Menschenrechtsaktion
vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag:
"Milosevic
könnte heimlicher Sieger des Bosnienkrieges bleiben" |
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Den Haag,
12.2.2002
Slobodan
Milosevic könnte "heimlicher Sieger" des Bosnienkrieges bleiben. Das
befürchtet der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker
International (GfbV), Tilman Zülch. Während einer von der GfbV
vor dem Gebäude des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag organisierten
Mahnwache mit Überlebenden des Völkermordes kritisierte Zülch
am Dienstag: "Auch wenn sich der jugoslawische Ex-Präsident heute
vor diesem Gericht verantworten muss, könnte er doch im Stillen triumphieren.
Denn seine Politik der "ethnischen Säuberung" wurde belohnt. Bosnien
ist de facto zweigeteilt. Die Massenvertreibung der nichtserbischen Bevölkerung
aus der so genannten Republika Srpska wurde festgeschrieben. Gegen die
dort weiterhin totalitär regierenden serbischen Behörden setzt
niemand ernsthaft durch, dass die Vertriebenen zurückkehren können.
Das durfte von rund 800.000 Vertriebenen bisher nur jeder zehnte - als
Mensch zweiter Klasse." Die Kriegsverbrecher von damals - unter ihnen die
mit internationalem Haftbefehl gesuchten Serbenführer Radovan Karadzic
und Ratko Mladic sowie hunderte Männer der Exekutionskommandos von
Srebrenica - seien noch immer auf freiem Fuß.
Zusammen mit Organisationen
bosnischer Überlebender des Genozids, wie verschiedener Verbände
ehemaliger Häftlinge serbischer Konzentrations- und Vergewaltigungslager
oder der "Frauen von Srebrenica", forderte die GfbV eine Mandatsänderung
der internationalen Schutztruppe SFOR. Sie müsse den Auftrag erhalten,
alle Kriegsverbrecher aktiv aufzuspüren und festzunehmen, die Rückkehr
der Vertriebenen konsequent durchzusetzen und sie vor Übergriffen
zu schützen. Als Symbol für die Bewältigung des Genozids
müsse Srebrenica zu einem freien Distrikt erklärt und direkt
der bosnischen Zentralregierung unterstellt werden. Die Gleichberechtigung
der muslimischen, serbischen und kroatischen Bosnier müsse - wie in
der bosnischen Verfassung verankert - auch in der so genannten Republika
Srpska gelten.
Dem Völkermord in Bosnien
fielen rund 200.000 bosnische Zivilisten zum Opfer. Nach verschiedenen
Schätzungen u.a. des CIA waren 90 Prozent von ihnen Muslime. Doch
auch kroatische, "gemischte", Roma- und oppositionelle serbische Bosnier
waren unter den Toten. In mehr als 100 Konzentrations- und Internierungslagern
waren rund 200.000 Bosnier interniert. Etwa 30.000 wurden in Lagern wie
Omarska, Manjaca, Keraterm und Trnopolje ermordet und rund 30.000 Frauen
vergewaltigt. Die Angehörigen der akademischen und politischen Eliten
wurden systematisch verfolgt, verhaftet und ermordet. Planmäßig
wurden insgesamt etwa 2,5 Millionen Bosnier vertrieben und auf vier Kontinente
zerstreut. Rund eine halbe Million Menschen waren über vier Jahre
lang - zum Teil in UN-Schutzzonen - unter Dauerbeschuss eingekesselt. Die
materielle islamische Kultur wurde total zerstört. Rund 1.300 Moscheen
wurden wir etwa 500 katholische Kirchen dem Erdboden gleichgemacht. Die
GfbV veröffentlichte schon 1992 die erste Dokumentation über
diesen Völkermord.
Siehe
auch: