Rechte statt Folklore
Die GfbV-international fordert festgeschriebene Minderheitenrechte in der EU-Grundrechtecharta
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Bozen, 14.4.2000

Anläßlich des heutigen Europäischen Tages der Minderheitensprachen (15. April) fordert die GfbV Minderheitenrechte in der EU-Grunderechtecharta. Die GfbV hat dies bereits auf der öffentlichen Anhörung des deutschen Bundestages und des Bundesrates dargelegt. Der GfbV ist es auch gelungen, Minderheitenrechte in den Forderungskatalog des deutschen Forums Menschenrechte (einem Zusammenschluß der größten deutschen Menschenrechtsorganisationen) einzubringen. Die GfbV wird am 27. April dem sogenannten Konvent (dieses vom Europäischen Rat eingesetzte Gremium arbeitet unter dem Vorsitz des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog den Entwurf der Charta der Grundrechte in der EU aus) bei einer öffentlichen Anhörung in Brüssel ihren Vorschlag zum Minderheitenschutz darlegen.

Ausgangspunkt für den Minderheitenschutz ist das Diskriminierungsverbot, dem im Konvents-Entwurf der Grundrechtecharta ein viel zu geringer Stellenwert eingeräumt wird. Die EU muß in Analogie zum Paragrafen zur Gleichstellung von Mann und Frau im Artikel über das Diskriminierungsverbot den Paragrafen hinzufügen: "Die EU fördert die Chancengleichheit der Angehörigen sprachlicher und ethnischer Minderheiten und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Sie fördert europäische Minderheitensprachen und die grenzübreschreitende Zusammenarbeit in Minderheiten-Regionen".

Europa ist weiter mit den Genozidverbrechen auf dem Balkan konfrontiert. In Den Haag müssen sich heute europäische Politiker für Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor allem an den bosnischen Muslimen verantworten. Völkermord ist die schlimmste Konsequenz von Diskriminierung und zugleich die radikalste Leugnung des Rechts auf Leben. Deshalb schlägt die GfbV-international vor, dem Artikel zum Recht auf Lebenin der Charta einen Paragrafen hinzuzufügen: "Die EU setzt sich für die Verhütung bzw. Beendigung und Strafverfolgung von Angriffskrieg, Völker- und Sozialschichtenmord, Massenvertreibung und anderen schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein".

Die Massenvertreibung von 80 % der im Kosovo lebenden Roma/Ashkali und Serben unter den Augen der KFOR hat Italien nicht zu außergewöhnlichen Schritten für diese Opfer furchtbarer Gewalt bewegt. Immerhin sollen sich in Italien mehr als 10.000 aus dem Kosovo geflüchtete Roma und Ashkali aufhalten. Diese Vertreibungsopfer müssen in "Auffanglagern" ohne irgendwelche Zukunftsperspektiven dahinvegetieren.

Bei Berücksichtigung dieser Umstände ist ein EU-Rechtsschutz für die sprachlichen und ethnischen Minderheiten mehr als notwendig. Es ist dringend notwendig, daß die EU die Förderung der Minderheitensprachen zu ihrer Aufgabe macht. Bislang hat sie aber noch kaum Konsequenzen aus ihrer 1966 veröffentlichten Studie "euromosaic" gezogen, nach der von 46 Minderheitensprachen fast die Hälfte unterzugehen droht. Dieser Prozeß des Sprachensterbens bedeutet für Europa eine kulturelle Verarmung. Mit derZeit könnte er auch die "kleineren Staatssprachen" erfassen.

Italien hat auf dem Papier die richtige Richtung vorgegeben. Die Regierung hat die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates ratifiziert und 50 Jahre - vielleicht zu spät - nach Proklamation der republikanischen Verfassung mit ihrem Minderheitenartikel 6 endlich ein Minderheitenschutzgesetz erlassen. Leider ist bis heute weder die Konvention noch das Gesetz umgesetzt worden. Laut der EU-Studie "euromosaic" sind in Italien neun der insgesamt 13 Sprachminderheiten wegen der bisher betriebenen minderheitenfeindlichen Politik gefährdet. Auch daran soll an diesem heutigen Europäische Tag der Sprachminderheiten erinnert werden. Ein Tag, den in den vergangenen Jahren weder die Medien noch die Politik nicht zur Kenntnis genommenhaben.

Die GfbV-international hofft deshalb, bei der Anhörung vor dem EU-Konvent am 27. April in Brüssel auf größeres Verständnis zu stoßen.

Siehe auch unser Dossier: Für eine pluralistische Union. Minderheitenrechte gehören in die EU-Grundrechtecharta
 

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