Gesellschaft für bedrohte Völker: Medien übernehmen vielfach russische Sprachregelungen im Tschetschenienkrieg
Das zerstörte Grosny wird nicht wieder aufgebaut. Diese Stadt hat das nicht verdient.
Nikolai Koschman, der Bevollmächtigte der russischen Regierung Tschetschenien.
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Bozen, Göttingen, 2.12.1999

Nicht wenige Journalisten in den Print-, Funk- und Fernsehmedien bedienen sich bei ihrer Tschetschenienberichterstattung der offiziellen russischen Terminologie. Wir beklagen, dass vielfach Begriffe wie "Rebellen, Aufständi-sche, abtrünnige Provinz" für den tschetschenischen Wider-stand Verwendung finden. Diese Sprachregelung kommt einer Parteinahme für die russischen Täter zu einer Zeit gleich, in der die russische Armee bereits die Hälfte der Bevölkerung Tschetscheniens vertrieben hat, sie die tschetschenische Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleichmacht und die verbliebene Zivilbevölkerung aller Nationalitäten gnadenlos bombardiert. Die verbreitete Sprachregelung in den Medien könnte den Eindruck erwecken, dass Regierung und Armee Russlands zu Recht Rebellen oder Aufständische oder die abtrünnige Provinz niederschlagen, erklärte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch. Dabei weist die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf hin, dass nach den Maßstäben der Kriegsverbrechertribunale in Den Haag und Arusha/Tansania sowohl der russische Ministerpräsident Vladimir Putin als auch seine für den Angriffskrieg gegen Tschetschenien verantwortlichen Generäle vor ein internationales Gericht gestellt werden müssten. Allein der GfbV liegen Berichte über 25 Bombardements ziviler Ziele vor.

Zwischen 1994 und 1996 wurden etwa zehn Prozent der Bevölkerung Tschetscheniens ermordet, ganz überwiegend Zivilisten. Im Februar 1944 wurde das tschetschenische Volk kollektiv nach Zentralasien deportiert. 22% fielen der Deportation zum Opfer. Erst ein Jahrzehnt später durften die Tschetschenen zurückkehren. Alle diese Verbrechen sind bis heute ungesühnt geblieben. Im Übrigen ist  der Rechtsstatus von Tschetschenien umstritten. Selbst Rudolf Scharping, heute Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, hatte bereits am 19.01.1995 im Bundestag auf die Unabhängigkeitserklärung Tschetscheniens von 1991 verwiesen. Damals hatte er die Haltung der Regierung Kohl/Kinkel kritisiert, den ersten Tschetschenienkrieg als internes Problem Russlands zu behandeln.
 

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