Staatsziel nur Lippenbekenntnis
Artikel 19 des österreichischen Staatesgrundgesetzes darf nicht gestrichen werden
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Bozen, 9.5.2000

Die von der ÖV-FP-Regierung geplante Streichung des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes zugunsten einer "Staatszielbestimmung zu Volksgruppen" schwächt den dürftigen Minderheitenschutz in Österreich. Während Artikel 19 den Schutz und die aktive Förderung von Minderheiten vorsieht, ist die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel geplante "Staatszielbestimmung" (Wortlaut: "Die Republik Österreich bekennt sich zu ihren Volksgruppen und deren historisch gewachsener sprachlicher und kultureller Vielfalt") ein pures Lippenbekenntnis ohne Folgen, weil ohne Verpflichtung zum Schutz und zur Förderung.

Der Artikel 19 aus dem Jahr 1867 ist der einzige minderheitenrelvante Artikel, den Österreich ohne Druck erlassen hat, ein Artikel, der weit über die übrigen minderheitenbezogenen Bestimmungen in den nachfolgenden Staatsverträgen der demokratischen Ära hinausreicht. Artikel 19 ist die einzig geltende Verfassungsbestimmung, die die Minderheiten als Schutzobjekte beschreibt, die Kollektivrechte beanspruchen können.

Die GfbV-Südtirol schließt sich der Kritik des Österreichischen Volksgruppenzentrums an, das die geplante Staatszielbestimmung als einen Anschlag auf den in Österreich ohnehin schon sehr dürftigen rechtlichen Schutz bezeichnet hat. Eine vielsagende, aber nicht verpflichtende, Staatszielverpflichtung dient der Regierung nur, die österreichskeptische EU-Öffentlichkeit zu beruhigen.
Das Vorhaben ist auch deshalb bedauerlich, weil es 46 Jahre nach dem Staatsvertrag (15. Mai 1955) noch immer keinen Beleg dafür gibt, daß der laut Artikel 7 vorgesehene Minderheitenschutz auch eingehalten wurde.

Die österreichische Bundesregierung hat bei Amtsantritt klar gemacht, daß sie den Verfassungsauftrag auf Minderheitenschutz restlos erfüllen werde und hat damit eingestanden, daß die bisherigen Regierungen den Verfassungsauftrag nicht ernst genommen haben. Regierungen, der auch die ÖVP angehört hat. Mit der geplanten Aufhebung des Artikels 19 wird die Ankündigung wieder hinfällig.

Laut Regierungsabkommen der beiden Koalitionsparteien will die Bundesregierung den mangelhaften österreichischen Minderheitenschutz gar an den bereits in Kärnten geltenden Rechtsstandard anpassen. Kärnten ist aber kein Modell für einen gelungenen Minderheitenschutz. Das belegt allein schon die ständig nach unten fallende Zahl der Angehörigen der slowenischen Sprachgruppe.

46 Jahre nach dem Staatsvertrag soll Österreich endlich die bisher von großen Parteien praktizierte und tolerierte Politik der demografischen Vernichtung der Minderheiten – insbesondere der slowenischen in Kärnten – aufgeben. Die Kroaten in Niederösterreich sind bereits verschwunden, die übrigen Minderheiten, allen voran die Kroaten und Ungarn im Burgenland, sind in ihrem Bestand ernsthaft gefährdet. An den Taten will die neue Regierung gemessen werden. Ob die Minderheiten noch soviel Zeit haben?
 

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