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TEIL I
TEIL II
Der Report des Österreichischen Volksgruppenzentrums an die drei EU-Weisen
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Inhaltsverzeichnis / Teil III
Maßnahmenkatalog | Anhang | Das österreichische Volksgruppenrecht- Kurzüberblick | Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger-Entwurf | Autorenverzeichnis | Mitgliedsorganisationen des Österreichischen Volksgruppenzentrums | Abkürzungsverzeichnis

Die angeführten Mitgliedsorganistionen des Österreichischen Volksgruppenzentrums legen hiermit einen

C.) Maßnahmenkatalogoben

vor, den sie mit der österreichischen Bundesregierung verhandeln wollen, um derart den Weiterbestand der gewachsenen sprachlichen, kulturellen und ethnischen Vielfalt der Republik Österreich, die auch in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt, zu sichern:

Neukodifizierung des österreichischen Volksgruppenrechtes bzw. Änderung des Art. 19 Staatsgrundgesetz, insbesondere die verfassungsrechtliche Gleichstellung aller autochthonen Volksgruppen in Österreich.
Das Vertretungsrecht (Verbandsklagerecht) der Volksgruppenorganisationen.
Vertretung der (slowenischen) Volksgruppe in den gesetzgebenden Organen.
Erteilung der erforderlichen Ermächtigungen für die Ausführungsgesetzgebung.
Ausdrückliche Zuerkennung des Volksgruppenstatus der Steirischen Slowenen und der Polen.
Aufstellung der im österreichischen Staatsvertrag von 1955 gewährleisteten zweisprachigen topographischen Aufschriften in allen autochthonen Siedlungsgebieten der österreichischen Volksgruppen.
Funktionelle Realisierung des Rechtes auf Führung von Familiennamen und Vornamen in der Volksgruppensprache samt entsprechenden diakritischen Zeichen auch in den öffentlichen Büchern.
Die zumindest zusätzliche Verwendung von traditioneller Onomastik in der Volksgruppensprache.
Die Verwendung von zweisprachigen Formularen durch Ämter und Behörden mit Wirkungsgebiet im autochthonen Siedlungsgebiet der österreichischen Volksgruppen.
Die Verwendung der Volksgruppensprachen auch bei den Sozialversicherungsträgen, Kammern und ähnlichen Institutionen, Post, Bundesbahnen.
Die Verwendung der Volksgruppensprache im Gemeinderat und Gemeindevorstand.
Das Dolmetscherprinzip soll nicht ein Freibrief für die Nichtanstellung zweisprachiger Beamter bzw. Bediensteter sein.
Die Veröffentlichung von auch die Volksgruppen betreffenden Gesetzen und Verordnungen auch in der entsprechenden Volksgruppensprache.
Die zweisprachige Ausführung der amtlichen und halbamtlichen Druck- und Kartenwerken im bzw. mit Bezug auf die autochthonen Siedlungsgebiete der Volksgruppen.
w Schaffung bzw. Förderung des zweisprachigen Bildungssystems für die österreichischen Volksgruppen vom Kindergarten bis zur Matura einschließlich einer entsprechenden Ausbildung des Lehr-, Erziehungs- und Kindergartenpersonals.
Die Leiter dieser zweisprachigen Bildungseinrichtungen haben eine Befähigungsprüfung auch in der entsprechenden Volksgruppensprache nachzuweisen.
Errichtung des internationalen Volksgruppengymnasiums Wien.
Errichtung und Absicherung des Oberstufenrealgymnasiums an der Komensky-Schule.
Einführung und Ausbau der muttersprachlichen Fernseh- und Radiosendungen im Rahmen des ORF.
Finanzielle Absicherung der muttersprachlichen Privatradioprogramme und der Printmedien der österreichischen Volksgruppen.
Substanzielle Erhöhung der Volksgruppenförderung vor allem für kleinere Volksgruppen. Festlegung verbindlicher Richtlinien für die Volksgruppenförderung unter Einbeziehung der Volksgruppenvertreter.
Novellierung des Volksgruppengesetzes:

§ 2 : Die Konkretisierung der Volksgruppenrechte, insbesondere bezüglich der zweisprachigen Topographie und der Amtssprachenregelung soll grundsätzlich durch Ausführungsgesetze und nicht durch Verordnungen erfolgen.

§ 2 Abs. 1 Z. 2 : Die Prozentklausel soll eliminiert werden.

§ 2 Abs. 1 Z. 3 : Die Ermächtigung zur Beschränkung der Verwendung der Volksgruppensprache auf bestimmte Personen oder Angelegenheiten soll entfallen.

§ 2 Abs. 2 : Die Verpflichtung zur Berücksichtigung der zahlenmäßigen Größe der Volksgruppe etc. soll entfallen.

§ 3 : Ergänzung der derzeit geltenden Bestimmungen dahingehend, dass im Falle der Ablehnung von Maßnahmen durch den Volksgruppenbeirat oder im Falle der Nichtbeachtung von Empfehlungen des Volksgruppenbeirates das BKA bzw. die zuständigen Behörden und Organe ihren Standpunkt dem Volksgruppenbeirat auf Verlangen mündlich oder schriftlich darzulegen haben.

§ 8 : Unbeschadet der derzeit geltenden Volksgruppenförderung solle ein Fonds zur Förderung der Volksgruppen in Österreich errichtete werden, der von Vertretern der Volksgruppe autonom verwaltet wird.

§ 12 : Der örtliche Geltungsbereich der Topographieregelung soll durch Ausführungsgesetze (ohne Prozentklausel) festgelegt werden, hierbei ist eine wesentliche Ausweitung des örtlichen Geltungsbereiches der Topographieregelung anzustreben; die Begriffe topographische Aufschriften und Bezeichnungen sind genauer zu definieren; die Frage der Wegweiser und Vorwegweiser ist eindeutig zu klären; die Beschränkung der Aufstellung zweisprachiger topographischer Wegweiser nur in anerkannt zweisprachigen Ortschaften soll entfallen.

§ 13 : Der örtliche Geltungsbereich der Amtssprachenregelung ist durch Ausführungsgesetz festzulegen, hierbei ist eine wesentliche Ausweitung der Amtsprachenregelung anzustreben, insbesondere durch Einbeziehung aller zweisprachigen Gemeinden.


Die drei „Weisen“ werden dringend ersucht die Realisierung dieser Forderungen in einem Zeitraum von zwei Jahren erneut zu beurteilen.

D.) Anhangoben
Das österreichische Volksgruppenrecht- Kurzüberblick (Stand, August 2000)oben

Recht Kärntner Slowenen Steirische Slowenen Burgenländische Kroaten
Territoriale Autonomie nein nein nein
Minderheitenrechte unabhängig von zahlenmäßiger Stärke nur bezüglich Elementarunterricht nein nur bezüglich Elementarunterricht
Verbandsklagerecht für Vertretungsorganisationen nein nein nein
Garantierte Vertretung im Parlament / Landtag nein nein nein
Recht auf Verwendung der Minderheitensprache vor Ämtern und Behörden in 14 von 41 Gemeinden des autochthonen Siedlungsgebietes; vor Bundes- und Landesbehörden nur für Bürger aus diesen 14 Gemeinden nein in 25 Gemeinden; vor Bundes- und Landesbehörden nur für Bürger aus diesen 25 Gemeinden
Recht auf Verwendung der Minderheitensprache bei Gericht bei drei Bezirksgerichten; beim Landesgericht nur für Bürger aus diesen Bezirksgerichtssprengeln nein bei sechs Bezirksgerichten
Zweisprachige Formulare nur bei den Finanzämtern nein nein
Zweisprachiger Personalausweis nein nein nein
Verwendung der Minderheitensprache bei amtlichen Bekanntmachungen nein nein nein
Zweisprachige topographische Aufschriften in 68 von ca. 800 Ortschaften des autochthonen Siedlungsgebietes nein In 47 Orten
Muttersprachliche Erziehung in den Kindergärten 8 private Kindergärten; sieben öffentliche Kindergärten (keine gesetzliche Regelung) nein 24 öffentliche Kindergärten (Kroatisch zumindest sechs Stunden wöchentlich)
Muttersprachlicher Elementarunterricht ja an einzelnen Pflichtschulen zwei Wochenstunden als Freifach ja
Eigene Mittelschulen zwei und eine private nein eine
Radioprogramme in der Minderheitensprache 50 Minuten täglich+ Privatradiobetreiber(ganztägig) nein 43 Minuten täglich, außer an Sonntagen
TV-Programme in der Minderheitensprache 30 Minuten wöchentlich nein
30 Minuten wöchentlich
Printmedien in der Minderheitensprache drei Wochenzeitungen und div. Periodika Vereinszeitung zwei Wochenzeitungen und div. Periodika
Unabhängige wirtschaftliche Struktur und Aktivitäten ja nein nein
Recht Roma Slowaken Tschechen Ungarn
Territoriale Autonomie nein nein nein nein
Minderheitenrechte unabhängig von zahlenmäßiger Stärke nein nein nein nur bezüglich Elementar-Unterricht
Verbandsklagerecht für Vertretungsorganisationen nein nein nein nein
Garantierte Vertretung im Parlament / Landtag nein nein nein nein
Recht auf Verwendung der Minderheitensprache vor Ämtern und Behörden nein nein nein in vier Gemeinden
Recht auf Verwendung der Minderheitensprache bei Gericht nein nein nein bei zwei Bezirksgerichten
Zweisprachige Formulare nein nein nein nein
Zweisprachiger Personalausweis nein nein nein nein
Verwendung der Minderheitensprache bei amtlichen Bekanntmachungen nein nein nein nein
Zweisprachige topographische Aufschriften nein nein In 47 Orten in vier Orten
Muttersprachliche Erziehung in den Kindergärten nein nein ein privater Kindergarten vier öffentliche Kindergärten (Ungarisch zumindest sechs Stunden wöchentlich)
Muttersprachlicher Elementarunterricht an einer Pflichtschule eine Wochenstundeals Freifach nein eine private Pflichtschule ja
Eigene Mittelschulen nein nein private bilinguale Sekundarschule eine
Radioprogramme in der Minderheitensprache nein nein nein 20 Minuten wöchentlich
TV-Programme in der Minderheitensprache nein nein nein 30 Minuten vierteljährlich
Printmedien in der Minderheitensprache Vereinszeitungen Vereinszeitung Periodika Periodika
Unabhängige wirtschaftliche Struktur und Aktivitäten nein nein nein nein


2.) Entwurf des Österreichischen Volksgruppenzentrums für ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wirdoben

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz vom ............, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 684/1988, lautet:

"(1) Österreich bekennt sich zur historisch gewachsenen ethnischen, sprachlichen und kulturellen Vielfalt seiner Bürger. Jede Volksgruppe hat ein unverletzliches Recht auf Erhaltung ihres Bestandes sowie auf Wahrung und Pflege ihrer Sprache und ihres Volkstums. Die Volksgruppen und ihre Angehörigen stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze.

(2) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Niemandem darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm als Volksgruppenangehörigen zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Niemand ist verpflichtet, seine Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen.

(3) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergarten- und Schulunterricht in der jeweiligen Volksgruppensprache. Anzahl und Standorte der Kindergärten und Schulen, an welchen in den Volksgruppensprachen unterrichtet wird, sowie das Ausmaß dieses Unterrichts sind nach Maßgabe des Interesses an der Erhaltung des Gebrauchs der Volksgruppensprachen in den traditionellen Siedlungsgebieten, darüber hinaus nach dem örtlichen Bedarf festzulegen.

(4) Die Volksgruppenangehörigen haben Anspruch auf Gebrauch der Volksgruppensprache im öffentlichen Leben und im Verkehr mit öffentlichen Stellen. Bei entsprechendem Bedarf, jedenfalls aber im traditionellen Siedlungsgebiet ist die Volksgruppensprache als mit dem Deutschen gleichberechtigte amtliche Sprache zu verwenden. Ansonsten sind den Volksgruppenangehörigen angemessene Erleichterungen für den Gebrauch der Volksgruppensprache zu gewähren. Die Volksgruppen haben das Recht, dass in ihren traditionellen Siedlungsgebieten topographische Bezeichnungen und Aufschriften auch in der Volksgruppensprache abgefasst sind.

(5) Organisationen oder Vertretungskörper, die ihrem rechtlichen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertreten und für eine Volksgruppe repräsentativ sind, haben das Recht, die auf diesen Artikel gegründeten Rechte und rechtlichen Interessen der betreffenden Volksgruppe vor staatlichen Behörden geltend zu machen. Die Rechte der Angehörigen der Volksgruppen bleiben davon unberührt."

Artikel II

Art. 7 des Staatsvertrags betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl Nr. 152/1955, bleibt unberührt.

Artikel III

Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

Erläuterungen

A. Allgemeiner Teil
Kern des Grundrechtekatalogs der österreichischen Bundesverfassung ist nach wie vor das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 (siehe Art. 149 Abs. 1 B-VG). Das Staatsgrundgesetz enthält auch eine Bestimmung über den Schutz der ethnischen Minderheiten (Art. 19 StGG: "Volksstämme"), deren Geltung heute allerdings fraglich ist. Sie entspricht, obwohl sie durchaus bemerkenswerte und auch in der Gegenwart noch relevante Ansätze enthält, auch gewiss nicht mehr einem zeitgemäßen Schutz der Volksgruppen. Sie ist durch spätere Verfassungsbestimmungen völkerrechtlicher Herkunft (Abschnitt V des III. Teils des Staatsvertrags von St. Germain, Art. 7 Wiener Staatsvertrag vom 15. Mai 1955) überlagert und weitgehend ersetzt, nach verbreiteter Ansicht sogar vollständig verdrängt worden. Verfassungsbestimmungen über den Minderheitenschutz finden sich ferner in den Minderheitenschulgesetzen für Kärnten und Burgenland.

Der vorliegende Entwurf versucht, diese strittige und jedenfalls sehr zersplitterte Verfassungsrechtslage durch eine einheitliche Regelung zu ersetzen. Das entspricht zum einen den Bemühungen, die allgemeine Zersplitterung des Bundesverfassungsrechtes zu bereinigen (siehe dazu etwa Irresberger, Wege aus dem Verfassungsdschungel?, JRP 1994, 239 ff). Zum anderen ist es ein berechtigtes Anliegen der österreichischen Volksgruppen, eine für alle Volksgruppen einheitliche und eindeutige Verfassungslage herzustellen und an systematisch passender Stelle im Bundesverfassungsrecht zu verankern.

Was die systematische Stellung einer solchen Verankerung anlangt, so basiert der vorliegende Entwurf auf der Überlegung, dass das Staatsgrundgesetz nach wie vor die eigentliche Verfassungsurkunde in bezug auf Grundrechte ist. Da es sich bei den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der Volksgruppen um Grundrechte der Volksgruppenangehörigen, aber auch der Volksgruppen als solcher handelt, ist eine Regelung im StGG derzeit einer solchen im B-VG selbst vorzuziehen. Es wird dadurch der subjektive Charakter dieser Rechte hervorgehoben. Art. 19 StGG bietet sich aber auch deshalb an, weil er schon bisher die einzige Bestimmung über den Schutz von Minderheiten mit umfassendem Geltungsanspruch enthält.

Was den Inhalt betrifft, so versucht der Entwurf den vorhandenen Bestand an verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der Volksgruppen und der Angehörigen von Volksgruppen zu vereinheitlichen. Die im Wiener Staatsvertrag der slowenischen und kroatischen Minderheit in Burgenland, Kärnten und Steiermark garantierten Rechte werden auf alle "autochthonen" Minderheiten ausgedehnt. Lücken im geltenden Rechtsbestand werden insofern geschlossen, als etwa auch das Kindergartenwesen erfasst wird. Die Judikatur des VfGH wird berücksichtigt. Um die Konsensfähigkeit des Entwurfes zu gewährleisten, werden aber nicht prinzipiell neue, im geltenden Verfassungsrecht noch nicht verankerte Rechte vorgesehen. Der vorliegende Entwurf versucht vielmehr eine Konsolidierung des geltenden Bundesverfassungsrechts. Eine Weiterentwicklung dieses Rechtsbestandes ist eine verfassungspolitische Frage, über die ein entsprechender Konsens hergestellt werden müsste. Vorsichtig weiterentwickelt wird allerdings das bestehende Rechtsschutzsystem insofern, als den Volksgruppen als solchen die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer kollektiven Rechte gewährleistet wird, doch kann dies an die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Art. 19 StGG anknüpfen.

Schon aufgrund des Verfassungsrangs der vorgeschlagenen Regelung versteht sich von selbst, dass einzelne Bestimmungen einer Präzisierung durch einfache bundesgesetzliche Regelungen zugänglich sind. Allerdings dürfen die hier gewährleisteten Rechte durch den einfachen Gesetzgeber nicht eingeschränkt werden. Auf einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt wird daher, um diesbezüglich keine Fehldeutungen zu verursachen, verzichtet. Vgl. im übrigen auch die Rechtsprechung des VfGH zu Art. 7 des Wiener Staatsvertrages, insbesondere VfSlg 11.585/1987.

B. Besonderer Teil

Zu Art. I:

Zu Art. 19 Abs. 1 StGG:
An die Spitze der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 19 StGG soll eine Staatszielbestimmung gestellt werden, die zugleich eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten des Volksgruppenschutzes im Sinne der Judikatur des VfGH zum Ausdruck bringt. Den Begriff der Volksgruppe in dieser Bestimmung näher zu definieren (vgl. § 1 Abs. 2 Volksgruppengesetz), wäre überflüssig. Die vorgeschlagene Formulierung stellt klar, dass es um die "autochthonen" Volksgruppen Österreichs geht. In Zweifelsfällen wäre im Sinne einer historischen Auslegung auf das Volksgruppengesetz in seiner geltenden Fassung zurückzugreifen.

Zum zweiten Satz vgl. die ursprüngliche Fassung des Art. 19 Abs. 1 StGG sowie § 1 Abs. 1 Volksgruppengesetz. Schon Art. 19 StGG ging von einem kollektiven Volksgruppenschutz aus, das heißt: einer Anerkennung der Volksgruppen als Träger von (kollektiven) Grundrechten, soweit es um die Erhaltung ihres kulturellen Bestandes als (gruppenspezifisches) öffentliches Interesse geht.

Zum dritten Satz vgl. § 1 Abs. 1 Volksgruppengesetz. Es erfolgt hier eine grundsätzliche Festlegung positiver staatlicher Schutz- und Leistungspflichten, wie sie in der Judikatur anerkannt sind, und zwar sowohl im Hinblick auf den kollektiven wie auf den individuellen Minderheitenschutz. Die Formulierung ist ausreichend weit, sodass sie über die konkreten Anwendungsfälle in den folgenden Absätzen hinaus auch andere gesetzliche Begünstigungen, etwa Maßnahmen positiver Diskriminierung deckt, die andernfalls unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes problematisch erscheinen könnten. Nach der Rechtsprechung des VfGH (siehe VfSlg 9224/1981) ergibt sich schon aus einer Gesamtschau des geltenden Verfassungsrechts "eine Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes", der eine "mehr oder minder schematische Gleichstellung von Angehörigen der Minderheiten mit Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen ... nicht immer genügen" könne. Dieser Rechtsprechung wird mit dem zweiten Satz im Abs. 1 des Entwurfs eine eindeutige verfassungsgesetzliche Grundlage "nachgereicht".

Zu Art. 19 Abs. 2 StGG:
In diesem Absatz geht es um die Frage der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, die im Sinne des schon dem geltenden Verfassungsrecht in seiner Auslegung durch den VfGH zugrundeliegenden "anonymen Bekenntnisprinzips" verfassungsrechtlich geklärt werden soll. Vgl. dazu auch § 1 Abs. 3 Volksgruppengesetz.

Der erste Satz stellt die Unabhängigkeit der Volksgruppenzugehörigkeit im rechtlichen Sinn von objektiven Merkmalen klar. Der zweite Satz enthält ein Diskriminierungsverbot. Die gegenüber dem VolksgruppenG veränderte Formulierung soll eine Deutung ausschließen, wonach dem Bekenntnis zur Volksgruppe eine "objektive" Gruppenzugehörigkeit gegenübersteht.

Der dritte Satz ist Ausfluss aus der Subjektivität der Volksgruppenzugehörigkeit. Weiters wird ein Verständnis der Volksgruppenzugehörigkeit als Statusbegriff ausgeschlossen: Die jeweilige Inanspruchnahme von einzelnen Minderheitenrechten ist stets frei und unabhängig von einer generell deklarierten Zugehörigkeit zur Volksgruppe. Umgekehrt schränkt auch eine einmal deklarierte Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nicht die Möglichkeit ein, von Minderheitenrechten keinen Gebrauch zu machen. (Nicht ausgeschlossen ist damit die Bindung der Ausübung bestimmter Rechte an ein zugleich mit deren Inanspruchnahme zu deklarierendes Bekenntnis zur Volksgruppe.)

Zu Art. 19 Abs. 3 StGG:
Abs. 3 beruht im wesentlichen auf der Z. 2 in Art. 7 des Wiener Staatsvertrages, jedoch ohne eine Einschränkung auf die slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark. Vielmehr wird der persönliche Geltungsbereich auf alle "autochthonen" Volksgruppen ausgedehnt. Weiters wird dieses Recht auch auf Kindergärten erstreckt.

Der VfGH (Slg 12.245/1989) hat Art. 7 Z. 2 Staatsvertrag von Wien als unmittelbar anwendbares subjektives Recht auf Elementarunterricht in der Volksgruppensprache interpretiert, dessen Durchführung jedoch außerhalb des traditionellen Siedlungsgebietes von einem Bedarf abhängig gemacht werden darf. Im traditionellen Siedlungsgebiet besteht der Anspruch dagegen - gemäß der geltenden Rechtslage in Kärnten und Burgenland - lösgelöst von einer allfälligen Bedarfsfrage. Von der beschriebenen Erweiterung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiches abgesehen, soll diese Rechtsprechung im Prinzip nicht verändert, vielmehr klarer zum Ausdruck gebracht werden. Der Anspruch auf Unterricht in den Volksgruppensprachen enthält individualrechtliche und kollektivrechtliche Komponenten und ist als positiver Leistungsanspruch unter die Anforderung der Verhältnismäßigkeit ("Untermaßverbot") gestellt.

Die berechtigten Bedenken gegen die Umsetzung des Art. 7 Z. 2 Staatsvertrag von Wien im geltenden Minderheitenschulgesetz für Kärnten, insbesondere gegen die Einschränkung des zweisprachigen Unterrichts auf die ersten drei Volksschulklassen - sie sind Gegenstand eines anhängigen Verfahrens vor dem VfGH -, werden durch die vorgeschlagene Fassung des Art. 19 Abs. 3 StGG nicht ausgeräumt; sie sollen vorerst der verfassungsgerichtlichen Klärung vorbehalten bleiben.

Zu Art. 19 Abs. 4 StGG:
Diese Bestimmung knüpft an folgende Regelungen des geltenden Rechts an: Art. 19 Abs. 2 StGG, Art. 66 Abs. 4 Staatsvertrag von St. Germain sowie Art. 7 Z. 3 Staatsvertrag von Wien. Grundsätzlich handelt es sich um ein individuelles Minderheitenrecht, dem eine im Sinne der Verhältnismäßigkeit nach Maßgabe von Satz 2 und 3 abgestufte staatliche Leistungspflicht entspricht. Da der Gebrauch zweisprachiger topographischer Bezeichnungen im Interesse an der Erhaltung des territorialen Bezuges der Volksgruppen als solcher liegt, wird die im 4. Satz enthaltene Verpflichtung als kollektives Volksgruppenrecht im subjektiven und damit einklagbaren Sinn verankert.

Zu Art. 19 Abs. 5 StGG
Das Recht von Volksgruppenangehörigen, Organisationen zur Vertretung von volksgruppenspezifischen Interessen zu gründen, besteht bereits aufgrund des allgemeinen Vereins- und Parteienrechts und muss daher nicht volksgruppenspezifisch verankert werden. Was verfassungsrechtlich klargestellt werden soll, ist die Parteistellung solcher Organisationen zur Geltendmachung der den Volksgruppen eingeräumten kollektiven Grundrechtspositionen. Dies entspricht der ursprünglichen Auslegung des Art. 19 StGG durch das Reichsgericht.

Die weite Umschreibung der von solchen Organisationen vor staatlichen Behörden wahrzunehmenden Rechte und rechtlichen Interessen soll sicherstellen, dass auch unterverfassungsgesetzlich verankerte Rechtspositionen, die als Ausführung oder Konkretisierung der in diesem Artikel festgelegten Garantien angesehen werden können, durch diese Organisationen geltend gemacht werden können.

Zu Art. II:
Da der in Art. 7 des Wiener Staatsvertrages normierte Minderheitenschutz eine - immer noch geltende - völkerrechtliche Verpflichtung der Republik Österreich darstellt, empfiehlt sich eine Bestimmung nach dem Vorbild des Art. 8 Abs. 3 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit.

Eine entsprechende Erklärung hinsichtlich des Staatsvertrages von St. Germain erübrigt sich, da der auf Minderheiten (im weiteren Sinn) bezogene V. Abschnitt seines III. Teils seine völkerrechtliche Verbindlichkeit verloren hat. Eine Aufhebung der auf Art. 149 B-VG beruhenden innerstaatlichen Geltung dieser Bestimmungen als Bundesverfassungsrecht wäre jedoch einer allgemeinen Kodifikation des Bundesverfassungsrechts vorzubehalten, zumal sich diese Bestimmungen über ethnische Minderheiten hinaus auch auf religiöse Gruppen erstrecken, auf die sich der vorliegende Entwurf nicht bezieht.

Um einer allgemeinen Rechtsbereinigung des Bundesverfassungsrechts nicht vorzugreifen, wird auch davon abgesehen, die Verfassungsbestimmungen der Minderheitenschulgesetze für Burgenland und Kärnten, des Verfassungsrangs zu entkleiden, zumal deren kompetenzrechtlicher und sonstiger organisationsrechtlicher Gehalt durch diesen Entwurf nicht berührt wird.

3.)Autorenverzeichnis:oben

Einleitung: Mag. Marjan Pipp
Allgemeiner Teil: Hubert Mikel
Burgenländische Kroaten: Mag. Jandre Palatin
Burgenländische Ungarn: Lajos Abraham, Mag. Adél Messner und Dr. Ernõ Deak
Kärntner Slowenen: Mag. Rudi Vouk
Polen: Richard Hebenstreit
Roma: Rudolf und Helga Sarközi
Slowaken: Dipl. Ing. Vladimir Mlynar
Steirische Slowenen: Dr. Wolfgang Gombocz und Mag. Michael Petrowitsch
Tschechen: Ing. Karl Hanzl und Mag. Paul Rodt

Literaturnachweise:oben
Die rechtlichen Ausführungen in diesem Bericht orientieren sich insb. an: Kolonovits, Minderheitenschulrecht im
Burgenland, Manz Verlag, Wien 1996; Kolonovits, Die rechtliche Situation der kroatischen und der slowenischen
Volksgruppe in Österreich, Europa Ethnica 1996, S. 99-116; Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich. Das
individuelle Recht auf Gebrauch der Volksgruppensprachen vor Verwaltungsbehörden und Gerichten, Manz
Verlag, Wien 1999.

Weiterführende Literatur (neben der oben angegebenen):oben
Europäische Akademie Bozen (Hrsg.), Paket für Europa, 1998;
Marauhn, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Österreich, in: Frowein/Hofmann/Oeter, Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 1, 1993, S. 225;
Marko, Autonomie und Integration, Rechtsinstitute des Nationalitätenrechts im funktionalen Vergleich, 1995;
Öhlinger, Der Verfassungsschutz ethnischer Minderheiten in Österreich, in Festschrift – Koja, 1998, S. 371;
Öhlinger/Pernthaler, Projekt eines Volksgruppenmandats im Kärntner Landtag, 1997;
Österreichisches Volksgruppenzentrum (Hrsg.), Österreichische Volksgruppenhandbücher, Bd. 1-10, 1991-96;
Österreichisches Volksgruppenzentrum (Hrsg.), Volksgruppenreport 1996-2000;
Pernthaler, Personalitätsprinzip und Territorialitätsprinzip im Minderheitenschulwesen, Juristische Blätter, 1990,
S. 613;
Rautz, Die Sprachenrechte der Minderheiten, Ein Rechtsvergleich zwischen Österreich und Italien, 1999;
Sturm, Der Minderheiten- und Volksgruppenschutz, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg.), Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. 2, 1992, S. 77;
Tichy, Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages 1955 und seine Realisierung, in: Moritsch (Hrsg.), Austria Slovenica, Kärntner Slowenen und die Nation Österreich, 1996, S. 166;


4.) Mitgliedsorganisationen des Österreichischen Volksgruppenzentrumsoben

I. Ordentliche Mitglieder

KÄRNTNER SLOWENEN
Narodni svet koro¹kih Slovencev / Rat der KärntnerSlowenen
Obmann Bernard Sadovnik
Viktringer Ring 26, A-9020 Klagenfurt/Celovec
Tel.: 0463 / 51 25 28 - 0, Fax: 0463 / 51 25 28 - 22

KROATEN
Hrvatsko kulturno dru¹tvo u Gradi¹æu / Kroatischer Kulturverein in Burgenland
Präsidentin:Mag. Zlatka Gieler
Dr.-Lorenz-Karall-Straße 23, A-7000 Eisenstadt/®eljezno
Tel.: 02682 / 66 500
Fax: 02682 / 66 500 / 4

ROMA
Kulturverein österreichischer Roma
Obmann:Rudolf Sarközi
Devrientgasse 1, 1190 Wien
Tel. und Fax: 0222 / 310 64 21

Verein Roma
Obmann:Emmerich Gärtner-Horvath
Spitalgasse 4, 7400 Oberwart
Tel.: 0 33 52 / 33 059, Fax: 0 33 52 / 33 059/4

STEIRISCHE SLOWENEN
Artikel-VII - Kulturverein für Steiermark - Pavelhaus
Kulturno dru¹tvo èlen 7 za avstrijsko ©tajersko - Pavlova hi¹a

Obfrau: Susanne Weitlaner
Elisabethinergasse 34, 8020 Graz/Gradec
Tel. + Fax: 0 316 / 77 13 83
pavel@mur.at, www.pavelhaus.at

Pavel Haus
Laafeld/Potrna 30, 8490 Bad Radkersburg, Tel.+Fax: 0 34 76 / 38 62

TSCHECHEN
Men¹inova rada èeské a slovenské vétve v Rakousku / Minderheitsrat der tschechischen und slowakischen Volksgruppe in Österreich
Obmann:Franz Buchal
Margaretenplatz 7, 1050 Wien/Vídeò
Tel.: 0222 / 587 83 08

UNGARN
Burgenlandi Magyar Kultúregyesület / Burgenländisch-Ungarischer Kulturverein
Obfrau:Julianna Tölly
Schulgasse 3, A-7400 Oberwart/Felsõ õr
Tel.: 0 33 52 / 38 489, Fax: 0 33 52 / 38 643

II. Assoziierte Mitglieder
Südtiroler Volkspartei
Obmann: Dr. Siegfried Brugger
Brennerstraße 7/A, I-39100 Bozen
Tel.:++39/0471/974 484, Fax: ++39/0471/981 473

Rakúsko-slovenský kultúrny spolok / Österreichisch-Slowakischer Kulturverein
Obmann:Vlado Mlynár
Otto-Bauergasse 23/11, A-1060 Wien/Vieden
Tel. u. Fax: 0222 / 596 13 15

Gráci Magyar Egyesület / Grazer UngarischerVerein
Obmann:Dipl. Ing. László Tullacs
Radetzkystraße 16, A-8010 Graz/Grác

5.) Abkürzungsverzeichnisoben

AB = Ausschußbericht
Abs. = Absatz
arg = argumentum
Art. = Artikel
BGBl. = Bundesgesetzblatt
BlgNR = Beilagen zur den stenografischen Protokollen des Nationalrates
B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz
bzgl. = bezüglich
bzw. = beziehungsweise
d.h. = das heißt
EGVG = Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen
EMRK = Europäische Menschenrechtskonvention
ErB = Erläuternder Bericht zum RÜK
Erk = Erkenntnis
EU = Europäische Union
FUEV = Föderalistische Union europäischer Volksgruppen
GP = Gesetzgebungsperiode
insb. = insbesondere
IPBPR = Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
iSd = im Sinne des/der
iVm = in Verbindung mit
LGBl. = Landesgesetzblatt
NÄG = Namensänderungsgesetz
ORF = Österreichischer Rundfunk
OSZE = Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
PStG = Personenstandsgesetz
RG = Reichsgericht
RGBl. = Reichsgesetzblatt
RÜK = Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates
RV = Regierungsvorlage
Slg = Sammlung
sog. = sogenannte(n)
StGG = Staatsgrundgesetz
StV = Staatsvertrag
usw. = und so weiter
VfGH = Verfassungsgerichtshof
VfSlg = Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes
vgl. = vergleiche
VwGH = Verwaltungsgerichtshof
WVK = Wiener Vertragsrechtskonvention
Z. = Ziffer
z.B. = zum Beispiel


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