Das Verbrechen
von Srebrenica
Auch die deutschen
Parteien müssen endlich Konsequenzen ziehen! |
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Bozen, Göttingen,
17.4.2002
Nach
dem Rücktritt der niederländischen Regierung müssen jetzt
auch alle im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien Konsequenzen
aus ihrem Versagen gegenüber Bosnien ziehen. Diese Forderung hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch erhoben.
"Srebrenica ist nur die Spitze des Eisberges", erklärte der GfbV-Generalsekretär
Tilman Zülch in Göttingen, "das Massaker serbischer Truppen an
mindestens 8.000 bosnischen Knaben und Männern ist nur ein Teil des
Völkermordes 1992 bis 1995, dem 200.000 Bosnier zum Opfer gefallen
sind und der heute vor dem Internationalen Tribunal in Den Haag verhandelt
wird."
Bis auf ganz wenige einzelne
Stimmen[*] seien alle deutschen Parteien und die
meisten Politiker[**] damals bemüht gewesen,
das Verbrechen des Genozids durch das Schlagwort von der "Schuld aller
drei Kriegsparteien" klein zu reden, um nicht intervenieren zu müssen,
kritisierte Zülch. Mit der ständigen Forderung nach einem Waffenembargo
seien die Menschen in den von serbischen Truppen eingeschlossenen bosnischen
Städten wie Sarajevo, Bihac und Srebrenica an der Selbstverteidigung
gehindert worden. Statt sich um Leib und Leben der bosnischen Zivilbevölkerung
zu sorgen, die in den Enklaven unter Dauerbeschuss genommen wurde, sei
monatelang über die Sicherheit der Soldaten der so genannten Friedenstruppe
diskutiert worden. Wochenlang hätten die deutsche und andere europäische
Regierungen die Aufnahme der ehemaligen Häftlinge serbischer KZs hinausgezögert.
Jetzt müssten die Fraktionen
der deutschen Parteien an einem Strang ziehen und spürbar Verantwortung
für die Überlebenden dieses Verbrechens übernehmen. Sie
müssten dafür sorgen, das die über 800.000 Vertriebenen
aus dem heute serbisch kontrollierten Teil Bosniens - unter ihnen Zehntausende
ehemalige Häftlinge der serbischen Konzentrations-, Internierungs-
und Vergewaltigungslager - heimkehren können. Vorrangig sei Unterstützung
für die Rückkehr der Vertriebenen aus Srebrenica, das zu einem
freien Distrikt erklärt werden müsse. Zudem forderte Zülch
ein Verbot der nationalistischen Partei des serbischen Kriegsverbrechers
Radovan Karadzic SDS, die die Hälfte Bosniens regiert. Karadzic und
auch die mehreren hundert Angehörigen der serbischen Einsatztruppen
von Srebrenica müssten festgenommen und vor Gericht gestellt werden.
*
u.a. Stefan Schwarz, Christian Schwarz-Schilling, Marieluise Beck, Daniel
Cohn-Bendit, Freimut Duve.
**
unter ihnen führende Politiker wie Helmut Kohl, Gerhard Schröder,
Klaus Kinkel und Joschka Fischer.
Ausschnitt der Arbeit
der Gesellschaft für bedrohte Völker über den Genozid in
Bosnien:
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- seit April 1992: regelmäßige
Berichterstattung über Kriegsverbrechen, Konzentrations- und Vergewaltigungslager,
Genozid.
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- November 1992: weltweit erstes
Buch "Ethnische Säuberung - Völkermord für Großserbien"
(Luchterhand) über den Völkermord in Bosnien-Herzegowina. Der
Vorabdruck war Auslöser für den Rücktritt von Bundesminister
Dr. Christian Schwarz-Schilling.
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- Januar 1993: Spektakuläre
Diskussion mit dem sogenannten "Innenminister" von Karadzic, Aleksa Buha,
in der Sendung "Einspruch" (RTL). Teilnahme Tilman Zülch, Stefan Schwarz,
Dr. Christian Schwarz-Schilling.
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- Februar 1993:Übergabe
einer Liste von mehr als 20.000 Ermordeten während Bosnienanhörung
im Bundestag.
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- April 1993: Übergabe
der Opferliste und Liste von über 1.000 mutmaßlichen Kriegsverbrechern
an die UN-Untersuchungskommission von Cherif Bassiouni zur Untersuchung
der Kriegsverbrechen in Bosnien, die im Vorlauf des Tribunals tätig
war.
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- November 1993: Kundgebung
in der Gedenkstätte Buchenwald mit Marek Edelmann, Kommandeur der
Freiheitskämpfer des Warschauer Ghettos.
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- 1993: Zusammenarbeit mit BKA
führt zur Festnahme mutmaßlicher serbischer Kriegsverbrecher
in Deutschland.
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- 1993/1994: Nächtliche
Telefonkonferenzen per Funk mit den eingeschlossenen Enklaven Srebrenica,
Gorazde und Bihac, letztes Telefongespräch mit dem Funker von Srebrenica
in der Nacht vor dem Massaker, dem auch der Funker zum Opfer fiel.
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- 1993/1995: Nach Organisierung
von über 100 bosnischen Vertriebenenorganisationen im "Europäischen
Forum für Bosnien-Herzegowina" reisen Mitarbeiter nahezu aller großen
nationalen Zeitungen Westeuropas und Nordamerikas nach Göttingen,
um überlebende Augenzeugen zu interviewen.
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- Ende Juli 1995: Nach den Massenmorden
in Srebrenica Aufbau eines symbolischen muslimischen Friedhofs in der Nähe
der Villa von Helmut Kohl in Oggersheim.
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- August 1995: Weltkongress
zum Genozid in Bosnien mit 150 internationalen Experten, unterstützt
von Simon Wiesenthal. U.a. Streitgespräch des GfbV Bundesvorsitzenden
mit dem Vertreter der niederländischen Armee, das viele der späteren
Erkenntnisse zu Srebrenica vorweg nimmt und heute immer wieder im bosnischen
Fernsehen gezeigt wird.
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- September 1995: Publikation
eines Menschenrechtsreports über die Kollaboration der serbisch-orthodoxen
Kirche mit Karadzic und Mladic.
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- 1995/1996: Auseinandersetzung
mit der Süddeutschen Zeitung wegen der Plädoyer von Peter Handke
für die serbischen Täter und Herausgabe des Bandes "Die Angst
des Dichters vor der Wirklichkeit"(Steidl).
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- Februar 1996: Auszeichnung
der Gesellschaft für bedrohte Völker durch den Serbischen Bürgerrat
in Sarajevo.
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- 1996 bis 2002: Intensive Arbeit
der Sektion Bosnien der GfbV für die Verfolgtenorganisationen der
KZ-Häftlinge, der weiblichen Häftlinge, der Vertriebenen und
Roma und Unterstützung von Versöhnungsarbeit (der GfbV BiH gehören
jüdische, katholische, muslimische, orthodoxe und Roma-Bosnier an).
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- Oktober 1999: Dokumentation
über traumatisierte bosnische KZ-Häftlinge als Flüchtlinge
in Deutschland.
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- 2000/2001: Abschluss eines
EU-Projekts mit Zustimmung des Tribunals über Kriegsverbrechen in
der Herzegowina, Report in drei Sprachen als Buch erschienen.
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- 2002 Publikation eines Reports
mit 7.294 Namen von in Srebrenica ermordeten Knaben und Männern. Nach
Schätzungen der GfbV gibt es darüber hinaus etwa 3.000 weitere
ungeklärte Schicksale.
Siehe
auch:
Letzte Aktual.:
17.4.2002
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