Im Geiste der Großen. Gespräch mit dem Parlamentsabgeordneten Franco Corleone (Grüne, italienisches Parlament)
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Herr Corleone, was hat Sie dazu bewogen, dieses Gesetz zum Schutz der Sprachminderheit einzubringen?
FRANCO CORLEONE: Ich habe diese Angelegenheit bereits vor Jahren zu meinem persönlichen Anliegen gemacht, weil ich überzeugt bin, daß zuallererst die Prinzipien der Verfassung in die Tat umgesetzt werden müssen. Dann sind die Sprachminderheiten auch ein kulturelles und politisches Problem; wir besitzen einen großen Reichtum an verschiedenen historischen Komponenten, die zu verschwinden drohen oder drohten - vielleicht ist dies nun weniger der Fall. Es waren auch positive Entwicklungen dafür verantwortlich, wie etwa die allgemeine Schulbildung, die Besiegung des Analphabethentums, aber auch der Siegeszug des Fernsehens - Entwicklungen, die oft die Auslöschung von Sprachen und Kulturen mit sich brachten. Ich war immer der Überzeugung, daß eine Aufwertung der Minderheiten das Zusammenleben zwischen Verschiedenen fördern könnte. Das gilt sowohl für die großen Minderheiten als auch für die kleinen, denen der Untergang drohte.
Sie hatten Vorgänger, unglückliche ...
Das Gesetz, daß ich eingereicht habe, hat das Erbe anderer übernommen. Ein solches Gesetz wurde schon vor Jahren eingereicht - erfolglos. Das Gesetz beruft sich aber auch auf große Gestalten, die die Minderheitensprachen aufgewertet haben. Noch vor kurzem habe ich ein Essay von Pier Paolo Pasolini über die friaulische Sprache und deren Aufwertung gelesen. Dieses Essay hat Pasolini unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg geschrieben. Das Gesetz hat seine Wurzeln also in einer langen Tradition, die jetzt endlich zu einem positiven Abschluß kommt.
Auf seinem parlamentarischen Weg hat das Gesetz einige schmerzhafte Kompromisse eingehen müssen. So werden beispielsweise die Sinti und Roma nicht berücksichtigt...
Das war eine Niederlage. Aber es war eine Bedingung der Opposition, vor allem von der Lega und von Alleanza Nazionale, um das Gesetz nicht zu verhindern. Andererseits wäre aufgrund der vorgesehenen Regelungen des Gesetzes eine Aufwendung bei diesen Bevölkerungsteilen schwierig, denn sie erreichen in keiner Gemeinde die vorgesehenen Prozentanteile. Eine Einbeziehung auch der Sinti und Roma wäre aber wichtig gewesen, denn sie werden in allen europäischen Dokumenten genannt, in denen von historischen Minderheiten die Rede ist.
Im Gesetz werden 20 Millionen Mark für die Durchführung des Gesetzes vorgesehen - ist das nicht wenig? Es gibt auch einen Artikel zum Muttersprachenunterricht, in dem es heißt, dieser dürfe nicht zusätzliche Kosten verursachen. Werden da die Rechte nicht ausgebremst?
Ich denke, man muß vor allem feststellen, daß es ein Interesse der Basis gibt. Deshalb ist es auch denkbar, daß, sobald das Gesetz einmal umgesetzt ist, dafür auch mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden. Wichtig ist, daß es eine Aktivierung der Sprachgemeinschaften gibt, der Familien, der Einzelnen, der politischen Bewegungen, der Kulturevereine, daß es Initiativen gibt, um das Gesetz in die Tat umzusetzen. Dies gilt auch für die Möglichkeit, die eigene Sprache in den Institutionen zu verwenden. Ich glaube, daß dies nicht nur ein finanzielles Problem ist. Es ist ein politisches Problem. Ich glaube, das Problem wird eher jenes sein, die finanziellen Mittel aufzubrauchen und dann zu zeigen, daß man noch mehr braucht. Außerdem gibt es die Möglichkeit des Einspringens auch der Regionen. Dann wiederum gibt es Maßnahmen, wie die Verwendung der Ortsnamen in der Minderheitensprache, die teilweise bereits umgesetzt ist, die mit geringstem Kostenaufwand realisiert werden können. Ich ziehe es vor, daß es Projekte gibt, die die 20 Millionen aufbrauchen und daß man dann mehr fordern kann, da man die Notwendigkeit nachweisen kann.
Pasolini hat schon in der Nachkriegszeit über die Minderheiten geschrieben - war er auch in diesem Bereich eine Art Prophet?
Es ist eine derart
interessante, vielseitige Figur, daß er immer fasziniert.
Ich habe friaulische Gedichte von ihm gefunden, wo er mit der
friaulischen Version seines Names, Pieri Pauli Pasolini,
unterzeichnet. oder seine Schriften, wie die über die
Notwendigkeit, die Weltliteratur ins Friaulische zu
übersetzen, um diese Sprache aufzuwerten. Sein Einsatz
für die Minderheiten, für das Kulturerbe der Regionen
ist noch ganz zu entdecken. Wenn ich an Menschen denke, auf die
sich dieses Gesetz bezieht, denke an Leute wie ihn, aber auch an
Leute wie Alexander Langer, die aus dem interethnischen
Zusammenleben und aus dem Dialog ein Lebensanliegen gemacht
haben.
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