Offener Brief
An die Italienische Regierung
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Es ist aber bedauerlich, wenn die Demokraten zum russischen Eroberungskrieg in Tschetschenien schweigen. Weder Ministerpräsident Massimo D´Alema, noch Außenminister Lamberto Dini (ein Kritiker des Nato-Einsatzes gegen Serbien) und die Präsidenten von Senat und Kammer haben Rußland und dessen Krieg in Tschetschenien verurteilt. Ihre Entrüstung über die Freiheitlichen und deren rechtsradikale Politik bleibt deshalb ein wertloses Lippenbekenntnis Toleranz und gegen Rassimus und Ausländerfeindlichkeit.
Wir schämen uns dafür, wie Sie zur Tagesordnung übergehen. Am 27. Jänner, am Tag der Befreiung der KZ-Insassen von Auschwitz durch die Rote Armee, wurde weltweit daran appelliert, nie wieder einen Holocaust zuzulassen. Warum schweigt Ihr aber, wenn in Tschetschenien wieder Menschen massakriert werden?
Wir schämen uns für Sie, weil Sie schweigen. Wir schämen uns auch, weil die "westliche Wertegemeinschaft" EU sich davor drückt, die russische Aggression zu verurteilen. Jene "Wertegemeinschaft", die die serbische Aggression in Kosova als Genozid verdammt hat. Deren Truppen in Kosova aber bisher versagt haben, die von der UCK betriebene Vertreibung und Massaker der Nicht-Albaner zu stoppen. Wir schämen uns auch für den Europarat und die OSZE, die außer inhaltsloser diplomatischer Floskeln nichts für die Menschen in Tschetschenien unternommen haben.
Die Hälfte der 800.000 Tschetschenen sind vertrieben, über Tote und Verletzte kann nur spekuliert werden. Laut russischem Oberkommando sind mehr als 10.000 "Rebellen" gefallen. Sind die Toten allesamt "Rebellen"? Seit Anfang September 1999 läßt die Jelzin-Regierung unter dem Vorwand der "Terroristenbekämpfung" auf alles feuern, was sich in Tschetschenien bewegt. So kann die russische Regierung die Massaker von 1994-96 fortsetzen, denen zwischen 80.000 und 100.000 tschetschenischen Bürger (darunter viele Russen) das Leben gekostet hat.
Die Gesellschaft für
bedrohte Völker-international, Human Rights Watch und die russische
Menschenrechtsorganisation werfen dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin Kriegsverbrechen in Tschetschenien vor:
- Massentötungen von
Zivilisten durch systematische Bombardements von Schulen, Märkten,
Moscheen, Krankenhäusern, Rotkreuz-Fahrzeugen sowie von Dörfern
und Stadtteilen;
- Planmäßige
Beschießung, Bombardierung und Tötung von 40.000 Zivilisten
- die zu alt, zu arm, zu krank und zu jung waren, um zu fliehen - unter
anderem mit sogenannten "Fuel Air Explosives". Sie setzten ganze Flächen
in Brand,
- Beschießung
von Flüchtlingskonovis entgegen Zusagen von freiem Geleit;
- Mißhandlungen, Folterungen,
Entführungen und ungesetzliche Verhaftungen von Zivilisten;
- Plünderung von Eigentum
der tschetschenischen Bevölkerung;
- Einzel- und Massenerschießungen
von Zivilisten;
- Vergewaltigungen tschetschenischer
Frauen in eroberten Dörfern und Städten;
- Selektion von Männern
zwischen 10 und 60 Jahren von der übrigen Bevölkerung und ihre
Verschleppung in sogenannten Filtrationslagern;
- Die Zwangsrepatriierung
von Flüchtlingen aus Inguschetien in das tschetschenische Kriegsgebiet;
- Die Vorenthaltung von
humanitärer Hilfe für Flüchtlinge, Vertriebene und Eingeschlossene;
- Die Behinderung journalistischer
Berichterstattung, der Recherchen von Menschenrechtsorganisationen und
internationalen Beobachtern.
Der Krieg gegen die tschetschenischen "Terroristen" wird mit Mitteln der EU und des Weltwährungsfonds IWF geführt. Gegen ein Land, das 1997 von der OSZE mit demokratischen Wahlen reformiert wurde. Der Westen hat die unvollständige Demokratie nie gefördert und nichts unternommen, um Tschetschenien zu stabilisieren, die Regierung zu unterstützen und den Einfluß der Islamisten zurückzudrängen. Die russischen Verbrechen und die Gleichgültigkeit der Europäer lassen Extremisten auf den Ruinen von Grosny populär werden.
Der russische Bürgerrechtler Aleksandr Podrabinek von der Gruppe "Memorial" hat im August 99 seine Regierung aufgefordert, besetztes Land aufzugeben. Rußland soll sich für die Unterdrückung der kaukasischen Völker entschuldigen. Ein verhallter Appell.
Swetlana Gannuschkina vom Flüchtlings-Komitee "Bürgerhilfe" hat davor gewarnt, das Schweigen hinzunehmen. Die Gelassenheit, mit der die russische Gesellschaft und der Westen die Verbrechen der russischen Regierung in Tschetschenien hinnimmt, ist laut Gannuschkina eine Erscheinungsform der gemeinsamen europäischen Fremdenfeindlichkeit.
Tschetschenien ist zerstört. Rußland hat damit den KSE-Abrüstungsvertrag gebrochen, die OSZE-Vereinbarungen, das humanitäre Völkerrecht und die UN-Konvention gegen den Völkermord sowie die russisch-tschetschenischen Verträge. Rußland will die totale Kontrolle wegen der Bahnlinien und Ölpipelines.
Isolieren Sie Rußland,
kündigen Sie Rußland die Mitgliedschaft im Europarat auf. Ansonsten
ist Ihr Anti-Haider-Aufschrei nicht glaubwürdig. Der russische Präsident
Putin hat viel Blut an seinen Händen. Werden Sie die wieder schütteln?
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