Offener Brief

An die Befreiungsarmee Kosovas UCK, an die Exilregierung, Parteien, Institutionen und Persönlichkeiten

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Göttingen/Bozen, den 1. Juli 1999


 Schützen Sie die Rechte der serbischen Bürger Kosovas!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Friedenstruppen sind in Kosova einmarschiert. Der Genozid wurde gestoppt, die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen hat begonnen. Jetzt erreichen uns beunruhigende Nachrichten über die Flucht der serbischen Bevölkerung. Deshalb appellieren wir an alle kosovarischen Organisationen, Institutionen und Persönlichkeiten, mit denen wir zum Teil seit Jahren zusammengearbeitet haben, auch für die Rechte dieser Bürger Kosovas einzutreten.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat sich seit Anfang der 80er Jahre gegen die Diskriminierung und Verfolgung der Albaner in Kosova gewendet. Seit 1988 haben wir kontinuierlich diese Verfolgung dokumentiert und den jahrelangen gewaltlosen Widerstand unterstützt.
Seit dem Kriegsausbruch im März 1998 haben wir uns unaufhörlich mit Mahnwachen, Kundgebungen, Demonstrationen, Pressekonferenzen und -mitteilungen, Lobbyarbeit bei Politikern für Kosova eingesetzt. Während der vergangenen Monate hatten wir drei Untersuchungsteams in die Flüchtlingslager in Bosnien, Mazedonien und Albanien gesandt und eine 250seitige Dokumentation mit dem Titel Genozid in Kosova zusammengestellt. Noch gestern haben wir der KFOR und den Medien eine Liste mit 65 Massengräbern zugestellt.

Täglich werden jetzt Massengräber entdeckt, in denen Opfer der serbischen Kriegsverbrecher verscharrt worden sind. Aber gleichzeitig gibt es eine neue serbische Flüchtlingsbewegung. Unter ihnen befinden sich serbische Extremisten, die sich an Verbrechen beteiligt haben und Familien serbischer Polizisten, die aus anderen Teilen Jugoslawien nach Kosova versetzt wurden. Doch auch dieses Mal flüchten unzählige Unschuldige. Uns liegen eine Reihe von Berichten vor, nach denen serbische Kosovaren ihren albanischen Nachbarn in den schlimmen vergangenen Wochen geholfen haben. Auch das ist Teil der Realität dieses Krieges.

Kosova hat noch keine neü Administration. In diesen Tagen herrscht vielerorts Anarchie. Die serbischen Kosovaren befürchten Rache. Die albanischen Parteien, ihre Mitglieder, die Männer der UCK - sie könnten einen mässigenden Einfluss ausüben. Deshalb appellieren wir dringend an Sie, öffentlich Ihre Mitglieder, Ihre Soldaten und die Bevölkerung insgesamt aufzufordern, gegen Übergriffe und Willkürakte aufzustehen und die Angehörigen der serbischen Minderheit zu schützen. Nur ordentliche Gerichte dürfen Recht sprechen und Menschen verurteilen.

Die Bevölkerung Kosovas strebt nach Europa. Der Fischer-Schröder-Plan will diese Annäherung schrittweise realisieren. Die Albaner Kosovas und Angehörige der Minderheiten waren Opfer des verbrecherischen Milosevic-Regimes. Kosova setzt seinen guten Ruf aufs Spiel, wenn jetzt Rache geübt wird. Bürger- und Menschenrechte müssen gleichermassen für alle Einwohner Kosovas gelten. Ein anderer Nachfolgestaat Jugoslawiens, Kroatien, erst Opfer der Aggression Belgrads, hat nach der Wiedereroberung seines Territoriums in der Krajina die serbische Bevölkerung kroatischer Staatsangehörigkeit vertrieben und verhindert ihre Rückkehr. Tudjman wird heute vielfach mit Milosevic in einem Atemzug genannt.

Es gibt also viele Gründe für Sie, schnell zu handeln. Bitte setzen Sie sich auch für das Recht auf Rückkehr der flüchtenden serbischen Kosovaren ein.
 

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