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In Europa hat die Minderheitenfeindlichkeit mit dem nationalsozialistischen Holocaust an Juden, Sinti und Roma, mit der Vernichtung von Behinderten und Homosexuellen und der millionenfachen Versklavung slawischer Zivilisten ihren Höhepunkt erreicht. Am Ende des Zweiten Weltkrieges beschlossen Stalin und die Westalliierten die Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Mitteleuropa (und der Italiener aus dem jugoslawischen Istrien). Seitdem hat ein Prozess zunehmender wirtschaftlicher und politischer Kooperation ein friedliches Zusammenleben der europäischen Nationen ermöglicht (Ausnahmen sind die Besetzung Zyperns durch das Nato-Land Türkei und die dabei erfolgte ethnische Säuberung und der serbische Eroberungskrieg in Kroatien, Bosnien und Kosova). Dennoch nimmt der Vielvölker-Kontinent, nimmt die EU als seine mächtigste politische Institution, Minderheitenprobleme bis heute nur ungenügend wahr. In Frankreich und Griechenland werden alteingesessene Sprachgruppen für nicht-existent erklärt. In Österreich stehen z.B. die Slowenen, in Deutschland die Sorben unter hohem Assimilationsdruck. Selbst pragmatische Lösungen wie zweisprachige Schulen und Lokalverwaltungen werden vielen Minderheiten verweigert.
EU-Studie "euromosaic" warnt
vor Sprachensterben
Wie die 1996 von der
EU-Kommission veröffentlichte Studie "euromosaic" belegt,
sind von 48 europäischen Minderheiten-sprachen 23 nur noch
"begrenzt" bzw. "nicht überlebensfähig". Doch
Brüssel hat bisher kaum Konsequenzen aus dem erschreckenden
Befund gezogen. Dabei könnten auch die Sprachen kleinerer
Nationalstaaten schon bald ins Hintertreffen geraten, wenn sie in
den EU-Institutionen und im EU-Recht nicht berücksichtigt
werden können. Europa droht eine kulturelle
Verarmung.
Durch die Einwanderung aus dem Nahen Osten und Nordafrika sowie durch Fluchtbewegungen aus den Kriegsgebieten im ehemaligen Jugoslawien haben sich in den EU-Ländern neue Minderheiten gebildet. Die jahrzehntelange Verdrängung dieser Tatsache durch die einzelstaatliche Politik hat dazu beigetragen, dass die soziale Integration der Einwanderer vielfach missglückt ist. So verbinden sich Ausgrenzung aufgrund kultureller oder religöser Andersheit mit Dauer-Arbeitslosigkeit und „neuer Armut“. In diesen Ghettos suchen sich Demagogen wie Haider und Le Pen ihre Sündenböcke.
Unter diesen Umständen soll ein europäischer Grundrechte-Katalog das Verständnis zwischen den wechselnden Mehrheiten (die Mehrheit schlechthin gibt es nicht!) und den Minderheiten verbessern helfen. Er soll Antworten auf die drängenden Fragen der Migration geben und die Basis für neue Formen des Zusammenlebens legen. Anerkennung von Minderheitenrechten darf nicht als blosse "Konzession", muss vielmehr als unverzichtbares Element der Demokratie begriffen werden.
Nach Auffassung namhafter Völkerrechtler können Kollektive wie z.B. Volksgruppen oder Nationalitäten nur durch die Gewährung kollektiver Rechte wirksam geschützt. Doch in der Diskussion um die EU-Grundrechtecharta ist die Entscheidung, der individualrechtlichen Tradition der amerikanischen Verfassung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 zu folgen, bereits gefallen. Umso dringender fordern die Angehörigen von Minderheiten jetzt einklagbare Individualrechte für sich.
Das A und O des Minderheitenschutzes ist und bleibt das Prinzip der Gleichbehandlung. Das daraus abgeleitete Diskriminierungsverbot muss EU-Bürger wie Nicht-EU-Bürger gerade auch vor staatlicher Willkür bewahren. Denn immer in der europäischen Geschichte, wenn das Gleichheitsprinzip in eine autoritäre Mechanik verwandelt wurde, zerstörte es seine ideelle Grundlage, die Gerechtigkeit. Heute dient die neoliberale Beschwörung blosser "Chancengleichheit" häufig der Zementierung realer Ungleichheit.
Richtig verstanden, bedeutet Gleichbehandlung deshalb, dass Personen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit Nachteile erlitten haben, eine besondere Unterstützung zusteht. Als Vorbild dafür kann die Förderung von körperlich und geistig Behinderten, wie sie z.B. im deutschen Grundgesetz vorgesehen ist und vielfach erfolgreich umgesetzt wurde. Erfreulicherweise gibt es unter meisten bereits kursierenden Entwürfen zur EU-Grundrechtecharta einen Konsens, dass Frauen und Kinder die Wachsamkeit der EU verdienen. Hingegen fällt auf, dass kaum jemand einen Rechtsstatus für andere Lebensgemeinschaften als die Familie fordert.
Die Bedeutung der Rechte ethnischer und sprachlicher Minderheiten für die Wahrung des Friedens wurde u.a. mit der Verabschiedung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und der Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates gewürdigt. Bezeichenderweise wurden diese Dokumente von vielen Staaten gar nicht oder nur in Teilen ratifiziert. Deshalb verlangen die Angehörigen der Minderheiten, in der EU-Grundrechtecharta mit den folgenden minimalen, aber einklagbaren Sprachenrechten berücksichtigt zu werden:
Charta 2000. Eine
EU-Menschenrechtsagenda für
Minderheiten
Minderheiten sind
Bestandteil einer jeden Gesellschaft. An ihnen entzünden
sich Konflikte, das reicht von Intoleranz bis zu physischer
Vernichtung. Minderheiten sind ein Ausdruck von Vielfalt und
haben ein Anrecht auf Akzeptanz. Die EU befindet sich im
Schnittpunkt beider Aspekte. Der Vielvölker-Kontinent hat in
den vergangenen 50 Jahren ein friedliches Zusammenleben
verschiedener Nationen und Nationalitäten ermöglicht.
Die Minderheitenfeindlichkeit hatte in den Jahren des
Nationalsozialismus seinen ungebremsten Höhepunkt erreicht.
Die EU will aber nicht wahrhaben, daß es auch heute eine
Reihe von Minderheitenproblemen gibt.
Altansässige
ethnische und sprachliche Minderheiten (in Frankreich und in
Griechenland für nicht existenzt erklärt) regen sich
mit verstärktem Selbstbewußtsein und sind gleichzeitig
von fortschreitender Assimilation bedroht - ein Wettlauf mit der
Zeit. Sinti und Roma kämpfen um Anerkennung (in
Österreich sind die Roma als autochtone Minderheit
anerkannt, die übrigen EU-Mitgliedsländer dulden nur
die Anwesenheit). Neue Minderheiten bilden sich, indem
"Gastarbeiter" und Flüchtlinge zu permanenten
Mitbürgern (nur wenigen EU-Staaten haben diese
Bevölkerungsgruppen in die eigenen Gesellschaften
integriert) werden. "Alte" Minderheiten wie Juden sehen sich mit
längst überwunden geglaubten Feindseligkeiten
konfrontiert. Und in steigendem Maße werden soziale
Randgruppen als Minderheiten mit ähnlichen Problemen
angesehen.
Viele der genannten
Gruppen gehörten zu den Opfern des Nationalsozialismus. Aber
der Blick in die Vergangenheit ist zuwenig. Diese Minderheiten
brauchen Rechte zu ihrem Schutz, diese Rechte müssen im
Grundrechte-Katalog der EU verankert werden.
Diese Forderung hat in Österreich die Initiative Minderheiten schon 1990 an die eigene Regierung angesichts freiheitlicher Wahlerfolg gestellt. Nachdem die EU in der freiheitlichen Regierungsbeteiligung auch eine Bedrohung für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte sieht, soll die EU die Forderungen der frühen Warner in Österreich ernst nehmen und aufgreifen.
Ein Grundrechte-Katalog, der Minderheitenrechte festschreibt, soll das Verständnis zwischen Mehrheiten und Minderheiten fördern und zu einem toleranteren Umgang im Alltag führen. Der Grundrechte-Katalog muß Antworten geben auf die immer drängender werdenen Probleme der Migration und neue Formen des Zusammenlebens in einer multikulturell gewordenen EU. Ein solcher Grundrechte-Katalog macht auch den Mehrheiten klar, daß die Anerkennung von Rechten der Minderheiten nicht eine Konzession, sondern Element der Demokratie ist, und daß die Qualität von Demokratie an ihrem Umgang mit Minderheiten zu bemessen ist.
In den vergangenen Jahren ist die Situation vieler Minderheiten prekär geworden (fortschreitende Assimiliation, belegt von der EU-Studie "euromosaic"; auflebende minderheitenfeindliche Agitation, nicht nur in Österreich, sondern auch in Frankreich und in Griechenland). Ein erschreckendes Maß an Ausländerfeindlichkeit ist im Zusammenhang mit den Veränderungen in Osteuropa sichtbar geworden.
Die erwähnte Initiative Minderheiten in Österreich hat 1994 in ihrem Forderungskatalog darauf hingewiesen, daß Minderheitenschutz die Gesellschaft demokratisiert und somit ein minderheitengerechtes Klima schafft, das sich auch in Gesetzen ausdrücken muß. Solange bestimmte Gruppen bei jeglicher Krisensituation als Sündenböcke (Flüchtlinge, Asylanten, Homosexuelle) dargestellt werden, solange bestimmte Gruppen - unter Verletzung der Menschen- und Minderheitenrechte - stigmatisiert und diskriminiert (wie die Nichtanerkennung von Minderheitensprachen) werden, kann von einem funktionierenden Minderheitenschutz nicht gesprochen werden - auch nicht für Gruppen, denen laut Gesetz Schutzregelungen zustehen. So hat das Österreichische Volksgruppenzentrum in seiner "Eisenstädter Erklärung" schon 1994 auf den damaligen, von der EU nicht zur Kenntnis genommenen Rechtsruck in Österreich hingewiesen. Dieser Rechtsruck war die Folge der freiheitlichen ausländerfeindlichen Hetze, die schließlich nicht nur die Migranten zur Zielscheibe machte, sondern auch die Sprachminderheiten.
Minderheitenrechte
fördern die Demokratisierung
Allein deshalb
muß in den Grundrechte-Katalog ein weit gefaßter
Minderheitenschutz aufgenommen werden. Eine Basis für die
Minderheitengrundrechte könnte sein:
Die EU hat aber die Minderheitenfrage als eine Aufnahme-Bedingung für neue EU-Anwärter vorgegeben (und somit den Schutz der Minderheiten als ein wichtiges Element der neuen europäischen Rechts- und Friedensordnung anerkaennt) und die Anerkennung von jugoslawischen Nachfolgestaaten von derem Minderheitenschutz abhängig gemacht.
So hat die Europäische Union auf ihrer "Internationalen Konferenz über das frühere Jugoslawien" in der Arbeitsgruppe darauf gedrängt, daß die Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien die Minderheitenrechte verfassungsrechtlich absichern.
In dem von der EU initierten Stabilitätspakt für Europa (20. März 1995) werden die osteuropäischen EU-Anwärter ausdrücklich aufgefordert, ihre Minderheitenprobleme zu lösen. Laut Ziffer 7 des Stabilitätspakts werden die Staaten zur "effektiven" Anwendung der Grundsätze der Menschenrechte einschließlich des Minderheitenschutzes verpflichtet. Die Badinter-Schiedskommission, die aus unabhängigen westeuropäischen Verfassungsrichtern bestand und von der Europäischen Gemeinschaft geschaffen wurde, um die Erfüllung der Anerkennungskriterien zu überprüfen, sah den Minderheitenschutz (siehe Gutachten Nr. 2 vom 11. Januar 1992) sogar als zwingendes Völkerrecht an.
Dieser eigenen Aufforderung muß die EU folgen und Minderheitenrechte im EU-Grundrechtkatalog verankern. Zwar hat die EU den Minderheitenschutz als Aufnahmehürde formuliert, im eigenen Rechtsraum bisher dies versäumt.
Die EU hat im Maastricht-Vertrag (Artikel 126 und 128) immerhin auf die sprachliche und kulturellen Vielfalt in den Mitgliedsländern der Europäischen Union hingewiesen und den Respekt vor den regionalen und nationalen Unterschieden eingefordert. Niedergeschlagen hat sich dies auch in der Schaffung der dritten EU-Ebene, des Ausschusses der Regionen (Art. 198a). Die Europäische Union verabschiedete am 10. Dezember 1998 ihre Erklärung anläßlich des 50. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die laut EU zu einer beeindruckenden Reihe von wichtigen internationalen Rechtsakten, "unter anderem der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" geführt hat. Damit hat wohl die EU vorgegeben, was im Grundrechtekatalog zu stehen hat.
Der Europarat als
Wegbereiter
Bisher hat die EU auf
normativem Weg wenig geleistet, die EU hat jetzt die Chance, ihre
demokratiepolitischen Hausaufgaben zu erledigen. Die von den
Ländern der ehemaligen EWG/EG und jetzt EU initierten
gesamteuropäischen Institutionen wie der Europarat und die
KSZE/OSZE haben entsprechende Vorgaben gemacht: 1950 hat der
Europarat die UN-Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte
als Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten übernommen. Artikel 14 besagt: "Der
Genuß der in den vorliegenden Konvention festgelegten
Rechte und Freiheiten muß ohne Unterschied des Geschlechts,
der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischer oder
sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft,
Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status
gewährleistet werden." In dieser europäischen
Rechtsnorm wird die Existenz sprachlicher und nationaler
Minderheiten unterstrichen.
Später folgten Initiativen, den Minderheitenschutz in das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.9.63 aufzunehmen. Diese Versuche sind damals gescheitert.
Charta der Regional- und
Minderheitensprachen
1992 legte der
Europarat die Europäische Charta der Regional- und
Minderheitensprachen zur Unterzeichnung auf. Zweck dieser Charta
ist der Schutz und die Förderung der europäischen
Regional- und Minderheitensprachen als Bestandteil des
kulturellen Erbes. Laut Charta sind Regional- und
Minderheitensprachen jene Sprachen, die herkömmlicherweise
in einem bestimmten Sprachraum eines Staates von Angehörigen
dieses Staates benutzt werden, die eine Gruppe bilden, die
zahlenmäßig der restlichen Bevölkerung unterlegen
ist, und die sich von der Amtssprache dieses Staates
unterscheidet. Die Charta ist bereits von acht Staaten (darunter
drei EU-Mitgliedsländer) ratifiziert worden und ist somit in
Kraft.
Rahmenkonvention zum Schutz
nationaler Minderheiten
Beim Gipfeltreffen
der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer des
Europarates wurden beschlossen, politische und rechtliche
Verpflichtungen betreffend den Schutz der nationalen Minderheiten
einzugehen. Das Ministerkomitee erhielt den Auftrag, die
dafür geeigneten internationalen Rechtsinstrumente
auszuarbeiten. Gefordert wird die Sicherung des Schutzes der
Rechte der Angehörigen nationaler Minderheiten im Rahmen
eines Rechtssstaates unter Beachtung der territorialen
Integrität und der nationale Souveränität der
Staaten. Als "Grundsätze gemeinsamer europäischer
Traditionen" wurden genannt: Gleichheit vor dem Gesetz,
Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit sowie aktives Mitwirken am öffentlichen
Leben.
Die Staaten werden aufgefordert, Bedingungen zu schaffen, die es den Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur unter gleichzeitiger Beibehaltung ihrer Religionen, Traditionen und Gebräuche weiterzuentwickeln und ihre Sprache zu pflegen. In der "Wiener Erklärung" wird die "volle Verwirklichung" der in den OSZE-Dokumenten enthaltenen Verpflichtungen zum Schutz nationaler Minderheiten gefordert.
Aufgrund der Erklärung legte das Ministerkomitee am 7. Oktober 1994 das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vor. Die Konvention bezeichnet den Minderheitenschutz als integralen Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzes. Laut Konvention gilt das Prinzip der Bekenntnisfreiheit zu einer nationalen Minderheit, aus deren Ausübung keinem Angehörigen einer nationalen Minderheit ein Nachteil erwachsen darf. Die Ausübung der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten soll sowohl individuell als auch gemeinsam mit anderen möglich sein. Die Rahmenkonvention ist in Kraft und wurde von 17 ratifiziert. Darunter sind 9 EU-Mitgliedsstaaten.
Außerdem muß an den Beschluß des Wiener Gipfels erinnert werden, ein Zusatzprotokoll über die kulturellen Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu erarbeiten. Ein Wegweiser mehr für den EU-Grundrechtekatalog.
Nicht vergessen werden soll, daß die Kommission "Demokratie durch Recht" des Europarates am 8. Februar 1991 eine Konvention über den Schutz der Minderheiten vorgelegt hat. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat am 1. Februar 1993 einen Entwurf für ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention über Minderheiten empfohlen. Im Artikel 11 der Empfehlung 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von 1994 heißt es zudem: "In Regionen, in denen sie in der Mehrzahl sind, haben Angehörige nationaler Minderheiten das Recht, über entsprechende kommunale oder autonome Verwaltungseinrichtugen oder einen besonderen Status zu verfügen, entsprechend der besonderen historischen und territorialen Situation und in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen des Staates".
Weichenstellung für
Minderheitenrechte durch die KSZE/OSZE
Bereits in der
Schlußakte von Helsinki (1. August 1975) wird der
Minderheitenschutz erwähnt. Im Abschlußdokument des
Wiener Treffens vom 15. Jänner 1989 werden die Staaten
aufgefordert, die Identität nationaler Minderheiten in
ethnischer, kultureller, sprachlicher und religiöser
Hinsicht zu schützen und zu fördern sowie entsprechende
Maßnahmen zu treffen. Im Kopenhagener Dokument 1990
über die menschliche Dimension wird für Minderheitne
ein Diskriminierungsschutz gefordert. Darüber hinaus erkennt
das Dokument den Angehörigen einer Minderheit das Recht auf
Ausübung ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und
kulturellen Identität zu. In der "Charta von Paris für
ein neues Europa" (1990) sind die Rechte der nationalen
Minderheit erwähnt, ihre Identität ohne jede
Diskriminierung frei zu äußern und weiterzuentwickeln.
Mit dem Helsinki-Dokument 1992 schuf sich die KSZE den "Hohen
Kommissar für nationale Minderheiten".
Europa-Parlament -
Fürsprecher für
Minderheitenbelagen
Die
EU-Mitgliedsländer (und EU-Anwärterstaaten) bilden den
harten Kern des Europarates und der OSZE. Die EU-Staaten haben
die politische und rechtliche Notwendigkeit des
Minderheitenschutzes mit ihren Unterschriften zu den
wesentlichsten Dokumenten des Europarates und der OSZE anerkannt.
Auch das Europa-Parlament hat mit verschiedenen
Entschließungen sich zum Minderheitenschutz bekannt. Das EP
hat immer wieder versucht, die Ausarbeitung verbindlichen
Gemeinschaftsrechts zum Schutz ethnischer Minderheiten
voranzutreiben. Am 30. Oktober 1987 bekräftigte das EP
frühere Entschließungen (16.10.81 und 11. Februar
1993): Die Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, ihre
Minderheiten rechtlich anzuerkennen, damit die Voraussetzungen
für die Erhaltung und die Entwicklung der Regional- und
Minderheitensprachen geschaffen werden.
Im Stauffenberg-Entschließungsantrag vom 1. Februar 1988 wurde eine "Charta der Volksgruppenrechte" eingefordert, zum Schutz der Rechte von Volksgruppen in den Mitgliedsstaaten durch Gemeinschaftsrecht, im Dalsass- Entschließungsantrag vom 19. September 1989 wurde zur "Ausarbeitung eines Entwurfs einer Volksgruppencharta" aufgerufen. Am 8. März 1990 wurde der Elliot-Entschließungsantrag über die "Benachteiligung von ethnischen Minderheiten und Wanderarbeitnehmern in der Gemeinschaft" vorgelegt, am 10. April 1990 folgte der Entschließungsantrag Van de Meulebroucke zu einem "Europäischen Rechtsinstrument für nationale Minderheiten".
Rechtsstaat Europa - auch
für Minderheiten
Am 21. November 1991
hatte das EP die Aufnahme von Volksgruppenrechten und des
Minderheitenschutzes unter die grundlegenden europäischen
Bürgerrechte durch Einfügung in den Vertrag zur
Politischen Union gefordert. Die Existenz ethnischer und/oder
sprachlicher Minderheiten soll anerkannt und gefördert
werden. Das EP sprach sich dafür aus, diesen Gruppen das
Recht auf demokratische regionale und interregionale
Selbstverwaltung zuzuerkennen. Die Rechte der Volksgruppen und
Sprachminderheiten sollte durch die Aufnahme in den
Maastricht-Vertrag zu einem Wesenselement des "Rechtsstaates
Europa" werden.
Am 9. Februar 1994 greift eine weitere Entschließung die Notwendigkeit des Schutzes und der Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt in Europa auf, bezugnehmend auf Dokumente des Europa-Parlaments, des Europarates und der OSZE. Kernaussage: Die weniger verbreiteten Sprachen müssen in der Gemeinschaftspolitik berücksichtigt werden.
Die UNO - Ist ein greifbares
universelles Minderheitenrecht machbar?
Die
UN-Vollversammlung hat am 12. Dezember 1948 die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, aber auch eine
Minderheiten-Resolution (UN-Res. 217 C/III/). Am 14. Dezember
beschloß die Unesco eine Konvention gegen die
Diskriminierung in Erziehungsangelegenheiten - eine eigene
Bestimmung ist dem Recht von Minderheitenangehörigen
gewidmet, ihre eigene Erziehungsarbeit zu leisten, eigene Schulen
zu unterhalten und in Erziehungsfragen ihre eigene Sprache zu
gebrauchen und zu lehren.
Dieser Passus wird 1966 im "Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte" aufgegriffen. So heißt es im Artikel 27: In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.
Der UN-Menschenrechtspakt greift das Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs aus dem Jahr 1935 bezüglich der Minderheitenschulen in Albanien auf. Laut diesem Gutachten begründet die Erhaltung der Minderheitenschulen kein Privileg der Minderheit, sondern ihre Schließung eines der Mehrheit. Die Beseitigung von Minderheiteneinrichtungen verstoßt laut diesem Gutachten gegen den Gleichheitssatz.
Der UN-Menschenrechtspakt bezieht sich mit seinem Artikel 27 aber auch auf das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (7. März 1966). Gemäß diesem Übereinkommen sind Sondermaßnahmen, die bestimmte "Rassen, Volksgruppen oder Personen" fördern sollen, die Schutz benötigen, keine Rassendiskriminierung. Ganz in diesem Sinne bezeichnet der UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (16. Dezember 1966) wird das Recht auf Bildung anerkannt, das für den Schutz von Minderheiten, insbesondere für den Sprachunterricht, wesentlich ist.
Auch in der Unesco-Erklärung über Rassismus und rassistische Vorurteile vom 28. November 1978 wird das Recht betont auf Verschiedenheit aller Menschen und Gruppen. Artikel 3 billigt jedem Menschen und jeder Gruppe ein Recht auf volle Entfaltung zu.
Es mag Zufall sein, daß 1978 Jugoslawien den Vorschlag einer UN-Minderheitendeklaration unterbreitet. Diese Deklaration sollte die vorangegangenen Pakte, Konventionen und Erklärungen zusammenfassen. Von 1978 bis 1992 arbeitete eine Arbeitsgruppe am Deklarationstext, der 1992 am 18. Dezember als UN-Resolution angenommen wurde. Diese Deklaration geht weit über Artikel 27 des Menschenrechtspakts hinaus. In der Minderheitendeklaration fordert die UNO die Staaten auf, günstige Bedingungen zu schaffen, um Minderheiten die Äußerung ihrer Eigenheiten und die Entwicklung ihrer Kultur, Sprache, Religion, Tradition und Bräuche zu ermöglichen. Den Staaten wird auferlegt, den Angehörigen von Minderheiten das Erlernen der Muttersprache zu ermöglichen. Damit hat die UNO die Notwendigkeit von Fördermaßnahmen für Minderheiten akzeptiert.
Die
UN-Minderheitendeklaration - Maßstab für
Minderheitenrechte im
EU-Grundrechtkatalog
Die Deklaration
bestätigt das Recht von Minderheitenangehörigen, ein
eigenständiges kulturelles Leben zu pflegen, sich zu ihrer
Religion zu bekennen sowie sich ihrer eigenen Sprache zu
bedienen. Unterstrichen wird zudem den Anspruch auf Teilnahme am
öffentlichen Leben, auf Beteiligung an Entscheidungen, die
die Minderheiten betreffen, das Vereinigungsrecht, das Recht -
auch grenzüberschreitenden - Kontakten mit anderen
Mitgliedern derselben Minderheit.
Die Staaten werden laut dieser Deklaration verpflichtet, die Existenz und Identität der Minderheiten zu schützen und zu fördern, dieses gesetzlich zu verankern, das Erlernen der Muttersprache sowie fachlichen Unterricht in ihrer Sprache zu ermöglichen.
Minderheitenschutz - ein
grundlegendes europäisches
Bürgerrecht
Die Lage der
sprachlichen, ethnischen und nationalen Minderheiten in den
EU-Ländern macht deutlich, daß im EU-Grundrechtkatalog
die Minderheiten betreffenen Aussagen aus UN-, KSZE/OSZE-,
Europarats- und Europaparlaments-Erklärungen aufgenommen
werden müssen. Zum europäischen Kulturerbe zählen
auch die nicht amtlichen Sprachen. Dieser sprachliche Pluralismus
war für die EU bisher kein Anliegen. So hat Europäische
Kommission aus ihrem Gesamtbudget von 90 Billionen Euro den
sprachlichen und nationalen Minderheiten nur 2,5 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt. Damit ist die Arbeitsfähigkeit
der Vereine und Organisationen, die sich für den Erhalt der
Kulturen von Sprachminderheiten einsetzen,
gefährdet.
Die EU zieht damit
die gegenteilige Konsequenz aus der 1996 veröffentlichten
Studie „euromosaic“, die das Ausssterben der
Nicht-Amtssprachen feststellt. Laut dieser Studie haben von den
48 Minderheitensprachen 23 nur noch eine „begrenzte
Überlebensfähigkeit“ oder gar „keine
Überlebenskraft“. Von ihnen entfallen 15 auf
Griechenland, Italien und Frankreich.
Griechenland leugnet konsequent die Existenz ethnischer Mindereiten wie der Slawo-Mazedonier, der Aromunen und der albanischen Sprachgruppe, Behörden, Gerichte, Polizei und Armee gehen gegen die muslimischen Minderheiten in Westthrakien vor. Bisher haben alle griechischen Regierungen die EU-Initiativen zum Minderheitenschutz abgelehnt. Als einziger EU-Mitgliedsstaat hat Griechenland dem „Europäischen Büro für Minderheitensprachen“ die Gründung einer Sektion verweigert.
In Italien mußte - mit wenigen Ausnahmen - der Großteil der Minderheiten mehr als 50 Jahre auf das Minderheitenschutzgesetz, wie laut Artikel 6 der Verfassung vorgesehen warten. Im Dezember 1999 hat Staatspräsident Ciampi das von Kammer und Senat genehmigte Gesetz unterschrieben. Die Hälfte der 13 Sprachminderheiten sind laut „euromosaic“ nicht „überlebensfähig“.
Der französische Staat verweigert den mindestens 4,5 Millionen Angehörigen der baskischen, elsässerdeutschen, katalanischen, korsischen, niederländischen und provenzalischen Minderheiten elementare sprachlich-kulturelle Rechte. Der Gebrauch der Minderheitensprachen verstoßt gegen Artikel 2 der französischen Verfassung, der Französisch als alleinige Amtssprache vorsieht.
Klagen der Minderheiten gibt
es auch in Österreich und
Deutschland
Gleichzeitig gibt es
in der EU aber auch genügend gelungene Beispiele. In Spanien
konnten sich die historischen Nationalitäten wie die Basken
und Katalanen über die staatliche Regionalisierung
emazipieren; Italien hat über einen bilateralen Vertrag mit
Österreich Südtirol eine weitreichende Autonomie
ermöglicht, Großbritannien akzeptierte neue Wege der
Selbstverwaltung in Wales und Schottland, in der Provinz
Ulster/Nordirland setzte die britische Regierung einen Dialog mit
den irischen Republikanern in Gang, der zum Frieden, zum
Ausgleich und zur Aufwertung und Emanzipation des irischen
Bevölkerungsteils führt; Dänemark hat seiner
einstigen Kolonie Grönland mit einem Autonomiestatut eine
neue Zukunft ermöglicht, in Finnland genießen die
schwedischen Einwohner der Aland-Inseln eine weitreichende
Selbstverwaltung, die schwedische Minderheit auf dem finnischen
Festland ist dem Staatsvolk gleichgestellt. Die von verschiedenen
EU-Ländern gemachten erfolgreichen Erfahrungen sollen - da
in den betreffenden Staaten anerkennte Rechtsgrundsätze
-ebenfalls in den Grundrechtekatalog
einfließen.
Trotz der Abstinenz der EU in Menschenrechtsfragen hat der EU-Vorläufer EG einige positive und richtungsweisende Elemente für einen neuen "Rechtsraum" geschaffen:
Was muß in der EU
anders werden?
Die bisherige EG/EU
zeichnete sich durch einen starken Demokratiedefizit auf - dem
übermächtigen EU-Ministerrat und seiner Kommission (die
immer noch nicht vom Parlament gewählt wird) steht noch
immer ein schwächeres Parlament gegenüber. Die
Ausschuß für Regionen, ein weitere Ebene der
Mitbestimmung von unten, durfte bis jetzt keine
größere Rolle spielen.
Mit einem weitgefaßten Grundrechtekatalog kann das erwähnte Defizit überwunden werden. Ein Grundrechtekatalog ermöglicht einen starken Ausbau der politischen Dimension der europäischen Integration. Der Einigungsprozeß muß von der bisher wirtschaftlichen und intergouvernementalen Ebene auf eine demokratische Ebene gebracht werden. Als Wesenslement der inneren Architektur der EU braucht es Regionalismus, Autonomie und Minderheitenschutz: die bisherigen Konzessionen an die "Subsidiarität" sind absolut ungenügend, in einem derartigen Kontext müßten beispielsweise auch "Europaregionen" jenseits der bisherigen Staatsgrenzen möglich sein, eine verbindliche "Charta der Volksgruppen und Minderheiten" und ein verbindlicher Mindeststandard an Dezentralisierung der Staatsmacht bzw an Autonomie und Regionalismus müßte zum konstitutiven Element der EU werden.
Diese attraktive Alternative - bestehend aus demokratischem, autonomistischem und gesamteuropäischen Föderalismus und Minderheitenschutz - schafft die Voraussetzung für eine Kultur des Zusammenlebens und fördert die demokratische Selbstbestimmung. Die Republik Italien hat diese Ideen in ihrer Verfassung als Grundrechte festgeschrieben, die auch Vorbild sein können für den EU-Grundrechtekatalog.
1) Die EU anerkennt und gewährleistet die unverletztlichen Rechte des Menschen, sei es als Einzelpersonen, sei es innerhalb der gesellschaftliche Gebilde ("Die Union und ihre Mitgliedsstaaten sind sich bewußt, daß der Reichtum des europäischen Kulturerbes wesentlich in seiner Vielfältigkeit liegt und erkennen das Bestehen minderheitlicher Volks- und/oder Sprachgruppen auf ihrem Gebiet an. Sie treffen die nötigen Maßnahmen, um die Erhaltung und freie Entfaltung ihrer sprachlichen und kulturellen Identität zu sichern", Entschließung des Europaparlaments über die "Rechte der Volksgruppen und Minderheiten als Teil der grundlegenden europäischen Bürgerrechte" - 21.11.99), in denen sich seine Persönlichkeit entfaltet, und sie fördert die Erfllung der unabdingbaren Pflichten politischer, wirtschaftlicher und sozialer Solidarität.
2) Alle Bürger der Union haben die gleiche gesellschaftliche Würde und sind vor dem Gesetz ohne Unterschied des Geschlechts, der Sprachen, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der persönlichen und sozialen Verhältnisse gleich. Es ist Aufgabe der Union, die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art (z.B. aktive Förderung, d.h. nicht nur Duldung der Identität von Minderheiten; positive Diskriminierung, d.h. mehr als Chancengleicheit für Minderheiten) zu beseitigen, die durch eine tatsächliche Einschränkung (z.B. durch die Nichtanerkennung der nichtamtlichen Sprachen in der EU) der Freiheit und Gleichheit der EU-Bürger der vollen Entfaltung der menschlichen Person und der wirksamen Teilnahme an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung des Lebens im Wege sehen.
3) Die Union schützt und fördert mit besonderen Bestimmungen die sprachlichen Minderheiten (Grundlage: alle minderheitenrelevanten Erklärungen von UNO, KSZE/OSZE, Europarat, Europaparlament und EU) wie die Anerkennung des Eigenwertes der Minderheitensprache, die Vertretung im politischen System und wie Verfahrens- und Rechtsschutzgarantien z.B. im Bildungs- und Kulturbereich.
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