OFFENER BRIEF
Deutsche Minderheit in Slowenien anerkennen
An die Teilnehmer der Tagung slowenische Minderheiten in den Nachbarstaaten und Minderheiten in Slowenien in Nova Gorica am 7. und 8. November 1999 und an den Vorsitzenden der Slowenien-Kommission des Europaparlaments SVP-Europaparlamentarier Dr. Michl Ebner
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Bozen, 9.11.1999

Als Menschenrechtsorganisation, die sich weltweit für verfolgte und benachteiligte Minderheiten einsetzt, unterstützen wir die Belange der slowenischen Minderheiten in Italien, Österreich und Ungarn. Wir teilen die berechtigten Wünsche und Forderungen der slowenischen Sprachgruppen nach Anerkennung und Förderung. Österreich wurde vor 44 Jahren Österreich mit dem Staatsvertrag verpflichtet, seine Sprachminderheiten zu schützen und zu fördern. Österreich hat die damals eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der Minderheiten jedoch nur teilweise eingelöst. Besonders im Bundesland Kärnten sind eine Reihe von Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag unerfüllt geblieben.

Die slowenische Sprachgruppe in Kärnten ist stark bedrängt und ist deshalb in den letzten Jahrzehnten ständig geschrumpft. Eine undemokratische Wahlhürde von zehn Prozent verhindert im zweisprachigen Süd-Kärnten den Einzug der autonomen slowenischen Liste KEL in den Landtag. Immer noch fehlt ein Landeskindergartengesetz, das endlich zweisprachige Kindergartengruppen in Süd-Kärnten ermöglicht. Nur mehr ein Drittel der Erstklässler versteht Slowenisch, ein weiteres Drittel hat nur mehr geringe Slowenischkenntnisse, das letzte Drittel spricht und versteht gar nicht mehr slowenisch. Nicht viel besser sieht es in der Grundschule nach der Zerschlagung des zweisprachigen Schulsystems aus. In den 64 Volksschulen werden gerade knapp 20 Prozent der Kinder zum zweisprachigen Unterricht angemeldet.

Laut Artikel 7 des Staatsvertrages sowie des Ortstafelgesetzes soll es 205 zweisprachige Aufschriften geben, derzeit sind es lediglich 68. Der Rat der Kärntner Slowenen fordert 800 zweisprachige Ortstafeln und die slowenische Amtssprache in allen 35 zweisprachigen Gemeinden. Derzeit gilt diese nur in 13 slowenischen bzw zweisprachigen Gemeinden. 1939 gab es noch 66 slowenische Gemeinden, die die Nazis eindeutschen wollten. In der Zeit des Tausendjährigen Reiches lebten in Kärnten 43.000 Slowenen, laut Volkszählung 1991 gab es nur mehr 14.000 slowenischstämmige Kärntner.

44 Jahre nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist die restlose Erfüllung des Artikels 7 zum Schutz der slowenischen Sprachgruppe in Kärnten mehr als überfällig. Die provisorische Kärntner Landesregierung hatte 1920 vor der Volksabstimmung über den Verbleib Süd-Kärntens bei Österreich versprochen, „daß sie den slowenischen Landsleuten ihre sprachliche und nationale Eigenart jetzt und allezeit wahren will und daß sie deren geistigem und wirtschaftlichem Aufblühen dieselbe Fürsorge angedeihen lassen wird wie den deutschen Bewohnern des Landes“. Ein Großteil der Slowenen hat für Österreich gestimmt. Österreich und Kärnten haben das inzwischen vergessen. Schlimmer noch: Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hat vor den Nationalratswahlen Innenminister Karl Schlögl aufgefordert, dafür zu sorgen, daß die österreichisch-slowenische Grenze verteidigt wird. Haider warnt sogar davor, auf Forderungen der slowenischen Sprachgruppe einzugehen, weil diese die staatliche Einheit Österreichs gefährden.

Das Bundesland Steiermark verweigert der slowenischen Sprachgruppe die Anerkennung als Minderheit, wie dies im Artikel 7 des Staatsvertrages vorgesehen ist. Alle möglichen geschichtlichen Vorwände werden zitiert, um die Anerkennung zu verweigern. Österreich ist in der Minderheitenfrage mehr als wortbrüchig.

Dieser Vorwurf gilt auch für die italienische Minderheitenpolitik. Die in den internationalen Verträgen vorgesehenen Schutzmaßnahmen für die slowenische Sprachgruppe (Friedensvertrag 1947, das Londoner Abkommer 1954 und der Vertrag von Osimo 1975) sind nur teilweise und unverbindlich umgesetzt worden. Seit 1970 fordern slowenische Organisationen ein eigenes Gesetz zur Förderung der slowenischen Minderheit. Erst 1990 aber präsentierte eine Regierung ein entsprechendes Gesetz, den sognenannten Maccanico-Entwurf. Dieser Entwurf hat ganz im Sinne der Politik des Teilens und Herrschens zwischen den Slowenen in den Provinzen Triest , Görz und Udine unterschieden. Für die slowenische Sprachgruppe hätten in den verschiedenen Provinzen unterschiedliche Maßnahmen gegolten. Das Gesetz kam nie zur Abstimmung. Gegen die neue Vorlage eines Slowenen-Gesetzes im Parlament hat die Nachfolge des neofaschistischen MSI, Alleanza Nazionale, mehr als 2.000 Abänderungsanträge eingebracht.

Der öffentliche Gebrauch der slowenischen Sprache ist derzeit stark eingeschränkt und wird von den Rechtsparteien ständig angefeindet. In den Provinzen Triest und Görz ist das slowenische Schulsystem nicht vollständig geregelt, in der Provinz Udine nicht anerkannt. Die slowenischen Kulturvereine und Sportverbände werden finanziell benachteiligt. Die Liste der Klagen ist lang. Als besonders diskriminierend empfindet die slowenische Sprachgruppe das geltende Wahlrecht - wegen seiner hohen Wahlhürden - als Ausgrenzung. Auch deshalb haben slowenische Organisationen Italien aufgefordert, der slowenischen Sprachgruppe in Italien einen gleichen Status zu gewähren wie der italienischen Sprachgruppe in Slowenien.

Als Menschenrechtsorganisation erkennen wir die Politik Sloweniens gegenüber seinen Minderheiten an. Die slowenische Verfassung garantiert der italienischen und der ungarischen Sprachgruppe eine Fülle von akzeptabeln Minderheitenrechten, auch die Roma werden als Minderheit anerkannt. In der Frage der Anerkennung der kleinen deutschen Sprachgruppe folgt Slowenien aber dem negativen Beispiel seiner Nachbarländer. Es ist untragbar und unverständlich, daß Slowenien die eigenen deutschstämmigen Bürger noch immer für den Nazi-Terror bestraft. Die gesamte deutsche Sprachgemeinschaft in Slowenien wurde für die Nazi-Kollaboration eines Teils der Gemeinschaft kräftig bezahlt. Einen Teil der Slowenien-Deutschen hatte das Dritte Reich ausgesiedelt, 30.000 flohen oder wurden vertrieben. Mehrere Tausend starben bei Massenerschießungen oder im Lager Sternheim in der Untersteiermark. Slowenien hatte zudem 6.000 Grundstücke (115.000 Hektar), Häuser und Betriebe konfisziert. Der Wert dieser Enteignung liegt bei 100 Millionen Dollar.

Die österreichischen Freiheitlichen haben die Rückgabe des enteigneten, gestohlenen Eigentums verlangt. Die Reste der deutschen Sprachgruppe in Slowenien, der Gottscheer Altsiedlerverein, hingegen hat sich von solchen Forderungen distanziert. Die Gottscheer verlangen finanzielle Unterstützung für ihre Kulturarbeit und muttersprachlichen Unterricht - das sind Minimalforderungen, die rasch erfüllt werden sollen.

Warum läßt Slowenien zu, daß die chauvinistischen österreichischen Freiheitlichen Kapital schlagen, nur weil die Regierung aus nationalistischen Gründen die Anerkennung der Deutsch-Slowenen verweigert? Immerhin haben die beiden unumstrittenen Historiker Stefan Karner (Universität Graz und Boltzmann-Institut für Menschenrechte) und Dusan Necak festgestellt, daß in Slowenien eine kleine deutsche Sprachgruppe lebt. Karner plädiert dafür, dieser Minderheit Sprachenrechte zuzugestehen, wie sie bereits die italienische und ungarische Sprachgruppe genießen. Wir erinnern außerdem daran, daß sich der Rat der Kärntner Slowenen und das Österreichische Volksgruppenzentrum für die Anerkennung der deutschen Sprachgruppe in Slowenien als nationale Minderheit ausgesprochen haben. Slowenien soll baldigst diesem Wunsch folgen - der österreichischen, der Kärnter und steirischen Politik zum Trotz.

In kritischer Solidarität verbunden
Gesellschaft für bedrohte Völker-Südtirol

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