Türkei:
Wintereinbruch
verschärft kurdisches Flüchtlingselend |
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Bozen, Luxemburg,
Göttingen, 10.1.2002
Der Wintereinbruch im Südosten
der Türkei verschärft das Elend der kurdischen Flüchtlinge
dramatisch. Darauf hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International
(GfbV) nach Gesprächen mit kurdischen Vertriebenenverbänden und
Stadtverwaltungen in Türkisch-Kurdistan am Donnerstag hingewiesen.
"Für die meisten der rund 1,5 Millionen kurdischen Vertriebenen, die
in Elendsquartieren am Rande der Kurdenstädte Diyarbakir, Batman,
Gaziantep, Siirt, Hakkari, Van und Mardin hausen, sind lebensrettende Medikamente
gegen sich rasch ausbreitende Erkältungskrankheiten und Lungenentzündung
unerschwinglich", warnte der Präsident der GfbV International, Tilman
Zülch, in Göttingen. Kranke, Alte und Kleinkinder seien jetzt
besonders gefährdet. Ohne schnelle Hilfe werde die Zahl der Todesfälle
in den kommenden Wochen rasch ansteigen. Die Temperaturen sind in diesem
Jahr überall in Anatolien besonders niedrig.
In den Flüchtlingsquartieren
grassierten Infektionskrankheiten. In der Regel wohnten mindestens fünf
Personen in einem Zimmer, einem Zelt oder in einer Wellblechhütte
zusammen, berichtete Zülch. Da es viel zu wenig Heizmaterial gebe,
müssten sich zwei bis drei Familien einen Ofen teilen. Nur ein Drittel
der Flüchtlinge habe eine abgeschlossene Kochgelegenheit, drei Viertel
verfügten über Gemeinschaftstoiletten außerhalb ihrer Unterkünfte.
Nur eine Minderheit habe direkten Zugang zu Trinkwasser.
Zwei Drittel der Vertriebenen
seien arbeitslos. Gelegenheits- und Hilfsarbeiten wie auf dem Bau, in der
Landwirtschaft oder im Kleinhandel auf den Straßen seien durch den
Wintereinbruch jetzt auch nicht mehr möglich. Ohnehin habe die Halbierung
des Lebensstandards in der Türkei die Flüchtlingsbevölkerung
besonders getroffen. Die Verteilung von Brot und anderen Nahrungsmitteln
durch die Stadtverwaltungen werde zum Teil von den Provinzregierungen behindert
und erreiche nur gelegentlich einen Teil der Bedürftigen. Diese verzweifelte
Situation treibe vor allem immer mehr Frauen in den Selbstmord.
An die Europäische Union
und die EU-Mitgliedsländer appellierte die GfbV, ein Rückkehrprogramm
für die kurdischen Vertriebenen aufzulegen und gleichzeitig die Türkei
unter Druck zu setzen, die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Dörfer
zu gestatten. Nach Einschätzung der GfbV würden über zwei
Drittel der insgesamt rund 2,5 Millionen Vertriebenen in ihre Dörfer
zurückkehren. 40.378 Familien hätten inzwischen Anträgen
auf Rückkehr eingereicht. Während des Krieges der türkischen
Armee gegen die radikale kurdische Arbeiterpartei PKK sind in den 90-er
Jahren 3.428 kurdische Ortschaften zerstört und die Bewohner vertrieben
worden.
Siehe
auch: