Europäisches Jahr der Sprachen 
Appell an EU-Regierungen: Minderheitenrechte in Unionsverträgen verankern! 
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Bozen, Göttingen, Bern, Wien, Luxemburg, 19.2.2001

Anlässlich des heute beginnenden Europäischen Jahres der Sprachen [*] hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) die Regierungen der Europäischen Union (EU) dazu aufgefordert, endlich Minderheitenrechte in den Unions-Verträgen und in der europäischen Grundrechtecharta zu verankern. "So schön es ist, dass die EU in diesem Jahr auf die Sprachenvielfalt in ihren Mitgliedsländern aufmerksam machen will, so skandalös ist es, dass sie bei der Gesetzgebung für Minderheiten weit hinter dem Europarat zurückliegt", kritisierte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am Montag in Göttingen. Der Europarat habe mit seiner Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und der Charta der Regional- und Minderheitensprachen die Mehrsprachigkeit in Europa immerhin gewürdigt. Aus der Grundrechtecharta der EU und aus den Unionsverträgen, die zuletzt in Nizza überarbeitet wurden, könnten die Minderheiten für sich jedoch keine Rechte ableiten.

Mit der Nichtanerkennung der Minderheitensprachen verstößt die EU nach Auffassung der GfbV gegen die Anti-Rassismus-Deklaration der Vereinten Nationen. Danach seien die Staaten verpflichtet, "mit allen geeigneten Mitteln und unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Diskriminierung" von Minderheiten zu betreiben. Im Artikel 2 der Anti-Rassismus-Deklaration werde eine "angemessene Entwicklung und ein hinreichender Schutz bestimmter rassischer und ethnischer Gruppen oder ihr angehörender Einzelpersonen" eingefordert. Die Nichtanerkennung der Minderheitensprachen erfülle so, gemessen mit UN- Kriterien, den Tatbestand der Diskriminierung.

Nur mit einem EU-Rechtsschutz für die sprachlichen und ethnischen Minderheiten könne die sprachliche Diskriminierung und damit auch das Sprachensterben, beendet werden, erklärte die GfbV. Es sei dringend notwendig, dass die EU die Förderung der Minderheitensprachen zu ihrer Aufgabe macht. Bislang seien keine Konsequenzen aus 1996 veröffentlichten EU-Studie "euromosaic" gezogen worden, nach der von 46 Minderheitensprachen fast die Hälfte unterzugehen droht. Dieser Prozess des Sprachensterbens bedeute für Europa eine kulturelle Verarmung, der sehr bald auch das Sterben der kleineren Staatssprachen folgen könnte, warnte Zülch. Mit der Zeit könne er auch die "kleineren Staatssprachen" erfassen.

Trotz des Europäischen Jahres der Sprachen verhindere Griechenland die Gründung eines Komitees des "Europäischen Büros für weniger gebräuchliche Sprachen", das als Nichtregierungsorganisation von der EU gefördert werde. Griechische Behörden gingen gegen Angehörige nationaler Minderheiten vor, schon wenn diese Informationsschriften des Minderheiten-Büros verteilen oder minimale Rechte für die Angehörigen der Aromunen, der Arvaniten, Mazedonier und Pomaken einforderten, berichtete Zülch. In Frankreich würden die Verfassungsrichter die Ratifizierung der Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates und damit die Anerkennung der Mehrsprachigkeit des Landes verhindern. In Italien klagten die kleinere alteingesessene Minderheitengruppen immer noch über Benachteiligung, nachdem die slowenische Sprachminderheit im Nordosten Italiens im Februar 2001 umfangreiche Rechte erhalten habe. Für die deutsche und ladinische Sprachgruppe in Südtirol sowie die für französische im Aostatal würden beispielhafte Autonomiestatute gelten.

In Deutschland und Österreich würden Minderheiten auf verschiedene Art und Weise benachteiligt. So würden der slowenischen Bevölkerung in Südkärnten Sprachenrechte verweigert. Die friesische Sprachgruppe in Schleswig-Holstein erhalte nur lächerlich geringe finanzielle Mittel zur Förderung der friesischen Institutionen. Auch die Sorben erhielten nicht genug Unterstützung: So habe der Bund seine Mittel für die Stiftung des sorbischen Volkes gekürzt. Das sorbische Dorf Horno in der Lausitz seien noch immer vom Braunkohleabbau bedroht. Die Lausitz werde insgesamt ökonomisch vernachlässigt, so dass die Jugend mehr und mehr abwandere.

oben* Das Europäische Jahr der Sprachen wurde vom Europarat und der Europäischen Union (EU) ausgerufen. Es wird am heutigen Montag im schwedischen Lund feierlich eröffnet.
 

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