THE TREE: Auf einem Baumstamm über den Atlantik

Rüdiger Nehberg nach Brasilien gestartet 

Gesellschaft für bedrohte Völker hat Angst um sein Leben

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Bozen, Göttingen, 26.1.2000

Ohne großes Aufsehen ist Rüdiger Nehberg am vergangenen Freitag allein auf einem Baumstamm von der mauretanischen Küste aus zu einer 4000 Kilometer langen Atlantiküberquerung nach Brasilien gestartet. Dies hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erst jetzt erfahren. "Wahrscheinlich wollte er sich unsere Warnungen nicht länger anhören und hat sich deshalb nicht gemeldet. Jetzt haben wir Angst um sein Leben", sagte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am Mittwoch. Anlass für das waghalsige Unternehmen ist der 500. "Geburtstag" Brasiliens, der im Frühjahr gefeiert wird. Nehberg will auf die bedrohliche Situation der Indianer und die Diskriminierung der Afrobrasilianer aufmerksam machen. Noch immer würden Ureinwohner von ihrem Land vertrieben. Industrielle Großprojekte bedrohten ihre wirtschaftliche und kulturelle Existenzgrundlage genauso wie die rücksichtslose Abholzung des Regenwaldes, berichtete Zülch.

Medizinische Hilfe erreiche sie kaum, so dass viele an eingeschleppten Krankheiten zugrunde gingen. "Fachleute haben dringend gewarnt: Der 17 Meter lange Stamm der 350 Jahre alten Tanne aus der Schweiz sei kaum zu manövrieren", sagte Zülch. Zwar habe Nehberg sein Gefährt mit dem Namen THE TREE noch mit einer Windsteueranlage ausgerüstet, aber ob sie den mit zwei Auslegern, einem Segel und einer Schutzhütte ausgestatteten Stamm während der Schlafpausen auf Kurs halten könne, werde bezweifelt.
 
Ursprünglich wollte der 64-Jährige einen Partner zur Unterstützung mitnehmen, hatte sich von ihm jedoch im Herbst 1999 wegen "Vertrauensdefiziten" getrennt. "Ich bestätige Euch, dass Du mich als Präsident und vor allem als Freund und auch im Namen Deiner Mitarbeiter eindringlich gebeten hast, von dem Vorhaben TREE abzulassen, weil Ihr glaubt, es sei ein Kamikaze-Unternehmen", schrieb der Survival-Experte an Tilman Zülch. "Ich bin davon überzeugt, dass ich nicht umkommen werde, weil der Baum unsinkbar ist und ich immer angeseilt sein werde. Ich habe ein UKW-Sprechgerät an Bord, ein Rettungsboot, einen Notsender und genügend Trinkwasser. Der Stamm reitet die Wellen ab wie ein Korken und macht bei Windstärke 4 schnelle Fahrt."
Rüdiger Nehberg

Die GfbV befürchtet, dass Nehberg jedes Risiko auf sich nimmt. Er sei fest davon überzeugt, dass er mit spektakulären Aktionen Hilfe und Schutz für die Ureinwohner mobilisieren kann, sagte Zülch.

Um die Yanomami-Indianer im Amazonasgebiet vor dem Untergang zu retten, hatte Nehberg den Atlantik 1987 mit einem Tretboot und noch einmal 1992 gemeinsam mit der GfbV-Menschenrechtsaktivistin Christina Haverkamp auf einem Bambusfloß überquert. Mit Erfolg: Die Öffentlichkeit wurde auf diese Indianer aufmerksam, ihnen wurde ein Schutzgebiet zuerkannt. 1997 errichteten Haverkamp und Nehberg dort eine Krankenstation mit angeschlossener kleiner Schule. Jetzt hat die brasilianische Regierung eine Million Mark für die medizinische Versorgung der Yanomami bereit gestellt. Achtung Redaktionen: Nehberg ist telephonisch nicht erreichbar. Auf Anfrage senden wir Ihnen gern Photos aus Mauretanien per e-mail zu.
 

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