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Konsequent griff sie dabei auch die Menschenrechtsverletzungen und die Geschlechter-Apartheid der Taliban an, die seit Jahren Afghanistan mit einer Schreckensherrschaft überziehen. Im Machtbereich der Taliban dürfen Frauen nur in Begleitung eines männlichen Verwandten aus dem Haus. Sie müssen den afghanischen Ganzkörperschleier, die Burka, tragen. Sind ihre Fußknöchel zu sehen, werden sie bestraft. Berufe ausüben dürfen sie nicht. Mädchen können nicht zu Schule gehen, dürfen keine Ausbildung machen. Auch die medizinische Versorgung von Frauen wurde von den Taliban stark eingeschränkt.
Für Hanifa, die sich schon vor vielen Jahren ihr Studium gegen den Widerstand des Vaters ertrotzen mußte, ist das besonders bitter. Deshalb hat sie den Aufbau von Krankenhäusern und Gesundheitsstationen, in denen Mädchen lernen dürfen, in den Mittelpunkt ihrer humanitären Arbeit gestellt.
Für Hanifa Nawed sind die unzähligen Verordnungen der Taliban keine Frage von Religion oder Tradition, sondern von Machtausübung und Unterdrückung: "Weder schreibt der Koran eine totale Verschleierung vor, noch war dieses Kleidungsstück in Afghanistan vor dem Erscheinen der Taliban weit verbreitet. Die Burka kann zwar auch Schutz bedeuten — z.B. Schutz vor Zudringlichkeiten und vor dem Erkanntwerden. Was wir ablehnen, ist der Zwang, sie zu tragen. Denn damit ist sie zum sichtbaren Symbol für die Unterwerfung und Ungleichbehandlung der Frau im gesamten afghanischen Leben geworden. So ist es bezeichnend, daß die Taliban in entlegenen ländlichen Gegenden die Burka nicht durchsetzen. In den städtischen Zentren dagegen ist die Burka für sie ein Mittel, gebildete und teilweise schon emanzipierte Frauen zu demütigen."
Dabei sind die Taliban nicht die ersten afghanischen Islamisten, die Hanifa Nawed bei ihren Projekten Schwierigkeiten bereiten. Auch die Mullahs im Hazarajat, traditionell gesinnte Dorfgeistliche oder Anhänger der Hazara-Einheitspartei Hezb-e Wahdat, die sich an der Revolution Ajatollah Khomeinis im schiitischen Iran, orientierten, mußte sie überzeugen bzw. "überlisten" und "überrennen", wie sie selbst schmunzelnd sagt:
"Ich eröffnete zuerst Schulen für Jungen, um im Jahr danach mit einer Mädchenklasse zu starten, und wiederum ein Jahr später mit noch einer Mädchenklasse usw. Wenn die Mädchenklassen jemandem mißfielen, drohte ich mit der Schließung der gesamten Schule. Ich fragte die Mullahs: Wer soll in zehn Jahren noch Religion lehren, wenn es wegen euch keine Schulen mehr gibt?
Um Angriffen von vorneherein die Spitze zu nehmen, machte ich gemäßigte Geistliche zu Schirmherren meiner Schulen. Schließlich merkten die Mullahs, daß sie mich nicht mehr stoppen können. Bei einigen geniesse ich heute Respekt." Zornig wird Hanifa Nawed, wenn europäische Besserwisser den radikalen Islamismus oder die bewaffneten Milizen zu einem Teil der kulturellen Identität Afghanistans erklären:
"Wenn diese Elemente vor 20 Jahren nicht unsere Kultur war, warum sollen sie es dann heute sein? Der blutige Bürgerkrieg in Afghanistan ist eine Schande, die möglichst schnell beendet werden muß. Deshalb bitte ich die Menschen in der westlichen Welt, uns Frauen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen, sondern zusammen mit uns nach Wegen suchen, wie wir unseren Kindern eine Zukunft bieten können. Es erfordert Mut, sich der Tyrannei entgegenzustellen, doch es bieten sich immer Möglichkeiten dafür."
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