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Elektroshock für die ländliche Entwicklung Mexikos
Überdimensionierte Stromtrasse bedroht Huichol-Indianer in der Sierra Madre
Gesellschaft für bedrohte Völker Logo
Bozen, Berlin, 3.4.2002

Wenige Tage bevor er die Staatsmänner der Welt in Monterrey zu einer Konferenz empfängt, um effizientere Wege zur Finanzierung von Entwicklungshilfe zu diskutieren, weihte Mexikos Präsident Vicente Fox ein Elektrifizierungsprojekt in seinem Land ein, das zu wenigen zugutekommt, zu viel kostet und die Umwelt zerstört - und nebenbei verstöß es gegen das Gesetz und die Energiepolitik seiner eigenen Regierung.

Das Projekt, das sechs Dörfer der Huichol-Indianer in den Bundesstaaten Jalisco und Nayarit ans Netz anschließen soll, wird mit über 60 Mio. Pesos (ca. 5,7 Mio. EUR) veranschlagt, nützt aber nach Angaben der Staatlichen Elektrizitätskommission nur 6.940 Menschen - und sogar diese Zahl ist nach Regierungsstatistik zu hoch gegriffen, die die Bevölkerung mit nur 5.000 angibt. Dies ist der beunruhigende Start eines Regierungsprogramms, in den nächsten fünf Jahren über 3,7 Mio. Pesos für die Elektrifizierung ländlicher Gebiete auszugeben. Für nur 40 Mio. Pesos könnte man mit Solarenergie dagegen über 43.000 Menschen versorgen, die gesamte Bevölkerung der Huichol- und Cora-Indianer, die dieses Gebiet bewohnen, behauptet die Organisation Conservación Humana A.C. (CHAC), die mit den indianischen Völkern der Region arbeitet.

"Elektrifizierung könnte eine gute Sache sein, aber nur, wenn sie richtig gemacht wird" sagt CHACs Präsident Humberto Fernandez. "Dieses Projekt kostet pro Kopf dreizehn Mal mehr als Solarenergie, und es wird unter den Dörfern zu einer Spaltung zwischen denen führen, die Elektrizität haben, und denen, die keine haben".

Die Huichol-Indianer leben in freiwilliger Isolation in einer der unzugänglichsten Regionen Mexikos, der von einem tiefen Schluchtensystem durchzogenen Sierra Madre Occidental. Besucher werden nur auf Einladung zugelassen. Diese Isolation hat ihnen erlaubt, ihre Kultur, Sprache und Sozialsystem praktisch unbeeinträchtigt zu bewahren. Das Projekt, das Präsident Vicente Fox am 6. März öffentlich vorstellte, wird noch verschlimmert dadurch, dass für 200 km Hochspannungsleitungen und Straßen Bäume gefällt und eine Vielzahl heiliger Stätten zerstört werden - in einem Gebiet, das vom Nationalen Biodiversitätsrat (CONABIO) als entscheidend für den Naturschutz angesehen und vom WWF als eine der 200 wichtigsten Ökoregionen der Welt eingestuft wurde.

Noch erschreckender ist, dass das Projekt ohne die nach mexikanischem Recht verbindlich vorgeschriebene Umweltstudie beschlossen wurde (Art. 28 des 'Ley General del Equilibrio Ecológico y la Protección al Ambiente' von 1997). Trotzdem kündigte Mexikos Energieministerium im Januar an, dass in diesem Jahr 860 indianische Gemeinden Strom auf der Basis erneuerbarer Energieressourcen erhalten würden.

"Dieses Projekt ist eine Verschleuderung knapper Ressourcen", erklärt Humberto Fernandez. "Es spaltet die Gemeinden. Es schadet der Umwelt. Es wurde illegal beschlossen. Und jetzt gibt Präsident Fox den Gastgeber für eine internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung. Das ist wohl ein schlechter Witz". In Mexiko mit seinem sonnigen Klima kommt nur 0,04% des Stroms von Solarenergie.

Etwa 5 Mio. der 100 Mio. Mexikaner leben ohne Stromanschluß, fast alle von ihnen in kleinen Dörfern, die sich abseits des Leitungsnetzes befinden. Das Land sieht sich in den nächsten Jahren einer schweren Energieknappheit gegenüber. Präsident Fox will daher seinem Parlament in diesem jahr einen Plan zur Reform des Energiesektors vorlegen.

"Die Elektrizitätsreform wird wahrscheinlich das wichtigste politische Thema des Jahres werden", meint Fernandez. "Es ist entscheidend, dass erneuerbare Energien, Achtung vor der Natur und intelligente Planung dabei auf die Tagesordnung kommen."


Conservación Humana A.C. (CHAC) ist eine 1994 von Fachleuten verschiedener Gebiete gegründete mexikanische Nichtregierungsorganisation, die sich die Erhaltung der biologischen und kulturellen Vielfalt, die Förderung nachhaltiger Entwicklung und die Verbreitung von Wissen, das die Lebensqualität des Landes verbessert, zur Aufgabe gemacht hat. Vor allem arbeitet sie mit den Huichol-Indianern. Einige ihrer Mitglieder arbeiten seit 1966 mit den Huicholes und verfügen über das heute umfangreichste Wissen über diese Kultur.
Kontakt: Alberto Davidoff, Tel. 0052 55.55.64.21.20 / e-mail: dama86@avantel.net

People and Nature e.V. (PAN) ist ein 1998 in Berlin gegründeter gemeinnütziger Verein, der dieselben Ziele verfolgt. Er unterstützt die Arbeit von CHAC, mit der er eine Partnerschaft eingegangen ist, und ist daneben schwerpunktmäßig in Zentralasien und Russland tätig.
Kontakt: Stephan Dömpke, Tel. (030) 2045-3975 / e-mail: PANDoempke@t-online.de


Siehe auch:
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