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Eine Chance, mit Südtirols brauner Vergangenheit abzurechnen, hat sich Landeshauptmann Luis Durnwalder vertan. Offensichtlich gilt die landeshauptmännliche Politik des Lächelns und des Dialogs nicht allen Südtirolern. Ausgespart bleiben die Meraner Juden.
Beim Besuch von 60 Journalisten der Auslandspresse in Bozen (Ende September) hat der Landeshauptmann auf eine entsprechende Frage nach Wiedergutmachung von Nazi-Unrecht diese rundweg abgelehnt. Laut Durnwalder kann Südtirol keinen Beitrag zur Rehabilitierung seiner jüdischen Bürger leisten. Dies ist eine Angelegenheit des Staates und nicht des Landes Südtirol.
Auch eine Südtiroler
Tradition, unbequeme Aufgaben abzuschieben. Schon 1986 hatte Federico Steinhaus
von der jüdischen Kultusgemeinde von Meran in der Kulturzeitschrift
"sturzflüge" an diese Praxis der Südtiroler erinnert. Die von
den Nazis ermordeten 50 Meraner Juden scheinen nicht in der Südtiroler
Opferliste auf, in der Nachkriegszeit hat sich die Landesregierung so benommen,
als hätten Fremde das Eigentum der Meraner Juden "arisiert", sie zusammengetrieben
und in die Todeslager des Dritten Reichs verschickt. Es gab nie eine Entschädigung,
keine moralische Wiedergutmachung, kein Wort der Reue, keine Zeichen der
Versöhnung. Südtirol stellt sich gern als Opfer da, als Opfer
der italienischen Faschisten und der deutschen Nazis.
Südtiroler - auch Täter
Südtiroler waren Opfer,
aber auch Täter. Daran erinnerte der Tiroler Geschichtsverein 1989
mit einer überzeugenden Ausstellung. Im Ausstellungskatalog können
Südtirols Geschichtsverdränger nachlesen, was am 8. September
1943 geschah: Mit dem Einmarsch der Wehrmacht des Dritten Reichs begann
auch der Leidensweg für Meraner Juden. Der Südtiroler Ordnungsdienst
SOD und der SS-Sicherheitsdienst verhaftete Juden, die im KZ von Auschwitz
ermordet wurden. Die Wohnungen der Juden wurden von den Nachbarn geplündert,
jüdisches Eigentum wurde "arisiert", per Dekret gestohlen.
Keine Entschuldigung
Beschämend ist, daß das offizielle Südtirol bis heute keine Worte des Bedauerns gefunden hat. Südtiroler Nazis haben dafür gesorgt, daß die Meraner Juden "endlöst" wurden. Ein gern vergessener und verdrängter brauner Fleck der Südtiroler Geschichte. Auch deshalb beeilten sich die zuständigen Behörden nach 1945, das sogenannte Durchgangslager in der Bozner Reschenstraße niederzuwalzen. Dieses Lager wurde im Juli 1944 errichtet. "Es handelte sich dabei um die Verlegung des faschistischen Kriegsgefangenenlagers Fossoli, das im Februar 1944 von den Nazis übernommen und infolge des deutschen Rückzugs aus Italien im Sommer nach Bozen transferiert worden waren" (aus "Dableiber und Dagebliebene" - "Option, Heimat, opzioni", Tiroler Geschichtsverein).
Im Bozner KZ befanden sich
auch aus rassistischen Gründen Internierte. Juden und Roma. Mehr als
11.000 Häftlinge wurden durch dieses Lager in die Gaskammern geschleust.
Keiner und keiner der Südtiroler Lager-Wachen wurde bestraft, weder
Hildegard Lechner, die jüdischen Frauen ermordete, noch Karl Gutweniger,
der Lager-Insassen quälte. Das Bozner Sondergericht beschäftigte
sich zwischen 1945 und 1947 mit 518 Fällen von NS-Kollaboration, Es
gab aber nur 63 Urteile, 27 davon waren Freisprüche. Mit Samthandschuhen
wurden NS-Verbrecher behandelt. Ein Südtiroler Kapitel, über
das sich das offizielle Südtirol ausschweigt.
Italien und seine Vergangenheit
Diese Nichtaufarbeitung der eigenen Verbrechen war in Italien Staatspolitik: Von 259 Todesstrafen, die italienweit verhängt wurden, wurden 168 nicht exekutiert. Von 5.594 Verurteilten wurden 5.328 nachträglich freigesprochen oder amnestiert und begnadigt. 1952 waren aus 20 Jahren Faschismus 266 Schuldige übrig geblieben.
Die UN-Kriegsverbrecherkommission hatte immerhin 1.200 Italiener als Kriegsverbrecher in ihrer Liste angeführt. Sie waren verantwortlich für Massaker in Libyen (zwischen 40 und 80.000 Deportationstote, 20.000 Geflohene auf 800.000 Einwohner), in Äthiopien (zwischen 300 und 730.000 Getötete), in Slowenien (12.000 Ermordete, 40.000 Deportierte).
Der italienische Historiker
Rochat klagt das faschistische Italien einer Völkermord-Politik an.
Trotzdem ist kein einziger der für die Genozid-Verbrechen in Afrika
Verantwortliche je bestraft worden. Die faschistischen Verbrechen Italiens
in Afrika und auf dem Balkan werden mit dem Hinweis auf die viel schlimmeren
Nazi-Verbrechen abgetan. Auch so kann die eigene rassistische Vergangenheit
bewältigt werden - ermöglicht nach 1945 durch eine Mitte-Links-Regierung,
die die Aussöhnung suchte und durch die West-Mächte, die kein
Interesse an der Verfolgung von faschistischen Kriegsverbrechern zeigten.
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