Bericht des Österreichischen Volksgruppenzentrums zur Durchführung des Europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten in der Republik Österreich
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Teil I, Jänner 2000

NGO-Report, Austria, german

Einleitung

Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (im folgenden: RÜK), BGBl. III 1998/130 ist die erste rechtsverbindliche multilaterale Übereinkunft, die ausschließlich dem Schutz nationaler Minderheiten im allgemeinen gewidmet ist; sie ist für Österreich am 1.7.1998 in Kraft getreten.

Das RÜK wurde von Österreich als Staatsvertrag (StV) mit gesetzesänderndem bzw. gesetzesergänzendem Charakter vom NR nach Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 B-VG mit Erfüllungsvorbehalt genehmigt.1 Es entfaltet zunächst grundsätzlich keine innerstaatlichen Rechtswirkungen („spezielle Transformation"). Durch den Erfüllungsvorbehalt ist auch „authentisch" festgestellt, daß das RÜK nicht unmittelbar anwendbar ist. Das bedeutet also, daß die Bestimmungen nicht von den Verwaltungsbehörden und Gerichten vollzogen werden können, und - unter anderem - auch, daß Minderheitsangehörige aus den Bestimmungen des RÜK im innerstaatlichen Bereich keine subjektiven Rechte ableiten können (Freilich räumt nicht jede unmittelbar anwendbare staatsvertragliche Bestimmung ein subjektives Recht ein).

Das RÜK ist durch „Erfüllungsgesetze" (damit sind nicht nur formelle Gesetze gemeint, es können auch Verordnungen in Frage kommen, wenn eine entsprechende Verordnungsermächtigung bereits besteht) „durchzuführen"; es müssen aber keine Erfüllungsgesetze ergehen, wenn die innerstaatliche Rechtslage bereits den völkerrechtlichen Verpflichtungen entspricht.

Nach Art 25 RÜK muß jede Vertragspartei innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten (im Falle Österreichs also

bis spätestens 1.7.1999) dem Generalsekretär des Europarates vollständige Informationen über Gesetzgebungsmaßnahmen und andere Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der festgelegten Grundsätze getroffen hat, übermitteln.

Da die österreichische Bundesregierung diesbezüglich säumig ist, hat sich das Österreichische Volksgruppenzentrum als Dachorganisation von Vertretungsorganisationen aller autochthonen Volksgruppen in Österreich entschlossen, einen NGO-Bericht zur Durchführung des RÜK in Österreich zu verfassen und ihn dem Generalsekretär des Europarates zu übergeben. Auch war die österreichische Bundesregierung nicht bereit, regierungsunabhängige Vertretungsorganisationen der österreichischen Volksgruppen in die Berichtserstellung einzubinden.

Nachdem Österreich anläßlich der Ratifizierung des RÜK erklärt hat, daß es unter dem Begriff „nationale Minderheiten" nur die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten, vom Anwendungsbereich des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/196 (im folgenden VolksgruppenG), erfaßten Gruppen österreichischer Staatsangehöriger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum versteht, geht das Österreichische Volksgruppenzentrum davon aus, daß das RÜK derzeit auf die kroatische, slowakische, slowenische, tschechische, ungarische und die Volksgruppe der Roma anzuwenden ist. Durch diesen Erfüllungsvorbehalt hat die Republik Österreich die polnische und eventuell auch andere Volksgruppen ausgeschlossen, die ebenso wie andere angeführte Volksgruppen über mehrere Generationen in Österreich ansässig sind, aber nach wie vor nicht anerkannt sind.

Kurzer historischer Überblick

Burgenländische Kroaten
Die Ansiedlung der Burgenländischen Kroaten in die damaligen Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie, in Westungarn, in Niederösterreich, in der Südslowakei und in Südmähren erfolgte in mehreren Wellen bis zum Jahr 1584. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lebten in diesem Gebiet etwa 120.000 Kroaten, dies entsprach einem Bevölkerungsanteil von 25-28%. Während der Gegenreformation entwickelten die Burgenländischen Kroaten eine eigenständige regionale Schriftsprache. Durch den Staatsvertrag von Trianon (1921) verpflichtete sich Ungarn zur Abtretung Westungarns an die Republik Österreich. Nach dem Anschluß Österreichs an Hitlerdeutschland wurden die kroatischen Vereine sowie der kroatische Unterricht an den Schulen verboten. Das Burgenland war sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Republik wirtschaftliches Krisengebiet. In der Ersten Republik wanderten viele Burgenländer nach Amerika aus, während sie in der Zweiten Republik in den Ballungszentren Wien und Graz Arbeit suchten.

Polen
Seit Beginn des 17. Jahrhunderts siedelten sich etliche polnische Familien in der Reichshauptstadt Wien an. Schon im Jahre 1860 hatte Wien 4.700 polnischsprachige Bewohner. Die ersten polnischen Vertretungsorganisationen wurden mit Ende des 19. Jahrhunderts in Wien gegründet. Die größte Vertretungsorganisation „Strzecha" hat ihre Tätigkeit kontinuierlich bis heute erhalten und ausgebaut. Ex definitione ist auch die polnische Volksgruppe vom Anwendungsbereich des Volksgruppengesetzes erfaßt und durch die Erklärung Österreichs anläßlich der Ratifikation damit auch vom Anwendungsbereich des Europäischen RÜK zum Schutz nationaler Minderheiten, auch wenn sie von der österreichischen Bundesregierung de facto nicht als Volksgruppe anerkannt ist.

Slowaken
Die neuerliche slowakische Besiedlung einiger niederösterreichischer Dörfer an der March erfolgte im 16. Jahrhundert. In diesen Dörfern hat sich die ursprüngliche slowakische Sprache zum Teil bis heute erhalten. Der Zuzug der Slowaken in die Reichshauptstadt Wien beschränkte sich bis zur Türkenbelagerung Wiens auf Einzelpersonen. Danach verstärkte sich der Zuzug von Slowaken und es wurden ab dem Jahre 1835 die ersten slowakischen Vereine in Wien gegründet. Vor allem seit der Samtenen Revolution in der damaligen ?SSR kommt es zu einem Wiederaufleben der slowakischen Volksgruppe in Wien.

Slowenen
Die Einwanderung der Slowenen in das südöstliche Gebiet des heutigen Österreich erfolgte zu Ende der Völkerwanderung in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Mitte des 19. Jahrhunderts war Klagenfurt/Celovec das kulturelle Zentrum aller Slowenen. Nach dem Ersten Weltkrieg und der diesbezüglich erfolgten Volksabstimmung im Jahre 1920 verblieb Südkärnten mit seiner slowenischsprachigen Bevölkerung bei Österreich, ebenso wurden die in der Steiermark ansässigen Slowenen durch die Pariser Friedensverträge zu einer österreichischen Minderheit. Unter der NS-Herrschaft wurden sämtliche slowenische Vereine aufgelöst, 1942 kam es zur Aussiedlung von rund 300 slowenischen Familien und in der Folge zum organisierten bewaffneten Widerstand der Slowenen gegen Hitlerdeutschland. Der Widerstand der slowenischen Partisanen war der einzige militärisch organisierte Kampf gegen das NS-Regime in Österreich. Den Slowenen in der Steiermark wird bis heute der Minderheitenstatus nicht zuerkannt.

Roma
Seit dem 15. Jahrhundert leben die aus Indien zugezogenen Sinti und Roma in Mitteleuropa. Ihre gesamte Geschichte ist durch Diskriminierung und Verfolgung gekennzeichnet. Während der NS-Herrschaft wurden mehr als die Hälfte der damals ca. 11.000 österreichischen Roma und Sinti in Konzentrationslagern umgebracht.

Tschechen
Die ersten Hinweise auf tschechische Ansiedler in Wien beziehen sich auf die Regentschaft des Königs P?emysl Ottokar II. im 13. Jahrhundert. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten tschechischen Vereine in Wien gegründet. Ende des 19. Jahrhunderts lebten ca. 200.000 Tschechen in Wien, der größere Teil davon remigrierte nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahre 1918 in die ?SSR. Während der NS-Zeit wurden die tschechischen Vereine aufgelöst und die Angehörigen der Volksgruppe waren einer massiven politischen Verfolgung ausgesetzt. Es existierten drei tschechische Widerstandsgruppen in Wien.

Ungarn
Die Ungarn sind in den Jahren 895 und 896 in das Karpatenbecken eingezogen. Die Vorfahren der heutigen Ungarn im Burgenland wurden im 11. Jahrhundert zum Schutz der westungarischen Grenze als sogenannte Grenzwächter angesiedelt. Durch die Türkenkriege im 16. Jahrhundert sowie die Besiedlung des Gebietes durch Kroaten und deutsche Protestanten führen die Ungarn im Burgenland seit mehr als 450 Jahren ein Sprachinseldasein. Des weiteren sind die Ungarn seit dem 16. Jahrhundert eng mit Wien verbunden. Zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie kam es zu einem starken Zuzug von Ungarn nach Wien, die im Jahre 1956 durch eine starke Gruppe von ungarischen Flüchtlingen vergrößert wurde.

Siedlungsgebiet der Volksgruppen
Siedlungsgebiet der Volksgruppen in Österreich

Burgenländische Kroaten
Die burgenländischen Kroaten siedeln in Streulage im gesamten Burgenland mit Ausnahme des Bezirkes Jennersdorf. Wegen der starken Abwanderung lebt ein beträchtlicher Teil der burgenländischen Kroaten auch in Wien.

Ungarn
Der Großteil der burgenländischen Ungarn lebt in vier größeren ungarischen Sprachinseln: Oberpullendorf/Fels?pulya, Oberwart/Fels??r, Siget in der Wart/?risziget und Unterwart/Alsó?r, eine beträchtliche Anzahl von Ungarn lebt auch in Wien.

Slowenen
Der Siedlungsraum der Kärntner Slowenen erstreckt sich im wesentlichen auf die drei Südkärntner Täler: Gailtal, Rosental und Jauntal. Die Kärntner Slowenen leben vorwiegend in Streulage mit einigen Siedlungsschwerpunkten, in denen sie die Mehrheit bilden. Die steirischen Slowenen leben vor allem in fünf Dörfern des Radkersburger Winkels im Südosten der Steiermark und in Streusiedlung südlich von Leutschach sowie im Gebiet Soboth.

Die anderen Volksgruppen leben größtenteils in Wien, die Roma zerstreut in ganz Österreich, mit Siedlungsschwerpunkt im Burgenland.

Volkszählungsergebnisse und Anzahl der Angehörigen der österreichischen Volksgruppen

Aufgrund der Tatsache, daß anläßlich der offiziellen Volkszählungen in Österreich nach Umgangssprache, Muttersprache, Denksprache, Kulturkreis, Familiensprache gefragt wurde, aufgrund der Volksgruppenfeindlichkeit etlicher Zählkommissare, die mehr oder weniger stark die Volkszählungsergebnisse beeinflußt haben, werden die Ergebnisse der Volkszählungen von den Volksgruppenvertretungsorganisationen angezweifelt bzw. sind sie nur als einer von vielen Indikatoren zur tatsächlichen Größe der einzelnen Volksgruppen zu gebrauchen. Sie zeigen aber doch recht anschaulich den starken Assimilierungsdruck der letzten Jahrzehnte.

1910 1951 1991

Kroaten 44.243 35.181 29.596

Slowakensubsummiert unter Tschechen

(böhmisch - mährisch - slowakisch) 301 1.015

Slowenen 74.210 42.413 20.191

Tschechen 119.447 3.817 9.822

Ungarn 26.570 8.408 19.638

Gesamtösterreichische Ergebnisse im Gebiet der heutigen Republik Österreich. Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft (1991). Die Volksgruppe der Roma und der Polen wurden bei den einzelnen Volkszählungsergebnissen nicht gesondert ausgewertet.

Laut Eigeneinschätzung der regierungsunabhängigen Vertretungsorganisationen der österreichischen Volksgruppen leben in Österreich zur Zeit:

Kroaten 40.000 - 50.000

Polen ca. 10.000

Roma 10.000 - 20.000

Slowaken 5.000 - 10.000

Slowenen ca. 50.000

Tschechen 10.000 - 20.000

Ungarn 20.000 - 30.000

Österreichische Volksgruppenpolitik

Aus Sicht des Österreichischen Volksgruppenzentrums ist die Volksgruppenpolitik der österreichischen Bundesregierung und der betroffenen Bundesländer in mehrere Phasen zu unterteilen. Grundsätzlich lassen sich diese wie folgt betiteln und darstellen:

I. Gewährungspolitik (1945 - 1955)
Aufgrund der jugoslawischen Gebietsansprüche, die bis zum Bruch Titos mit Stalin auch von der Sowjetunion unterstützt wurden, war Österreich bemüht, zumindest der slowenischen und teilweise auch der kroatischen Volksgruppe einige substantielle Rechte zuzugestehen. Zu nennen sind vor allem die kurzfristige Einbindung eines Slowenenvertreters in die Kärntner Landesregierung, die Einführung des obligatorischen zweisprachigen Schulwesens für alle Schüler im zweisprachigen Gebiet Kärntens, und die Wiedereinführung des zweisprachigen Schulwesens im Burgenland.

II. Verhinderungspolitik (1955 - 1972)
Diese Phase ist gekennzeichnet durch Wiedergründung von deutschnationalen Organisationen und durch die aktive Assimilierungspolitik der österreichischen Bundesregierung, die vor allem durch die Landespolitik getragen wird. Die Minderheitenschutzbestimmungen des Artikels 7 des Staatsvertrages von Wien aus dem Jahr 1955 (im Folgenden: StV v Wien), wurden restriktiv interpretiert und nicht umgesetzt. 1957 wird der Kärntner Heimatdienst wiedergegründet, der erfolgreich die Abschaffung des obligatorischen zweisprachigen Schulwesens betreibt. Im Burgenland etabliert sich auf Betreiben und mit maßgeblicher Unterstützung einer Landtagspartei eine Gruppierung, die sich für die aktive Assimilierung der kroatischen Volksgruppe einsetzt. Obwohl eine bewußte wirtschaftliche Schwächung der Siedlungsgebiete der Volksgruppen im Burgenland, in der Steiermark und in Kärnten kaum nachweisbar ist, bleibt es Tatsache, daß tausende Volksgruppenangehörige durch das Auspendeln und die - ebenfalls wirtschaftlich bedingte - Abwanderung assimiliert wurden.

III. Restriktive Politik (1972 - 1988)
Im Herbst 1972 wurden in Kärnten die, in teilweiser Erfüllung des Staatsvertrages von Wien, aufgestellten zweisprachigen topographischen Aufschriften von ÖVP-nahen und Deutschnationalen, von Ort zu Ort ziehenden, organisierten Gruppen, gewaltsam entfernt. Die Polizei schritt nicht ein. 1976 wurde gegen den Willen der Betroffenen das restriktive Volksgruppengesetz beschlossen, welches gewisse Sprachenrechte von einer 20% bzw. 25%-Klausel abhängig macht. Trotz massiver Proteste und erfolgreichen Boykotts durch die Betroffenen wurde in ganz Österreich eine Minderheitenfeststellung (geheime Volkszählung besonderer Art) zur Festlegung dieser prozentuellen Anteile der Volksgruppen durchgeführt.

Aufgrund der Tatsache, daß die slowenische Wahlgruppierung „Koroška enotna lista" anläßlich der Landtagswahlen 1975 den Einzug in den Landtag nur um wenige hundert Stimmen verfehlte, wurde bei der nächsten Landtagswahl das Kärntner Wahlrecht derart geändert, daß das Siedlungsgebiet der Kärntner Slowenen auf vier Wahlkreise aufgeteilt wurde, und seither für den Einzug in den Kärntner Landtag ca. 10% der Wählerstimmen notwendig sind. Ansonsten gilt im übrigen Bundesgebiet eine 4% bzw. 5%-Klausel für die Erreichung eines Grundmandates. Mitte der 80er Jahre wurde von deutschnationalen Gruppierungen, die den Kärntner Landtagsparteien nahestanden bzw. -stehen, die Trennung der slowenischsprachigen und deutschsprachigen Schüler betrieben, und für die zum slowenischen bzw. zweisprachigen Unterricht angemeldeten Schüler, sogenannte Mittelpunkt- bzw. Ghettoschulen gefordert. Durch eine breite Solidarisierungsbewegung im restlichen Österreich und durch das aktive Mitwirken des slowenischen Nationalratsabgeordneten Karel Smolle konnte das verhindert werden und ein tragbarer Kompromiß im Jahre 1988 verhandelt werden. Neben der Schulfrage sind den deutschnationalen Verbänden mittlerweile aber auch die zweisprachigen Gottesdienste in Südkärnten ein Dorn im Auge.

IV. Dialogpolitik (1988 - 1994)
Durch den Kompromiß in der Schulfrage in Kärnten wurde auf Bundesebene die Phase des Dialogs mit allen österreichischen Volksgruppen eingeleitet. Seitens der Volksgruppenvertretungsorganisationen wurden die bis dahin abgelehnten Volksgruppenbeiräte beschickt. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ORF) wurden muttersprachliche TV-Sendungen eingeführt. In Kärnten wurde eine zweisprachige wirtschaftliche Mittelschule und im Burgenland eine dreisprachige allgemeinbildende Mittelschule eröffnet. Im Burgenland wird das Kindergartengesetz, welches auch die ungarische und kroatische Volksgruppe berücksichtigt, beschlossen, sowie die zwar problematische Amtssprachenverordnung erlassen.

Die finanzielle Förderung von sprachlichen und kulturellen Projekten der Volksgruppen wurde merklich erhöht.

Vor allem aber hatte Österreich international bei der Verankerung von Minderheitenschutznormen eine Vorreiterrolle inne. So wurde durch die österreichische Bundesregierung ein, aus Sicht der Volksgruppen, vorbildlicher „Entwurf eines Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz ethnischer Minderheiten" dem Europarat vorgelegt. Weiters wurden die Roma und die Slowaken als österreichische Volksgruppen anerkannt.

V. Ignoranzpolitik (seit 1994)
Diese Phase ist gekennzeichnet von einer totalen Dialogverweigerung durch die österreichische Bundesregierung und durch eine immer stärkere Instrumentalisierung der Volksgruppenbeiräte, ausgehend von der Beamtenschaft des ressortzuständigen Bundeskanzleramtes. Von diesem werden zu ungelösten Fragen der Volksgruppen, wie Kindergärten, Medien, topographischen Aufschriften, Amtssprache usw., zwar immer wieder Studien in Auftrag gegeben, und Sitzungen, Diskussionen, Kongresse und Symposien abgehalten, die aber sämtlich ohne konkrete Resultate bleiben. So sind wichtige Bestimmungen des Staatsvertrages von Wien auch 45 Jahre nach Unterzeichnung nicht erfüllt. Sämtliche Fortschritte in der Volksgruppenpolitik dieser Phase wurden durch die Betroffenen großteils über den Gerichtsweg hart erkämpft, oder beruhen auf Selbstinitiative der Volksgruppen.

Die Gewährung von finanziellen Förderungen wird durch bürokratische Hürden verzögert und oftmals auch vom „Wohlverhalten" des Förderungswerbers abhängig gemacht.

Vertretungsorganisationen der österreichischen Volksgruppen
Österreichisches Volksgruppenzentrum
Austrian Centre for Ethnic Groups
Teinfaltstr. 4, A-1010 Wien
Telefon: ++43 / 1 / 533 15 04, Fax: ++43 / 1 / 535 58 87, e-mail: oevz@twinet.net

Rat der Kärntner Slowenen / Narodni svet koroških Slovencev
Viktringer Ring 26, A-9020 Klagenfurt/Celovec
Telefon: ++43 / 463 / 51 25 28-0, Fax: ++43 / 463 / 51 25 28-22
e-mail: office@narod.at

Zentralverband slowenischer Organisationen in Kärnten/ Zveza slovenskih organizacij na Koroškem
Tarviser Straße 16, A-9020 Klagenfurt/Celovec
Telefon: ++43 / 463 / 51 43 00
Fax: ++43 / 463 / 51 43 00-71
e-mail: zso@slo.at

Artikel VII - Kulturverein für Steiermark / Kulturno društvo ?len 7
Prankergasse 27, A-8020 Graz/Gradec
Telefon & Fax: ++43 / 316 / 77 13 83

Pavel-Haus:
A-8490 Laafeld/Potrna 30
Telefon & Fax: ++43/3476/3862
e-mail: pavel.haus@magnet.at

Minderheitsrat der tschechischen und slowakischen Volksgruppe in Österreich / Menšinová rada ?eské a slovenské v?tve v Rakousko
Margarethenplatz 7, 1050 Wien/Víde?
Telefon: ++43 / 1 / 587 83 08

Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich / Kulturní klub ?ech? a Slovák? v Rakousku
Schlösselgasse 18, 1080 Wien/Víde?

Österreichisch-Slowakischer Kulturverein / Rakúsko-slovensky kultúrny spolok
Otto-Bauer-Gasse 23/11, A-1060 Wien/Vieden
Telefon & Fax: ++43 / 1 / 596 13 15

Burgenländisch-Ungarischer Kulturverein / Burgenlandi Magyar Kultúregyesület
Schulgasse 3, A-7400 Oberwart/Fels??r
Telefon: ++43 / 3352 / 38 489, Fax: ++43 / 3352 / 38 643
e-mail: bukv@aon.at

Zentralverband ungarischer Vereine und Organisationen in Österreich / Ausztriai Magyar Egyesületek és Szervezetek Központi Szövetsége
Postfach 358, A-1010 Wien/Bécs

Dachverband der Unabhängigen ungarischen Vereine in Österreich / Ausztriai Független Magyar Kultúrregyesületek Csúcsszervezete
Hollandstraße 4, A-1020 Wien/Bécs

Kulturverein österreichischer Roma
Devrientgasse 1, A-1190 Wien/Becsi
Telefon & Fax: ++43 / 1 / 310 64 21
e-mail: kv-roma@Eunet.at
http://www.members.Eunet.at/kv-roma

Verein Roma
Spitalgasse 4, A-7400 Oberwart/Erba
Telefon: ++43 / 3352 / 33 059, Fax: ++43 / 3352 / 33 059-4
e-mail: verein-roma@magnet.at
http://www.verein-roma.at

Romano Centro
Urschenböckstraße 8/13, A-1110 Wien/Becsi
Telefon & Fax: ++43 / 1 / 749 63 36
e-mail: romano-centro@magnet.at
www.romano-centro.org

Kroatischer Kulturverein in Burgenland / Hrvatsko kulturno društvo u Gradiš?u
Dr. Lorenz Karall-Straße 23, A-7000 Eisenstadt/Željezno
Telefon: ++43 / 2682 / 66 500, Fax: ++43 / 2682 / 66 500-4
e-mail: ured@hkd.at

Burgenländisch-Kroatischer Kulturverein in Wien / Hrvatsko gradiš?ansko kulturno društvo u Be?u
Schwindgasse 14, A-1040 Wien/Beç
Telefon: ++43 / 1 / 504 61 52, Fax: ++43 / 1 / 504 63 54-9
e-mail: hakhc@xpoint.at

Kroatischer Akademikerklub / Hrvatski akademski klub
Schwindgasse 14, A-1040 Wien/Be?
Telefon: ++43 / 1 / 505 71 06, Fax: ++43 / 1 / 504 63 54-9
e-mail: hakhc@xpoint.at

Kroatisches Kultur- und Dokumentationszentrum / Hrvatski kulturni i dokumentarni centar
Johann Permayer-Straße 3, A-7000 Eisenstadt/Željezno
Telefon & Fax: ++43 / 2682 / 68 397

Verband der Polen in Österreich „Strzecha"
Boerhavegasse 25/11 - Hoftrakt Top 3, A-1030 Wien/Wieden
Telefon & Fax: ++43 / 1 / 710 56 59
e-mail: r.hebenstreit@cheese.at

Daneben gibt es ca. 200 Spartenorganisationen und Vereine, die ihrem Spektrum nach von wissenschaftlichen Instituten, über Kulturvereinen bis zu Sportvereinen einzuordnen sind. Alle Volksgruppenorganisationen sind Vereine aufgrund des österreichischen Vereinsgesetzes und haben keinerlei öffentlich-rechtlichen Charakter.

Lediglich die Kärntner Slowenen haben eine eigenständige politische Partei, die: Enotna lista, 10.-Oktober-Straße 25/III, 9020 Klagenfurt/Celovec, Telefon: ++43 / 463 / 54079, Fax: ++43 / 463 / 54079-30, e-mail: e.li@aon.at.

Bundes- bzw. Landesregierungsämter, die sich mit Volksgruppenfragen befassen
Auf Bundesebene sind die Volksgruppenangelegenheiten beim Bundeskanzler, administrativ bei der Abteilung „Volksgruppenangelegenheiten" in der Sektion Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt angesiedelt. Diese Abteilung befaßt sich vor allem mit der finanziellen Förderung der österreichischen Volksgruppen und führt die Geschäfte der Volksgruppenbeiräte.

Volksgruppenbeiräte sind von der Regierung gemäß Volksgruppengesetz zu bestellende Organe und setzen sich jeweils zur Hälfte aus Vertretern der Volksgruppenorganisationen und zur anderen Hälfte aus Vertretern der jeweiligen Landtagsparteien bzw. Kirchenvertretern zusammen. Sie beraten die Bundesregierung und auf Wunsch auch die Landesregierungen in Volksgruppenangelegenheiten. Die Einrichtung eines Beirates ist konstitutiv für die Anerkennung als Volksgruppe.

Im Verordnungswege hat die österreichische Bundesregierung Volksgruppenbeiräte für die kroatische, slowakische, slowenische, tschechische, ungarische und die Volksgruppe der Roma eingerichtet. Nicht eingebunden in den Beirat für die slowenische Volksgruppe sind Vertreter der in der Steiermark ansässigen Slowenen, ihnen wird von der steiermärkischen Landesregierung der Status einer Volksgruppe abgesprochen. Dies hat die Vertretungsorganisation der Slowenen in der Steiermark, den Artikel VII - Kulturverein für Steiermark veranlaßt, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde einzubringen. Das entsprechende Erkenntnis ist noch ausständig. Ebenso ist für die polnische Volksgruppe kein Beirat existent, auch sie ist in Österreich nicht als Volksgruppe anerkannt.

Bei einzelnen Bundesministerien, namentlich beim Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sowie beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten sind eigene Abteilungen, die sich mit Minderheitenfragen befassen, eingerichtet.

Beim Amt der Kärntner Landesregierung ist ein Büro für die slowenische Volksgruppe eingerichtet, welches u.a. als Geschäftsstelle für Gespräche und Verhandlungen zwischen dem Land und Bundesstellen in Volksgruppenfragen fungieren solle. Faktisch ist die Tätigkeit des Volksgruppenbüros auf den Übersetzungsdienst und die Vorbereitung und Durchführung der Volksgruppenkongresse des Landes und der Slowenischen Kulturwochen in den Bezirkshauptstädten beschränkt. Die Leiterin des Volksgruppenbüros betreut auch die Agenden der Kulturförderung, soweit sie slowenische Antragsteller betrifft (in diesen Belangen obliegt die Entscheidung der Kulturabteilung bzw. dem Kulturreferenten). Die Förderung der kulturellen Tätigkeiten der slowenischen Volksgruppe durch das Land Kärnten ist allerdings sehr bescheiden (ca. 22.000 Euro jährlich).

Beim Amt der burgenländischen Landesregierung ist ein (sprachlich nicht geschulter) Jurist auch mit Übersetzungen für die kroatische Amtssprache beschäftigt.

Die einzelnen Kirchen (röm.-kath. und evangelisch AB und HB) haben großteils eigene Strukturen, die sich mit der seelsorgerischen Betreuung der einzelnen Volksgruppen befassen.

Das österreichischeVolksgruppenrecht

I. Verfassungsschutz der Minderheiten

Die wesentlichen Verfassungsgarantien des Volksgruppenschutzes beruhen auf völkerrechtlichen Verpflichtungen (Friedensvertrag 1919 und Staatsvertrag 1955), die Österreich im Gefolge der beiden Weltkriege eingehen mußte.

Die einzige Verfassungsbestimmung, die eine autonome und umfassende österreichische Regelung über den Schutz ethnischer Gruppen darstellt, ist der Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes aus dem Jahre 1867 (RGBl. 1867/142) (im folgenden StGG), dessen Anwendbarkeit auf die im heutigen republikanischen Österreich noch lebenden Minderheiten ist aber in der Verfassungsrechtssprechung umstritten (die Lehre bejaht die Anwendbarkeit).

Wortlaut

Artikel 19

Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache.

Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt.

In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache erhält.

Durch die im Verfassungsrang stehenden Artikel 66, 67 und 68 des Staatsvertrages von Saint Germain (StGBl. 1920/303) (im folgenden StV v St. Germain), sind alle Angehörigen der österreichischen Minderheiten geschützt.

Wortlaut

Artikel 66

Alle österreichischen Staatsangehörigen ohne Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion sind vor dem Gesetze gleich und genießen dieselben bürgerlichen und politischen Rechte.

Unterschiede in Religion, Glauben oder Bekenntnis sollen keinem österreichischen Staatsangehörigen beim Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte nachteilig sein, wie namentlich bei Zulassung zu öffentlichen Stellungen, Ämtern und Würden oder bei den verschiedenen Berufs- und Erwerbstätigkeiten.

Keinem österreichischen Staatsangehörigen werden im freien Gebrauch irgend einer Sprache im Privat- oder Geschäftsverkehr, in Angelegenheiten der Religion, der Presse oder irgend einer Art von Veröffentlichungen oder in öffentlichen Versammlungen, Beschränkungen auferlegt.

Unbeschadet der Einführung einer Staatssprache durch die österreichische Regierung werden nicht deutschsprechenden österreichischen Staatsangehörigen angemessene Erleichterungen beim Gebrauche ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift geboten werden.

Artikel 67

Österreichische Staatsangehörige, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, genießen dieselbe Behandlung und dieselben Garantien, rechtlich und faktisch, wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen; insbesondere haben sie dasselbe Recht, auf ihre eigenen Kosten Wohltätigkeits-, religiöse oder soziale Einrichtungen, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu errichten, zu verwalten und zu beaufsichtigen mit der Berechtigung, in denselben ihre eigene Sprachen nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei zu üben.

Artikel 68

Was das öffentliche Unterrichtswesen anlangt, wird die österreichische Regierung in den Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger als deutscher österreichischer Staatsangehöriger wohnt, angemessene Erleichterungen gewähren, um sicherzustellen, daß in den Volksschulen den Kindern dieser österreichischen Staatsangehörigen der Unterricht in ihrer eigenen Sprache erteilt werde. Diese Bestimmung wird die österreichische Regierung nicht hindern, den Unterricht der deutschen Sprache in den besagten Schulen zu einem Pflichtgegenstande zu machen.

In Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl österreichischer Staatsangehöriger wohnt, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, wird diesen Minderheiten von allen Beträgen, die etwa für Erziehung, Religions- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Mitteln in Staats-, Gemeinde- oder anderen Budgets ausgeworfen werden, ein angemessener Teil zu Nutzen und Verwendung gesichert.

Der Artikel 7 Z. 2-4 des Österreichischen Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 (BGBl. 1955/152) (im folgenden; StV v Wien) beinhaltet die wichtigsten Schutzbestimmungen für die slowenische und kroatische Volksgruppe in den Bundesländern Kärnten, Steiermark und Burgenland.

Wortlaut

Artikel 7 - Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten

1. Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark genießen dieselben Rechte auf Grund gleicher Bedingungen wie alle anderen österreichischen Staatsangehörigen einschließlich des Rechtes auf ihre eigenen Organisationen, Versammlungen und Presse in ihrer eigenen Sprache.

2. Sie haben Anspruch auf Elementarunterricht in slowenischer oder kroatischer Sprache und auf eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen; in diesem Zusammenhang werden Schullehrpläne überprüft und eine Abteilung der Schulaufsichtsbehörde wird für slowenische und kroatische Schulen errichtet werden.

3. In den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfaßt.

4. Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark nehmen an den kulturellen, Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen in diesen Gebieten auf Grund gleicher Bedingungen wie andere österreichische Staatsangehörige teil.

5. Die Tätigkeit von Organisationen, die darauf abzielen, der kroatischen oder slowenischen Bevölkerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen, ist zu verbieten.

Der § 7 des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten (BGBl. 1959/101) (im folgenden: MindSchG f Ktn):

Wortlaut

§ 7. Das Recht, die slowenische Sprache als Unterrichtssprache zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen, ist jedem Schülerin dem gemäß § 10 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes umschriebenen Gebiet in den gemäß § 10 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes festzulegenden Schulen zu gewähren, sofern dies der Wille des gesetzlichen Vertreters ist. Ein Schüler kann nur mit Willen seines gesetzlichen Vertreters verhalten werden, die slowenische Sprache als Unterrichtssprache zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen.

Der § 1 des Minderheiten-Schulgesetzes für das Burgenland (BGBl. 1994/641) (im folgenden: MindSchG f Bgld):

Wortlaut

§ 1. (Verfassungsbestimmung)

(1) Das Recht, im Burgenland die kroatische oder ungarische Sprache als Unterrichtssprache zu gebrauchen oder als Pflichtgegenstand zu erlernen, ist in den gemäß § 6, § 10 und § 12 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes festzulegenden Schulen österreichischen Staatsbürgern der kroatischen und ungarischen Volksgruppe zu gewähren.

(2) Ein Schüler kann gegen den Willen seiner Erziehungsberechtigten nicht verhalten werden, die kroatische oder ungarische Sprache als Unterrichtssprache zu gebrauchen.

Der Artikel 8 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes (im folgenden: B-VG):

Wortlaut

Artikel 8

Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

II. Bundesgesetze
Das Volksgruppengesetz vom 7. Juli 1976 (BGBl. 1976/196) (im folgenden: VolksgruppenG) ermächtigt, die Bundesregierung, mit Verordnung die Volksgruppen festzulegen, für die das VolksgruppenG anzuwenden ist. Für diese Volksgruppen ist zugleich jeweils auch ein Volksgruppenbeirat einzurichten. Derzeit bestehen Volksgruppenbeiräte für die slowenische, kroatische, ungarische, tschechische, slowakische Volksgruppe sowie für die Volksgruppe der Roma.

Die Bundesregierung hat bisher sechs Verordnungen zum Volksgruppengesetz erlassen:

* Verordnung der Bundesregierung vom 18. Jänner 1977 über die Volksgruppenbeiräte i.d.g.F. (BGBl. 1993/895);

*Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind (BGBl. 1977/306);

*Verordnung der Bundesregierung mit der die slowenischen Bezeichnungen für Ortschaften festgesetzt werden (BGBl.1977/308);

*Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird (BGBl. 1977/307);

*Verordnung der Bundesregierung vom 24. April 1990 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die kroatische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird i.d.g.F. (BGBl. 1991/6);

sowie eine Verordnung zu Reisekosten und Sitzungsgeldern der Volksgruppenbeiräte.

Der Brünner Vertrag zwischen Österreich und der Tschechoslowakei vom 7. Juni 1920 (BGBl. 1921/163) normiert im Art. 19 das Öffentlichkeitsrecht privater Volksschulen der tschechoslowakischen Minderheit, da auch die Tschechoslowakische Republik solchen Schulen (der deutschen Minderheit) das Öffentlichkeitsrecht zukommen läßt.

III. Landesgesetze
Das burgenländische Kindergartengesetz (LGBl. 1990/7) regelt Geltungsbereich und Art des zweisprachigen (deutsch-ungarischen bzw. deutsch-kroatischen) Erziehungswesens im Burgenland. In Kindergartengesetzen der anderen Bundesländer finden die Volksgruppen keine Berücksichtigung.

Darüber hinaus hat Österreich im multilateralen Rahmen Minderheitenschutzverpflichtungen aus folgenden internationalen Instrumenten übernommen:

Aus den Instrumenten politischer, genereller aber rechtsverbindlicher Natur sind vor allem zu nennen:

-die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören vom 18. Dezember 1992,

-das Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension der OSZE vom 29. Juni 1990,

-der Bericht des OSZE-Expertentreffens über nationale Minderheiten in Genf vom 19. Juli 1991,

-die OSZE-Charta von Paris für ein neues Europa vom 21. November 1990,

-das OSZE-Helsinki-Dokument 1992 „Herausforderung des Wandels" vom 10. Juli 1992,

-die „Wiener Erklärung" der Gipfelkonferenz des Europarates vom 9. Oktober 1993, sowie

-das Instrument der zentraleuropäischen Initiative für den Schutz von Minderheitenrechten vom 19. November 1994.

Aus dem Bereich der Instrumente völkerrechtlicher Natur sind insbesondere zu nennen:

-der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1978/591),

-das Europäische RÜK zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Feber 1995, wurde mit Erfüllungsvorbehalt am 1. März 1998 ratifiziert und muß grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausgeführt werden, sowie

-die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5. November 1992, unterzeichnet am selben Tag, bisher aber durch Österreich noch nicht ratifiziert.

Volksgruppenförderung
Gemäß § 8 des Volksgruppengesetzes hat die Bundesregierung im jährlichen Bundesvoranschlag einen angemessenen Beitrag zu Maßnahmen und Vorhaben, die der Erhaltung und Sicherung des Bestandes der österreichischen Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte dienen, vorzusehen. Die Bundesregierung fördert Projekte und Organisationen der Volksgruppen folgendermaßen:

(in Euro) 1996 1997

Burgenländische Kroaten 1.300.844 1.220.904

Polen 0 0

Roma 218.019 203.484

Slowaken 72.673 58.138

Slowenen 1.279.042 1.184.567

Tschechen 290.691 261.622

Ungarn 334.295 261.622

Für 1998 und 1999 sind die offiziellen Daten noch nicht bekannt.

Vertretungsorganisationen der österreichischen Volksgruppen erachten die Höhe der Volksgruppenförderung als zu gering. Darüber hinaus werden Verzögerungen bei der Auszahlung und Art und Weise der bürokratischen Abrechnungsmodalitäten kritisiert und als schikanös empfunden.

Das oberste Kontrollorgan der Republik, der Rechnungshof (RH), führt in seinem aktuellen Bericht zur Förderungspraxis des ressortzuständigen Bundeskanzleramtes unter anderem aus: „Die bestehenden allgemeinen Förderungsrichtlinien des Bundes hemmten den Anreiz der Volksgruppen, wenigstens kostendeckende Aktivitäten zu ergreifen. Obwohl der RH bereits seit zehn Jahren die schleppenden Auszahlungen der Förderungsmittel bemängelte, waren Anfang Dezember 1997 wieder rund 30% der Jahresförderungsmittel noch nicht angewiesen worden", und empfiehlt „(1) Die Förderungsgewährung und die Abrechnung wären zu beschleunigen. (2) Es sollten nur den Zielsetzungen des Volksgruppengesetzes eindeutig zuordenbare Förderungen unter Berücksichtigung bestehender Alternativen gewährt werden. (3) Die mehrjährige Planung sollte schwerpunktmäßig ausgebaut werden. (4) Sämtliche Maßnahmen, die zu einer Steigerung der Aktivitäten der Förderungsnehmer führen, wären auszubauen."

Ob diese Kritik des Rechnungshofes das Bundeskanzleramt zu einer Änderung der Vergabepraxis anregen wird, kann erst in Zukunft festgehalten werden.

Wirtschaftliche Lage in den Siedlungsgebieten der österreichischen Volksgruppen

Die ländlichen Siedlungsgebiete der österreichischen Volksgruppen (Südkärnten, Südsteiermark und das Burgenland) sind wirtschaftlich gesehen Randgebiete, die stark von Abwanderung bzw. Urbanisierung geprägt sind, von einer hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet und von Abwanderungen „größerer" Wirtschaftsbetriebe betroffen sind. Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde die Lage im Burgenland verbessert, da das gesamte Burgenland Ziel 1 Fördergebiet ist. Die schwache Wirtschaftsstruktur in den ländlichen Siedlungsgebieten der österreichischen Volksgruppen trägt maßgeblich dazu bei, daß die Volksgruppenangehörigen abwandern und sich in den Ballungsräumen schneller assimilieren, da in diesen der Minderheitenschutz noch weniger gewährleistet ist.

Durchschnittliches Bruttolohnjahreseinkommen 1998 aller ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen in bezug auf die ländlichen Siedlungsgebiete der österreichischen Volksgruppen (in Euro):

Klagenfurt-Land/Celovec-dežela 19.181,-

Villach-Land/Beljak-dežela 17.943,-

Völkermarkt/Velikovec 16.099,-

Kärnten/Koroška gesamt 18.404,-

Radkersburg/Radgona 15.334,-

Steiermark/Štajerska gesamt 18.612,-

Güssing/Pinkovac 16.408,-

Neusiedl/Niuzalj 17.630,-

Oberpullendorf/Gornja Pulja/Fels?pulya 17.164,-

Oberwart/Borta/Felser/Erba 17.239,-

Burgenland/Gradiš?e gesamt 18.000,-

Wien/Vieden/Víde?/Be?/Becsi/Bécs gesamt 22.341,-

Österreich gesamt 19.869,-

Arbeitslosenquote

1988 1993 1998

Bezirk Völkermarkt/Velikovec 9,2 8,8 9,6

Kärnten/Koroška gesamt 7,7 8,4 8,8

Mattersburg/Matrštof 4,7 5,4 5,8

Neusiedl/Niuzalj 6,2 6,5 6,6

Oberpullendorf/Gornja Pulja/Fels?pulya 5,7 5,9 7,5

Oberwart/Borta/Fels??r/Erba 6,6 7,9 9,6

Eisenstadt/Željezno/Kismarton 5,1 5,8 5,5

Burgenland/Gradiš?e gesamt 7,9 8,1 9,0

Mureck 8,6 8,1 6,9

Steiermark/Štajerska gesamt 6,5 8,4 8,1

Österreich gesamt 5,3 6,8 7,2


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