An
den Bundeskanzler der Republik Österreich, Dr. Wolfgang Schüssel
An die Außenministerin der Republik Österreich, Dr. Benita Ferrerro-Waldner
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Als Südtiroler Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker-international appellieren wir an Sie, Frau Außenminister, Herr Bundeskanzler, der slowenischen Sprachgruppe in Kärnten zu den verbrieften Rechten zu verhelfen. Seit dem antislowenischen Ortstafelsturm sogenannter „heimattreuer“ Verbände 1972 ist die Republik und das Bundesland Kärnten säumig in der Umsetzung der entsprechenden Verpflichtungen gegenüber den Staatsbürgern slowenischer Muttersprache. Zweisprachige Ortstafeln sind ein Zeichen dafür, dass die Minderheit anerkannt und respektiert wird. Die Verweigerung ist nichts anderes als Diskriminierung und Ausgrenzung.
Die GfbV-Südtirol bedauert, dass rechte Kreise um den freiheitlichen Landeshauptmann Jörg Haider immer wieder erfolgreich eine minderheitenfeindliche Stimmung schüren. Haider und seine minderheitenfeindliche Stimmungsmache schadet schlussendlich Österreich, das auf eine lange menschenrechtspolitische Tradition zurückblicken kann.
Nur enttäuschend wenige österreichische Politiker haben die aggressiv angegriffene slowenische Sprachgruppe in Kärnten verteidigt. Zwar haben Sie sich, Herr Bundeskanzler, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts über zweisprachige Ortstafeln und den folgenden Rücktrittsforderungen Haiders hinter den Präsidenten des Verfassungsgerichts gestellt, doch gab es kaum solidarische Worte für die arg bedrängte slowenische Sprachgruppe in Kärnten.
Die slowenische Minderheit in Kärnten ist wegen des Assimilierungsdrucks von einst 43.000 (1939) auf 15.000 geschrumpft. Nicht von ungefähr spricht deshalb der Politologe Anton Pelinka von einer „demografischen Vernichtung“ der Minderheiten.
Landeshauptmann Jörg Haider erhöht inzwischen den Druck auf seine slowenischen Bürger. Mehr Ortstafeln, wie vom Verfassungsgericht gefordert, führen laut Haider zur Schließung von zweisprachigen Kindergärten und Schulen und zu weniger Geldmittel für die Minderheitenförderung.
Trotz der im Artikel 7 des Staatsvertrages verbrieften Rechte gibt es enorme Defizite bei zweisprachigen Kindergärten und Schulen, bei den zweisprachigen Ortsnamen, bei der Zulassung der Minderheitensprachen vor Behörden und bei der muttersprachlichen Versorgung in Radio und Fernsehen.
In keinster Weise erfüllt ist der Schutz der slowenischen Sprachgruppe in der Steiermark, wie dies ausdrücklich im Artikel 7 des Staatsvertrages vorgesehen ist. Die steirische ÖVP hat nicht allein die Anerkennung verweigert, auch in dieser Frage gab es eine stille aber große Koalition von SP, VP und FP.
Landeshauptmann Haider stellte nach seinen Attacken der slowenischen Sprachgruppe in Kärnten einen Runden Tisch in Aussicht. Nicht aber, um die Wünsche der Minderheit zu hören, sondern den Status Quo einzufrieren. Hier zeigt ein Politiker der Mehrheit seine Geisteshaltung. Haider kündigte außerdem an, zweisprachige Ortstafeln abzumontieren, sollte laut Volkszählung die Zahl der slowenischen Sprachgruppe weiter geschrumpft sein.
Sehr geehrte Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Frau Außenministerin, setzen Sie den Artikel 7 des Staatsvertrages aus dem fernen Jahr 1955 ohne Wenn und Aber um. Weisen Sie Haider in die Schranken, der mit einer Volksbefragung Verfassungsrechte abschaffen will. Das ist eine neue Form des Staatsstreiches. Wir appellieren an Sie, sich zum Fürsprecher einer Überarbeitung des mehr als 25 Jahren alten „Volksgruppengesetzes“ zu machen. Österreich braucht ein „Minderheiten-Paket“, das der Germanisierung der österreichischen Sprachminderheiten endlich Einhalt gebietet.
Sie haben, Herr Bundeskanzler, für April Konsultationen über die Neuregelung zweisprachiger Ortstafeln in Süd-Kärnten mit Organisationen der slowenischen Sprachgruppe angekündigt. Die Südtiroler Volkspartei solidarisierte sich konsequent mit den slowenischen Österreichern und ihrem Recht auf Ortsnamen in ihrer slowenischen Muttersprache. Nehmen Sie weniger Rücksicht auf die radikalen Forderungen des Kärntner Heimatdienstes und der Freiheitlichen in Kärnten und gehen Sie auf die Wünsche der österreichischen Staatsbürger slowenischer Sprache ein.
Für die GfbV-Südtirol
Wolfgang Mayr, Mateo Taibon,
Mauro di Vieste
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