Offener
Brief an die Deutsche Shell AG, z.Hd. Shell-Sprecher Rainer Winzenried
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mit Befremden haben wir Ihren Rechtfertigungsversuch der Bespitzelung unserer Menschenrechtsorganisation registriert. Medien hatten in den letzten Tagen berichtet, Shell habe die GfbV zwischen April und Dezember 1996 über die britische Wirtschaftsdetektei Hakluyt durch den deutschen Filmemacher Manfred Schlickenrieder ausspionieren lassen. Gegenüber der heutigen Ausgabe des Göttinger Tageblattes rechtfertigen Sie erstmals die Spitzelei mit "Drohungen gegen 200 Shell-Stationen, 50 wurden beschädigt, eine brannte gar ab." Wir sind empört, dass Sie Menschenrechtler in die Nähe von Gewalttätern rücken. Bei unseren friedlichen Protesten wurde keine Ihrer Tankstellen beschädigt oder blockiert. Während der von der Polizei genehmigten Mahnwachen verteilten wir an Ihre Kunden Hintergrundinformationen über die Mitverantwortung Ihres Unternehmens für die schweren Menschenrechtsverletzungen in den ölfördergebieten Nigerias. Fast alle Tankstellen-Pächter zeigten Verständnis für den Protest, viele schlossen sich ihm an. Mehrere Zehntausend Kunden Ihres Unternehmens äußerten schriftlich ihren Protest.
Während der Filmemacher uns ausspionierte, luden Sie die vermeintlichen "Gewalttäter" aus Göttingen zum Dialog mit "führenden internationalen Shell Repräsentanten" am 30.7.1996 nach Hamburg ein (Schreiben Ihrer Mitarbeiterin, Frau Dr. Dammann vom 9.7.1996). Es war der Beginn eines längeren internationalen Dialogs mit Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, um ethische Prinzipien für das Wirtschaften Ihres Konzerns zu entwickeln, wie uns versichert wurde. Dialogbereitschaft vortäuschen und gleichzeitig Kritiker ausspionieren, ist das Ihr Verständnis des verantwortlichen Wirkens ihres Großunternehmens in einer demokratischen Gesellschaft ?
Ihr Rechtfertigungsversuch
der Spitzelei ist beschämend und markiert einen Tiefpunkt der demokratischen
Streitkultur in diesem Land. Es ist ein Armutszeugnis für Ihren Konzern,
wenn Sie friedlich protestierende Menschenrechtler in die Nähe von
Gewalttätern rücken. Für
Ihr Engagement in Menschenrechtsfragen ist es eine Bankrotterklärung.
In der jüngsten Ausgabe des US-Nachrichtenmagazins Newsweek veröffentlichte
Shell eine zweiseitige Anzeige, in der der Einsatz des Konzerns für
Menschenrechte betont wird. Stoppen Sie diese Anzeigenkampagne, Sie ernten
ohnehin nur Gelächter, wenn Ihr Konzern noch nicht einmal die selbstverständlichsten
Regeln des Dialogs in einer demokratischen Gesellschaft respektiert. Nachdrücklich
fordern wir die Deutsche Shell AG auf, sich für die Bespitzelung förmlich
zu entschuldigen.
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Eine
Publikation der Gesellschaft für bedrohte Völker. Weiterverbreitung
bei Nennung der Quelle erwünscht
Una
pubblicazione dell'Associazione per i popoli minacciati. Si prega di citare
la fonte.
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URL: www.gfbv.it/2c-stampa/01-2/010706de.html
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