das Tempo der Erneuerungen oft mit Mißtrauen und einer beinahe Metternichschen Sorge um die Stabilität der durch den Hitler-Stalin-Pakt, Jalta und Potsdam festgelegten europäischen Teilungslinien angesehen. Denn die seit zwei Jahrzehnten geübte berechenbare Entspannungsdiplomatie wie die Politik der konventionellen und atomaren Abschreckung könnten ja durch die Veränderungen in Osteuropa überholt oder in Frage gestellt werden.

Dabei wird übersehen, daß ganz wesentliche Impulse zur Perestrojka heute nicht mehr von Moskau, sondern von den Volksfront- und Memorialbewegungen, also von "unten" kommen, daß also ein Scheitern, ein Abdrängen und Kriminalisieren dieser Bewegungen auch ein Ende des Miteinanders zwischen ihnen und den Reformkräften der KP, der Moskauer Zentrale und der Perestrojka überhaupt bedeuten könnte. Seitdem die Reformbewegung auch auf die mit 50 Millionen Einwohnern zweitgrößte Unionsrepublik, die Ukraine, übergegriffen hat, nach dem Sturz von Breschnews Statthalter Schtscherbitskij, fühlt sich die versteinerte Nomenklatura in ihren Grundfesten erschüttert. Die Volksfronten der von Stalin versklavten Völker sind von Zusammenschlüssen der Intelligenzija für mehr Demokratie und Offenheit zu echten Volksbewegungen geworden, weil sie ihren Kampf auf die Wurzel dessen richten, was Stalin unterdrückt und verfolgt hatte: die Freiheit des Wortes, nicht bloß als Freiheit der Meinung, sondern auch der eigenen Sprache, Kultur und Geschichte dieser europäischen Völker.

Die Zukunft wird zeigen, ob diese Bewegungen ihren befreienden Charakter durch ein tolerantes Miteinander der verschiedenen Völker bewahren oder ob Nationalitätenkonflikte wie etwa in Aserbaidschan, wo offene und blutige Pogrome gegen die Armenier festzustellen sind, das Bild bestimmen werden.

Ostpolen / Westweißrußland

Ost polen nach dem Hitler-Stalin-Pakt

Von Josef Darski .:: oben ::.

Das erste Opfer der geheimen Abmachungen zwischen Hitler und Stalin war Polen. Die polnisch-sowjetische Grenze, die am Ende des polnisch-sowjetischen Krieges geschaffen und im Frieden von Riga (18.3.1921) bestätigt wurde, verlief 200 bis 300 km östlich der Curzon-Linie: Vorwiegend weißrussisch und ukrainisch besiedelte Gebiete fielen an Polen. Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1.9.1939 marschierte die Rote Armee am 17.9. in Ostpolen ein unter dem Vorwand des Schutzes der weißrussischen und ukrainischen Bevölkerung, die der weißrussischen und ukrainischen Sowjetrepublik angeschlossen wird. Die folgenden Beiträge schildern das Schicksal der Polen, Weißrussen und Ukrainer unter Stalin und Hitler, aber auch in der Zwischenkriegszeit.

Westlich der in Riga am 18.3.1921 festgelegten Grenze, in den damaligen Ostgebieten Polens, die aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts von der Sowjetunion besetzt wurden, lebten etwa 5 Millionen Polen (37 % der Bevölkerung). Für die nationalen Minderheiten Polens, besonders Ukrainer und Weißrussen, waren die nationalen Rechte eingeschränkt; ihre politischen Organisationen richteten sich daher häufig gegen den polnischen Staat. Auf ärmere Weißrussen und Juden hatten prokommunistische Gruppen Einfluß; unter den Ukrainern dagegen waren, besonders nach der Kollektivierung in der Sowjetunion, national-demokratische und nationalistische Organisationen sehr stark.

Nach dem Ausbruch des Krieges gaben die Ukrainer im polnischen Sejm eine Loyalitätserklärung gegenüber dem polnischen Staat ab. Obgleich die Rote Armee, die am 17. September 1939 in Ostpolen einmarschierte, besonders die nichtpolnischen Soldaten zum Mord an ihren Offizieren und Staatsbeamten aufrief, erfüllten ukrainische und weißrussische Soldaten und Offiziere in der polnischen Armee ihre Pflicht. Die "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) widerrief den geplanten Aufstand gegen Polen in der Westukraine. Trotzdem kam es zu einzelnen Kämpfen zwischen polnischen und ukrainischen Truppen. In Lemberg/Lwow ;und Chodorow kämpfte die OUN gegen die Rote Armee. Rechtlich trat Polen nicht in den Krieg gegen die Sowjetunion ein; der polnische Oberbefehlshaber befahl den Truppen, Kämpfe gegen die Bolschewiki zu vermeiden und nach Ungarn und Rumänien zu entweichen.

Die polnische Regierung und der Generalstab überschritten am 17./18. September die rumänische Grenze; dadurch konnte sich die polnische Exilregierung bilden. Der polnischen Armee blieb der Rückzug nach Süden aber großenteils durch die Sowjets versperrt - nur 85.000 Soldaten gelangten nach Ungarn und Rumänien, 20.000 wurden getötet und verletzt. Polnische Truppen wurden entwaffnet, die Offiziere oft sofort erschossen. Von den von der Roten Armee gefangengenommenen 250.000 Soldaten wurden 46.000 freigelassen, 10.000 in deutsche Hände übergeben. 14.380 Offiziere und mindestens 157.000 Soldaten und Unteroffiziere wurden ermordet. Militärs und Staatsbeamte polnischer Nationalität wurden während ihres Rückzugs nach Süden häufig durch die nichtpolnische Bevölkerung angegriffen und getötet. Aber auch Juden waren in Gefahr.

Juden, Weißrussen und Ukrainer begrüßten die neuen Herrscher, doch war das oft nicht die spontane Aktion der Bevölkerung, sondern der lokalen kommunistischen Gruppen oder der sowjetischen Armee. Noch im Oktober 1939 organisierten die neuen Herrscher sogenannte Wahlen für die Nationalversammlung der Westukraine und des westlichen Weißrußland, um die eroberten Gebiete zu annektieren. Alle Einwohner, die am 1. November 1939 ständig in diesem Territorium wohnten, mußten die sowjetische Staatsangehörigkeit annehmen.

Die "Sowjetisierung" begann mit dem Aufruf zum Mord an den "Klassenfeinden" und zum Plündern der "Ausbeuter". Der größte Räuber war aber der kommunistische Staat selbst: Man requirierte und verschleppte alle Waren nach Osten, derer man habhaft werden konnte. Durch die Währungsreform konnten die Sowjets spottbillig einkaufen. Alle bisherigen Organisationen wurden aufgelöst und durch kommunistische Massenorganisationen ersetzt. Die politisch bewußten, aktiven und gebildeten Elemente der Gesellschaff waren mit Deportation in den Gulag oder mit Strafumsiedlung bedroht.

Man schätzt, daß ungefähr 1,7 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, von denen 50-60 Prozent Polen, 15 Prozent Ukrainer, 5 Prozent Weißrussen und ungefähr 30 Prozent Juden waren. Außerdem wurden 336.000 Flüchtlinge aus Westpolen deportiert. Im allgemeinen kamen die Männer in den Gulag, Frauen und Kinder in die Strafumsiedlung nach Sibirien, Zentralasien, Nordrußland und in den Kaukasus. Bis Oktober 1942 starben 420.000 deportierte polnische Bürger aller Nationalitäten. Nach der Amnestie vom August 1941 starben weitere 93.000 freigelassene Polen. 10.000 Soldaten waren schon 1941/42 in den Militärlagern in der UdSSR gestorben.

Es ist unmöglich, die Zahl der Opfer aller Nationalitäten von 1939-1945 festzustellen. In den Ostgebieten konnte jeder verhaftet werden. Die Okkupanten haben 250.000 Polen verhaftet, von denen 50.000 in den Gefängnissen während des Rückzugs im Juni/Juli 1941 ermordet wurden. Die Zahl der Opfer anderer Nationalitäten ist unbekannt. So wurde im Juni 1941 der Einmarsch der Hitler-Wehrmacht von der nicht-polnischen Bevölkerung als Befreiung und von den Polen als Erleichterung begrüßt. Während der deutschen Okkupation waren die Ostgebiete ein Ort der Anarchie und des gegenseitigen Blutbads. Im Wilna-Gebiet kämpften die polnische Heimat-Armee (AK) und das litauische Hilfskorps des General Plechavicius zusammen, die schließlich vom deutschen Oberkommando entwaffnet wurden. Obwohl in der polnischen Heimat-Armee einige tausend Weißrussen kämpften, kam es nie zu einer Verständigung zwischen der polnischen und weißrussischen politischen Führung. Der NKWD terrorisierte die Bevölkerung, vernichtete die Dörfer, die der Heimat-Armee geholfen hatten (besonders in Weißrußland) und griff die AK-Truppen an.

Die schwierigste Situation gab es in der Westukraine, besonders in Wolhynien. In den Jahren 1939-1944 versuchten die AK, die polnische geheime Administration und die "Ukrainische Aufständische Armee" (UPA) zu einer Verständigung zu kommen, jedoch ohne Erfolg: Die polnische Exilregierung wollte mit Unterstützung der polnischen Öffentlichkeit die Ostgebiete weiter halten, während die ukrainische politische Führung staatliche Unabhängigkeit forderte. Gegenseitiges Morden begann 1941 im Cholmer Land, im Frühjahr 1943 begingen ukrainische Truppen in Wolhynien Massenmorde an Polen. Inmitten des deutsch-sowjetischen Krieges entstand ein grausamer ukrainisch-polnischer Bürgerkrieg: In der Westukraine kämpfte die Heimatarmee häufig mit den NKWD-Partisanen gegen die deutschen Truppen und manchmal gegen die UPA, diese wiederum gegen NKWD-Partisanen, deutsche Truppen und die polnische AK und Zivilbevölkerung. Für Mord und Folter an der polnischen Zivilbevölkerung nahm die AK wiederum an ukrainischen Dörfern Rache und erschoß manchmal alle waffenfähigen Männer in den Orten, in denen die UPA stationiert war. Schätzungsweise 30.000-40.000 Polen wurden von Ukrainern ermordet, Tausende flohen nach Zentralpolen, die Heimatarmee wurde zum Rückzug aus Wolhynien gezwungen. Die Zahl der ukrainischen Opfer bleibt unbekannt.

Im Januar 1944 überschritt die Rote Armee die polnische Grenze von 1939. Die AK-Truppen, die sich am Kampf der Roten Armee gegen die Wehrmacht beteiligt hatten, wurden vom NKWD entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in den Gulag geschickt. Soldaten und Unteroffiziere, sofern sie das Geschick ihrer Kommandanten nicht teilten, wurden in die von Kommunisten kontrollierte polnische Armee eingegliedert. Deportiert wurden bis Dezember 1944 80.000 Polen aus dem Wilna- und dem Nowogrodek-Gebiet, bis Januar 1945 15.000 Polen aus Grodno und Bialystok. Verhaftet wurden: am 10.10.1944 21.000 Polen im Lubliner Gebiet, im Januar 1945 17.000 Polen im Lemberger Gebiet; die meisten wurden in den Gulag deportiert. Schätzungsweise wurden mindestens 200.000 Polen von 1944 bis 1946 aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten und Zentralpolen in den Gulag deportiert oder strafumgesiedelt; einige Soldaten der Heimat-Armee konnten 1947, andere 1956 nach Polen zurückkehren. Etwa zwei Millionen Polen aus den ehemaligen Ostgebieten wurden nach 1945 repatriiert.

Im Sommer 1987 wurden in Giby (Suwalkigebiet) Massengräber entdeckt. Dort ruht ein Teil der Opfer vom Juli 1945, als der NKWD in Nordpolen tausende Menschen verhaftete und tötete. Im August wurde das "Bürgerkomitee für die Suche nach Verschwundenen" gegründet, das bereits 700 der Getöteten identifizieren konnte. Es sind noch viele Giby in ganz Polen zu erwarten.

Josef Darski, 1952 in Polen geboren, lebte ab 1984 in Frankreich. Er ist Historiker und Publizist und war der polnischen Opposition verbunden.

Welt ohne Erbarmen

Die Opfer der Mythen von "Klasse" und "Rasse"

Von Gustav Herling .:: oben ::.

Nur Menschen, denen jede Menschlichkeit fremd ist, können die Wahrheit solcher Bücher, wie dieses von Gustav Herling, leugnen, denn, hätten sie irgendeine Menschlichkeit, würden sie die darin geschilderten Tatsachen nicht einfach abtun, sondern sich die Mühe machen, ihnen nachzugehen.
Bertrand Russell in seinem Vorwort zu "Welt ohne Erbarmen": 1953.

(...) Nach Polens Niederlage im September 1939 zog die jüdische Jugend aus den nördlichen Vororten Warschaus und den Judenvierteln der kleinen von den Deutschen besetzten Dörfer und Städte wie ein Vogelschwarm zum Bug und überließ die Älteren ihrem Schicksal, das sie dann in die deutschen Krematorien und Gaskammern führte. Sie hofften, im "Vaterland des Weltproletariats", das plötzlich so nahe an Warschau herangerückt war, Schutz und ein besseres Leben zu finden. In den Wintermonaten 1939/40 spielten sich am Ufer des Bug schauerliche Szenen ab, die aber nur das Vorspiel zu dem waren, was dann kam und Millionen von Polen fünf Jahre lang in Angst und Schrecken hielt.

Die Deutschen taten nichts, um die Flüchtenden zurückzuhalten, erteilten ihnen aber mit Schlägen eine praktische Unterweisung in ihrer Lehre vom "Rasse-Mythos"; auf dem jenseitigen Ufer des Bug jedoch stellten sich die russischen Hüter des "Klasse-Mythos" in ihren langen Pelzmänteln mit aufgepflanzten Bajonetten, Polizeihunden und Maschinengewehrsalven den in das "Gelobte Land" Flüchtenden entgegen. Von Dezember bis März kampierten die Juden in dem knapp zwei Kilometer weiten Niemandsland am Westufer des Bug; sie schliefen unter freiem Himmel, deckten sich mit roten Federbetten zu, zündeten des Nachts Feuer an oder klopften an die Türen der Bauernkaten in der Nähe und baten um Hilfe und Unterkunft. Auf den Bauernhöfen ringsum entstanden kleine Tauschmärkte - Kleidungsstücke, Juwelen und Dollars wurden für Lebensmittel und für Hilfe bei der Überquerung des Flusses gegeben.

Jede einzelne Bauernkate entlang der Grenze entwickelte sich zu einem Schmugglernest, und die Bevölkerung aus der Umgebung wurde schnell reich und segnete das unerwartete gute Geschick. Unzählige schattenhafte Gestalten drängten sich vor jeder Hütte, blickten durch die Fensterscheiben, klopften gegen das Glas und kehrten dann, enttäuscht und um eine Hoffnung ärmer, zu ihren Lagerfeuern zurück. Die meisten gaben es schließlich auf und gingen in das von den Deutschen besetzte Polen zurück. Dort wurden sie fast ausnahmslos in den nächsten fünf Jahren von den deutschen Konzentrationslagern Auschwitz, Maidanek, Belsen und Buchenwald verschlungen. Einige hielten jedoch standhaft aus, blieben am Flußufer und warteten auf eine Gelegenheit, hinüberzukommen. Manchmal gelang es einem; er lief dann drüben einige hundert Meter durch die verschneite Ebene, bis er, im grellen Strahl eines sowjetischen Scheinwerfers gefangen, von einer Maschinengewehrkugel getroffen, aufs Gesicht fiel. Dann erklang lautes Jammern und Wehklagen, Hände reckten sich wie züngelnde Flammen drohend zum Himmel, doch gleich darauf kehrte wieder Stille ein, und man wartete weiter.

In jenen Monaten ist es vielen Flüchtlingen geglückt, durch Lücken in der Demarkationslinie hindurchzuschlüpfen, und die einst polnischen, jetzt sowjetischen Städte Bialystock, Grodno, Kowel, Luck und Baranowicze waren plötzlich voll von jungen jüdischen Kommunisten, die trotz allem, was sie an der Grenze erlebt hatten, sehr bald wieder an ihre Träume von einem von rassischen Vorurteilen freien Lande, das sie hier gesucht hatten, glaubten.

Zunächst kümmerten sich die Russen nicht um sie, dann aber begannen sie Menschen zum "freiwilligen" Siedeln tief im Inneren Rußlands auszuheben, wobei sie die Juden vor die Wahl stellten: sowjetischer Paß oder Rückkehr in ihren Heimatort. Und da geschah das Erstaunliche, daß die gleichen Menschen, die noch vor ein paar Monaten ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, um in das gelobte Land zu gelangen, jetzt in Scharen in entgegengesetzter Richtung zurückströmten, in das Land der Pharaonen. Auch dem sahen die Russen gleichgültig zu, aber sie müssen sich doch diesen negativen Ausgang der Treueerprobung der Sowjetbürgerkandidaten gut gemerkt haben. Denn im Juni 1940, nach der Niederlage Frankreichs und dem Fall von Paris, setzten im russisch besetzen Polen die ersten Säuberungen ein, und in Hunderten von Güterzügen wurde das jüdische Lumpenproletariat aus den polnischen Dörfern in die Gefängnisse und Arbeitslager Rußlands transportiert.

In den Arbeitslagern wurden die Juden die erbittertsten Gegner des Sowjetkommunismus, die ihn viel kompromißloser haßten als die alten russischen Gefangenen oder die anderen Ausländer. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie einst ihre Liebe zu ihm übertrieben hatten, übertrieben sie jetzt ihren Haß. Zur Arbeit gingen sie nur, um nicht erschossen zu werden, aber im Wald setzten sie sich ans Feuer, wärmten sich und taten nur gerade so viel, daß sie die Verpflegungsstufe I erhielten. Abends wühlten sie dann in den Abfallhaufen, um ihren ewigen Hunger zu stillen. In dem strengen nördlichen Klima starben sie bald mit biblischen Flüchen auf den Lippen und mit den zornigen Blicken betrogener Propheten.

Gustav Herling, 1919 in Polen geboren, polnischer Widerstandskämpfer gegen deutsche Nazis und sowjetische Kommunisten, Angehöriger der polnischen Truppe der Alliierten, lebte nach der Befreiung in Italien und Großbritannien. Autor mehrerer Bücher. Aus: "Welt ohne Erbarmen"; von Gustav Herling, Rote Weissbücher, 9. Köln 1953.

Osteuropa

Unterdrücken, deportieren, auslöschen - die Weißrussen unter polnischem Regime, Stalinismus und Nationalsozialismus

Von Tilman Zülch, Johannes Vollmer .:: oben ::.

Die Benachteiligung des Weißrussischen hat Tradition in Polen. Bereits nach dem Zusammenschluss Polens und Litauens zu einem osteuropäischen Großreich wurde das Weißrussische 1696 als Amtssprache durch das Polnische ersetzt. Zuvor hatte es seit dem 14. Jahrhundert im litauischen Großfürstentum den Status einer offiziellen Sprache genossen. Nach den polnischen Teilungen von 1772, 1793 und 1795 fielen die weißrussischen Länder dem russischen Zarenreich zu. Die adlige Oberschicht bediente sich des Russischen. Russisch wurde Amtssprache, Weißrussisch blieb die Muttersprache der einfachen Leute. Im Zarenreich galten die Weißrussen als russischer "Stamm". Doch bereits im 19. Jahrhundert kam es zu einer kulturellen Bewegung der "weißrussischen Wiedergeburt", die Revolution von 1905 gab dieser weißrussischen Bewegung neuen Auftrieb.

Nach der Russischen Revolution von 1917 erklärte der auf dem "AlIweißrussischen Kongreß" gebildete "Rat der Weißrussischen Volksrepublik" in Minsk Weißrußland am 25. März 1918 zum unabhängigen Staat. Doch dieser wurde im Krieg zwischen dem neu entstandenen Polen und der Sowjetunion aufgeteilt. Der Westen wurde polnisch, im Osten entstand eine weißrussische Sowjetrepublik. Das wiederentstandene Polen orientierte sich zwar an dem polnischen Vielvölkerstaat von 1772 und schob seine Grenzen in litauisch, weißrussisch, ukrainisch und deutsch besiedelte Regionen vor. Die Staatskonzeption blieb chauvinistisch. Die "Minderheiten", die über ein Drittel der Bevölkerung ausmachten, wurden unterdrückt. Kaum ein anderer Staat Europas diskriminierte zwischen 1918 und 1933 die jüdische Minderheit so offen wie der polnische.

Die zeitgenössischen polnischen und weißrussischen Statistiken gehen weit auseinander, was die Zahl der weißrussischen Bürger Polens betrifft. Nach polnischen Regierungsangaben von 1921 waren allein 22 % der Gesamtbevölkerung der weißrussisch bewohnten Gebiete orthodoxe Polen; weißrussische Katholiken wurden ohnehin als Polen betrachtet. Nach der polnischen Statistik hätten 1921 1.001.879 Weißrussen in Polen gelebt, nach weißrussischen Angaben 2,5 Millionen. Obwohl in den Verträgen von Versailles (Art. 2) und Riga (Art. 7) und der Verfassung der polnischen Republik (Art. 111-116) den Weißrussen eine politische, kulturelle und wirtschaftliche Eigenentwicklung in Polen zugestanden worden war, wurden von den polnischen Behörden allein von den bei der Annektion vorgefundenen 400 weißrussischen Schulen bis zum März 1923 alle bis auf 37 geschlossen. Gleichzeitig waren dort 3.380 überwiegend in der Nachkriegszeit eingerichtete polnische Schulen eröffnet worden. 1925/26 war die Anzahl der weißrussischen Elementarschulen bereits auf 25 gefallen.

Auch die katholische Kirche Polens beteiligte sich an der Polonisierung der weißrussischen Bevölkerung. Die in Polen etwa eine Million Angehörige zählende weißrussische Kirche, die das Polnische als Kirchensprache benutzte, galt ohnehin als polnisch. Bestrebungen, das Weißrussische wiedereinzuführen, wurden von den polnischen Bischöfen unterdrückt. 1928 verbot Bischof Jaberzykowski von Wilna den weißrussischen Katholiken sogar die Zugehörigkeit zur Christlich-Demokratischen Weißrussischen Partei Polens sowie das Lesen ihres Organs "Bielaruskaja Krynica". In den weißrussischen Gemeinden wurden vornehmlich polnische Priester eingesetzt, die weißrussischen wurden in das polnische Sprachgebiet versetzt. Die orthodoxe Kirche war sowohl in den ukrainischen wie in den weißrussischen Gebieten im Zwischenkriegspolen schweren Verfolgungen ausgesetzt. Nach Angaben der Organisationen der beiden Minderheiten wurden 1.300 orthodoxe Kirchen in katholische umgewandelt, teilweise mit Blutvergießen. Schließlich sollte auch die polnische Militärkolonisation im polnischen Teil Weißrußlands das Weißrussentum weiter schwächen.

Als Kolonisationsobjekte wurden ehemalige Ländereien des Zarenreiches sowie Land genutzt, das früher Klöstern und Kirchen gehört hatte. Sehr selten wurde auch polnischer Großgrundbesitz aufgeteilt, obwohl nach der amtlichen polnischen Statistik in Westweißrußland 88 % des Großgrundbesitzes auf Polen und nur 1,4 % auf Weißrussen entfiel. Durch die Ansiedlung polnischer Bauern wurde die Polonisierung weiter vorangetrieben. Auch die Verwaltung der weißrussischen Gebiete lag fast ausschließlich in Händen polnischer Beamter, die aus dem polnischen Sprachgebiet hierher versetzt wurden.

Bis heute wird ernsthaft von manchen sowjetischen Historikern und Publizisten der sowjetische Einmarsch in Ostpolen mit dem Schutz Westweißrußlands und der Westukraine begründet. Dabei hatte Molotow damals dem deutschen Botschafter Graf von der Schulenburg in aller Offenheit erklärt, mit der Begründung, die Sowjetunion müsse den "von Deutschland 'bedrohten Ukrainern und Weißrussen zu Hilfe kommen", sollte "den Massen das Eingreifen der Sowjetunion plausibel gemacht und gleichzeitig vermieden werden, daß (die) Sowjetunion als Angreifer erscheint".

Weil der deutsche Entwurf eines gemeinsamen Kommuniques anläßlich des sowjetischen Einmarsches am 17.9.1939 "den Tatbestand mit allzu großer Offenheit darlege", wurde er von Stalin zurückgewiesen, der selbst einen neuen Entwurf anfertigte. Tatsächlich wußte dann auch die okkupierte Bevölkerung in den ersten Tagen nach dem Einmarsch nicht, ob sie die Sowjetarmee als Unterstützung im Kampf gegen Deutschland bzw. als Schutzmacht gegen die Deutschen oder aber als Besatzer anzusehen hatte; den Anschein von Hilfe zu erwecken, war aber von sowjetischer Seite eben beabsichtigt.

Offensichtlich wurde das Interesse der Sowjetunion dann durch die Scheinwahlen vom Oktober 1939, die den Anschluß Westweißrußlands an die Weißrussische SSR herbeiführten, offensichtlich aber auch durch die bald zahlreichen Verhaftungen und seit Februar 1940 beginnenden Massendeportationen von "Volksfeinden", die aus den neu eroberten Gebieten zu Vernichtungsstätten wie Kuropaty in Zentralweißrußland gebracht wurden. Sprecher neuer weißrussischer Bewegungen werfen Stalin heute Völkermördverbrechen am weißrussischen Volk vor.

Der nationalsozialistische Krieg gegen die Sowjetunion war von allem Anfang an keine militärische Auseinandersetzung, bei der es, wie im Westen, um den Sieg über die feindlichen Armeen ging. Es war ein Ausrottungs- und Eroberungskrieg der "überlegenen" arischen Herrenrasse gegen die "minderwertige" slawische Rasse des Ostens, der als Kolonialgebiet auszubeuten war - und es war ein Weltanschauungskampf gegen den "Bolschewismus".

Der Vormarsch der Heeresgruppe Mitte durch Weißrußland von Brest über Baranovice, Minsk, Witebsk, Smolensk, Mogilew, Orscha bis vor Moskau war begleitet von Todeslagern und Massengräbern. In dem im August 1941 errichteten Kriegsgefangenenlager Nr. 337 bei Baranovice wurden 88.407 Menschen ermordet: zuerst durch Erfrierung, Verhungern und Erschießung bei Schwäche, ab 1942/43 durch Gaswagen. Allein in einem der in Witebsk errichteten fünf KZs wurden von Exekutionskommandos in der ersten Woche 60.000 Gefangene erschossen.

Beim Rückzug sollte durch "verbrannte Erde" alles für die Bevölkerung Lebenswichtige zerstört werden: Industrieanlagen, Wohnhäuser und Transportmittel, Ernte und Vorräte. Die Zerstörungsgewalt, die dieser Vernichtungskrieg innerhalb von drei Jahren zeigte, vermittelt eine Ahnung davon, welche langfristige Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik den Völkern im Falle eines Sieges Nazideutschlands bevorgestanden hätte. "Den osteuropäischen Völ.kern sollte nicht nur die eigene Staatlichkeit vorenthalten werden; sie sollten auch ihrer geistigen Führungsschicht beraubt, durch Exekution, Vertreibung, inhumane Gesundheitspolitik, durch "Auslaugung", d.h. Raub der "rassisch wertvollen" Menschen, dezimiert, durch eine destruktive Schulpolitik in einem geistigen Dämmerzustand gehalten, alles in allem zu einem niederen Helotendasein herabgedrückt werden".

Der "Generalplan Ost" des SS-Reichssicherheitshauptamtes von 1941, den Himmler hatte ausarbeiten lassen, sah für Weißrußland vor, daß 75 % seiner Bevölkerung "ausgesiedelt" und 25 % "eingedeutscht" werden sollte. Die Pläne zur Ausbeutung der besetzten Gebiete, denen Hitler zustimmte, waren die des Henkers Himmler. In seiner Rede vor SS-Gruppenführern in Posen am 4.10.1943 sagte Himmler: "Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Völker im Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht". Dies war das Schicksal, das der Bevölkerung Weißrußlands und den anderen slawischen Völkern zugedacht war (siehe Dokument über "Generalplan Ost").

Jüdische Minderheiten - Die Vernichtung
Am 22. Juni 1941 überschritten die Truppen der Deutschen Wehrmacht die sowjetisch-deutsche Teilungslinie in Polen. Schon bald nach dem deutschen Einmarsch begannen speziell ausgebildete Mordkommandos der SS, die sogenannten "Einsatzgruppen", mit der systematischen Ausrottung der Juden in den Städten und Dörfern des ehemaligen Ostpolen. Die jüdische Bevölkerung wurde auch hier, wie im übrigen Europa, nicht einmal als Sklavenvolk von Zwangsarbeitern betrachtet, sondern sollte kollektiv ausgelöscht werden.

In dieser im Norden mehrheitlich weißrussisch, im Süden vornehmlich ukrainisch bewohnten Region hatten die sowjetischen Okkupationstruppen 1939 eine jüdische Volksgruppe von 1,3 Millionen Menschen vorgefunden. Weitere etwa 250.000 Juden waren noch vor der Schließung der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie vom westlichen in das östliche Polen geflüchtet.

Die jüdische Bevölkerung stellte in vielen ostpolnischen Städten erhebliche Teile der Bevölkerung, so z.B. in Wilna 28%, in Grodno 42%, in Brest-Litowsk 52%, in Kowel 61 %, in Pinsk 75%, in Przemysl 34%, in Tarnopol 44% und in Lemberg 33%. Allein die ostgalizische Stadt Lemberg hatte bei der polnischen Volkszählung von 1931 99.600 jüdische Einwohner.

Unter den Hunderttausenden von Stalin in sibirische Arbeitslager deportierten Bewohnern Ostpolens befanden sich auch zehntausende Angehörige der jüdischen Volksgruppe. Nach der Schließung der im Hitler-Stalin-Pakt definierten Demarkationslinie wurden Juden aus dem Machtbereich Hitlers mit Gewalt an der Flucht nach Ostpolen gehindert und zurückgejagt. In dem im Juni 1940 von sowjetischen Truppen besetzten Bessarabien verbot man zunächst alle jüdischen Institutionen, und am 13. Juni 1941 wurden viele der jüdischen Führer und besonders wohlhabende Juden nach Sibirien verschleppt, wo viele von ihnen ums Leben kamen. Nach der sowjetischen Annektion der baltischen Länder wurden auch Angehörige der jüdischen Minderheiten, wie die Balten, von den stalinistischen Deportationswellen erfaßt. Allein aus Estland wurden 500 geistliche Führer nach Sibirien verschleppt, dazu kamen zahlreiche sogenannte "kapitalistische" Juden. Nur wenige kehrten aus den sibirischen Lagern zurück.

Nach dem Rückzug der Roten Armee ermordete die SS unter dem Schirm der deutschen Truppen in Massenexekutionen an Ort und Stelle die jüdische Bevölkerung. Juden, derer man habhaft werden konnte, sollten vernichtet werden. "Keine Familie sollte verschont werden. Auch sollten keinerlei Energien darauf verschwendet werden, Ghettos einzurichten und Juden über weite Strecken in Lager oder zu Erschießungsplätzen zu transportieren. Die Ermordungen sollten in den jeweiligen Städten und Dörfern im Augenblick des militärischen Sieges durchgeführt werden." Jeder SS-Einsatzgruppe wurde ein bestimmtes Gebiet zugewiesen. "So war die Einsatzgruppe A für die Vernichtung der Juden in den baltischen Ländern zuständig, während die Einsatzgruppe D in der Ukraine (...) tätig werden sollte."

Nach der Wannsee-Konferenz (20.1.1942) errichteten die Nazis die Vernichtungslager Belsec, Treblinka und Sobibor. Schon wenige Stunden nach ihrem Eintreffen wurden die jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die das Wüten der SS-Kommandos überlebt hatten, in diesen Todeslagern vernichtet. "Während die SS damit fortfuhr, Juden in Todes- und Arbeitslager zu deportieren, setzten die Juden selbst ihre Versuche fort, in Wälder und Gehölze zu fliehen." Widerstandsaktionen einzelner jüdischer Partisanengruppen, die sich auch in verschiedenen Regionen des Baltikums und Ostpolens bildeten, wurden vor allem dadurch erschwert oder unmöglich gemacht, daß die jüdischen Minderheiten unbewaffnet waren und "umgeben von einer extrem feindseligen Landbevölkerung, von der sie bisweilen schon angegriffen wurden, noch ehe die Mordkommandos eintrafen."

So wurde in vielen Städten und Dörfern Litauens die Massenvernichtung der jüdischen Minderheiten durchgeführt, bevor die nationalsozialistischen Einsatz- oder Deportationskommandos eingetroffen waren. In Lettland hatten einheimische Faschisten, die lettische Polizei und Ordnungsdienste auf eigene Faust und ohne deutsche Befehle Tausende jüdische Kinder, Frauen und Männer hingerichtet. Abertausende Letten und Litauer, unter ihnen Geistliche und Intellektuelle, waren Zeugen der Judenmorde und schwiegen dazu. Die Deutschen hatten ferner über 200.000 Juden aus Westeuropa zur Vernichtung nach Lettland deportiert.

Zahlreiche Letten, Litauer und Esten, Ukrainer und Polen stellten Teile des Personals der Vernichtungslager. Die polnische ("blaue") Polizei leistete der SS nicht nur "Hilfsdienste wie in anderen besetzten Ländern auch, sondern ging von sich aus auf die Jagd und veranstaltete in eigener Regie Judenexekutionen." In Polen konnten die Nationalsozialisten nicht nur auf das Stillhalten einer terrorisierten Bevölkerung zählen, sondern auch auf die Komplizenschaft großer Bevölkerungsteile", schrieb der französisch-jüdische Autor Marc Hillel 1985 in seinem Buch "Le massacre des survivants en Pologne 1945-47".

In Ostgalizien fielen häufig ukrainische Bauern über die Juden her und ermordeten Hunderte von ihnen, noch ehe die deutschen Mordkommandos eintrafen. Nach der Wiederbesetzung Bessarabiens durch die Deutschen im Juli 1941 ließ die rumänische Regierung die Juden ins ukrainische, von Rumänen besetzte Transinistrien deportieren. 148.000 Menschen erfroren, verhungerten, starben an Krankheiten oder fielen den Brutalitäten ihrer rumänischen und deutschen Bewacher zum Opfer. Rumänische Faschisten hatten im Juli und August 1941 in der ganzen Provinz Vernichtungslager eingerichtet und Tausende von Juden ermordet.

Die Mittäterschaft von Angehörigen jener Völker, die selbst Opfer Stalins und Hitlers waren, an der Judenverfolgung vermindert die Schuld des nationalsozialistischen Deutschland am Holocaust keineswegs, doch auch die nicht-deutsche Verantwortung für diesen Völkermord sollte nicht länger der Tabuisierung anheimfallen. Auch diese Völker dürfen nicht nur das eigene Leid, sie müssen auch die eigene Schuld öffentlichmachen. Eine echte Versöhnung der Völker und Volksgruppen Europas dürfte sonst kaum möglich sein.

Die überlebende jüdische Bevölkerung dieser Regionen verließ den europäischen Kontinent, sofern sie konnte. Sie ging nach Amerika oder Palästina. In Polen setzte noch einmal zwischen 1945 und 1948 eine panische Fluchtwelle der überlebenden etwa 250.000 Juden ein, nachdem bei verschiedenen Pogromen erneut 1.500 Juden von Polen ermordet worden waren.

Es gab nicht nur Opfer
Ein Teil der Bevölkerung aus den von Hitler großzügig Stalin überlassenen Ländern und Landesteilen verstand sich in dieser Zeit nicht ausschließlich als Opfer: So hatten einheimische Kommunisten in Lettland, Litauen, Ostpolen oder Bessarabien 1939/40 sehr schnell mit den neuen Machthabern paktiert und es war den Sowjetischen Behörden in Ostpolen und Bessarabien geglückt, verschiedene Nationalitäten gegeneinander auszuspielen. So nutzten baltische und ukrainische Chauvinisten die Kollaboration einzelner jüdischer Kommunisten mit Stalin als perverse Legitimation für ihre Unterstützung des nationalsozialistischen Holocausts.

Diese Zusammenarbeit von Angehörigen der betroffenen Völker sowohl mit Stalin als auch mit Hitler schwächte den Widerstand. "Schon ein Sandkorn blockierte das Wunderwerk der scheinbar perfekten Vernichtungsmaschinerie", beschreibt der französische Philosoph Andre Glucksmann den Widerstand gegen den Holocaust in Bulgarien und Dänemark. Hier scheiterten alle Völkermordpläne der Nazis an der Gegenwehr dänischer und bulgarischer Regierungsstellen, Parteien und Berufsgruppen. Hätte die Solidarität der von Stalin und Hitler bedrohten Völker Osteuropas wenn schon nicht die Unterwerfung verhindern, so doch die Ausmaße der Deportationen, der "Klassen"-, "Rassen"- und Völkermorde der Jahre 1939-53 vermindern können?

Doch die Schergen Hitlers und Stalins hatten in vielen Ländern Osteuropas keine Schwierigkeiten, Sympathisanten, Helfershelfer und Kollaborateure zu rekrutieren. Kroatische Ustaschas, slowenische Heimwehren, tschechische Kollaborateure, polnische Blaue Polizisten, bosnische, ukrainische und baltische SS einerseits und, wie gesagt, einheimische Kommunisten andererseits. In vielen nationalsozialistischen Vernichtungslagern dienten Osteuropäer der Tötungsmaschinerie. Einheimische Kommunisten waren an der Vorbereitung stalinistischer Deportationen beteiligt.

Schon die Entstehung der osteuropäischen Staaten nach dem 1. Weltkrieg aus den drei Kaiserreichen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland stand nicht nur unter dem Zeichen des Selbstbestimmungsrechtes symbolisiert durch die 14 Punkte Wilsons. Die Siegermächte sahen zu, wie entgegen hehren Prinzipien 6 Millionen Ukrainer Polen, 2 Millionen Ungarn Rumänien, 3 Millionen Sudetendeutsche der Tschechoslowakei zugeschlagen und die Gebiete vieler anderer Volksgruppen annektiert wurden und nahmen in Kauf, daß das Selbstbestimmungsrecht der Slowaken, Kroaten, Slowenen oder Ukrainer- sei es als regionale Autonomie, sei es als Eigenstaatlichkeit - mißachtet wurde.

Getreu der Befürchtung Grillparzers über den aufkommenden Nationalismus der k.u.k.-Nationalitäten des alten Österreich "von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität" begannen die Armeen der neu entstandenen Nationen nach dem Ersten Weltkrieg, kaum aufgestellt, schon mit Raubzügen gegen Nachbarstaaten. Litauen brach ins internationalisierte ostpreußische Memelland ein, Polens Armee besetzte die litauische Hauptstadt Wilna und trug wie auch die "Weiße" und "Rote" Armee zur Zerstörung der neu entstandenen ukrainischen Republik bei.

Polen schließlich beteiligte sich noch im Jahr vor dem deutschen Überfall an der Hitlerschen Aufteilung der Tschechoslowakei, marschierte ins tschechoslowakische Olsagebiet ein. In dieser ethnisch gemischten Region führte die polnische Regierung eine makabre "Volksgruppenpolitik" gegenüber den Polnischstämmigen ein, die der späteren NS-Politik gegenüber Deutschstämmigen in Polen entsprach. Nationalitätenstaaten wie Polen, Rumänien oder die CSR, deren Bevölkerung zur Hälfte oder einem guten Drittel nicht zu den Staatsvölkern gehörte, gaben sich als Nationalstaaten.

Minderheitenschutz verlangte man in der Regel für die eigene Ethnie beim Nachbarn, versagte sie aber den Minderheiten daheim. Die übergreifende europäische Bewegung der nationalen Minderheiten - in den 20er Jahren zusammengeschlossen im Europäischen Nationalitätenkongreß - scheiterte letztlich an diesen Widersprüchen. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und der einsetzenden Instrumentalisierung der deutschen Minderheiten vom Baltikum bis Rumänien und der Etablierung autoritärer bis faschistoider Regime in allen Staaten Osteuropas mit Ausnahme der Tschechoslowakei war die Entwicklung über die europäische Minderheitenbewegung hinweggegangen. Ein einziger Staat Osteuropas, Estland, hatte eine vorbildliche Nationalitätenregelung geschaffen - alle anderen hatten dabei versagt, ein erträgliches Miteinander zu realisieren. Stalin und Hitler sahen sich also einem Osteuropa gegenüber, das denkbar schlecht auf die beiden Imperialismen vorbereitet war.

In den 50 Jahren seit der gemeinsamen Unterdrückung der Völker durch den Stalinismus sollten alle gelernt haben. Als sich im Frühjahr 1989 die Nomenklatura gegen die Konstituierung der neuen weißrussischen Volksfront zur Wehr setzte und diese aus Minsk in das benachbarte Wilna floh, um dort ihre Gründung vorzunehmen, zeigte sich der "neue Geist". Die baltischen, ukrainischen und weißrussischen Volksfronten treten heute dezidiert für die Rechte der in ihren Ländern lebenden Minderheiten ein. Nach neueren Umfragen billigen inzwischen in Lettland sogar zwei Drittel der eingewanderten russischen Einwohner die Politik der lettischen Volksfront, während die sogenannten Interfronten zu Organen der jeweils regionalen Nomenklatura geworden sind. Erste Anzeichen der Vernunft zur Nationalitätenfrage zeigen sich auch in Polen. So fordert die neue polnische Regierung nicht nur die kulturelle Autonomie für die polnische Gemeinschaft in Litauen. Noch vor dem letzten Regierungswechsel hatten polnische Regierungsstellen und der Kardinal und Primas von Polen Jozef Glemp erklärt, in Polen gäbe es keine Deutschen mehr. Inzwischen werden dort jetzt zaghaft erste deutsche Minderheitenvertretungen zugelassen.

Die Staaten Westeuropas sind in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch die Gründung der EG, auch in der Nationalitätenfrage aufeinander zugegangen. Von der dänischen Minderheit im deutschen Südschleswig und der deutschen im dänischen Nordschleswig bis zu den Autonomiemodellen der Südtiroler in Norditalien, für Katalonien und das Baskenland in Spanien oder die Sprachen rechte für die Waliser in Großbritannien sind eine Reihe westeuropäischer Nationalitätenprobleme inzwischen relativ befriedigend gelöst worden. In der Föderation europäischer Volksgruppen (FUEV) in Flensburg arbeiten seit .1989 erstmals auch Minderheitenvereinigungen aus Ungarn mit. Im "Europäischen Büro für kleinere Sprachen" haben sich alle Sprachminderheiten der EU zusammengeschlossen. Nur in dem entstehenden gemeinsamen Haus Europa, dessen Kernzelle die Europäische Gemeinschaft sein könnte, wären alle kleineren Völker, Nationalitäten und Minderheiten West- wie Osteuropas dazu in der Lage, durch intensive Zusammenarbeit ihre Rechte endlich durchzusetzen.

Johannes Vollmer, geboren 1950, Journalist, war langjähriger Europareferent der GfbV und Mitarbeiter der Zeitschrift "pogrom". Aus: "Aufstand der Opfer - Verratene Völker zwischen Hitler und Stalin", Hg. Johannes Vollmer/Tilman Zülch; Göttingen 1989, Taschenbuchreihe "pogrom".


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/eu-min/zuelch.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/zuelch1.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/zuelch2.html | www.gfbv.it/3dossier/war/gutman-rieff.html | www.gfbv.it/3dossier/rom-dt.html

* www: www.gfbv.de | www.crimesofwar.org | http://www.shoah.de/shoah/index1.html | http://www.hagalil.com/

Letzte Aktual.: 11.12.2003 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/eu-min/zuelch-voll.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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