Offener
Brief an die Freie Universität Bozen
Wird die Universität
Bozen zum Sprachrohr schrankenloser Liberalisierung? |
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Bozen, 23.8.2000
Das Lilliput-Netz für eine
gerechte Wirtschaft, das aus 22 Vereinen und Verbänden aus dem sozialen,
umwelt- und entwicklungspolitischen Umfeld Südtirols gebildet wurde,
hat einige Fragen an Alfred Steinherr, den Rektor der Freien Universität
Bozen und Schatzmeister der European Economic Association.
Immerhin erfahren wir aus
dem Magazin BM (Bozen Magazin) und von großen Transparenten in Bozen,
dass vom 30. August bis 2. September 2000 der Jahreskongress der European
Economic Association stattfinden wird. "L' economia rnondiale a Bolzano"
heißt es auf Italienisch, und auf Deutsch "Bozen eifert Davos nach".
Ein Ereignis also, das auf große öffentliche Aufmerksamkeit
abzielt.
Umso erstaunlicher ist es,
dass aus den Internet-Seiten der Freien Universität Bozen und aus
dem Programm wenig Details zu erfahren sind. BM schreibt, dass es unter
anderem um Weltprognosen und Wirtschaftsdaten, also um die Zukunft der
Wirtschaft geht.
Die Zukunft der Wirtschaft
hat Einfluss auf die Zukunft der Menschen. Daher haben diese Menschen auch
ein Recht darauf, über die zur Diskussion gestellten Themen, Vorschläge
zur Entwicklung und Ergebnisse eines so hochkarätigen Kongresses informiert
zu werden, ja diese mit zu diskutieren, Fragen zu stellen, aber auch Forderungen
zu erheben und Antworten zu erhalten. Daher die folgenden Fragen an die
Freie Universität Bozen und an deren Rektor Alfred Steinherr:
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1.) Welche Themen werden konkret
beim Kongress behandelt? Da es um Wirtschaftsdaten, Weltprognosen, Euro
und Inflationsraten geht, ist zu erwarten, dass auch die Rolle der VVelthandelsorganisation
WTO behandelt wird. Die WTO steuert nach wie vor einen eindeutigen Kurs
in Richtung grenzenloser Liberalisierung an.
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2.) In diesem Zusammenhang stellt
sich also die Frage, wie sehr die Auswirkungen dieser Liberalisierung vom
Kongress beleuchtet werden. Welche Auswirkungen haben sie auf die Bereiche
Gesundheit, Bildung, Umwelt, Kultur und Arbeitsrecht? Welche Antworten
findet der Kongress darauf? Spricht auch er der Liberalisierung im Dienste
reiner Profitmaximierung das Wort? Was sagen die Nobelpreisträger
dazu? Und welche Haltung nimmt die Freie Universität Bozen als wissenschaftliche
Institution in einer kleinen europäischen Region dazu ein?
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3.)Es ist verständlich,
dass der Kongress eines strengen Ablaufes bedarf und dass für die
Teilnehmer hohe Teilnahmegebühren eingehoben werden. Uns erschrecken
aber die hohen Gebühren von bis zu 750.000 Lire für Nicht-Mitglieder.
Wir sehen darin einen elitären Ansatz des Kongresses, der in erster
Linie eine Auslese nach finanzieller Kapazität trifft. Vor allem aber
ist nicht verständlich, dass im Rahmen des Kongresses keine Diskussion
mit der lokalen Öffentlichkeit stattfinden soll, geschweige denn etwaige
Rundfunk- oder Fernseh-Diskussionen mit Vertretern des Kongresses und Vertretern
der lokalen Wirtschaft und der Zivligesellschaft Südtirols. Dies vor
allem vor dem Hintergrund, dass die Meinung der anwesenden Wirtschaftsexperten
sicher Einfluß auf die Wirtschaft unserer Region, der einzelnen Staaten,
der EU und auf die Weltwirtschaft insgesamt haben wird. Wir sind gespannt,
welche Haltung diese Experten einnehmen und ob sie bereit sind, über
den Tellerrand ökonomischen Denkens auch die gesamtheitlichen Folgen
(Beschäftigungsentwicklung, soziale Perspektiven, Umweltstandards
in der Zukunft usw.) zu berücksichtigen.
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4.) Schließlich die Frage,
wie diese Veranstaltung an der Freien Universität Bozen und am Neuen
Stadttheater Bozen finanziert wird. Immerhin werden öffentliche Einrichtungen
genutzt, die mit Steuergeldern finanziert wurden. Daher auch die Frage,
wie eine so geschlossene Gesellschaft, als die sich die European Economic
Association gibt, die verursachten Kosten begleicht?
Das Lilliputnetzes
für eine gerechte Wirtschaft, Bozen:
AGB-CGIL,
SGB-CISL, SGK-UIL, ASGB, OEW, ECOLNET, ÖKOINSTITUT, WWF, VERBRAUCHERZENTRALE,
SÜDTIROLER BAUERNBUND, KVW, DACHVERBAND NATUR- UMWELTSCHUTZ, GESELLSCHAFT
FÜR BEDROHTE VÖLKER, FIAN, KOLPING, INITIATIVE FÜR DIREKTE
DEMOKRATIE, ECO, AMNESTY INTERNATIONAL, GRÜNE-VERDI-VERC, PAX CHRISTI,
HORIZONT, KOOPERATIVE LE FORMICHE
Siehe auch
unser Dossier über die Seattle
Deklaration der Indigenen Völker.
Eine Publikation
der Gesellschaft für bedrohte Völker. Weiterverbreitung bei Nennung
der Quelle erwünscht
Una
pubblicazione dell'Associazione per i popoli minacciati. Si prega di citare
la fonte @@@ WebDesign: M.
di Vieste