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Südtirol ist
dreisprachig: Deutsch, Italienisch und Ladinisch. Oder umgekehrt:
Ladinisch, Deutsch, Italienisch, denn numerisch sind die Ladiner
die kleinste Sprachgruppe, historisch gesehen sind sie jedoch die
autochtone Bevölkerung.
Die Lage der
ladinischen Mindheit ist delikat, in vielen Bereichen ist die
Sprache und Kultur ausgegrenzt, ihre Zukunft nicht gesichert,
sondern im Gegenteil bedroht; die politische Propaganda
verschweigt die Mißstände und stellt die Lage als
“Modell” hin. Von Modell kann nicht die Rede sein.
Wenn eine Mehrheit die Lage der Minderheit darstellt und sich
selbst lobt, ist jedoch Mißtrauen angebracht. Eine
nähere Analyse ergibt, dass das Mißtrauen
gerechtfertigt ist:
Die Ladiner sind in
vielen Bereichen gegenüber ihren anderssprachigen Nachbaren
benachteiligt. Die politische Propaganda, die auf die Erhaltung
der Parteimacht abzielt, beschönigt und verschweigt
Mißstände; dafür werden auch öffentlichen
Institutionen oder Ämter herangezogen - so wurde immer
wieder über Institutionen des Landes die Propaganda
ausgegeben, der Unterricht der ladinischen Sprache sei
hinreichend gesichert - bei zwei Wochenstunden (in den
Pflichtschulen, in den Oberschulen ist es eine einzige Stunde!).
Mit zwei Wochenstunden lernt man keine Sprache der
Welt.
Oder umgekehrt: Wenn
zwei Wochenstunden die Unterricht der Muttersprache ausreichend
sichern, warum wendet dann die deutsche Sprachgruppe dieses
Maß nicht für sich selbst an?
Politiker der
Mehrheit(en) erzählen oft das Märchen, Südtirol
sei ein Modellfall für den Minderheitenschutz. Für die
deutsche Sprachgruppe mag das durchaus der Fall sein, für
die ladinische Sprachgruppe ist es sicherlich nicht der
Fall.
Die Ladiner sind benachteiligt in:
Anwendung der
Sprache
Seit 1989 ist
Ladinisch in Val Badia und Gherdëina Verwaltungssprache. Als
es um die Festlegung dieser Norm ging, wollte die Politik der
deutschen und italienischen Mehrheit dieses Recht der Ladiner
nicht einführen. Außerhalb dieser Täler ist das
Recht nicht mehr gegenben; da haben die Ladiner die
großartige Freiheit, zwischen Deutsch und Italienisch zu
wählen. Während Deutsch auch Gerichtssprache ist und
die Deutschen das Recht auf einen muttersprachlichen Prozeß
haben, wird den Ladinern dieses Recht verweigert. Im Notfall,
d.h. wenn Sie des Deutschen oder Italienischen nicht zur
Genüge mächtig sind (was praktisch nicht vorkommt),
können Sie eine Übersetzung beantragen. Doch dieses
Recht haben auch Einwanderer. Die Ladiner als autochtone (und
älteste) Sprachgruppe werden also ausgegrenzt, die
ladinischen Bürger werden in ihrem eigenen Land immer wieder
wie unliebsame Gäste behandelt.
Doch Südtirol
ist laut Aussagen der Politiker der Mehrheit ein Modell für
den Minderheitenschutz - doch alle Mehrheiten der Welt behaupten,
sei betrieben einen vorbildlichen
Minderheitenschutz.
Zweisprachiges
Erscheinungsbild
In den Ämtern in
Bruneck oder Brixen sowie in Bozen wird das Ladinische in der
Regel nicht verwendet. Viele Ämter gibt es nicht in den
ladinischen Tälern. So müssen die Ladiner sehr oft bei
der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten als Bürger auf
ihre Muttersprache verzichten. Die Landesverwaltung stellt die
verschiedenen Formulare, Bestätigungen, Dokumente etc.
für die Ladiner so gut wie ausschließlich nur deutsch
und italienisch aus. Von Rom haben die Deutschen in Südtirol
die Verwendung ihrer Sprache gefordert, so u.a. auf den
Steuerformularen, bei der Telefongesellschaft, bei den
Staatsbahnen. Doch den Ladinern gegenüber wird dieses Recht
hartnäckig verweigert. Jene, die dieses Recht einfordern,
werden von der Politik der Mehrheit als "Fundamentalisten"
verleumdet oder als "Nationalisten" beschimpft. Nationalistisch
und fundamentilistisch - und zudem oft gesetzeswidrig - ist
jedoch das Verhalten derer, die der ladinischen Minderheit ihre
Rechte nicht gewähren; dies mit aller Hartnäckigkeit
einer Gesinngung, die die deutschen Südtiroler bei den
Italienern als nationalistisch und chauvinistisch bezeichnen, bei
sich selbst aber übersehen.
Das Land
Südtirol wäre verpflichtet, die ladinische Sprache und
Toponomastik zu gebrauchen. In den ladinischen Tälern ist
die Vorschrift, ebenso laut einem Landtagsbeschluß,
für jene Ämter außerhalb der Täler, die viel
mit ladinischen Bürgern zu tun haben. Die Realität ist
davon weit weg, das Gesetz vorläufig oft nur
Theorie.
Es gibt zwar die
Bestimmung, dass Ladinisch auch dort Verwendung findet, wo es vor
allem oder ausschließlich um ladinische Belange geht; diese
Bestimmung wird immer wieder nicht beachtet.
Die Pflicht
für dreisprachige Aufschriften in den ladinischen
Tälern wird v.a. von der Landesverwaltung häufig
missachtet (so vom Amt für Naturparke, vom Assessorat
für öffentliche Bauten, vom Assessorat für
Sozialwesen). Immer wieder findet man in den ladinischen
Tälern Aufschriften, Tafeln, Hinweise etc, die nur deutsch
und italienisch sind - von Ladinisch keine
Spur.
Auch die verwendeten
Ortsnamen sind in der Regel deutsch-italienisch, ohne Ladisch,
d.h. ohne die Sprache der Bevölkerung der ladinischen
Täler. Auch hier wird ein Verhalten an den Tag gelegt, das
man beim italienischen Staat oft als
“nationalistisch” und oft auch
“faschistisch” bezeichnet hat.
Das fundamentale Recht der ladinischen Minderheit auf die öffentliche Verwendung der Muttersprache im eigenen Siedlungsgebiet wird mißachtet. Auf den Mangel wurde schon oft hingewiesen, auf politischer Ebene wie in den Medien, geändert hat sich jedoch herzlich wenig. Ein Beleg dafür, dass die Praxis nicht Unachtsamkeit ist, sondern Programm - und die politische Mentalität dahinter Nationalismus und Minderheitenfeindlichkeit.
Wenn von
italienischer Seite Rechte nicht oder nur zögernd
gewährt wurde oder wenn die italienische Seite bei der
Umsetzung (mittlerweile eine Seltenheit) säumig war, wurde
immer wieder von deutscher Seite der Vorwurf des Nationalismus
und gar des Faschismus erhoben. Wenn die deutsche Mehrheit bzw.
die deutsche Verwaltung den Ladinern gegenüber das gleiche
Verhalten an den Tag legt, hört man nichts mehr, im
Gegenteil: Als Nationlisten werden jene hingestellt, die die
Rechte der Minderheit einfordern.
Doch Südtirol
ist, so sagen die Politiker der Mehrheit, ein Modell für den
Minderheitenschutz.
Beispiele
…
Karten,
Broschüren, Mitteilungen, Internetseiten … die
ladinische Sprache und Toponomastik fristen ein beschämendes
Schattendasein. Der öffentliche Verkehr verwendet
beispielsweise weder die ladinische Sprache noch die ladinische
Toponomastik. Kein Fahrplan, keine Mitteilung in ladinischer
Sprache, auch nicht auf jenen Bussen, die nach Ladinien bzw. nur
in Ladinien verkehren. Die Homepage der SAD führt
mittlerweile auch Ladinische an - die ladinischen Ortsnamen
werden aber weiterhin nicht verwendet.
Die von der
Landesverwaltung herausgegebenen öffentlichen Fahrpläne
führen weder die ladinische Sprache noch die ladinische
Ortsnamen an.
Die
Verkehrsmeldezentrale verwendet ausschließlich die
deutschen und italienischen Bezeichnungen für die
ladinischen Ortschaften, nicht aber die ladinischen. Immer wieder
werden Ortsnamen auch falsch ausgesprochen - beispielsweise das
Falzarègo-Pass, das immer wieder falsch als
Falzàrego-Pass verhunzt wird.
Ein Gegenbeispiel:
Die von den italienischen Bahnen herausgegebenen Fahrpläne
führen auf nationaler Ebene die Ortschaften Südtirols
zweisprachig an, also Bolzano/Bozen … Bozen hat also von
Rom noch viel zu lernen.
Verleumdung
Wer die Anwendung der
Sprache auch außerhalb der Täler fordert, wenn es die
Ladiner betrifft, wird die Hetze betrieben, man wolle ganz
Südtirol "ladinisieren". Es sind dies die gleichen Argumente
wie beispielsweise die des Kärntner Heimatdienstes und
anderer ultranationalistischer Kreise in diesem
österreichischen Bundesland - einschließlich des Herrn
Dr. Jörg Haider -, die eine "Slowenisierung Kärntens"
heraufbeschwören, wenn die Kärntner Rechte
einfordern.
Doch es sind die
Mehrheiten, die eine Gefahr für die Minderheit sind, nicht
umgekehrt!
Die Ladiner sind
Bürger Süddtirols und haben das Recht, im Umgang mit
der Verwaltung dieses Landes ihre Muttersprache zu verwenden
– ein Recht, das häufig nicht anerkannt wird. Dabei
wird der, der Rechte einfordert, angefeindet, nach dem Motto:
Habt ihr nie genug.
Widerspruch
Die Deutschen fordern
von Rom die Erstellung von Dokumenten (Steuerformulare etc.),
auch Beipackzetteln zu Medikamenten etc. in deutscher Sprache
– und erhalten diese Rechte zu jenen vielen, die sie schon
hahen. Den Ladinern jedoch wird dieses gleiche Recht zumesit
verweigert – es werden sogar viel fundamentalere Rechte
verweigert.
Die deutsche Mehrheit
in Südtirol steht den Rechten der Ladiner oft
verständnislos gegenüber. Wer auch nur eine minimale
Erhöhung des Muttersprachenunterrichts oder den Respekt der
ladinischen Toponomastik fordert, wird als Fundamentalist
hingestellt.
Ausrede
Die häufigste
Ausrede: “Ihr versteht ja Deutsch und Italienisch”.
Auch da wiederum eine Parellele zu Kärnten, wo
Landeshauptmann Jörg Haider in bezug auf die
Zweisprachigkeit der Verwaltung meinte, Deutsch sei jedem
zuzumuten.
Mit dem gleichen
Argument könnte man die gesamte Autonomie und alle Normen
zum Schutz der deutschen Sprachgruppe abschaffen: Die
Südtiroler verstehen ja alle Italienisch, also kann ja die
gesamte Verwaltung nur das Italienische
verwenden!
Autonomiestatut
Das Autonomiestatut
wurde von der Region Trentino-Südtirol bzw. von der
autonomen Provinz Bozen in mehrere Sprachen übersetzt.
Symptomatisch: Ins Ladinische ließen sie das Statut nicht
übersetzen - als wären die Ladiner vom Statut gar nicht
betroffen - und als wären sie nicht Bürger dieses
Landes.
Kulturförderung
Ladinisch ist - im
Gegensatz zum Deutschen - eine Sprache ohne Hinterland: Es
muß alles vor Ort produziert werden, es kann nichts
importiert werden. Zudem ist es eine kleine Sprachgemeinschaft,
die Abnehmerzahl zu gering, um Kultur durch den Markt zu
finanzieren. Dennoch gibt es nicht eigene Richtlinien,
Bestimmungen und Gesetze für eine Förderung der
ladinischen Kultur. Die ladinische Kultur wird nach den gleichen
Kriterien gefördert wie die deutsche
Kultur.
Keine
Selbstverwaltung
Die zwei ladinischen
Täler der Provinz Bozen gehören zwei verschiedenen
Talgemeinschaften an. Eine ladinische Talgemeinschaft, die auch
nur einen geringen Anteil an Selbstverwaltung gewähren
würde, wurde nicht gewährt. Nicht einmal die
kleinstmögliche Einheit der Selbstverwaltung wurde den
Ladinern gewährt.
Schule der
Assimilierung
In den ladinischen
Tälern gibt es keine ladinische Schule, sondern eine
paritätische, deutsch-italienische Schule. Ladinisch wird
ganze zwei Wochenstunden unterrichtet!
Ohne angemessenen
Muttersprachenunterricht geht jede Sprache unter. Keine Sprache
der Welt lernt man mit zwei Wochenstunden.
In der Vergangenheit
hat man zudem massiv versucht, die Schulen in den ladinischen
Tälern Südtirols zu germanisieren.
Proporz
In Südtirol
werden die öffentlichen Stellen nach der
Sprachgruppenstärke vergeben. Dies bringt einerseits eine
Sicherheit, dass die Ladiner in den öffentlichen Stellen auf
ihren Anteil kommen. Da aber die Ladiner nur ca. 4% der
Südtiroler Bevölkerung ausmachen, werden sie in jenen
Bereichen, wo es wenige Stellen gibt, ausgeschlossen. Es gibt
damit Berufsgruppen/öffentliche Stellen, aus denen die
Ladiner prinzipiell ausgeschlossen sind!
Es werden also
Menschen aufgrund ihrer Sprache diskriminiert - ein Prinzip, das
dem ersten Prinzip der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte sowie der italienischen Verfassung (Artikel 3)
widerspricht: Kein Mensch darf aufgrund seiner Sprache, sozialen
Herkunft etc. benachteiligt werden.
Kein Platz
für Ladiner
Die Ladiner sind aus
vielen Kommissionen etc. ausgeschlossen, obwohl dort auch
ladinische Angelegenheiten behandelt werden.
Verwaltungsgericht:
Kein Ladiner vertreten (obwohl das Verwaltungsgericht auch
über die gerechte Behandlung der Ladiner zu urteilen
hat!).
Landesregierung:
Bevormundung der Minderheit durch die
Mehrheit
Von der
Landesregierung waren die Ladiner bisher ausgeschlossen (bzw. in
nur einem Sonderfall vertreten), weil durch die Regelung
verhindert: Aufgrund der Proporzmäßigen Verteilung der
Sitze in der Landesregierung war den Ladinern der Zugang nicht
gestastett. Ein Akt von schwerer
Diskriminierung.
Man hat nun diese
Diskriminierung (die in anderen Bereichen auch besteht) nicht
abgeschafft, sondern nur verdreht. Durch eine Änderung des
Autonomiestatuts ist die Berufung eines Ladiners in die
Landesregierung möglich - doch nur, wenn die Mehrheit (also
Deutsche und Italiener) einverstanden ist. Die anderen
Sprachgruppen jedoch haben das Recht, in der Landesregierung
vertreten zu sein.
Die Mehrheitspartei
SVP (Südtiroler Volkspartei) spricht in ihrer Propaganda von
“Rechten” für die Ladiner, die man nun
hätte – was juridisch jedoch nicht im Geringsten den
Tatsachen entspricht: Die Ladiner haben nicht das Recht, in der
Landesregierung zu sein, sondern die Mehrheit hat die
Möglichkeit, einen Ladiner zu holen – nicht
Minderheitenrecht also, sondern Mehrheitenrecht, nicht
Minderheitenschutz, sondern
Minderheitenbevormundung.
Die neue Regelung
sieht die Berufung von außen vor, d.h. es ist zudem eine
Übergehung der demokratischen Wahlen – ein Akt, der an
die Feudalsysteme erinnert. Zudem wird das Mitglied von der
ethnischen Mehrheit berufen, die demokratisch gewählte
Vertretung der Minderheit wird übergangen. Es ist also ein
Akt der Bevormundung, der politischen Unterwerfung einer gesamten
Volksgruppe. Ein politischer Akt der nicht nur
minderheitenfeindlich ist, sondern zudem noch einen
antidemokratischen Charakter hat. Volksvertreter werden in
demokratischen Ländern durch Wahlen festgelegt, nicht durch
den Willen einer Partei oder eines Herrschers.
Doch Südtirol ist laut Aussagen der Politiker der deutschen Mehrheit ein Modell.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat immer wieder auf diese Mängel hingewiesen; die Folge war der Versuch, der Gesellschaft für bedrohte Völker das Wort verbieten zu wollen.
Minderheitenschutz hieße Rechte für
die Minderheiten festschreiben, nicht Diskriminierungen
festschreiben und Bevormundung durch die
Mehrheit.
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