Zum Entwurf der EU-Grundrechtecharta: Bestimmungen für die Chancengleichheit europäischer Minderheiten fehlen
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Bozen, Luxemburg, Göttingen, 14.9.2000

"Mit Enttäuschung" haben die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) International und die Organisationen autochthoner europäischer Minderheiten den Entwurf für die europäische Grundrechtecharta zur Kenntnis genommen. Dieser ist vom Konvent unter Leitung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Prof. Roman Herzog am Mittwoch der EU-Kommission überstellt worden. "Wir begrüßen, dass der Charta-Entwurf ein umfassendes Diskriminierungsverbot enthält, das allen in der EU lebenden Menschen zugute kommen wird. Die Angehörigen alteingesessener sprachlicher, ethnischer und religiöser Minderheiten werden jedoch in vielen EU-Ländern systematisch ungleich behandelt. Deshalb fehlt es in der Charta an einem Artikel, der die Herstellung von Chancengleichheit für diese Minderheiten positiv einfordert - ein Gegenstück zu den Artikeln im Entwurf, welche die Gleichstellung der Frau, den besonderen Schutz des Kindes und die Integration der Behinderten sicherstellen sollen", erklärte der Präsident der GfbV International Tilman Zülch.

"Indem die Vertreter europäischer Regierungen, namentlich der französischen, es erfolgreich verhindert haben, dass der Minderheitenschutz in die Grundrechtecharta Eingang findet, messen sie mit zweierlei Maß. Denn gegenüber den EU-Beitrittskandidaten fordern sie lautstark die Aufnahme solcher Bestimmungen in deren nationale Gesetzgebung", kritisierte Zülch. So z.B. verlange Österreich von Slowenien Schutz der deutschen Minderheit, verweigere aber der slowenischen Minderheit in der Steiermark bis heute die Anerkennung und den Schutz durch Artikel 7 des Staatsvertrages.

Die GfbV International erinnert daran, dass etwa 14 Prozent der Bürger Europas nicht der offiziellen sprachlichen und kulturellen Gemeinschaft des jeweiligen Staatsvolkes angehören. Die Rechte auf das Erlernen, den freien und öffentlichen Gebrauchs der eigenen Sprache, auf den Zugang zu den Medien und auf kulturelle Identitätsfindung müssen aber allen Bürgern Europas, sowohl individuell und als auch kollektiv, zugestanden werden. Bis heute jedoch werden diese Rechte in ihren Ländern bzw. auf europäischer Ebene meist nur in unzureichender Weise beachtet. Wie die 1996 von der EU-Kommission selbst veröffentlichte Studie "EUROMOSAIC" belegt, sind fast die Hälfte von 46 europäischen Minderheitensprachen vom Untergang bedroht.
 

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