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Kein neues Afghanistan ohne Frauen!
Sima Samar und Shuhada Organisation
Gesellschaft für bedrohte Völker Logo
Kein neues Afghanistan ohne Frauen:Über die afghanischen Ärztin und Menschenrechtlerin Sima SamarÜber die afghanischen Ärztin und Menschenrechtlerin Sima Samar, Von Andreas Selmeci
Keine Besserung in AfghanistanKeine Besserung in Afghanistan, von Verena Ayaß
Ein geschichtlicher Überblick.Der unendliche Krieg in AfghanistanDer unendliche Krieg in Afghanistan
Shuhada.Bildung und Gesundheit für afghanische Frauen und MädchenBildung und Gesundheit für afghanische Frauen und Mädchen
Offener Brief von Sima Samar:AfghanistanAfghanistan
Shuhada OrganisationShuhada Organisation - Arbeiten für ein besseres Morgen
Paul-Grüninger-Preis:Die Preisträgerin. Eine Frau wehrt sichDie Preisträgerin. Eine Frau wehrt sich, Von Sima Samar
Bozen, 23.10.2001


obenKein neues Afghanistan ohne Frauen
Über die afghanischen Ärztin und Menschenrechtlerin Sima Samar
Von Andreas Selmeci

„Nur mit uns Frauen ist der materielle und ideelle Wiederaufbau Afghanistans möglich!“ Mit diesen Worten wandte sich die afghanische Ärztin und Menschenrechtlerin Sima Samar am 23. Oktober 2001 an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Strassburg. Sima Samar ließ keinen Zweifel daran, dass die radikal-islamische Diktatur der Taliban bald einer demokratischen Regierung unter Einschluss aller ethnischen, religiösen und sozialen Gruppen Platz machen muss. In einer solchen Regierung dürften nicht wieder dieselben Mudschaheddin und Mullahs dominieren, die Afghanistan in die Katastrophe geführt haben. Zugleich warnte Sima Samar die USA und ihre europäischen Verbündeten davor, dass jede - auch unbeabsichtigte - Bombardierung von Zivilisten die Taliban stärken könnte.

Sima SamarSima Samar war auf Einladung der Frauenrechtorganisation „Terre des femmes“ für eine Lobbyrundreise nach Deutschland gekommen. Seit mehr als 13 Jahren betreibt die Direktorin der „Shuhada Organisation“ vom pakistanischen Quetta aus Spitäler und Schulen in Zentralafghanistan. In dieser schwer zugänglichen Bergregion leben die Hazara, eine Volksgruppe mongolischer Herkunft, die einen persischen Dialekt spricht und sich mehrheitlich zum schiitischen Islam bekennt. Gegen die Islamisten, die es allerdings auch unter den Hazara gibt, hat Sima Samar den Unterricht für Mädchen an ihren Schulen durchgesetzt.

Konkretes Ziel von Sima Samars Reise war die Suche nach deutscher Unterstützung für ihre humanitären Projekte. Afghanische Organisationen waren in den letzten Wochen häufig die einzigen, die Lebensmittel für die notleidende afghanische Bevölkerung von Pakistan aus über die Grenze und an ihre Bestimmungsorte bringen konnten. Doch auch die Shuhada Organisation kann nur über deutsche Partner Hilfsgelder des Bundesregierung beantragen.

Viel zu tun gibt es auch bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Alle Kliniken von Sima Samar arbeiten mit einem Minimum an Ausstattung. Im Juni sprengten die Taliban gezielt das Shuhada-Spital von Yakawlang, nachdem sie in dieser Stadt schon im Januar mehr als 300 Hazara, unter ihnen auch vier Shuhada-Mitarbeiter, massakriert hatten. Der Wiederaufbau dieses Spitals ist Sima Samars Herzenswunsch. Doch auch den paschtunischen Flüchtlingsfrauen und -kindern aus der Taliban-Hochburg Kandahar möchte sie beistehen. „Für mich ist ein erster Schritt in Richtung Versöhnung.“

Bei früheren Europa-Besuchen musste Sima Samar Pseudonyme verwenden und unter der „burka“, dem afghanischen Ganzkörperschleier, verbergen. Dass sie diesmal offen aufgetreten ist, nährt sich aus der Hoffnung, dass aus der derzeitigen Krise in Afghanistan eine bessere Gesellschaft entstehen wird. Wer Sima Samar bei ihren Anstrengungen unterstützen möchte, kann das über „Terre des femmes“ tun:
Link an Terre des femmes: http://www.terre-des-femmes.de/TERRE DES FEMMES
Postfach 2565, 72015 Tübingen. Telefon: 07071-7973-0, Fax: 07071-797322



obenKeine Besserung in Afghanistan
Von Verena Ayaß

Frauen dürfen in Afghanistan nicht gesehen und nicht gehört werden: Das ist das vorläufige Ende ihrer Teilnahme am öffentlichen Leben.

“Warum tötet ihr uns und unsere Kinder nicht einfach?” Mit diesen verzweifelten Worten reagierten afghanische Frauen auf den Verlust ihres Arbeitsplatzes, in einer Bäckerei in Kabul, im Sommer dieses Jahres. Mehrere von der UN finanzierte Bäckereien, die 350 Frauen beschäftigt und Tausende von Frauen und Kindern mit Brot versorgt hatten, mussten auf Anweisung der Behörden ihre Arbeit einstellen.
Nach den Vorstellungen der radikalfundamentalistischen Taleban sollen Frauen nicht berufstätig sein. Gleich nach der Eroberung der Hauptstadt Kabul im Herbst 1996 hatten die neuen Herrscher über Afghanistan ein Berufsverbot für alle Frauen erlassen. Mehr noch: Sie schlossen sämtliche Schulen und Ausbildungsstätten für Mädchen, sie zwangen die Frauen, außer Haus die burqua zu tragen, den Ganzkörperschleier, der nur in Augenhöhe ein Sichtgitter hat, und sie verlangten von den Frauen, sich auf der Straße von einem nahen männlichen Verwandten begleiten zu lassen.

In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich ein zunehmender Teil der afghanischen Frauen einen Platz in Politik, Ausbildung und Beruf erobert. Der Schleierzwang war 1959 abgeschafft worden, und 1964 hatten die Afghaninnen das Wahlrecht erhalten. Mädchen konnten vor allem in den Städten Grund- und weiterführende Schulen besuchen und eine Ausbildung machen, überwiegend in den Bereichen Pädagogik, Soziales und Verwaltung. Seit 1960 studierten Frauen gemeinsam mit den Männern an allen Fakultäten. Auf dem Land allerdings - über 90 Prozent der Bevölkerung lebte vor dem Krieg noch auf dem Land - ging nur ein verschwindend kleiner Teil der Mädchen in eine Schule. Hier tragen die Frauen durch ihre Arbeit in Haushalt, Land- und Viehwirtschaft, mit Teppichknüpfen und -weben entscheidend zum Familieneinkommen bei. Landfrauen tragen üblicherweise auch keine burqua - diese ist nämlich ein städtisches Kleidungsstück - sondern begnügen sich mit einem Tuch oder Schal als Kopfbedeckung.

Der nun seit über 20 Jahren anhaltende Krieg in Afghanistan hat den Frauen viel Leid gebracht. Auch sie waren als Teil der Zivilbevölkerung von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen. “Sie erschossen meinen Vater direkt vor mir. Sie kamen zu uns und sagten ihm sie hätten Befehl, ihn zu töten, weil er mir den Schulbesuch erlaubt hatte. Die Mudjaheddin hatten mir schon verboten, in die Schule zu gehen, aber das genügte ihnen nicht. Sie ermordeten meinen Vater. Ich kann nicht beschreiben, was sie danach mir antaten...”, so der Bericht eines 15jährigen Mädchens aus dem Jahre 1994, veröffentlichen von der Menschenrechtsorganisation amnesty international. Ausnahmslos alle Kriegsparteien haben sich massiver Menschenrechtsverletzungen an Frauen schuldig gemacht: Sie wurden vertrieben, getötet, vergewaltigt, entführt, zwangsverheiratet und zur Prostitution gezwungen.

Bis zu zwei Millionen Menschen sind im diesem Krieg ums Leben gekommen. Während der sowjetischen Besatzungszeit (1980-1989) sind fünf Millionen Afghanen, ungefähr ein Drittel der damaligen Bevölkerung, ins Ausland geflohen, überwiegend nach Pakistan und in den Iran. In Pakistan blieben Frauen und Kinder in den dort entstandenen Flüchtlingslagern zurück, notdürftig versorgt von zahlreichen Hilfsorganisationen, während die Männer, ausgerüstet über den pakistanischen Geheimdienst mit Waffen aus aller Welt, zurück in den Krieg zogen, um gegen die linksgerichtete Regierung und die sowjetischen Besatzung zu kämpfen.
Schon aus dieser Zeit, - lange vor dem Auftauchen der Taleban - stammen Berichte, nach denen fundamentalistische Exilgruppen in Pakistan afghanischen Flüchtlingsfrauen und -mädchen, teilweise unter Mordandrohungen, Bildung und Berufstätigkeit untersagten und ihren die burqua aufzwingen wollten.
In Pakistan ist auch die Bewegung der Taleban entstanden. Taleban sind Schüler von Koranschulen, die es überall in Pakistan gibt, und die von vorwiegend jungen Männern aus den afghanischen Flüchtlingslagern besucht wurden. Als militärische Macht griffen die Taleban erstmals in 1994 in den Bürgerkrieg ein, damals im Süden Afghanistans. Von dort aus eroberten sie nach und nach über 80 Prozent des Landes mit der Unterstützung Pakistans, Saudiarabien und möglicherweise, so wird immer wieder behauptet, auch den USA. Mehrere Ölfirmen aus Saudiarabien, Argentinien und den USA hatten nämlich ein ehrgeiziges Projekt geplant: Eine neue Pipeline, die Erdöl und Erdgas aus Turkmenistan durch Afghanistan hindurch nach Pakistan direkt ans Arabische Meer bringen sollte.

Entrechtung der Frauen
Den afghanischen Frauen und Mädchen bringt der Sieg der Radikalfundamentalisten die völlige Entrechtung. “Kein Regime, das Frauen behandelt wie die Taleban es tun, darf in der Weltgemeinschaft der Nationen Platz finden”, sagte Radhika Coomaraswamy, Sonderberichterstatterin der Menschenrechtskommission zum Thema “Gewalt gegen Frauen”. Sie hatte sich im Herbst 1999 in Pakistan und Afghanistan aufgehalten. Ihr Bericht bestätigt dass afghanische Frauen und Mädchen zahlreichen Diskriminierungen und Gewalttaten ausgesetzt sind. Frauen sind auf offener Straße geschlagen worden, weil sie gegen eine der zahlreichen Anordnungen verstoßen haben. Bis ins kleinste Detail reglementieren die Behörden das Verhalten der Frauen: So sollen sie keine Absätze tragen, damit sie beim Gehen keine Geräusche machen. “Unzucht” wird mit öffentlicher Auspeitschung bestraft: Im Februar 1998 erhielt eine Frau vor 30000 Zuschauern im Olympiastadion in Kabul hundert Peitschenhiebe wegen angeblichen Ehebruchs. Im schlimmsten Fall droht den Frauen die Todesstrafe durch Steinigung. Zwangsheirat, Frauenhandel und Prostitution sind auch unter der Herrschaft der Taleban verbreitet. “Es gibt zu viele Frauen in Kabul”, sagt ein Händler aus einer Stadt im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. “Pakistanis kommen hierher und zahlen 90000 Rupies (ungefähr 1800 Dollar) für Frauen aus Kabul. Die Frauen meinen, sie bekommen einen Ehemann, aber die Pakistanis wollen sie nur für ein paar Monate zum Vergnügen.”

Viele Frauen sind verzweifelt, weil sie nicht mehr wissen, wie sie sich und ihre Familien ernähren sollen. Allein in Kabul gibt es mehrere zehntausend Witwen, die zu Alleinernährerinnen der Familie wurden. Angetreten mit dem Anspruch, den Afghaninnen “ihre Würde zurückzugeben”, haben die Taleban es geschafft, Frauen zum Betteln auf die Straße zu schicken. Einige der wenigen Arbeitsmöglichkeiten sind die Projekte verschiedener ausländischer Hilfsorganisationen, die aber jederzeit geschlossen werden könne, so geschehen mit den Bäckereien. Manche der ehemaligen Lehrerinnen arbeiten in privaten Heimschulen für Mädchen, die mal geduldet dann wieder verboten werden. Eine gefährliche Beschäftigung, denn solche Schulen sind illegal. Der einzige Bereich, in dem Frauen eigentlich noch arbeiten dürfen, ist der Gesundheitsbereich. Aber das sowieso nur rudimentäre Gesundheitswesen steht noch weniger den Frauen zur Verfügung: Es gib zu wenig Ärztinnen, und Frauen dürfen nur von Frauen behandelt werden.

Nicht legal sind auch Frauenorganisationen, die offiziell nur noch im pakistanischen Exil tätig sein können, von wo aus sie versuchen, die Weltöffentlichkeit über das Leben im Land der Taleban zu informieren. Sie sind es auch, die versuchen, wenigstens einem kleinen Teil der Flüchtlingsmädchen und -frauen Bildung und Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen, - unter Gefährdung ihres Lebens, sind doch gerade in jüngster Zeit wieder mehrere afghanische Oppositionelle auf pakistanischem Boden ermordet worden.

Schleier gegen Unmoral?
Kritik an ihrer Frauenpolitik weisen Vertreter der Taleban zurück, da ihrer Ansicht nach kein anderes Land den Frauen die Rechte gegeben hat, die die Taleban ihnen gewähren, so der Gouverneur der Provinz Herat in einem Interview. Der Schleier “reinigt die Gesellschaft von Unanständigkeit und Unmoral” belehrte im Mai der stellvertretende Minister des “Ministeriums für die Überwachung der islamischen Moral und die Bekämpfung der Sünde” einen deutschen Journalisten.
Weniger streng gehen die Moralhüter mit dem Thema Drogen um. Unter ihrer Herrschaft hat sich Afghanistan in den letzten Jahren zum größten Opiumproduzenten der Welt entwickelt, einen gute Einnahmequelle für die Taleban. Sie brauchen Geld, um den Rest des Landes zu erobern. Weniger dringlich erscheint die Not der Zivilbevölkerung. Ein großer Teil der Menschen ist von der Unterstützung ausländischen Hilfsorganisationen abhängig geworden.

aus Eine Welt Presse, Nr. 1/17, 2000. Hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen


obenEin geschichtlicher Überblick
Der unendliche Krieg in Afghanistan
  • 1978 Machtergreifung der moskauorientierten Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) durch einen Militärputsch.
  • 1979 Beginn des Widerstandes Einmarsch der sowjetischen Armee Ende des Jahres.
  • 1980-1989 Kämpfe verschiedener Widerstandsgruppen im ganzen Land, Formierung der Exilparteien, sieben in Pakistan, bis zu fünf im Iran; Unterstützung der Parteien durch das Ausland mit Waffen und Geld, vermittelt durch den pakistanischen Geheimdienst.
  • Flucht der Bevölkerung, 3 Millionen nach Pakistan, 2 Millionen in den Iran. Beträchtliche Anzahl von Binnenflüchtlingen.
  • 1989 Abzug der sowjetischen Armee.
  • 1989-1992 Bürgerkrieg.
  • 1992 Ende des moskaugestützten Regimes. Ausrufung des Islamischen Staates Afghanistans unter Präsident Rabbani Bürgerkrieg.
  • 1994 Auftreten der Taleban (überwiegend Paschtunen).
  • 1996 Eroberung der Hauptstadt Kabul durch dieTaleban.
  • 1997 Entstehung des Islamischen Emirats von Afghanistan unter Führung von Mullah Omar. Anerkennung durch Pakistan, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
  • 1996-1999 Die Taleban erobern fast 90 Prozent des Landes. Es kommt zu ethischen Vertreibungen, erneuten Fluchtbewegungen.
  • 2000 Immer noch leben 1,2 Millionen afghanische Flüchtlinge in Pakistan, 1,4 Millionen im Iran. Afghanische Flüchtlinge bilden seit 20 Jahren die größte Einzelflüchtlingsgruppe der Welt.


Land

  • Bevölkerung: ca. 20 Millionen
Ethnische Gruppen:
  • Paschtunen (ca. 45 %) Tadschiken (ca. 30 %)
  • Hazara (15 %)
  • Usbeken, Turkmenen u. a.


Frauen

  • Lebenserwartung: 42 Jahre (Männer 44, EU: Frauen 80, Männer 74)
  • Kindersterblichkeit 173/1000 (EU 5,6/1000), Kindbettsterblichkeit ist eine der höchsten der Welt
  • Analphabetenrate bei Frauen bis zu 96 %
  • Geschlechtsspezifischer Entwicklungsindex der Vereinten Nationen: Letzte Position.


obenShuhada
Bildung und Gesundheit für afghanische Frauen und Mädchen

Shuhada ist eine afghanische Hilfsorganisation, die 1989 in Quetta in Pakistan gegründet wurde. Sie wird geleitet von Frau Dr. Sima Samar, einer afghanischen Ärztin, die 1984 während der sowjetischen Besatzung ins Exil gehen musste. Frau Samar hat in Quetta in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet und schließlich 1989 ihr eigenes Hospital gegründet. Ihre Arbeit wurde in der Vergangenheit immer wieder von islamischen Fundamentalisten angegriffen.
Seit den späten achtziger Jahren ist Shuhada auch innerhalb Afghanistans tätig, überwiegend im Hazarajat, einer Region in Zentralafghanistan.

Die Hazara sind eine ethnische Minderheit von zwei bis drei Millionen, ungef‰hr 15 Prozent der Bevölkerung. Sie gehören der shiitischen Glaubensrichtung an, während der größte Teil der afghanischen Einwohner Sunniten sind. Die Hazara sprechen Dari, eine der zwei Hauptsprachen Afghanistans. In jüngster Zeit werden die Hazara als eine ethnische und religiöse Minderheit von den herrschenden Taleban besonders verfolgt.

Shuhada arbeitet vorwiegend im Bildungs- und Gesundheitsbereich, wobei die Angebote grundsätzlich Männern und Frauen gleichermaßen zugute kommen sollen. In den Schulen legt Shuhada Wert auf einen fundierten und weltoffenen Lehrplan in allen Fächern. Religion wird ähnlich wie bei uns ungefähr zwei Stunden pro Woche unterrichtet.
Verschiedene westliche Organisationen unterstützen zur Zeit Shuhada finanziell, darunter die Afghanistan-Hilfe Schaffhausen, in der Schweiz. Frau Vreni Frauenfelder, die Vertreterin des Vereins, spricht Dari, reist regelmäßig nach Pakistan und hält engen Kontakt zu Frau Samar. Im Januar 2000 hatten zwei Mitarbeiterinnen von TDF Gelegenheit, Frau Frauenfelder und Frau Samar in Schaffhausen persönlich kennenzulernen.

Projekte
Von den Aktivitäten bei Shuhada betrifft etwa die Hälfte Bildungseinrichtungen (Schulen und Alphabetisierungskurse), ein Viertel Gesundheitsprojekte, der Rest verteilt sich auf verschiedene kleinere Maßnahmen, zum Beispiel die Verteilung von Hilfsgütern.
Im Jahre 1998 unterhielt Shuhada folgende Einrichtungen:
Im Bereich Gesundheit: Sieben Krankenhäuser, Kliniken oder Gesundheitsposten in Pakistan und Afghanistan, die grundsätzlich beiden Geschlechtern offen stehen.
Im Bildungsbereich: 24 Grund- und weiterführende Schulen in Afghanistan, davon 10 reine Mädchenschulen, 6 gemischte Schulen und 8 Jungenschulen. In den Schulen unterrichten sowohl männliche als auch weibliche Lehrkräfte.
Eine Mädchenschule wird in Quetta, in Pakistan unterhalten.
Mädchen besuchen mehrheitlich nur die Grundschule, maximal bis zur fünften oder sechsten Klasse. Einige Schulen bilden bis zur 9. Klasse aus, aber nur ein kleiner Teil der Mädchen hat bis jetzt diese Klassenstufe erreichte. Eine Schule bietet Unterricht für die 11. Klasse an. In diese Klasse gingen 1998 nur 14 Mädchen. Shuhada versucht, Mädchenbildung gezielt zu fördern, indem sie Lehrerinnen zusätzliche Gehalt bezahlt, um zu verhindern, dass Familien aus Armut eher die Jungen zur Schule schicken, denn die Lehrkräfte müssen normalerweise zumindest teilweise von den Eltern unterhalten werden. Alle Schulen waren nach Aussage von Frau Samar Anfang 2000 noch aktiv, trotz der Besetzung des Hazarajats durch die Taleban.



obenOffener Brief von Sima Samar
Afghanistan

Als afghanische Frau bin ich sehr besorgt über die jüngsten Berichte, wonach die Restriktionen für afghanische Frauen allmählich aufgehoben würden. Diese Berichte über einen Fortschritt für Frauen geben keineswegs die heutigen schrecklichen Lebensbedingungen von Frauen unter den Taliban wieder. UN-Vertreter und humanitäre Hilfsorganisationen, die diese Behauptungen aufstellen, leben selbst nicht unter den Restriktionen der Taliban. Sie genießen großen Respekt bei den Taliban und können in Afghanistan tun, was sie wollen. Sie leben in großen Häusern in Pakistan, haben gut bezahlte Arbeit und beschäftigen Bedienstete. Müssten sie als afghanische Frau mit Töchtern im Land leben, würden sie solche Einschränkungen niemals für sich akzeptieren und sie niemals als “kulturell bedingt” bezeichnen.

Ich möchte einigen dieser Behauptungen widersprechen und etwas über die gegenwärtige Lebensrealität der Frauen in Afghanistan berichten.

Nach der Machtübernahme der Taliban am 27. September 1996 wurde Kabul zum größten Frauengefängnis der Welt. Der weiblichen Bevölkerung wurde befohlen, zu Hause zu bleiben. Ihnen ist verboten zu arbeiten. In Kabul haben Frauen immer gearbeitet: Schätzungsweise 70 Prozent der Lehrkräfte waren weiblich. Seit sie zu Hause bleibe müssen, herrscht ein ernsthafter Mangel an Lehrkräften. Mädchen wurde der Schulbesuch verboten, und viele Jungen können nicht zu Schule, weil die Lehrerinnen fehlen.

Die Taliban haben Patientinnen aus den Krankenhäusern gewiesen, weil zum Personal auch Ärzte gehörten. Es ist Ärzten nicht erlaubt, Patientinnen zu behandeln. Einige weibliche Beschäftigte durften an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, aber sie dürfen nicht mit ihren männlichen Kollegen zusammenarbeiten. Andere Mitarbeiterinnen, die ihre Arbeit wieder aufnehmen wollten, wurden von den Taliban nach Hause geschickt.

Wenn Frauen Lebensmittel, Medikamente oder andere Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen müssen, müssen sie sich mit der Burga bedecken und dürfen nur Begleitung männlicher Verwandter aus dem engsten Familienkreis aus dem Haus gehen. Auch die vollständige Bedeckung ist kein Schutz. Frauen drohen Schläge, wenn sie keine Strümpfe tragen oder wenn ihr Knöchel zu sehen ist. Oder weil ein Mann, der nicht mit ihnen verwandt ist, ihre Schuhe klappern hört. Das Leben in Kabul ist zur endlosen Strafe geworden.

Die Regelungen der Taliban treffen besonders Witwen, die Alleinernährerinnen ihrer Familien sind, ebenso andere Frauen, die keinen Verwandten haben, der sie in der Öffentlichkeit begleiten kann. Sogar Witwen, denen es gelingt, trotz aller Schwierigkeiten eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, müssen mit Schlägen auf die Beine rechnen, wenn sie auf der Straße nicht vollständig bedeckt waren.

Schon in der Vergangenheit hatten Frauen in Afghanistan aufgrund des patriarchalen Familiensystems einen extrem niedrigen, untergeordneten Status. Diktatorische Herrschaft sowie religiöse Fehlinterpretationen schränkten die Rechte der Frauen ein. Vor 35 bis 40 Jahren herrschten schon einmal wenigstens teilweise demokratische Verhältnisse im Land, und es wurde eine Verfassung entworfen, die Frauen begrenzte Rechte zugestand: Zugang zu allen Arten der Ausbildung sowie passives und aktives Stimmrecht.

Nach der russischen Invasion verlor die Verfassung ihre Wirksamkeit und im Land herrschten Krieg und Zerstörung. Länder, die aus unterschiedlichen Gründen an Afghanistan interessiert waren, begannen einen Stellvertreterkrieg auf Kosten des afghanischen Volkes. Nach dem Fall des Regimes Najib im April 1992 übernahmen als die Gruppen der Mujaheddin die Macht in Kabul und das Rechtssystem, das vor den Kriegsherren existiert hatte, war außer Kraft gesetzt. Die Verletzung von Menschenrechten blieb ungeahndet. Gewalt gegen Frauen nahm im beispiellosem Ausmaß zu. In ihrem Machtkampf schränkten die fundamentalistischen Widerstandskämpfer die Frauen immer weiter ein und drangsalierten sie mit physischer Gewalt. Doch auch unter diesen Bedingungen gelang es manchen Frauen zu arbeiten, und sie hatten Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, wenn es welche vorhanden waren.

Frauen sind die Hauptopfer der andauernden Menschenrechtskrise in Afghanistan. Zwar respektiert keine der militärischen Gruppierungen in Afghanistan die Menschenrechte von Frauen und Mädchen, doch waren die Handlungen der Taliban die extremsten, und die aktuellen Bedingungen unter den Taliban zeigen keinerlei Verbesserungen.

Manche behaupten, die Taliban hätten “Frieden und Sicherheit nach Afghanistan gebracht”

Einige Leute behaupten, die Lage habe sich gebessert, seit die Taliban im Lande seien, denn sie hätten “Frieden und Sicherheit” in ein von Krieg und politischen Cliquenkämpfen zerrissenes Land gebracht. Sie sagen unter anderem, das Land sei weniger gefährlich für die Frauen. Zuvor hätten Mujaheddin-Gruppen und Befehlshaber Frauen vergewaltigt und entführt.

Aber was für einen Frieden haben die Taliban gebracht? Wahrheit ist, dass Vergewaltigungen und Entführungen unter den Taliban nicht aufgehört haben. Die Soldaten der Taliban vergewaltigen weiter Frauen, entführen Frauen aus ihren Häusern und zwingen Familien, ihre Töchter mit den Taliban zu verheiraten.

Und welchen Frieden und welche Sicherheit gibt es, wenn Frauen auf offener Straße geschlagen werden? Wenn die ethnischen Minderheiten Ziel talibanischer Verfolgung geworden sind und etwa an den Hazaras Massenmorde begangen werden? Wenn Hunderte und vielleicht Tausende gefangengenommen worden sind und weiterhin willkürlich festgehalten werden?

Die sogenannte Ordnung, die die Taliban gebracht haben, gründet sich auf Gewalt und auf die Tatsache, dass sie alle Waffen tragen. Sie herrschen durch unmittelbare Gewalt und die Drohung mit Gewalt. Die Einwohner Afghanistans hatten keine Möglichkeit zu bestimmen, wer über sie herrschen soll. Das ist weder Frieden noch Sicherheit. Das ist Terror

Stabilität und Frieden werden in der afghanischen immer Gesellschaft fehlen, solange Frauen nicht an der Konfliktlösung und dem Wiederaufbau des Landes beteiligt werden. Wahre Verpflichtung zum Frieden kann nur entstehen, wenn die Rechte der Frauen voll anerkannt und gesetzlich verankert werden.

Manche sagen, die Restriktionen für Mädchen seien gelockert worden.

In letzter Zeit hörte man immer wieder, Mädchen unter neun Jahren studierten den Koran in den Moscheen, und das bedeute, dass die Einschränkungen für die Ausbildung von Mädchen gelockert worden seien. Die Wahrheit ist, dass Mädchen schon immer den Koran studieren durften, aber das bedeutet nicht Bildung, und auch dieser Unterricht steht älteren Mädchen nicht offen. Wir hören auch, dass Mädchen Hausunterricht bekommen. Doch erstens ist Hausunterricht kein Ersatz für eine Schulbildung. Zweitens riskieren sowohl die Mädchen als auch die Lehrerinnen, die Hausunterricht erteilen, schwere Strafen von den Taliban. Die Macht der Taliban reicht nicht aus, um ihre Einschränkungen überall durchzusetzen. Sie können nicht wissen, wo diese Hausschulen sind, aber die Existenz solcher Schulen im Geheimen bedeutet nicht, dass die Taliban Bildung für Mädchen zulassen.

Manchen NGOs ist es gelungen, außerhalb von Kabul einige Mädchenschulen einzurichten. Das ist sehr gut, aber es bedeutet nicht, dass das Bildungsverbot für Mädchen aufgehoben ist. Die NGOs konnten die Schulen einrichten, weil sie hart gearbeitet haben und weil die Taliban das Verbot nicht konsequent durchhalten, nicht weil die Taliban ihnen das erlauben. Außerdem sind die meisten dieser Schulen von NGOs nur Grundschulen. Das genügt aber nicht für die Zukunft des Landes. Wir brauchen auch weiterführende Schulen sowie fachliche und berufliche Weiterbildung aller Art für Frauen und für Männer. Ehe das Bildungsverbot nicht aufgehoben wird, haben afghanische Frauen keine Zukunft.

Manche sagen auch, wir sollten uns nicht so viele Sorgen machen, nur weil Mädchen der Zugang zur Bildung verweigert wird. Wir sollten auch nicht den Taliban die Schuld dafür geben, denn vor der Herrschaft der Taliban habe es auch nur für wenige Schulbildung gegeben. Sie sagen, Analphabetinnen und Frauen aus ländlichen Gebieten hätten keinen Bedarf an Bildung. Das ist nur teilweise richtig. Es stimmt, dass vor den Taliban einige Frauen Zugang zur Bildung hatten. Im Jahre 1991 waren 55 Prozent der Studenten an der Universität in Kabul Frauen. Während der Mujaheddin-Zeit sank die Zahl der Studentinnen auf 40 Prozent. Heute werden keine Mädchen zum Studium an der Universität zugelassen.

Andererseits war man in Afghanistan immer an Bildung für Töchter und Söhne interessiert. Vor den Taliban hatten Frauen in den Städten Zugang zu Bildung erhalten und schnelle Fortschritte gemacht. Leider hatten Frauen aus ländlichen Gebieten nicht die in der Verfassung zugestandenen Bildungsmöglichkeiten. Dort, wo die Mädchen vor der Herrschaft der Taliban nicht zur Schule gingen, lag das entweder am Verbot der dortigen Machthaber oder an den fehlenden Ressourcen zur Einrichtung von Schulen. Privatschulen waren in Afghanistan nicht erlaubt. Immer wenn Frauen und Mädchen in Afghanistan Zugang zur Bildung hatten, haben sie ihn auch genutzt. Vor den Taliban gab es kein offizielles Verbot der Bildung für Frauen und Mädchen.

Die generellen Einschränkungen für die Erziehung von Mädchen in Afghanistan sollten nicht als kulturell bedingt akzeptiert werden. In den Lehrplänen der Schulen sollten neue Erkenntnisse der Wissenschaften und Technologie ebenso wie Grundwissen in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften stehen, denn religiöse Unterweisung allein erfüllt nicht alle Bedürfnisse der Menschen im neuen Jahrhundert.

Manche sagen, der Zugang von Frauen zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung sei nicht schlechter als für Männer

Die Gesundheitsversorgung ist für das gesamte afghanische Volk sehr schlecht, doch für Frauen ist sie besonders schlimm. Wenn eine Frau ohne männlichen Verwandten bei einem Arzt angetroffen wird, werden sowohl die Frau als auch der Arzt schwer bestraft. Der Arzt kommt ins Gefängnis, und die Frau wird geschlagen. Auch in Anwesenheit eines männlichen Verwandten kann ein Arzt keine vollständige medizinische Untersuchung an einer Frau vornehmen.

Manche sagen, es werde humanitäre Hilfe verweigert, weil einige Gruppen den Umgang der Taliban mit Frauen kritisierten

Wir brauchen dringend mehr humanitäre Hilfe in Afghanistan. Es stimmt aber nicht, dass Gruppen, die die Behandlung der Frauen durch die Taliban angreifen, für die fehlende Hilfe verantwortlich sind. Humanitäre Hilfe ist nicht wegen der Anklage der Gräueltaten der Taliban gestoppt worden. Die Gräueltaten der Taliban selbst sind der Grund, warum so wenig Hilfe nach Afghanistan gelangt. Internationale Hilfsorganisationen sagen, auch, die Frauen hätten stärkere Einschränkungen zu befürchten, wenn die Taliban internationale Kritik für ihre Menschenrechtsverletzungen an Frauen erfahren. Das stimmt nicht. Diese Hilfsorganisationen sollten nicht für sich in Anspruch nehmen, für die Frauen zu sprechen.

Afghanische Frauen bitten Frauen- und Menschenrechtsgruppen dringend um Hilfe, der ganzen Welt mitzuteilen, was afghanischen Frauen angetan wird. Die Welt muss erfahren, was die Taliban den afghanischen Frauen antut, wenn wir jemals wieder Frieden und Freiheit erleben wollen.



obenShuhada Organisation
Arbeiten für ein besseres Morgen

Die Shuhada Organisation (SO) ist eine nicht-kommerzielle und unpolitische Nicht-Regierungsorganisation. Sie wurde 1989 in Quetta / Pakistan gegründet. Ihr Ziel ist humanitäre Hilfe und Fortschritt für das afghanische Volk, sowohl inner- als auch außerhalb Afghanistans. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung von Frauen und Kindern. Shuhada führt ihre Hilfe für Arme, Unschuldige und Privilegierte fort.
Seit ihre Gründung hat Shuhada ihre Aktivitäten auf folgende Bereiche ausgedehnt:

Shuhada LogoA) Gesundheit
B) Schulbildung / Ausbildung
C) Einkommenssicherung
D) Wiederaufbau
E) Aus- und Fortbildung in den Bereichen Gesundheit und Erziehung
F) Verteilung von Hilfsgütern

Shuhada dankt allen freundlichen und großzügigen Spendern, die die Aktivitäten der Organisation möglich gemacht haben. Besonderer dank geht an die Kommunen vor Ort für das Vertrauen, das sie in uns gesetzt haben, und ihre Kooperationsbereitschaft.
Shuhada entschuldigt sich für alle Fehler, die im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten auftauchen, und freut sich über alle Verbesserungsvorschläge.

1) Gesundheit
Shuhada bietet akute und präventive Gesundheitsdienste mit dem langfristigen Ziel ein umfassendes, effektives und kostengünstiges Netz zur medizinischen Betreuung in diesem Bereich zu schaffen, das sich selbst trägt.
Shuhade bietet medizinische Versorgung in den afghanischen Provinzen Ghazni, Wardak, Bamyan, Ghor und Kabul und in der Provinz Balochistan in Pakistan.

2) Ausbildung / Schulen
Shuhada kennt die Bedeutung von Ausbildung auf allen Ebenen als grundlegend für die Entwicklung von Fähigkeiten, sowohl von einzelnen als auch von der gesamten Gesellschaft. Besonders gilt das für die Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten von Frauen. Shuhada glaubt, daß die heutige Krise in Afghanistan eine direkte Konsequenz aus dem weitverbreiteten Analphabetismus ist. Darüber hinaus verschärfte die Auswanderung von Spezialisten in den letzten 21 Jahren das Problem weiter. Deswegen legt Shuhada besonderen Wert auf die Ausbreitung und Erhaltung des bestehenden Bildungssystems, das bereits eine große Zahl an Schülern ausbildet.

Shuhada hat außerdem ein technisch - naturwissenschaftliches Institut in Quetta gegründet, das eine höhere Bildung für die Studenten bietet.

3) Einkommenssicherung
Shuhada plant Programme zur Einkommenssicherung, um die Selbständigkeit von Familien inner- und außerhalb Afghanistans zu fördern. Die Durchführung solcher Projekte bietet nicht nur eine Möglichkeit für die Wiederbelebung und Stärkung der lokalen Industrie, sondern ist auch ein Mittel zur Stärkung von Frauen, das sie befähigt, an Entscheidungsprozessen, sei es in der Familie oder in der Gemeinde teilzunehmen. Neben dem Erlernen der verschiedenen Arten von Teppich- und Deckenweberei und anderen Handarbeiten in diesem Bereich, lernen die Frauen in Alphabetisierungskursen auch Lesen und Schreiben.
Auch ein Projekt zur Verteilung von Schafen vor allem an Familien von Witwen und behinderten Männern, das seit 1992 besteht, ist Teil des Programms zur Einkommenssicherung.

4) (Wieder-)Aufbau
Shuhada hat die Oberaufsicht über den Bau und die Instandhaltung ihrer Krankenhäuser und Schulen. Außerdem hat Shuhada Projekte für den Bau von Mauern und Staudämmen im Yakawlang Gebiet in der Provinz Bamyan.

5) Aus- und Fortbildung
Eines der größten Hindernisse für die Durchführung und den Erfolg der Projekte in den verschiedenen Gebieten Afghanistans ist der Mangel an ausgebildeten Personal. Shuhada bietet deshalb Aus- und Fortbildungsprogramme im medizinischen oder pädagogischen Bereich.

6) Verteilung von Hilfsgütern
Shuhada hat seit ihrer Gründung afghanischen Flüchtlingen außerhalb und Vertriebenen und Armen innerhalb Afghanistans geholfen. Bei der Verteilung von Hilfsgütern werden Witwen und Familien ohne offizielles Familienoberhaupt bevorzugt.

Projekte
Von den Aktivitäten der Shuhada-Hilfsorganisation betrifft etwa die Hälfte Bildungseinrichtungen (Schulen und Alphabetisierungskurse), ein Viertel Gesundheitsprojekte, der Rest verteilt sich auf verschiedene kleinere Maßnahmen, zum Beispiel die Verteilung von Hilfsgütern. Shuhada unterhält folgende Einrichtungen im Bildungsbereich: 24 Grund- und weiterführende Schulen in Afghanistan, davon 10 reine Mädchenschulen, 6 gemischte Schulen und 8 Jungenschulen. In den Schulen unterrichten sowohl männliche als auch weibliche Lehrkräfte.

Mädchen besuchen mehrheitlich nur die Grundschule, maximal bis zur fünften oder sechsten Klasse. Einige Schulen bilden bis zur 9. Klasse aus, aber nur ein kleiner Teil der Mädchen hat bis jetzt diese Klassenstufe erreichte. Eine Schule bietet Unterricht für die 11. Klasse an. Shuhada versucht, Mädchenbildung gezielt zu fördern, indem sie Lehrerinnen zusätzliches Gehalt bezahlt, um zu verhindern, dass Familien aus Armut eher die Jungen zur Schule schicken, denn die Lehrkräfte müssen normalerweise zumindest teilweise von den Eltern unterhalten werden.

Seit Mai 2001 unterstützt TERRE DES FEMMES innerhalb der Shuhada-Hilfsorganisation vor allem die ARIANA-Mädchenschule für afghanische Flüchtlingsmädchen in Quetta, Pakistan.

Die ARIANA-Mädchenschule liegt in einem Stadtviertel Quettas, das hauptsächlich von afghanischen Flüchtlingen, die der Ethnie der Hazara angehören, bewohnt wird. Die Hazara sind nicht nur eine ethnische, sondern als Schiiten auch eine religiöse Minderheit in Afghanistan. Als Minderheit sind sie besonders von der Politik der Geschlechterapartheid, zu der unter anderem auch das Vorenthalten von Schulbildung für Mädchen gehört, betroffen. Mit der ARIANA-Mädchenschule unterstützt TERRE DES FEMMES ein Bildungsprojekt, das ca. 700 Flüchtlingsmädchen eine weltoffene Ausbildung auf sehr hohem Niveau ermöglicht. Weitere Infos:Link an Shuhada: http://www.shuhada.orghttp://www.shuhada.org.



obenFür ihr Engagement erhielt Sima Samar am 16. März 2001 den Paul-Grüninger-Preis verliehen. Anlässlich dieser Preisverleihung beschrieb sie ihre Motivation und ihren Werdegang (aus dem St. Galler Tagblatt vom 19.3.2001):
Die Preisträgerin. Eine Frau wehrt sich
Von Sima Samar

Sima SamarAfghanistan ist ein unterentwickeltes Land. Die dominante Mehrheit der Bevölkerung sind Sunni-Moslems, etwa ein Drittel sind Schiiten. Die Bevölkerung ist auch entlang ethnischer Gruppen gespalten: Paschtunen, Hazara, Tadschiken und Usbeken sowie weitere Minderheiten. Die afghanische Bevölkerung ist von Männern dominiert. Frauen spielen eine sekundäre Rolle und werden als Besitz betrachtet. Nach der Besetzung Afghanistans durch sowjetische Truppen 1978 wurde die Position der Frauen weiter geschwächt.

Die Reform in den von den Sowjets beherrschten Gebieten brachte den Frauen nominale Freiheiten und Rechte auf Erziehung und Arbeit, aber diese Reformen waren oberflächlich. Zudem wurden sie ohne Berücksichtigung der sozialen und religiösen Institutionen im Land durchgeführt, und ohne Bemühung, das soziale Verhalten zu ändern. Die Opposition - die unglücklicherweise vom Westen und den Nachbarländern uneingeschränkt unterstützt wurde - reagierte auf die Reformen des von Moskau gestützten Regimes mit einer ultrakonservativen Politik. Die Weltgemeinschaft ignorierte diese Entwicklung, weil sie nur von dem einen Ziel besessen war, die Sowjetunion zu besiegen. Die Folge war, daß alle anderen Facetten des Lebens in Afghanistan unbeachtet blieben, wie die Durchsetzung gleicher Rechte für alle Einwohner und von mehr Rechten für Frauen. Die Männer erhielten alle Hilfe. Ich war selbst Opfer der russischen Invasion in Afghanistan. Ich wurde hart konfrontiert mit der Tatsache, als Frau wie persönlicher Besitz behandelt zu werden.

1984 wanderte ich nach Pakistan aus. Ich fand Anstellung in einem Spital, das eine spezielle Abteilung für afghanische Flüchtlinge hatte. In dieser Zeit erkannte ich, wie nötig die Behandlung von Frauen war in einer, in der männlichen Patienten alle Hilfe geboten wurde, aber für die ebenso bedürftigen afghanischen Frauen und Kinder keinerlei Hilfe existierte. Ich selbst konnte nicht nach Afghanistan reisen, weil dort mein Leben bedroht war. Aber meine aufopferungsvollen Mitarbeiter handelten eine Vereinbarung aus für die Gründung verschiedener Schulen in Hazarajat. Das war nicht so einfach, denn die armen und ungebildeten Menschen waren jeglicher formalen Ausbildung und einer Organisation „Ungläubiger“ feindlich gesinnt. Diese Haltung änderte sich mit der Zeit, als sich der Krieg verschärfte und die Menschen mehr Kontakt zur übrigen Welt hatten. Heute verwalte ich fünf Spitäler, zwölf Kliniken und 48 Schulen für Frauen und Männer innerhalb und außerhalb Afghanistans. Afghanistan ist heute das einzige Land, dessen Herrscher offiziell bestimmen, dass Mädchen kein recht auf Ausbildung haben, und wo Frauen nicht ausserhalb des Hauses arbeiten dürfen. Die Kleidung der Frauen ist gesetzlich definiert - der fundamentalste Ausdruck der Tatsache, dass die Rechte der Frauen und die Menschenrechte in diesem System überhaupt keinen Wert haben.

Spenden unter dem Stichwort „Afghanistan“, Konto Nr. 27 32 606, Kreissparkasse Tübingen, BLZ 641 500 20


Shuhada LogoSHUHADA

Shuhada ist eine afghanische Hilfsorganisation, die 1989 in Quetta in Pakistan gegründet wurde. Sie wird geleitet von Sima Samar, einer afghanischen Ärztin, die 1984 während der sowjetischen Besatzung ins Exil gehen musste. Samar hat in Quetta in verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet und schließlich 1989 ihr eigenes Hospital gegründet. Ihre Arbeit wurde in der Vergangenheit immer wieder von islamischen Fundamentalisten angegriffen.

Shuhada ist inzwischen auch innerhalb Afghanistans tätig, überwiegend im Hazarajat, einer Region in Zentralafghanistan. Sima Samar gehört zu den Hazara, einer Minderheit von zwei bis drei Millionen, Menschen, also ungefähr 15 Prozent der Bevölkerung. Sie gehören der shiitischen Glaubensrichtung an, während der größte Teil der afghanischen Einwohner Sunniten sind. Die Hazara sprechen Dari, eine der zwei Hauptsprachen Afghanistans. Sie werden als ethnische und religiöse Minderheit von den herrschenden Taliban besonders verfolgt.

Die Shuhada-Hilfsorganisation arbeitet vorwiegend im Bildungs- und Gesundheitsbereich. In den Schulen legt Shuhada Wert auf einen fundierten und weltoffenen Lehrplan in allen Fächern. Religion wird ähnlich wie bei uns ungefähr zwei Stunden pro Woche unterrichtet.

Sima Samar, Direktor Shuhada Organisation, c/o Shuhada Klinik, Alamdar Road, Nasir Abad, Quetta, Pakistan
Tel. und Fax: (009281) 834781 / Tel. und Fax: (009281) 833569
E-mail:Mail an Shuhada: shuhada@qta.infolink.net.pkshuhada@qta.infolink.net.pk . Weitere Infos:Link an Shuhada: http://www.shuhada.orghttp://www.shuhada.org


Helfen auch Sie beim Aufbau Afghanistans mit!
Spendenaktion der Frauen in der SVP

Auf Anregung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hin hat die SVP-Frauenbewegung eine Spendenaktion zu Gunsten von Afghanistan in die Wege geleitet. Auch Sie können mit Ihrer Spende dazu beitragen, dass den Frauen Afghanistan ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird und dass endlich alle Menschen gleiche Lebens- und Bildungschancen erhalten.

Der Erlös fließt zu einem Teil der Caritas Internationalis zu, in dessen Netzwerk die Caritas der Diözese Bozen-Brixen eingeschlossen ist, zum anderen Teil der von Frauen gegründeten und geführten afghanischen Hilfsorganisation „Shuhada“ zu. Die GfbV ruft besonders zur Unterstützung dieser Frauenorganisation auf. Die Zukunft Afghanistan kann nur dann positiv sein, wenn die gesamte Bevölkerung die gleichen Rechte und Chancen erhält und die gesamte Bevölkerung die Zukunft mitbestimmt.

Aufbau Afghanistan
Spendenkonto: 263.000, ABI: 6045, CAB: 11613, bei der Südtiroler Sparkasse Zwölfmalgreien-Bozen.



Siehe auch:
Massaker an den Hazara
LinkDie Taliban in Mazar-e Scharif im August 1998. Von Andreas Selmeci
Die Freunde der Taliban
LinkAusländische Interessen in Afghanistan. Von Michael Pohly
Hat der Islamismus eine Zukunft?
LinkNur durch Gewalt halten sich die Mullahs an der Macht. Von Andreas Selmeci
Afghanistan ohne Chance?
LinkExterne Mächte haben die nationale Einigung bisher verhindert. Von Michael Pohly
Afghanistan
LinkVergessen wir nicht die Menschenrechte! Von Mateo Taibon
Afghanistan:
Link"Die USA haben Bin Laden erfunden". Von Matthias Abram

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