Jahrestag der Deportationen in Tschetschenien:
Russischer Geheimdienst geht gegen Frauen vor!
GfbV Logo
Bozen, Bern, 23.2.2001

 Am 23. Februar ist es 57 Jahre her, seit Stalin das ganze tschtschenische Volk deportierte. Anlässlich des Jahrestages sind Aktionen des russischen Geheimdienstes zu erwarten. Bereits wurde eine bekannte Menschenrechtlerin verhaftet. Der Gesellschaft für bedrohte Völker liegen Berichte aus Inguschetien vor.

Am 20. Februar wurde in Tschetschenien am 45. Kontrollposten im Bezirk Wedeno die russische Journalistin Anna Politkowskaja von der Zeitung "Nowaja gazeta" verhaftet. Seitdem fehlt von ihr jede Spur. Die tschetschenische Kriegsfotografin und Menschenrechtlerin Sainap Gaschajewa, die Politkowskaja begleitet hatte, gab dies bekannt. Anna Politkowskaja hat während des zweiten Tschetschenienkrieges in ihren zahlreichen Reportagen das Leid der Zivilbevölkerung in Tschetschenien und in den Flüchtlingslagern in Inguschetien angeprangert. In den stark zensurierten russischen Medien war ihre empörte Stimme eine der lautesten, die das verbrecherische Vorgehen der russischen Armee im Nordkaukasus zu entlarven wagte.

Die russische Armee und der Geheimdienst FSB sind am Vorabend des Jahrestages der auf Geheiss von Stalin am 23. Februar 1944 durchgeführten Deportation des ganzen tschetschenischen Volkes in Alarmbereitschaft. In mehreren europäischen Städten wie in Warschau, Vilnjus oder Berlin sind Protestdemonstrationen gegen den Völkermord an den Tschetschenen angekündigt. In Moskau planen verschiedene Menschenrechtsorganisationen eine Kundgebung am Puschkinplatz für ein sofortiges Ende des Krieges. Die russische Regierung hat sich bis auf den heutigen Tag für die Deportation, während und nach der ein Drittel des tschetschenischen Volkes starb, nicht entschuldigt.

Am russischen Radiosender "Majak" erklärte kürzlich der FSB-Mitarbeiter Zdanowitsch, dass tschetschenische Frauen von der "Union der tschetschenischen Frauen Itschkeria" am 23. Februar "Provokationen" im tschetschenischen Dorf Urus Martan vorbereiten, wozu sie angeblich 250 000 US Dollars von den Widerstandskämpfern erhalten hätten. Laut Zdanowitsch werden tschetschenische Kämpfer, verkleidet in russischen Uniformen, gegen die russischen Stützpunkte Terrorakte ausüben. Dieser Hinweis des FSB deutet darauf hin, dass für eventuelle Anschläge Tschetschenen verantwortlich gemacht werden und dass der FSB gegen friedliche Antikriegsdemonstrationen der Frauen vorzugehen plant.

Die Gründerin und Vorsitzende der "Union der tschetschenischen Frauen Itschkeria", die Philologin und Mitarbeiterin des russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" in Nasran (Inguschetien) Lipchan Basajewa berichtete im November 2000 an verschiedenen Veranstaltungen in Berlin, Strassburg und Rom von gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien (darüber schrieb die NZZ am 29.12.2000). Durch eine Verhaftung würde man die Reise Basajewas in die Schweiz und nach Deutschland verunmöglichen, die für den Monat März geplant ist, um hier in Schulen, Universitäten und bei Organisationen über die Lage in Tschetschenien zu berichten.
 
Siehe auch unser Dossier "Tschetschenien: Russland begeht Kriegsverbrechen und Völkermord"

INDEX
HOME
Eine Publikation der Gesellschaft für bedrohte Völker. Weiterverbreitung bei Nennung der Quelle erwünscht
Una pubblicazione dell'Associazione per i popoli minacciati. Si prega di citare la fonte - WebDesigne-mailM. di Vieste