Ladinien - Politische
Piraterie
Parteiverbot für ethnische Minderheit auf
Umweg
Die
Südtiroler Volkspartei will gegen die ladinische Minderheit
ein Defacto-Verbot politischer Parteien, bereits zum zweiten Mal
– obwohl minderheitenfeindlich, demokratie- feindlich und
verfassungswidrig
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Bozen, den 8.5.2002
Bereits zum zweiten
Mal plant die Südtiroler Volkspartei (SVP) ein
Defacto-Verbot eigenständiger politischer Parteien der
ladinischen Minderheit. Das in Südtirol derzeit gültige
Wahlgesetz ist rein proportional, wie dies
verfassungsmäßig vorgesehen ist. Die Sitze des
Landtages werden in Vollmandaten und in Restmandaten verteilt.
Dadurch kommen auch kleine Parteien zum Zug. Für die kleine
ladinische Minderheit ist dies wesentlich, um mit autonomen
politischen Parteien demokratisch vertreten zu sein. Nun
möchte die Südtiroler Volkspartei mit einem neuen
Wahlgesetz die Restmandate abschaffen. Für den Einzug in den
Landtag gäbe es faktisch eine Sperrklausel von gut 3%.
Für die Ladiner, die ca. 4% der Bevölkerung
Südtirols ausmachen, bedeutet dies eine reale Sperrklausel
von ungefähr 75%, was ein Defacto-Verbot für
eigenständige ladinische Parteien ist.
Es handelt sich
nicht um den ersten Versuch dieser Art. Bereits 1998 hatte der
Regionalrat der Region Trentino-Südtirol – in
Nachtsitzungen und mit zweifelhaften Methoden –ein
Wahlgesetz mit dem Vollmandat beschlossen. Der ladinische
Landtagsabgeordnete Carlo Willeit hatte beim Verfassungsgericht
in Rom Widerspruch eingelegt: Das Wahlgesetz wurde als
verfassungswidrig, weil minderheitenfeindlich, annulliert. Nun
will die Südtiroler Volkspartei die Hürde nochmals, in
anderer Formulierung, durchsetzen. Diesmal will die
Südtiroler Volkspartei die Diskriminierung der ladinischen
Minderheit noch verstärken: Im Südtiroler Landtag soll
jener Ladiner vertreten sein, der am meisten Vorzugsstimmen hat.
Das wäre Mehrheitswahlrecht (von der Verfassung ist das
Verhältniswahlrecht vorgeschrieben); die Mehrheit würde
also den Vertreter der Minderheit wählen, während der
Minderheit das Grundrecht auf eigene Parteien genommen wäre.
Diese Regelung der Vorzugsstimmen soll bezeichnenderweise nur
für die ladinische Minderheit Anwendung finden. Der
Vertreter der Ladiner wäre damit automatisch der Kandidat
der größten Partei, also der Südtiroler
Volkspartei – Wahlen
würden sich
erübrigen.
Die
unabhängige politische Partei „Ladins“, gegen
die sich das Gesetz hauptsächlich richtet, hat das Vorhaben
scharf kritisiert: Die Minderheitenfeindlichkeit der SVP suche
europaweit ihresgleichen. Das geplante Wahlgesetz, mit dem eine
Partei Stimmen auf sich umschreiben lässt, die gar nicht an
sie gegangen sind (noch dazu zu Lasten einer ethnischen
Minderheit), bezeichneten Vertreter der ladinischen Minderheit
als „demokratiepolitischen Diebstahl“. Man kann es
auch krasser sagen: Es ist politische
Piraterie.
POLITIK DES
NATIONALISMUS
Ein Vorbild für
das minderheitenfeindliche Ansinnen gibt es in Kärnten, wo
man die Wahlordnung umgearbeitet hat, um die slowenische
„Ein-heitsliste“ auszuschalten: Die Enotna Lista hat
durch eine 10%-Hürde keine Chance auf den Einzug in den
Landtag. Die Südtiroler Volkspartei strebt genau das an, was
sie an anderen als minderheitenfeindlich kritisiert. So
kritisierte sie wiederholt die Wahlhürde beim
Proportionalmandat der italienischen Parlamentswahlen. Dabei
betrifft diese Hürde nur ein Viertel der Sitze der
Abgeordnetenkammer (die Sitze im Senat sind davon nicht
betroffen), das Recht der deutschen Südtiroler auf
demokratische parlamentarische Vertretung durch eigene Parteien
bleibt unangetastet. Keine italienische Regierung hat je den
deutschen Südtirolern das Recht auf eigenständige
Parteien genommen. Mit Ausnahme des Faschismus, versteht sich,
denn Parteienverbot gehört zum Repertoire totalitärer
Systeme.
Mateo Taibon
Aus pogrom 212
(2/2002)
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