Offener Brief an Joschka Fischer
Deutsche Gewehrmunition für die Türkei macht grüne Menschenrechtspolitik unglaubwürdig!
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Bozen, Göttingen, 24.8.2000

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister,

mit Entsetzen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die gestrige Unterzeichnung eines Vertrages über die Lieferung einer Anlage der deutschen Firma Fritz Werner zur Produktion kleinkalibriger Gewehrmunition in der Türkei zur Kenntnis genommen. Dieser 90-Millionen-Mark-Deal, der nur mit Ihrer Billigung erfolgt sein kann, steht in eklatantem Widerspruch zu den menschenrechts- und friedenspolitischen Argumenten, mit denen Sie sich bisher gegen die Lieferung von Leopard II- Panzern an Ankara ausgesprochen haben. Auch die von Ihrer Bundestagsfraktion eingebrachten Grundsätze gegen Waffenexporte in Krisengebiete werden von Ihnen selbst ausgehebelt.

Im Rahmen der von Ihnen mitgestalteten EU-Initiative gegen den internationalen Handel mit Kleinwaffen haben Sie betont, dass solches Gerät in innerstaatlichen Konflikten weitaus mehr Todesopfer gefordert hat, als Artillerie und Flugzeugträger. Jetzt scheint es, als hätten sie damit nur die Produkte anderer Länder gemeint. Noch gut erinnern wir uns der Zeiten, da grüne Politiker zusammen mit der GfbV auf die Blutspur zeigten, die Sturmgewehre und Patronen der deutschen Firmen Fritz Werner und Heckler & Koch (bzw. von deren Lizenznehmern) in den letzten Jahrzehnten über den ganzen Erdball gezogen haben: Unter anderem kamen sie zum Einsatz bei den Völkermorden in Biafra (Nigeria), Südsudan, Guatemala, Ostbengalen, Bangladesh und Burma (Bergvölker) sowie in Indonesien (Osttimor und Westpapua).

Auch die mehr als 35.000 Toten des Krieges zwischen der türkischen Armee und der Arbeiterpartei Kurdistans PKK 1984-1999 sind  mehrheitlich durch Gewehr- und Revolverkugeln umgekommen – im Zuge der Zwangsräumung kurdischer Dörfer oft aus nächster Nähe abgefeuert. Dieses Krisengebiet hat an Brisanz seither nichts verloren: Am 15.08.2000 hat ein völkerrechtswidriger Luftangriff Ihres NATO-Partners Türkei bei Arbil im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak 45 Todesopfer gefordert.
 

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