Anhörung der EU-Grundrechtecharta in Brüssel 
GfbV International fordert wirksamen Minderheitenschutz  und startet europaweite Kampagne 
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Bozen, 27.4.2000

Auf der Anhörung zum Entwurf einer Grundrechtecharta der Europäischen Union (EU) hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) in ihrer schriftlichen Stellungnahme am Donnerstag in Brüssel die Verankerung von Mindestrechten für Angehörige von sprachlichen und ethnischen Minderheiten gefordert. Da diese in den bisherigen Entwürfen des Grundrechte-Konvents unter Leitung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Prof. Roman Herzog nicht vorgesehen seien, kündigte die Menschenrechtsorganisation für diskriminierte und verfolgte ethnische und religiöse Minderheiten gleichzeitig eine europaweite Kampagne für einen wirksamen Minderheitenschutz in der künftigen EU-Grundrechtecharta an. Institutionen, Organisationen und Persönlichkeiten in ganz Europa seien dazu aufgerufen, den Text der schriftlichen GfbV-Stellungnahme zum Entwurf der Grundrechtecharta mitzuunterzeichnen.

"Ohne diese Mindestrechte wird die Grundrechtecharta die universellen Menschenrechte beschädigen“, warnte Andreas Selmeci für die GfbV auf der Anhörung in Brüssel. Er erinnerte daran, dass totalitäre Diktaturen in Europa die schlimmsten Verbrechen des Völker- und Sozialschichtenmordes sowie der Massenvertreibung begangen haben. „Auf dem Balkan setzen sich diese Verbrechen bis heute fort. Selbst in den stabilen westeuropäischen Demokratien werden Menschen noch heute wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert." Zudem sei die Aufnahme eines solchen Rechtes in die Charta eine Frage der Glaubwürdigkeit. Denn schon 1993 hätten die damaligen EG-Mitglieder in der Schlusserklärung des Europäischen Rates von Kopenhagen ihre Bereitschaft zur Aufnahme neuer Staaten von der Einführung einer Minderheitenschutzbestimmung in deren Verfassungen abhängig gemacht.

Als Mindestschutz für die Angehörigen von ethnischen oder nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten in der Grundrechtecharta schlug die GfbV eine Formulierung vor, die sich an Artikel 27 des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte von 1966 anlehnt: „Angehörige ethnischer oder nationaler, sprachlicher und religiöser Minderheiten haben das Recht, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihre Religion auszuüben, ihre eigene Kultur zu pflegen und sich privat oder öffentlich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“ Fast die Hälfte von 46 europäischen Minderheitensprachen sei vom Verschwinden bedroht, weil beispielsweise der entsprechende Schulunterricht in vielen Ländern nicht gewährleistet wird.

Zwar sei in der Grundrechtecharta ein Verbot von Diskriminierung aufgrund von Rasse, Abstammung, Nationalität, Sprache, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Weltanschauung oder politischer Überzeugung vorgesehen. Doch dieses müsse nicht nur für Unionsbürger, sondern für alle in der EU lebenden Menschen gelten, forderte die GfbV.

Um die faktische Benachteiligung zumindest für die alteingessenen Minderheiten Europas zu korrigieren, solle das Diskriminierungsverbot durch folgenden Absatz ergänzt werden: „Die EU und ihre Mitgliedsstaaten fördern die Herstellung der tatsächlichen Gleichheit zwischen den Angehörigen nationaler Mehrheiten und den Angehörigen sprachlicher, ethnischer oder nationaler Minderheiten durch besondere Maßnahmen. Die EU fördert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Minderheitenregionen.“

Als Beitrag zur künftigen Verhütung von Vertreibungsverbrechen empfahl die GfbV einen Artikel, der ein Recht auf Heimat mit dem Recht auf sichere Rückkehr verbindet, das etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention ihre Vorbilder hat: „1. Jede Person hat das Recht, in ihrer Wohnstätte, ihrer Heimatregion und ihrem Land zu bleiben. 2. Jede Person hat das Recht, in freier Entscheidung in das ihrer Herkunft sowie innerhalb dessen an einen Ort ihrer Wahl zurückzukehren.“
 

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