An den Landeshauptmann der autonomen Provinz Bozen/Südtirol
Dr. Luis Durnwalder
Im UN-Kulturzentrum in Mitrovica (Kosovo) müssen auch Roma und Aschkali Platz haben
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Bozen, 31.5.2000

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,

Das von der Landesregierung zu finanzierende Begegnungs- und Kulturzentrum in der Kosova-Stadt Mitrovica ist eine prestigeträchtiges Projekt. Die auftraggebende UNO hat damit das spannende Experiment "Südtirol" zu einem Modell erhoben. Wir gratulieren Ihnen zu diesem Auftrag.

Gestatten Sie uns dazu einige Bemerkungen. Die GfbV-international hat sich seit einem Jahrzehnt für das Kosova engagiert. Wir waren enttäuscht, wie nach der Vertreibung der serbischen Aggressionstruppen durch die Nato albanische Extremisten mit der Vertreibung nichtalbanischer Bevölkerungsgruppen begannen.

Während die Milosevic-Truppen vor einem Jahr das Kosova "ethnisch säuberten", hatte eine Frauen-Team Flüchtlinge nach Massakern befragt (siehe Report). Inzwischen hat die GfbV zwei weitere Reports über die Vertreibung der Roma, Ashkali und Ägypter durch die UCK-Extremisten (bereits weitergeleitet an die Nato, an die EU und an die OSZE) erstellt. Von den einst 150.000 Angehörigen der Minderheiten der Roma und Ashkali bzw. Kosovo-Ägypter leben nur mehr 30.000 im Kosova.

Diese Menschen wurden buchstäblich unter den Augen der KFOR terrorisiert, gefoltert, vertrieben und erschlagen. Aus diesen Gründen wollte die GfbV-Deutschland in Kosova ein Beratungszentrum für Roma aufbauen. Die noch im Kosova lebenden Angehörigen der Roma und Ashkali wollten dort mitarbeiten, Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und für die Wiederherstellung der Menschenrechte besonders für Minderheiten werben. Dem GfbV-Mitarbeitern im Kosova, Paul Polanski, wurde aber von UCK-Vertretern unmißverständlich klar gemacht, dass ein Engagement für Minderheiten von der neuen politischen Klasse nicht akzeptiert wird. Deshalb wollen wir Sie bitten, daß in dem vom Land Südtirol mitzufinanzierenden Begegnungszentrum in Mitrovica Platz geschaffen wird auch für die Roma und Ashkali. Diese Menschen sind im Kosova von jeglicher Hilfslieferung abgeschnitten - sie müssen um ihre Leben fürchten, weil sie für die UCK Freiwild sind und die vielen Hilfsorganisationen sie im Stich gelassen haben.

Lassen Sie diese Menschen nicht allein.

Siehe auch das Dossier "Bis der letzte "Zigeuner" das Land verlassen hat"



Unter den Augen der KFOR
Die Vertreibung der Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter

VON YVONNE BANGERT (pogrom Nr. 205/2000)

Im Kosovo ist die "ethnische Säuberung" weit fortgeschritten. Die meisten Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter wurden inzwischen vertrieben. Gesicherte Angaben darüber, wie viele Angehörige der Minderheiten heute noch im Kosovo sind, gibt es derzeit nicht.
Häufig differenzieren die Quellen nicht zwischen allen drei Gruppen, sondern sprechen pauschal von Roma oder von Roma und Aschkali. Entsprechend schwanken die Angaben zwischen 10.000 (RNN, Newsletter des Roma National Council) und 30.000 (UNHCR, Bericht Februar 2000). Ähnlich ist es bei Berichten über Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn Kosovo-Ägypter kaum als separate Gruppe aufgeführt sind, ist davon auszugehen, dass sie von den Gräueln, die gegen Roma und Aschkali verübt werden, ebenfalls betroffen sind. Allen drei Minderheiten ist gemeinsam, dass sie als Menschen mit dunkler Hautfarbe leicht erkennbar sind. Das macht sie zu leicht angreifbaren Opfern extremistischer Kosovo-albanischer Übergriffe.
Ohne Gefahr für Leib und Leben können sie sich heute fast nirgendwo im Kosovo in der Öffentlichkeit bewegen. KFOR schützt sie nur unzureichend, die internationalen Hilfswerke versorgen sie nur widerwillig.
Der größte Teil der Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter muss heute in Flüchtlingslagern oder Elendsquartieren in den Nachbarländern Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Albanien leben. Tausende wagten im vergangenen Jahr die gefährliche Flucht in überfüllten, zerbrechlichen Schiffen und Booten nach Italien.
Wie viele von ihnen dabei in der Adria ertrunken sind, ist nicht bekannt.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat schon im Sommer 1999 begonnen, Berichte über die Vertreibung der Roma, Aschkali und Kosovo Ägypter zu sammeln, hat Flüchtlinge befragt und die Bilanz mehrfach dokumentiert. So hielt sich Tilman Zülch, Präsident der GfbV-International vom 4. bis 18. August 1999 in verschiedenen Flüchtlingslagern im Kosovo auf. Seine Recherchen wurden bis November 1999 von Paul Polansky weitergeführt. Die Ergebnisse sind in einem Menschenrechtsreport veröffentlicht, der eine bis Februar 2000 ergänzte Dokumentation der Menschenrechtsverbrechen gegen Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter enthält (s. S. 14).
Die detaillierte Faktensammlung basiert auf Berichten von Hilfswerken, Menschenrechtsorganisationen und Journalisten. Sie weist bedrückend deutlich nach, dass im Kosovo nach wie vor ein Kesseltreiben gegen Angehörige der drei Minderheiten herrscht. In Orahovac zum Beispiel, wo laut Roma Rights, der Zeitschrift des European Roma Rights Genter (ERRC), vor dem Krieg noch 12.000 Nicht-Albaner lebten, waren im Oktober 1999 gerade noch 400 Roma und 2.300 Serben verblieben. Sie waren in einem mit Stacheldraht umzäunten Ghetto ohne Strom, Wasser oder Nahrungsmittelversorgung eingepfercht. In der Gemeinde Gjilane/Gnjilane lebten laut ERRC Ende Oktober 1999 von einst 6.000 Roma gerade noch 200. Hier waren 400 Roma-Häuser ausgeplündert und dann niedergebrannt worden. Noch Mitte Februar 2000 wurden aus dem Ort Ogoste 200 Roma nach Serbien vertrieben, um das Gebiet von Roma zu "säubern". Gegenüber der GfbV, der anonym bleiben möchte. Auch der Bericht von UNHCR und OSCE zur Lage der Minderheiten im Kosovo (November 1999 bis Januar 2000) verzeichnet einen Rückgang der Zahlen von im Kosovo lebenden Roma sowie einen Rückzug der Roma in Roma-Enklaven. Beide Organisationen bestätigen, dass es nach wie vor zu Vertreibungen kommt. Die Lage der Minderheiten wird nirgends als auch nur annähernd akzeptabel beschrieben. KFOR hat sich bislang geweigert, alle 300 Enklaven rund um die Uhr zu bewachen. Dramatisch wurde die Situation dieser heimatlos Gewordenen mit Einbruch des Winters. Roma Rights berichtet zum Beispiel über ein Zeltlager auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei in Zitkovac, 6 km nördlich von Kosovska Mitrovica, in dem Mitte November des vergangenen Jahres 286 Roma lebten, die zum großen Teil aus dem Distrikt Rasadnik von Kosovska Mitrovica vertrieben worden waren. Von den 6.000 Roma, die früher in Rasadnik gelebt haben, sind nur noch 20 Familien übriggeblieben. Im Lager gab es keinen Strom, es fehlte an Öfen und Decken.
Mit Beginn des kalten Wetters hatte die Zahl der Kranken, vor allem erkrankter Kinder, zugenommen. Über ein Winterlager von 850 Roma in Obilic, 20 km nördlich von Pristina, berichtete Radio Free Europe/Radio Liberty am 15. Dezember 1999. Die Menschen lebten zu 10-12 Personen in Zelten, wurden von norwegischen KFOR-Truppen beschützt und erhielten humanitäre Hilfe vom UNHCR. Die meisten lebten hier seit fünf Monaten und hatten jede Hoffnung verloren, Obilic jemals wieder zu verlassen.
Sie hatten Angst, dass die KFOR-Truppen sie nicht vor Angriffen von Albanern schützen könnten, sollten sie versuchen, aus dem Lager herauszukommen. Ihre Angst ist berechtigt. Entführungen, Misshandlungen, Vergewaltigung selbst schwangerer Frauen, Angriffe auf Häuser mit Handgranaten, oder Tötungen, die gezielt gegen Angehörige der Minderheiten gerichtet sind, werden während des gesamten Berichtzeitraums in großer Zahl belegt. So wurden zum Beispiel laut "Forum der Roma, Aschkali und Ägypter aus dem Kosovo" im November 1999 zwei Aschkali, Vater und Sohn, in Havace von albanischen Extremisten getötet. Im Dezember 1999, so der Bericht, von UNHCR/OSCE vom 11. Februar 2000, wurden ein Rom und zwei Aschkali aus Urosevac/Ferizaj auf der Reise von Obilic/Obiliq nach Glogovac entführt. Zwei von ihnen wurden in Form einer Hinrichtung getötet.
UNHCR/OSCE berichten ebenfalls von der Erschießung zweier Roma im Gebiet Djakovica/Gjakove und Decan am 15 Januar 2000. Sie hatten die Trümmer ihres Besitzes bewacht, der in der Nacht vor einem Brandanschlag zum Opfer gefallen war. Immer wieder ist auch von Leichenfunden durch KFOR und UN-Polizei die Rede.
Selten werden jedoch Schuldige ausgemacht und zur Verantwortung gezogen. Ein Beispiel schildert die Frankfurter Rundschau (21. Dezember 1999). Die UN-Polizei nahm am 20. Dezember 1999 einen Albaner wegen 5-fachen Mordes an Serben und Roma, begangen während der letzten zwei Monate nahe Podujevo, fest. Drei weitere Albaner wurden als seine Helfer verhaftet. Die Verdächtigen sind Angehörige des Kosovo-Schutzkorps, einer zivilen Nachfolgeorganisation der UCK.
Medienberichterstatter bestätigten im Frühjahr 2000 wachsende Spannungen zwischen Kosovo-Albanern und den verbliebenen Angehörigen der nicht-albanischen Minderheiten. Alles deutet darauf hin, dass die Lage im Kosovo bald wieder eskalieren könnte, denn KFOR und internationale Polizei sind offensichtlich nicht in der Lage, die Sicherheit für die Zivilbevölkerung wieder herzustellen.


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