Nur ein Randthema?
Die EU-Weisen und die Minderheiten in Österreich
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Bozen,  7.9.2000

Was berichten die EU-Weisen über die Lage der Sprachminderheiten?

Die VP-FP-Regierung in Wien hofiert aus verschiedenen Gründen - Feigenblatt, Taktik und/oder Image - die sechs Sprachminderheiten des Landes, um den Geruch der Minderheitenfeindlichkeit loszuwerden. Die von der EU beauftragten drei Weisen sollten deshalb das "neue" Österreich und die Widersacher anhören - vergessen wurden aber dabei die regierungsunabhängigen Organisationen der Sprachminderheiten. Die EU-Weisen haben verschiedene NGO zu Gesprächen empfangen. Es fehlte das Österreichische Volksgruppenzentrum als Dachverband der Minderheitenverbände.

Das verwundert nicht. Nur wenige EU-Mitgliedsländer betreiben eine vorbildliche Minderheitenpolitik, ein Großteil der EU-Staaten (laut der EU-Studie "euromosaic" sind in Frankreich fünf Sprachminderheiten "nicht überlebensfähig"; in Deutschland sind vier Sprachminderheiten in ihrem Bestand bedroht; in Spanien sind zwei Sprachminderheiten und in Italien neun von 13 Sprachminderheiten ohne Zukunftsperspektive) setzt trotz anderslautender Empfehlungen des Europaparlaments, des Europarates und der UNO auf eine Politik der Assimilierung. Wie Frankreich, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Frankreich zeigt kaum Interesse an der Lage der Sprachminderheiten in Österreich, obwohl es als Mitunterzeichner des Staatsvertrages mit seinem Minderheitenschutz-Artikel 7 auch eine Schutzmacht-Funktion für Österreichs Minderheiten hat. Die EU-Weisen pflegen mit ihrer Nichteinladung des ÖVZ die besonders während ihrer Regierungszeit von der SPÖ lange praktizierten Ausgrenzung des Volksgruppenzentrums.

Auch deshalb ist der 100-Seiten-starke Bericht des ÖVZ an die drei EU-Weisen dementsprechend kritisch ausgefallen. Laut ÖVZ ist der "Widerspruch zwischen gesetzlicher Förderung der Sprachminderheiten in Österreich und der tatsächlichen Lage eklatant". Außerdem werden die Sprachminderheiten "extrem ungleich behandelt" - ein Verstoß gegen Artikel 7 des Staatsvertrages und gegen das geltende Volksgruppengesetz (die steirische Slowenen beispielsweise sind noch immer nicht als Minderheit anerkannt).

Die GfbV-Südtirol und das Volksgruppenzentrum begrüßen zwar die von der österreichischen Regierung angekündigten Maßnahmen zugunsten der Minderheiten und fordern die EU-Weisen auf, nach zwei Jahren abermals die Minderheitenpolitik Österreichs zu prüfen. Die Regierung hat unter dem Druck der EU neue Akzente zugunsten der Sprachminderheiten angekündigt, so:

Überfällige und immer wieder versprochene Maßnahmen, die jetzt für die österreichische Regierung wichtig sind, um damit auch die EU-Sanktionen und die politische Isolierung loszuwerden. Und dann?

Die österreichischen Regierungen haben sich in der Förderung der Minderheiten nicht besonders hervorgetagen. Die ÖVP-Alleinregierung hat den im Staatsvertrag festgeschriebenen Minderheitenschutz von 1955 nicht umgesetzt, erst die SPÖ-Regierung unter Bruno Kreisky brachte das Volksgruppengesetz auf den Weg. Seit damals stagniert die österreichische Minderheitenpolitik, die Regierungen ignorierten die Sprachminderheiten. In Kärnten sorgten Chauvinisten dafür, daß die großen Parteien SP und ÖV Stück für Stück den Minderheitenschutz für die slowenische Sprachgruppe demontierten. Die Freiheitlichen machten sich zum parlamentarischen Arm der antislowenischen Kräfte. Der heutige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider warnte noch bei den jüngsten Landtagswahlen vor der "slowenischen Gefahr". Die Praxis der österreichischen Minderheitenpolitik kann nur mit Mißtrauen verfolgt werden.

Wie anders kann der heftige Widerstand der ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter bewertet werden, die lange die Staatszielbestimmung zum Minderheitenschutz in der Verfassung ablehnte? Sie warnte davor, daß die Minderheiten damit eine Veto erhielten. Laut Fekter wird das Verfassungsgericht Regierungsentscheidungen gegen Minderheiten mit dem Hinweis auf das Staatsziel abblocken. Die Imagepolitur verdrängte diese Bedenken.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel plante die Streichung des Minderheitenschutzes aus dem Staatsgrundgesetz (1867), dem Grundrechtskatalog der österreichischen Republik. Besonders eliminiert werden sollte Artikel 19, der konkrete Rechtsansprüche für die Minderheiten vorsieht. Der Artikel 19 sollte dem Staatsziel weichen, das aber reine Absichtserklärung ohne Rechtsansprüche ist. Massiver Protest verhinderte den Schüssel-Plan.

Als Budget-Konsolidierung verkauft wurde die geplante 20-prozentige Kürzung der Minderheitenförderung, die diesen Begriff nicht verdient. Internationaler Druck stoppte die Sparmaßnahmen.

Unbemerkt von der kritischen Öffentlichkeit kappte die Regierung inzwischen die Unterstützung der mehrsprachigen Privat-Radios im Burgenland und in Kärnten. Die drastische Erhöhung der Portokosten im Zeitungsversand gefährdet die Minderheitenmedien. In Kärnten erhielten Slowenen Hilfe vom Verfassungsgericht, das sich für den zweisprachigen Unterricht statt wie bisher in drei nunmehr in den vier Schulstufen der Grundschule ausgesprochen hat. Die von Jörg Haider geführte Landesregierung verspricht zwar die Umsetzung des Urteils, um gleichzeitig die für den zweisprachigen Unterricht nicht qualifizierten einsprachig deutschen Lehrer finanziell besser zu stellen.

Haben die drei EU-Weisen von der österreichischen Praxis der Minderheitenpolitik erfahren? Gibt sich die EU damit zufrieden, daß die österreichische Regierung eine Politik der Ankündigungen betreibt, eine nette Minderheitenpolitik ohne Substanz? Schweigt da die EU, weil deren Konvent in der vorgelegten EU-Grundrechtecharta keinen Artikel bzw. Absatz zugunsten der Minderheiten erhält, weder ein minimales Recht für die Angehörigen der Sprachminderheiten, noch einen Schutz als Handlungsziel definiert, noch EU-Institutionen den Auftrag erteilt, die faktische Benachteiligung der Minderheiten zu korrigieren?

Liegt Österreich mit seinem Minderheitenpolitik im EU-Trend?
 

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