Drei deutsche Entwicklungshelfer sind aus einer indianischen Siedlung im kolumbianischen Departement Cauca von der linksgerichteten Guerilla-Bewegung FARC entführt worden!
Zum Hintergrund: Das Verhältnis der Guerilla zu den indianischen Gemeinschaften in Kolumbien!
GfbV Logo
Bozen, Göttingen, 23.7.2001


Teil U'wa Territoriums in Kolumbien Der Landkreis Silvia, in dem sich die drei verschleppten deutschen Entwicklungshelfer aufhielten, liegt im Departement Cauca in der bis heute schwer zugänglichen Bergregion "Tierradentro". Dort gab es schon in den 1960-er Jahren Landrechtskonflikte zwischen Guambiano- sowie Paeces-Indianern und Großgrundbesitzern sowie Viehzüchtern. Dieser "klassische" Konflikt veranlasste die Guerilla-Bewegung "Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens" (FARC), ihre Aktivitäten in dieses auch geographisch für sie ideale Terrain auszudehnen. In den 1970-er und 1980-er Jahren kamen andere Guerrilla-Gruppierungen hinzu, so dass im Departement Cauca jede Guerilla-Fraktion mit mindestens einer Gruppe präsent war und ist.

Trotz Genozid in früheren Jahrhunderten und trotz fortwährender Benachteiligung bis hin zur Unterdrückung setzen die Ureinwohner im Cauca bis heute nicht auf den bewaffneten Kampf. Sie betonen, dass sie ausschließlich politische Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen wollen. Trotzdem spitzte sich die Situation für sie in den vergangenen drei Jahrzehnten dramatisch zu: Der Krieg zwischen Guerilla und Staatsmacht droht die indianischen Gemeinschaften zu zerreiben.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat nicht nur die kolumbianische Regierung immer wieder aufgefordert, die Indianer zu schützen. Mit offenen Briefen und Presseerklärungen hat die GfbV auch mehrfach gegen Verbrechen der FARC an Ureinwohnern protestiert - zuletzt Ende Juni 2001, als der hoch angesehene Repräsentant der Ureinwohner im Cauca, Cristobal Secue, ermordet worden war

Die FARC - in ihren Anfängen von 1954 eine kleinbäuerliche Aufstandsbewegung – hat sich weit von denjenigen entfernt, für die sie zu kämpfen vorgibt. Inzwischen protestieren die indianischen Gemeinschaften offen gegen die immer brutaleren Methoden der Guerilla, die vor Morden an Indianerführern und Dorfrepräsentanten nicht zurückschreckt und sogar Minderjährige zwangsrekrutiert. Die lokalen FARC-Kommandanten setzen sich über die Autonomie der Indianer hinweg und verhindern oder verbieten in ihren Operationsgebieten Dorf-Versammlungen der Ureinwohner, folgen den Anordnungen der indianischen Bürgermeister (Gobernador) und Dorfräte (Cabildo) nicht und schränken darüber hinaus aus militärtaktischen Gründen die Bewegungsfreiheit ein. An manchen Tagen dürfen die Ureinwohner nicht einmal ihre Felder bestellen. Die Guerilleros konfiszieren Lebensmittel und Medikamente und verhinderten in früheren Jahren selbst politische Aktionen der Ureinwohner. So durften die Indianer Ländereien nicht besetzen, weil die FARC um ihr von Großgrundbesitzern erpresstes Schutzgeld fürchtete. Unter wirtschaftlichen Einbußen haben die Indianer heute zu leiden: Der für Touristen früher höchst attraktive Markt mit indianischem (Kunst-) Handwerk in der Gemeinde Silvia ist inzwischen zusammengebrochen.

Seit den 1980er Jahren hat es die regionale Dachorganisation der Ureinwohner des Cauca CRIC (Consejo Regional Indígena del Cauca) mehrfach versucht, mit örtlichen FARC-Kommandanten ein Rahmenabkommen über die Respektierung der Autonomierechte zu erzielen. Das Abschlussdokument der Versammlung der Cabildos von Vitoncó 1984 benannte zum ersten Mal öffentlich den Interessenkonflikt zwischen Ureinwohnern des Departements und vor allem der 6. Front der FARC-Guerrilla. Alle Kongresse des CRIC in späteren Jahren haben zwar wiederholt die Autonomie gegenüber den bewaffneten Akteuren hervorgehoben. Doch die Abmachungen wurden so oft gebrochen, wie sie geschlossen wurden. Als Ergänzung zu den Friedensverhandlungen zwischen kolumbianischer Regierung und FARC-Guerrilla in El Caguán hob der CRIC 1999 das Projekt eines entmilitarisierten Territoriums aus der Taufe, auf dem die Zivilgesellschaft über friedliche Formen der Veränderung und zivile Strukturen der zukünftigen Gesellschaft Kolumbiens nachdenken sollten. Die Ureinwohner im Cauca stellten dafür die Reservation "La María" in der Nähe des Städtchens Piendamó direkt an der Panamericana zwischen Cali und Popayán zur Verfügung.

Zahlen Daten Fakten: In Kolumbien gibt es etwa 700.000 Ureinwohner ( zwei Prozent der Bevölkerung), verteilt auf 84 Völker mit 64 Sprachen. Sie leben in 27 von 32 Departments. Im Einzugsbereich des Amazonas und den Savannengebieten leben 56 Völker. Die Departments mit den meisten Angehörigen indianischer Bevölkerung sind La Guajira, Nariño und Cauca. Die höchsten prozentualen Anteile weisen die Departments Guainía (98,7%), Vichada (90,5%), Vaupés (51,7%), La Guajira (37,8%) und Amazonas (30,3%) auf.

Im Departement Cauca (etwa eine Million Einwohner mit 150.000 bis 200.000 Angehörigen indigener Gemeinschaften) bilden Ureinwohner in einzelnen Landkreisen (Municipio) die Mehrheit; z.B. in Jambaló, Belalcázar, Toribío, Puracé und Totoró. Vor allem in der Bergregion "Tierradentro" im Cauca reicht ihr Bevölkerungsanteil auf bis zu 98 Prozent. Im Landkreis Silvia leben überwiegend Páeces (Eigenname Nasa) und Guambianos. Auch der derzeitige Gouverneur des Cauca, Floro Tunubalá ist ein Guambiano.

Siehe auch www.gfbv.it/2c-stampa/01-2/010627de.html
 

INDEX
HOME
Suchmaschine
Eine Publikation der Gesellschaft für bedrohte Völker. Weiterverbreitung bei Nennung der Quelle erwünscht 
Una pubblicazione dell'Associazione per i popoli minacciati. Si prega di citare la fonte.
URL: www.gfbv.it/2c-stampa/01-2/010723de.html
WebDesign & Info @ M. di Vieste