Warum eine "Arbeitsmappe Menschenrechte" und wie kann man damit arbeiten? |
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Aufgrund der Anregungen von verschiedener Seite kamen
wir zu der Überzeugung, daß Unterrichtseinheiten zum Thema Menschenrechte
für Südtirols Oberschulen von nöten
seien. Nicht etwa, weil es zu diesem Thema an Literatur
fehlte –das Jahr 50 nach der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte war geradezu
gekennzeichnet von einer Flut von diesbezüglichen
Veröffentlichungen. Wir hatten vielmehr die Idee einer
Informationsbrochure vor Augen, welche sich nicht darauf
beschränken sollte, zentrale Menschenrechte
theoretisch abzuhandeln oder zusammenhanglos
Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, sondern einen
möglichst unmittelbaren Weg zwischen kodifiziertem
Recht und Alltag in der Menschenrechtsarbeit aufzeigen
sollte. Ausgehend von den Menschenrechtsverletzungen, die
uns von den Medien in sehr selektiver und gefilterter Art
und Weise Tag für Tag übermittelt werden, sollte
unser Versuch des Brückenschlags zwischen Theorie und
Praxis die Aufmerksamkeit von Schülern und
Interessierten in mehrere Richtungen lenken:
• erstens, daß es kodifizierte Rechte gibt, auf die sich Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder, wenn diesen die Stimme verweigert wird, Menschenrechtsorganisationen berufen können (aus diesem Grund wird im Text über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hinaus auch auf andere Rechtsquellen verwiesen);
• zweitens, daß es Menschen und Organisationen gibt, die sich für die Beachtung der Rechte einsetzen bzw. gegen deren Mißachtung eintreten und tagtäglich konkrete Menschenrechtsarbeit auf verschiedenen Ebenen leisten;
• drittens, daß es relativ einfach und sehr willkommen ist, Menschenrechtsorganisationen beizutreten und diese durch eigene Ideen und Arbeit oder durch Mitgliedsbeiträge oder Spenden zu unterstützen. Bis auf wenige Ausnahmen unterhalten sämtliche in der Arbeitsmappe vorgestellten Organisationen eine oder mehrere Sektionen in Südtirol oder haben hier sogar ihren Sitz.
Das Ergebnis sind zehn in einem Ordner gesammelte Hefte, deren jedes jeweils ein oder zwei Menschenrechte zum Inhalt hat und von einem oder mehreren in der Menschenrechtsarbeit tätigen Fachleuten bearbeitet wurde. Es wurden dabei auch Rechte wie jenes auf Heimat, das Recht auf Bildung in der Muttersprache oder das Recht auf eine gesunde Umwelt ecc. eingeflochten, die als solche niemals explizit niedergeschrieben wurden, die sich jedoch aus dem Kontext einer Reihe von Bestimmungen verschiedener Menschenrechtskodifizierungen ergeben oder immerhin ablesen lassen. Der Umstand, daß sie als eigenständige, dem Anschein nach bereits festgeschriebene Rechte in diese Unterrichtseinheit aufgenommen wurden steht für unsere Forderung nach ausdrücklicher rechtlicher Festschreibung und Verankerung eines bereits zum Teil bestehenden weltweiten Konsenses.
Zwölf Themen bearbeitet von zwölf verschiedenen Autoren, das bedeutet trotz des oben vorgestellten Schemas zwölf verschiedene Herangehensweisen an ähnliche Problemstellungen. Daher finden sich in der vorliegenden Arbeitsmappe für Menschenrechte sowohl Beiträge, bei welchen der Autor verstärkt über visuelle Eindrücke, streiflichtartig eingestreute Erzählungen, lose Sätze, Fakten und Fragen an das Thema heranging, als auch solche, die durch eine klare und konsequente Ausformulierung der Gedanken gekennzeichnet sind. Wir waren der Meinung, daß diese Vielfalt eine Bereicherung darstelle.
In bezug auf die Sprache entschieden wir uns für eine zweisprachige Fassung der Unterrichtseinheit, wobei wir uns aus Überzeugung, zum Teil aber auch aus Kostengründen darauf einigten, die in einem angestrebt ausgewogenen Verhältnis deutsch oder italienisch verfaßten Beiträge in der jeweils anderen Landessprache lediglich in Form eines Exzerpts widerzugeben. Die Kurzfassung in der eigenen Muttersprache sollte Appetit machen, um sich auf die eingehenden Ausführungen in der jeweils anderen Sprache einzulassen. Dem Vorwurf, die unsere Provinz bereichernde dritte Landessprache nicht berücksichtigt zu haben, können wir uns aufgrund lediglich einer ladinischen Kurzversion (im Beitrag "Recht auf Bildung in der Muttersprache") nur begrenzt entziehen.
Die Beiträge "Recht auf Heimat" und "Recht auf Bildung in der Muttersprache" wurden in einem Heft zusammengefaßt. Die brisante Thematik dieser Beiträge, dargestellt in den drei Landessprachen, sollte Lehrer/innen in besonderer Form dazu anregen, die fächerübergreifende Zusammenarbeit zu suchen. Über die Auseinandersetzung mit dem Inhalt sollten die Schüler zur Auseinandersetzung mit der eigenen bzw. der jeweils anderen Sprache geführt werden. Durch gleiche Inhalte in den verschiedenen Sprachfächern wird also ein gemeinsamer Nenner geschaffen, der zum Ausgangspunkt vielschichtiger Diskussionen werden kann, welche eine eigene Standortbestimmung geradezu herausfordern.
Die Grenze zwischen
Menschenrechtsthemen und dem Alltag wird dadurch
durchlässig und die Folge sollten Sensibilisierung und
Verständnis für das eigene Umfeld sein.
Eine höchst notwendige Entkrampfung des fast
zwanghaften Kehrens vor fremden Haustüren und des
allzu bequemen Extrapolierens der
Menschenrechtsdiskussionen auf möglichst abseits
gelegene Bereiche könnte dadurch gewährleistet
werden.
Abschließend möchten wir alle im
Bildungsbereich tätigen Personen dazu ermuntern, diese
Arbeitsmappe möglichst vielseitig im Unterricht
einzusetzen und zu verwenden. Treten Sie mit uns in
Verbindung, laden Sie unsere Fachleute zu Schulbesuchen ein
oder betreiben Sie mit Ihren Schützlingen
"Feldforschung" und kommen Sie uns in unseren "Kampfstuben von Papier und Feder"
besuchen. Wir stellen uns und unsere Anliegen jederzeit
gerne vor, denn ohne die Utopie, daß wir morgen durch
eine an der Basis ansetzenden Sensibilisierung für
Recht und Unrecht eine vielleicht humanere Welt vorfinden,
würden unsere Kräfte bald versiegen.
Günter Falser
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