An den Präsidenten der Republik
Österreich Dr. Thomas Klestil Hofburg - Wien
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Als Südtiroler Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker - international sind wir entsetzt darüber, wie in Österreich rechte Kreise eine minderheitenfeindliche Stimmung schüren. Es ist unglaublich, in welche Art und in welcher Vehemenz der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider der slowenischen Sprachgruppe gegenüber seine extremistisch-nationalistischen Drohungen ausspricht. Enttäuschend wenige österreichische Politiker haben bisher die slowenische Sprachgruppe in Kärnten verteidigt. Zwar hat sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach dem Urteil des Verfassungsgerichts über zweisprachige Ortstafeln und den folgenden Rücktrittsforderungen Haiders hinter den Präsidenten des Verfassungsgerichts gestellt, doch geschah dies äußerst spät und in einer nicht besonders deutlichen Sprache; außerdem gab es kaum solidarische Worte für die arg bedrängte slowenische Sprachgruppe in Kärnten. Es sieht - um aus den Reaktionen der österreichischen Politik zu schließen - ganz so aus, als sei die slowenische Volksgruppe daran schuld, dass sich die österreichische Politik nie an die verfassungsmässigen Pflichten gegenüber den Slowenen gehalten hat!
Solidarität ist dringend notwendig. Die slowenische Minderheit in Kärnten ist wegen der Assimilierungspolitik von ehemals 43.000 (1939) auf 15.000 Sprechende geschrumpft. Nicht von ungefähr spricht deshalb der angesehene Politologe Anton Pelinka von einer "demografischen Vernichtung" der Minderheiten.
Jörg Haider,
der schon des öfteren seine Sympathie für
totalitäre Regime kundgetan hat, veranstaltet eine Hatz
gegen die slowenischen Bürger Kärntens. Haider tut das,
was gewöhnlich Ganoven tun: Er erpresst die Minderheit,
indem er für mehr Ortstafeln - die vom Verfassungsgericht
als Verpflichtung anerkannt wurden - die Schließung von
zweisprachigen Kindergärten und Schulen und zur Reduzierung
der Geldmittel für die Minderheit
androht.
Die
Einschüchterung der slowenischen Sprachgruppe durch
Erpressung ist der Teil der Strategie auch des
national-chauvinistischen Kärntner Heimatdienstes.
Offensichtlich handeln die Kärntner Freiheitlichen und der
Heimatdienst, mit heimlicher Schützenhilfe teilweise auch
aus den Reihen der ÖVP und SPÖ, gemeinsam gegen die
slowenischen Landsleute. Das antislowenische Kesseltreiben der
Haider-Freiheitlichen schafft ein minderheitenfeindliches Klima,
unter dem alle anerkannten Sprachminderheiten Österreichs
leiden.
Nicht erst seit Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung beklagen die von der österreichischen Verfassung anerkannten Sprachgruppen die von der Bundesregierung und den Kärntner, steirischen und burgenländischen Landesregierungen betriebene Politik der Diskriminierung. Die langjährige Regierungspartei SPÖ hatte wenig Verständnis für die berechtigten Anliegen der Minderheiten und hat gemeinsam mit der ÖVP und der jetzt bekämpften FPÖ erfolgreich die Initiativen der Liberalen und der Grünen zugunsten der Sprachminderheiten verhindert.
Die
Sozialdemokraten haben sich nicht bereit gefunden, das mehr als
25 Jahre alte Volksgruppengesetz (schon 1975 unter Druck des
chauvinistischen Kärntner Heimatdienstes von SP, VP und FP
in einer großen Kumpanei-Aktion verwässert) zu
modernisieren. Österreich hat es außerdem unterlassen,
der Verpflichtung aus dem Staatsvertrag zum Schutz der
Minderheiten vollinhaltlich nachzukommen. Trotz der im Artikel 7
verbrieften Rechte gibt es enorme Defizite bei zweisprachigen
Kindergärten und Schulen, bei den zweisprachigen Ortsnamen,
bei der Verwendung der Minderheitensprachen vor Behörden und
bei der muttersprachlichen Versorgung in Rundfunk und
Fernsehen.
Ausgeschlossen aus
jeder Schutzmaßnahme ist die slowenische Sprachgruppe in
der Steiermark, obwohl diese im Artikel 7 des Staatsvertrages
erwähnt ist. Die Politik behauptet einfach, es gäbe
diese Minderheit gar nicht - die ÖVP hat nicht allein die
Anerkennung verweigert, auch hier gab es eine stille große
Koalition von SP, VP und FP.
Es ist bedauerlich,
daß fast alle Verbesserungen für die Sprachgruppen in
Österreich auf Urteile des Verfassungsgerichts
zurückgehen. Erst auf Klagen von Angehörigen der
Sprachminderheiten sind restriktive Gesetzesbestimmungen
aufgehoben worden, wurden verfassungsmäßig verankerte
Rechte auch gewährt.
Mit der Minderheitenpolitik verletzten die Bundesregierungen übrigens die von Österreich ratifizierte Rassendiskriminierungskonvention der UNO. Darin verpflichtet sich die österreichische Regierung, "mit allen geeigneten Mitteln und unverzüglich eine Politik der Beseitigung der rassischen Diskriminierung und Förderung des Verständnisse unter allen Rassen zu verfolgen". Laut Artikel 2 dieser Konvention sind die Vertragsstaaten aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, "um die angemessene Entwicklung und einen hinreichenden Schutz bestimmter rassischer und ethnischer Gruppen oder ihnen angehörender Einzelpersonen sicherzustellen". In Kärnten hat sich Landeshauptmann Jörg Haider massiv in das dürftige zweisprachige Schulsystem der slowenischen Sprachgruppe eingemischt und sich gegen die Ernennung von zweisprachigen Direktoren für die zweisprachigen Grundschulen ausgesprochen. Haider wurde von der damaligen SPÖ-ÖVP Bundesregierung nicht gestoppt.
Das Österreichische Volksgruppenzentrum listet jährlich die Defizite der österreichischen Minderheitenpolitik auf. Obwohl das Verfassungsgericht die Sprachen der Minderheiten als Amtssprachen anerkannt hat, sind die Verwaltungen noch immer säumig bei der Umsetzung der Zweisprachigkeit. Angehörige der Sprachminderheiten erhalten laut Volksgruppenzentrum kaum Auskünfte in ihrer Muttersprache.
Das Volksgruppenzentrum hat seine Kritik teuer bezahlen müssen. Die damalige SPÖ/ÖVP-Bundesregierung hat dem Zentrum die Förderung gestrichen. 1997 hat außerdem das für Minderheitenfragen zuständige Bundeskanzleramt subventionsempfangende Minderheitenorganisationen ausschnüffeln lassen und schikaniert. Beamte des Kanzleramtes haben sich nach dem Verwandtschaftsgrad von Vorstandsmitgliedern der Vereine erkundigt, sie haben ohne Wissen der Betroffenen Abonnentenlisten der Minderheitenzeitung mitgenommen. Von weiteren Vereinen sind Listen von Kindern, die an Sprachferien, Bastelabenden und Radwanderungen teilgenommen haben, verlangt worden. Das ist Inquisitionsstil, Herr Klestil!
Das Bundeskanzleramt zögert zudem die Förderung hinaus und überlässt die Genehmigung von Projekten der Willkür der Beamten. Auch deshalb hat der Rechnungshof die Förderungspolitik des Bundeskanzleramtes für Minderheiten als hemmend und die Auszahlung der Mittel als schleppend kritisiert. Bundeskanzler Viktor Klima und seine Partei grenzten seit Jahren Vertreter von Minderheitenorganisationen aus, die Minderheitenrechte einfordern.
Landeshauptmann Haider stellte nach seinen Attacken der slowenischen Sprachgruppe in Kärnten einen Runden Tisch in Aussicht. Nicht aber, um die Wünsche der Minderheit zu hören, sondern den Status quo einzufrieren oder gar nach unten zu schrauben. Haider kündigte außerdem an, zweisprachige Ortstafeln abzumontieren, sollte laut Volkszählung die Zahl der slowenischen Sprachgruppe weiter geschrumpft sein; eine Ankündigung eines verfassungswidrigen Verhaltens.
Sehr geehrte Herr Präsident, als oberster Vertreter der Republik und ihrer Verfassung sind Sie moralisch verpflichtet, von allen Politikern des Landes die Einhaltung der Verfassung zu fordern, und zwar mit deutlichen Worten und wenn nötig auch mit Taten (Amtsenthebung bei bewusst und vorsätzlich verfassungswidrigem Verhalten). Setzen Sie sich dafür ein, dass Artikel 7 des Staatsvertrages endlich vollständig umgesetzt wird. Weisen Sie Haider in die Schranken, der mit einer Volksbefragung (oder auch ohne) Verfassungsrechte abschaffen will. Herr Klestil, das ist eine Form des Staatsstreiches!
Wir appellieren an Sie, Herr Präsident, sich zum Fürsprecher einer Überarbeitung des mehr als 25 Jahren alten "Volksgruppengesetzes" zu machen. Österreich braucht ein "Minderheiten-Paket", das der Germanisierung Österreichs endlich Einhalt gebietet.
Hochachtungsvoll
Für die
GfbV-Südtirol
Wolfgang Mayr, Mateo
Taibon, Mauro di Vieste
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