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Gefährdete Vielfalt - Kleine Sprachen ohne Zukunft

Über die Lage der Sprachminderheiten in der EU. Ein Überblick der GfbV-Südtirol

Bozen, 8. November 2000

Inhalt
Euromosaic: Bedrohte Sprachminderheiten | Mitgliedsstaaten contra Minderheiten | Die EU - kein Modell für Minderheitenschutz | Klima der Toleranz und des Dialogs

Die EU-Länder und ihre Minderheiten. Ein Überblick
Portugal | Spanien | Frankreich | Großbritannien | Finnland (Sami) | Schweden (Sami) | Belgien | Friesen | Dänemark | Deutschland | Österreich | Italien | Griechenland
Hoffen auf das "neue Europa" | Karta & Konvention

In der Architektur der EU gibt es keinen garantierten Platz für sprachliche und nationale Minderheiten: So sind die sprachlichen und nationalen Minderheiten im Unionsvertrag von Maastricht und Amsterdam unberücksichtigt geblieben sind. Trotz der Artikel 126 und 128 des Maastrichter Unionsvertrages, die vom Respekt vor der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in der Union sprechen. Zwei Artikel, die bisher ohne Folgen blieben, auch deshalb, weil die Vielfalt nicht definiert ist.

Auch in dem der EU-Kommission vorliegenden Entwurf zur Grundrechtecharta sucht man vergeblich ein minimales Recht für die Angehörigen von sprachlichen und nationalen Minderheiten, noch ist ihr Schutz und ihre Förderung als ein Handlungsziel definiert, noch den EU-Institutionen der Auftrag erteilt, die faktische Benachteiligung der Minderheiten zu korrigieren. Zwar wird auch in der GRC Artikel 22 festgehalten, dass die Union die Religion, Kulturen und Sprachen achtet. Offen bleibt, welche Sprachen wie geachtet werden? Auch jene der minderheitlichen Sprachgruppen oder nur jene der Nationalstaaten?

Vergeblich warten die Angehörigen dieser Minderheiten darauf, dass auch sie endlich mitbeteiligt werden am Aufbau der gemeinsamen Europäischen Union. Dies bedeutet, dass die europäische Einigung den Angehörigen sprachlicher und nationaler Minderheiten zu einer Anerkennung ihrer Sprachen und Kulturen verhilft. Es braucht deshalb endlich eine dementsprechende EU-Anerkennung der nicht amtlichen sprachlichen Vielfalt in der Form einer "affermative action", festgeschrieben in der GRC und im neuen Unionsvertrag.

Bestandteil der Grund- und Menschenrechte müssen auch die Minderheitenrechte sein nach dem Prinzip der Koexistenz und nicht der Assimilierung. Der neue Unionsvertrag sollte dahingehende ergänzt werden. Das Europaparlament hat immer wieder dazu aufgefordert, die sprachliche Vielfalt in der EU als Reichtum anzuerkennen und Maßnahmen zu treffen, um diese Vielfalt zu erhalten.

obenEuromosaic: Bedrohte Sprachminderheiten
Die noch - wenn auch erodierte - vorhandene Vielfalt der Sprachen und Kulturen in der EU ist gefährdet. Laut der Studie "euromosaic", die 1996 von der EU-Kommission veröffentlicht wurde, haben von den 48 Minderheitensprachen im EU-Raum 23 nur noch eine "begrenzte" oder "keine" Überlebensfähigkeit. Zwölf weitere Minderheitensprachen werden als "bedroht" eingestuft a). Leider hat die EU kaum Konsequenzen aus dieser Studie gezogen.

Von ihrem Gesamtbudget von 90 Billionen Euro stellt sie den Organisationen der sprachlichen Minderheiten nur 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist viel zu wenig, um effizient arbeiten zu können. Besonders wenig Förderung erfahren die Sprachen, die in ihren Ländern nicht als Amtssprachen anerkannt sind. Genausowenig gesetzlich geregelt ist das Büro für weniger gebräuchliche Sprachen im System der EU-Institutionenen.

Vierzig Millionen Bürger der EU sprechen keine anerkannte Amtssprache, sie sind bisher als konstituierendes Element der EU nicht berücksichtigt worden. Die Angehörigen der kleinen europäischen Nationalitäten und Minderheiten ohne Staat, die keine der Amtssprachen der EU als ihre Muttersprache sprechen, werden ausgegrenzt. Ihre Hoffnungen auf Anerkennung ihrer Sprachen und Kulturen sind bis heute von der Regierungen der EU nicht erfüllt worden (siehe gemeinsame Erklärung von Minority Rights Group, der Fuev und der GfbV-international).

obenMitgliedsstaaten contra Minderheiten
Einige EU-Staaten betreiben eine ausgesprochen minderheitenfeindliche Politik. Griechenland z.B. leugnet die Existenz ethnischer Minderheiten wie der Slawo-Mazedonier, Aromunen und Albaner. Die griechischen Behörden diskriminieren die muslimischen Minderheiten der türkisch-bzw. bulgarisch-sprachigen Pomaken in Westthrakien. Bisher haben alle griechischen Regierungen die europäischen Initiativen zum Minderheitenschutz abgelehnt. Als einziger EU-Mitgliedsstaat hat es Griechenland dem "Europäischen Büro für Minderheitensprachen" nicht erlaubt, eine Sektion in Griechenland zu gründen.

Frankreich verweigert den mindestens 4,5 Millionen Angehörigen der baskischen, bretonischen elsässerdeutschen, katalanischen, korsischen, niederländischen und provenzalischen Minderheiten elementare sprachlich-kulturelle Rechte. Der Gebrauch der Minderheitensprachen verstößt gegen Artikel 2 der französischen Verfassung, der Französisch als alleinige Amtssprache vorsieht. Der Verfassungsrat hat abermals entschieden, dass die von der Regierung unterzeichnete Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates der französischen Verfassung widerspricht. Staatspräsident Jacques Chirac hat zwar die Charta begrüßt, eine Verfassungsänderung zugunsten der Charta kategorisch abgelehnt.

In Italien genießen nur die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler (letztere in wesentlich abgeschwächter Form), die Slowenen (in Triest) und die Franco-Aostaner Minderheitenschutz. Die meisten Minderheiten jedoch - die Albaner und Griechen in Süditalien, die Kroaten in Molise, die Provenzalen, die Friauler und Sarden, die Zimbern und Deutsch- und Slowenischsprachigen in Friaul und Karnien und die Ladiner in der Provinz Belluno - warten seit über 50 Jahren auf die Verwirklichung eines Minderheitenschutzes, wie es laut Artikel 6 der Verfassung vorgesehen ist. Zwar hat das Parlament vor einem Jahr das entsprechende Gesetz gutgeheißen. Es fehlen aber dazu immer noch die Durchführungsbestimmungen. Die Diskriminierung der Sprachen der Minderheiten hat laut "euromosaic" dazu geführt, dass sechs der insgesamt 13 Sprachminderheiten Italiens kaum Überlebenschancen haben.

In Österreich wurde Artikel VII des Staatsvertrages, der zu Schutz und Förderung der Minderheiten verpflichtet, bis heute nicht vollständig umgesetzt. Die Klagen reichen über fehlende zweisprachige Kindergärten, Schulen, Ortsnamen bis zu fehlenden Amtssprachen. In Kärnten hat Landeshauptmann Jörg Haider die Besetzung von Direktorenämtern an zweisprachigen Schulen gestoppt. Er spricht sich gegen die gesetzliche Praxis aus, zweisprachige Experten zu bevorzugen. Die Organisationen der slowenischen Sprachgruppen bezeichnen den Vorstoß von Landeshauptmann Haider als massiven Angriff auf die zweisprachige Schule. Die österreichische Regierung (ÖVP und FPÖ) hat auch unter Druck der EU eine Wende in der Minderheitenpolitik ihrer Vorgänger (SPÖ in Koalition mit ÖVP) angekündigt. Das Österreichische Volksgruppenzentrum spricht aber von eklatantem Widerspruch zwischen gesetzlichem Auftrag und täglicher Politik.

In Deutschland wird das traditionelle Siedlungsgebiet der slawischen Sorben durch den Braunkohletagebau weiter zerstört, werden kulturelle Institutionen der Sprachminderheiten durch Kürzungen ihrer finanziellen Mittel gefährdet.

obenDie EU - kein Modell für Minderheitenschutz
Damit verstoßen mehrere EU-Länder gegen Inhalt und Geist des Maastrichter und Amsterdamer Vertrages. In beiden Verträgen sowie in mehreren Beschlüssen des Europäischen Parlaments werden die kulturelle und sprachliche Vielfalt betont, der Respekt nationaler und regionaler Unterschiede eingefordert und die EU verpflichtet, die verschiedenen Kulturen zu fördern. Die Ausgrenzung der Sprachen der Minderheiten aus Ämtern, Schulen und Medien verstößt zudem gegen mehrere UNO-Empfehlungen (Diskriminierung, Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Deklaration über die Rechte von Angehörigen nationaler, sprachlicher und religiöser Minderheiten).

obenKlima der Toleranz und des Dialogs
Der Europarat hat in seiner "Wiener Erklärung" 1993 dazu aufgerufen, ein "Klima der Toleranz und des Dialogs" zu schaffen, damit sich alle Bürger Europas - also auch die Angehörigen von Minderheiten - am politischen Leben beteiligen können. Als Folge der "Wiener Erklärung" verabschiedete der Europarat die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Die Charta und auch die Rahmenkonvention sind inzwischen rechtskräftig. Tatsache bleibt, dass diese Dokumente von den ratifizierenden Ländern nicht in staatliches Gesetz umgewandelt wurden. Diese Staaten haben es bisher unterlassen, das vom Europarat geforderte Klima der Toleranz zu schaffen.

Die Erhaltung der Minderheitensprachen Europas ist eine Frage politischer Weitsicht und Phantasie: Weitsicht, weil Respektlosigkeit vor der Sprache anderer, wie das jüngste Beispiel des Kosovo zeigt, oft nur der Anfang von gefährlicheren Formen der Unterdrückung ist. Phantasie, weil durch großzügige und pragmatische Lösungen, mit denen z.B. in Spanien, Großbritannien, Belgien und in Südtirol (Italien) erfolgreich experimentiert wurde und wird. Durch Formen lokaler und regionaler Selbstverwaltung, Zweisprachigkeit in Ämtern, zweisprachigem Schulunterricht sowie Radio- und Fernsehprogrammen in den Minderheitensprachen kann mit wenig Aufwand viel Positives erreicht werden.

Die von der EU-Studie "euromosaic" ermittelte dramatische Lage der Sprachminderheiten muß verwundern. In einigen EU-Mitgliedsländern gelten immerhin Minderheitenschutzgesetze, zehn der 15 EU-Staaten haben die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates und sechs EU-Staaten haben die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates ratifiziert. Staatliche Gesetze zugunsten von Minderheiten scheinen nicht zu greifen, was einiges über die Qualität dieser Gesetze aussagt oder deutlich macht, dass der verfassungsmäßig-gesetzliche Auftrag von der Politik nicht besonders ernst genommen wird; der Beitritt zum Minderheitenschutzsystem kommt spät, zu spät, um noch zu greifen.

obenDie EU-Länder und ihre Minderheiten. Ein Überblick

obenPortugal - ohne Minderheiten?
In Portugal leben 105.000 Roma, 40.000 Mirandes-Sprecher (asturisch) und 2.000 Barranquenho-Sprecher (andalusisch). Mirandes wird seit einigen Jahren an den Sekundar-Schulen als Freifach angeboten. Die drei erwähnten Sprachgruppen sind nicht anerkannt. Es gibt keinen Schutz und keine entsprechende Gesetze.

Analyse "euromosaic": "Mirandisch" wird als "begrenzt" bzw. als "nicht überlebensfähig" eingestuft.

obenMultinationales Spanien - Die Nationalitäten als konstitutives Element
Trotz aller Kritik und Mängel hat Spanien mit seiner Verfassung (1978) und der Schaffung von 17 autonomen Regionen (die Autonomiestatute und die damit zusammenhängenden Sprachengesetze haben die Sprachen der historischen Nationalitäten der Katalanen (3,7 Mio. in der autonomen Region, 2 Mio. in Valencia und eine halbe Million auf den Balearen), der Basken (500.000 Muttersprachler von 2,5 Mio) und der Galicier (1,5 Mio) zu gleichberechtigten Amtssprachen erhoben) EU-weit Vorbildcharakter.

Die Franco-Anhänger im Staatsapparat, in Militär und Polizei, konnten die Bildung von autonomen Regionen nicht verhindern. Erfolgreicher waren sie aber darin, die Entstehung von Bundesländern als eigenständige Elemente des Staates zu verhindern. Trotzdem haben sich besonders die autonomen Regionen der "historischen Nationalitäten" der Katalanen und Basken weiter in Richtung Selbstverwaltung entwickelt.

Katalanische und baskische Kritiker der Regionalpolitik bemängeln, dass Spanisch die in der Verfassung verankerte Sprache aller Bürger ist. Die Sprachen der autonomen Gebiete sind jeweils als "eigene Sprachen" definiert und werden als Zweitsprachen behandelt. Es hat zwar jeder das Recht, sie innerhalb des Territoriums mit autonomen Status zu benutzen, nicht aber die Pflicht.

Der autonomen Region Katalonien und der autonomen baskischen Gemeinschaft ist es trotzdem gelungen, mit der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz und der autonomen Schulverwaltung das Sprachensterben einzubremsen und einen Umkehrungsprozeß einzuleiten. Das gilt inzwischen auch, zwar weniger vehement, für die katalanischen Sprachgebiete in den autonomen Regionen Valencia und den Balearen. Auch in Galicien bestehen laut EU-Studie "euromosaic" gute Chancen, das Galego zu festigen.

Uneingeschränkt diskriminiert werden hingegen die Gitanos, die eine Million Angehörige zählen. Sozial, wirtschaftlich und bildungsmäßig teilen die Gitanos das Schicksal der Sinti und Roma, die europaweit ausgegrenzt werden. Die ethnische Minderheit der Gitanos mit einer eigenständigen Kultur hat erfolglos verlangt, sie als "18. Gemeinschaft" innerhalb des spanischen Systems der 17 Regionen anzuerkennen.

Analyse "euromosaic": Portugiesisch gilt als "begrenzt" bzw "als "nicht überlebensfähig"; Baskisch (Provinz Navarra) und Katalanisch (Aragon) als "bedroht"; Baskisch (autonomes Baskenland), Galizisch (Galicien), Katalanisch (Region Valencia und Region Balearen) und Okzitanisch (Katalonien) als "relativ überlebensfähig" und Katalanisch in Katalonien als "vollkommen vital".

obenFrankreich - verbotene Mehrsprachigkeit
Keine der alteingesessenen nicht-französischen Sprachgruppen (mindestens 4,5 Millionen Okzitanen, Elsässer, Bretonen, Korsen, Basken, Flamen und Katalen) ist gesetzlich anerkannt. Laut Artikel 2 der Verfassung von 1958 gibt es keine Minderheiten. Seit 1887 hat die französische Gesetzgebung immer wieder Französisch als alleinige Unterrichts- und Amtssprache festgelegt.

Erst das "Deixonne"-Gesetz von 1951 erlaubt den Regionalsprachen - die Sprachen der Minderheiten - eine Wochenstunde Unterricht, wobei diese Sprachen nicht als Prüfungsfach anerkannt werden. Dieses Gesetz ist bis heute das weitreichendste Zugeständnis an Respektierung des Regionalsprachenunterrichts an öffentlichen Schulen. Allerdings boykottierten die Behörden 16 Jahre lag die Anwendung. Das "Loi Deixonne" ist bis heute nicht - in all seiner dürren Dürftigkeit - vollständig umgesetzt.

1992 hat die Regierung mit der Einführung eines neuen Artikels in der Verfassung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens die Vorrangstellung des Franzöischen festgeschrieben und Französisch als alleinige Amtssprache erklärt. Aus diesem Grund hat der Staatsrat abermals die von der Jospin-Regierung unterzeichnete Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates als Verfassungswidrig bezeichnet.

Auch alle übrigen internationalen Erklärungen (Uno, Unesco, KSZE/OSZE, Europarat und Europaparlament) sind ohne Wirkung geblieben. Minderheitenorganisationen werfen deshalb Frankreich unverblümten Ethnozid vor. Bestätigt wird dies auch durch die 1996 veröffentliche EU-Studie "euromosaic": Sie räumte fünf von sieben in Frankreich gesprochenen Minderheitensprachen keine oder nur noch begrenzte Überlebenschancen ein.

Der jüdische Intellektuelle Bernard-Henri Levy kritisiert deshalb die "ideologie francaise", verantwortlich für die sprachliche Mono-Kultur und für den französischen Sprachtotalitarismus, "als Vichy-artig und rassistisch". Einzig Korsika hat jetzt reelle Chancen, zu einem weitergesteckten Sprachautonomismus zu kommen. Das Fatale hier: die französische Regierung reagiert damit positiv auf den korsischen Terror. Die Botschaft der Regierung: Bombenwerfen wird belohnt.

Analyse "euromosaic": Baskisch, Bretonisch, Korsisch, Niederländisch und Okzitanisch werden als "nicht überlebensfähig" eingestuft, Deutsch als "relativ überlebensfähig".

Deshalb fordert das Frankreich-Komitee für die wenig gebräuchlichen Sprachen die
- Abschaffung des Artikels 2 der Verfassung,
- Ratifizierung sämtlicher Maßnahmen der Sprachencharta ohne Einschränkungen,
- Unterricht in den Regionalsprachen an allen Schulen, Ausbildung, Wettbewerb und Stellenbesetzung für Lehrer zweisprachiger Schulen und die
- Umwandlung des Zentralstaates in einen Regionalstaat und die Schaffung von Wahlbezirken, in denen auch die Minderheitenparteien eine Chance haben,

das Bündnis der Minderheitenparteien "Region & peuples solidaires" verlangt:
- die Schaffung der Region Savoie/Savoyen, Baskenland und Katalonien,
- eine bretonische Verwaltungseinheit,
- eine Reform der südfranzösischen Regionen mit besonderer Berücksichtigung der okzitanischen Sprache,
- die Wiedererrichtung der Region Flanders und Artois
- regionale Kompetenzen für die wirtschaftliche Entwicklung und Förderung.

Wieviele französische Staatsbüger sprechen Minderheitensprachen?
Okzitanisch zwischen drei und 5,7 Millionen,
deutsch zwischen 1,3 und 1,4 Millionen,
bretonisch zwischen 350 und 400.000,
katalanisch zwischen 100 und 200.000,
korsisch bis zu 143.000,
flämisch zwischen 80 und 100.000 und
baskisch an die 80.000
(Quelle: die Voksgruppen in Europa, ein Handbuch von Christoph Pan und Beate Sibylle Pfeil)

obenChancen für das Gälische - Sprachenfrühling in Großbritannien
Die Lage der gälischen Sprachreste in Großbritannien (Wales, Schottland und Nordirland) ist sehr unterschiedlich. Schon 1965 hat der "Hugues-Parry"-Report die Anerkennung der walisischen Sprache in Wales gefordert. 1967 folgte der Welsh Language Act, der den Gebrauch der walisischen Sprache regelt. Die walisische Sprachbewegung und auch die Nationalisten haben sich auf den Ausbau des zweisprachigen Unterrichts konzentriert.

Ein erfolgreicher Kampf. Der Sprachverfall konnte gestoppt werden - seit 1971 liegt der Prozentsatz der zweisprachigen Waliser (500.000 von 1,1 Millionen) konstant bei 20 Prozent. Bei Jugendlichen unter 16 Jahren nahm aufgrund der zweisprachigen Schulen im Westen und im Nord der Prozentsatz zu und liegt heute bei 25 Prozent. Auch im englischsprachigen Industriegürtel im Süden bieten mehr als 70 Schulen zweisprachigen Unterricht an.
Unterstützt wird diese Entwicklung durch das walisische Sprachgesetz von 1993. Die walisische Sprachbewegung kritisiert trotz der positiven Entwicklung dieses Gesetz: So wurde der Status des Walisischen als gleichberechtigte Amtssprache in Lokalverwaltungen weitgehend auf die mehrheitlich zweisprachigen Regionen begrenzt. Wesentliche Bereiche wie Staatsverwaltung, öffentliche Körperschaften, Justiz und Teile des Bildungswesens sind ausgespart worden. Insgesamt steht laut Kritik zudem zu wenig Geld für die Förderung des Walisischen zur Verfügung.
Neue Impulse erwarten sich die walisischen Sprach- und Kulturorganisationen von der Dezentralisierungs-Politik der Blair-Regierung. Mit dem eigenen Landesparlament und der Übertragung bisher zentralstaatlich verwalteter Kompetenzen können neue sprachpolitische Schwerpunkte gesetzt werden.

Ähnliches gilt für Schottland und die dortige, stark geschrumpfte, gälische Sprachgruppe. Diese lebt in abgelegenen Enklaven des Hochlandes, besonders in den westlichen Küstenregionen Sutherland, Ross & Cormarty, Inverness und Argyllshire sowie auf den Hebriden. Laut der Volkszählung aus dem Jahr 1981 sprechen 80.000 Schotten (knapp 2 Prozent der Bevölkerung) die gälische Sprache.
Die Reste konnten sich halten, weil ein Gesetz 1958 an Primarschulen den Gälischunterricht zuließ. 1980 wurde mit einem neuen Gesetz der gälische Sprachunterricht abermals bekräftigt. An 2.000 Grundschulen und an 40 Sekundarschulen wird Gälisch unterrichtet.
Die örtlichen Behörden erschweren jedoch immer wieder die Arbeit dieser Schulen. So hat die Verwaltung des Highland Councils verfügt, gälische Wanderlehrer zu entlassen. Davon betroffen sind Schulen, an denen Gälisch als Zweitsprache gelehrt wird. Gälisch ist bisher nicht als Amtssprache vorgesehen.
Eine Anerkennung fordern inzwischen auch die 1,5 Millionen Schotten, die Lallans, eine gälisch-englische Mischsprache, sprechen. Ein Regierungsbericht bestätigt die große Bedeutung des Lallans für Schottland.

Als chancenlos gilt Kornisch: Nur mehr 200 Personen sprechen diese Sprache, für deren Gebrauch es keine gesetzliche Regelung gibt. Mehrere tausend Personen geben aber immer noch an, Kornisch zu verstehen.

Eine harte Sprachassimilierung hat England in Irland betrieben. Von den drei Millionen Iren sprechen deshalb nur mehr an die 800.000 die gälisch-irische Sprache (28 Prozent). Die antigälische Sprachpolitik setzte London 1920 in Nord-Irland, der der britischen Provinz Ulster, fort.
Gälisch war in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. In ihrem Einsatz gegen den IRA-Terror gingen Militäreinheiten auch gegen gälisch-englische Straßenbezeichnungen vor. Trotzdem sprechen in Nord-Irland mehr als 140.000 Menschen (9 Prozent der Bevölkerung) ihre irisch-gälische Muttersprache.
Der 1969 wieder aufgebrochene Konflikt führte auch dazu, dass die irischen Nationalisten größeres Gewicht auf ihre irisch-nationale Identität legten, besonders auf die Sprache. Es entstanden Sprachschulen für Erwachsene, Eltern gründeten irischsprache Mittelschulen und Kindergärten. Irisch wurde wieder hörbar.
Im Good-Friday-Agreement von 1998, das Friedensabkommen zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen, der britischen und der irischen Regierung und gedacht auch als Zukunftsprogramm, wird auch die Sprachproblematik angerissen. So heißt es:
"Alle Beteiligten anerkennen den hohen Stellenwert des Respekts, des Verständnisses und der Toleranz gegenüber der Sprachenvielfalt des Irisch, des Ulster-Schottischen und der Sprachen der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften in Nord-Irland, die alle gemeinsam Teil des kulturellen Reichtums der irischen Insel sind".
Laut Abkommen haben die britische und die irische Regierung bereits ein gemeinsames Nord-Süd-Gremium zum Thema Sprache besetzt und zwar den North-South language body. Das Irischen wird von der Foras na Gaeilge und das Ulster-Schottische vom Board O Leid im Gremium vertreten, die inzwischen eng zusammenarbeiten.
Im Friedensprozeß, so schreibt der ehemalige Generalsekretär des European Bureau for lesser used languages, Donall o Riagain in pogrom, fällt der Sprachenpolitik eine Schlüsselrolle zu - Sprache ist der Zugang zur Identität. Und wenn friedliche Koexistenz unter Menschen mit unterschiedlichen Identitäten gelingen soll, dann ist der Friede gesichert (D. o. Riagain).

Analyse "euomosaic": Irisch in Nordirland und Kornisch in Cornwall sind nur mehr "begrenzt" bzw "nicht überlebensfähig"; das schottische Gälisch wird als "bedroht" eingestuft, Walisisch hingegen als "relativ überlebensfähig".

obenFinnland - Die Sami in Bedrängnis
Mit dem EU-Beitritt Schwedens und Finnlands ist das Sami-Land, "Sapmi", auseinandergerissen worden. Norwegen mit seiner Sami-Minderheit hat einen EU-Beitritt knapp (die Sami mit 80 Prozent) abgelehnt. Während Norwegen 1987 die Sami ins Grundgesetzbuch aufnahm und der Staat sich damit verpflichtete, die samische Sprache, Kultur und Gesellschaft zu schützen, 1989 der Sami-Rat Samediggi seine Arbeit aufnahm und 1992 mit einem Sprachgesetz die Sami-Sprache zur Amtssprache erhob, verschlechterte sich in Finnland und Schweden die Lage der Sami-Minderheit.

Zwar hatte Finnland schon 1972 ein "Sami Parlamenta" installiert, das die vier nordfinnischen Sami-Gemeinden gegenüber dem Staat vertritt und mit zwei Paragraphen im Grundgesetz (1995) die Sami als indigenes Volk anerkannt.
Seit dem finnischen EU-Betritt hat sich die Lage der Sami (6.400) verschlechtert. Die Gesetze zum Schutz der Sami werden von der finnischen Mehrheitsbevölkerung im Sami-Land als Privilegien und damit als rassistisch diffamiert und bekämpft.
So wenden sich finnische Staatsbürger gegen das Sami Parlamenta (das nur Samen wählen dürfen); den halboffiziellen Status des Sami und das Sami-Protokoll im EU-Beitrittsvertrag, das die Rentierhaltung, Fischfang, Jagd und das Sammeln von natürlichen Produkten auf ihren angestammten Gebieten garantiert.
Der schwedischen Minderheit (300.000 Angehörige, sechs Prozent der Bevölkerung) garantiert die Verfassung Gleichberechtigung. Schwedisch ist Amtssprache der Minderheit auf dem Festland und auf den autonomen Aland-Inseln. Finnland muß die Sonderrechte für die schwedischen Aland-Inseln einhalten und garantieren.
Die Aland-Autonomie hat europaweit Modellcharakter. In den vergangenen Jahren hat sich die Isolation der Alander verstärkt, die abgenommenen Sprachkompetenzen auf dem Festland und auf der Insel erschweren die Beziehungen zwischen den Behörden.
Die Lage der Schweden auf dem Festland hingegen ist schwieriger geworden. Der Assimilierungs-Druck hat sich erhöht, viele Angehörige der schwedischen Minderheit sind nach Schweden abgewandert. Schwedisch ist nur mehr in geschlossenen Siedlungsgebieten der Minderheit im öffentlichen Dienst zu hören.
Trotz der Unterstützung hat die Minderheit der "Zigeuner" (7.000) inzwischen ihre Muttersprache mit dem Finnischen eingetauscht.

obenDie Sami - die Indianer Schwedens
Schweden macht sich international immer wieder zum Fürsprecher von Minderheitenrechten. Zuhause gewährt die schwedische Regierung der eigenen Urbevölkerung (25.000) wenig Schutz und Unterstützung. Der Staat hat sich bisher geweigert, das traditionelle Weiderecht in den Wäldern abzusichern. Forstunternehmen und auch der Staat mit seinen Infrastruktur-Projekten wie Straßenbau, Regulierung der Flußläufe usw gefährden die Rentierhaltung und stellen das Gewohnheitsrecht Weiderechte in Frage.
Auch deshalb hat der Staat es vermieden, die von Schweden vorangebrachte ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker selbst zu ratifizieren. Laut dem Heurgren-Bericht erfüllt Schweden nicht die ILO-Kriterien, weil der Staat in einer Koalition mit Wald- und Landbesitzern, Jägerverbänden und Gemeinden die Rechte der Sami einschränkt. Das schwedische Parlament hat vor sieben Jahren den Sami vorbehaltene Weide- und Fischfanggebiete der allgemeinen Nutzung geöffnet.
Der 1992 nach finnischem Vorbild eingerichtete Sameting ist um vieles schwächer als das Vorbild: Es gibt keine Wahlbezirke, über die Mitglieder des Sameting gewählt werden, der Ratspräsident wird vom zuständigem Ministerium ernannt; das auch die Tagungsordnung vorgibt, der Rat ist nur ein beratendes Gremium.
Ende der 60er, zu Beginn der 79er Jahre hat das schwedische Parlament den Sami-Unterricht erlaubt.

Während die finnische Minderheit (225.000) mit Parlamentsbeschluss von 1994 in Zentralschweden anerkannt und deshalb auch über eigene Schulen verfügt, gelten die Bewohner von Tonedalen (Norrbotten) - obwohl auch finnischer Sprache - nicht als Sprachgruppe. Hier setzt der schwedische Staat jene Assimilierungspolitik fort, die bis 1950 galt: Finnisch war an den Schulen verboten. In diesem Geist verhindern Politiker und Behörden die Anerkennung des Finnischen in Tonedalen und erschweren in Zentral-Schweden den Ausbau der finnischen Schulen.

obenBelgien - ein Modell mit weißen Flecken
Die belgische Verfassung anerkennt drei gleichberechtigte Sprachgemeinschaften, die über ihre Kulturräte Sprachpolitik betreiben. Streitpunkt zwischen dem französischsprachigen und dem flämischen Sprachgebiet ist die mehrsprachige, aber französisch dominierte Hauptstadt Brüssel. Brüssel liegt im flämischen Sprachgebiet. Seine Ausdehnung bringt Gemeinden in Hauptstadtnähe in den französischen Sprachbereich.

Trotz der Anerkennung als eigenständige Sprachgruppe erhielten die Deutsch-Belgier (66.000 und weitere 22.000 moselfänkische Letzeburger) erst 1970 ihren Kulturrat. In Neu-Belgien (bestehend aus den Kantonen Eupen, Malmedy und St. Vieth) gilt seit 1921 die deutsche Unterrichtssprache, während in Alt-Belgien Nord (Bleiberg-Welkenraat-Balen) und Alt-Belgien-Süd (gelegen im Kanton Arlon/Arel in der Nähe zu Luxemburg) die deutsche Sprache gegenüber der vorherrschenden französischen Amtssprache eine untergeordnete Rolle spielt.

Analyse "euromosaic": In Montzen ist Deutsch "begrenzt" bzw. "nicht überlebensfähig", während Deutsch in Eupen/St. Vieth als "vollkommen vital" bewertet wird.

obenGeduldete Friesen - die Niederlande und seine Minderheit
In den Niederlanden leben 400.000 Friesen in der Provinz Friesland. Die durchwegs zweisprachigen Friesen sind als Minderheit anerkennt - durch einen sogenannten Kabinettsstandpunkt aus dem Jahr 1966 und den "Va Omen"-Kommissionsreport aus dem Jahr 1970.
In den Grundschulen (seit 1980) ist Friesisch Unterrichtssprache, in den höheren Schulen nur mehr Unterrichtsfach. Friesisch wird gelehrt an den vier Lehrerbildungsanstalten und an den Universitäten von Amsterdam, Groningen, Utrecht und Leiden. Orts- und Verkehrsschilder können zweisprachig sein.

In den Niederlanden leben außerdem knapp 60.000 Süd-Molukker, Nachfahren der südmolukkischen Soldaten der niederländischen Kolonialarmee. Die Molukker-comunity hat dem Exil-Land vorgeworfen, eine Politik der Assimilierung zu betreiben. Die Süd-Molukker lehnen die Integration ab. In den 70er Jahren protestierten südmolukkische Jugendliche mit militanten Aktionen gegen die Politik der niederländischen Regierung - lange prägte Arbeitslosigkeit die Gemeinden der Süd-Molukker. Ein großer Teil drängt seit dem Sturz des Suharto-Regimes auf eine Rückkehr in die Heimat.

Analyse "euromosaic": Friesisch gilt als "bedroht".

obenDänemark - Der Ruf besser als die Wirklichkeit
Die schätzungsweise 20.000 Angehörigen der deutschen Minderheit in Dänemark werden durch das Bonner/Kopenhagener Abkommen von 1955 geschützt. An den öffentlichen Schulen wird die deutsche Sprache als Fremdsprachen-Fach angeboten, die deutschen Privatschulen mit Muttersprachenunterricht werden vom Staat subventioniert. Deutsch ist nicht Amtssprache und wird auch nicht im öffentlichen Mediensektor verwendet.

Die einstige Kolonie Grönland ist seit 1979 autonom. Die Mitte-Links-Regierung von Kalaalit Nunaat (Grönland) hat weitreichende Befungnisse. Besonders im sprachlich-kulturellen Bereich setzt die sozialistische Regierung auf die vollständige Gleichberechtigung der einheimischen Sprache, es gilt die absolute Zweisprachigkeit. Die Autonomie der mehr als 55.000 Grönländer ist trotz mancher Mängel (Autonomisten kritisieren die verfassungsmäßige Verankerung der grönländisch-dänischen Einheit) vorbildhaft.

Trotzdem drängt ein Teil der neuen grönländischen Elite auf die Loslösung von Dänemark. Auch die regierende sozialdemokratische Partei Siumut bedient sich inzwischen unverblümt einer Unabhängigkeitsrethorik. Die Regierung der halbautonomen Inselgruppe der Färörer im Nordatlantik will hingegen die 45.000 Bürger im April 2001 über einen Souveränitätsplan abstimmen lassen. Die Färörer sind seit 1948 ein autonomer Teil Dänemarks - das Ergebnis eines knappen pro-autonomistischen Referendums. Das "Lagting", das Parlament der 18 Inseln, hat weitereichende Selbstverwaltungskompetenzen, das Färingische ist Amts-, Justiz- und Erziehungssprache. Streitpunkt zwischen der dänischen Regierung und färingischen Autonomieregierung in Torshavn sind die Zahlungen Dänemarks von jährlich 104 Millionen Euro an die Inseln. Die dänische Regierung drängt darauf, nur mehr vier Jahre die Ausgleichs- und Unterstützungszahlungen zu leisten. Die republikanische Autonomiepartei "Tjodveldisflokkurin" fordert eine 15-jährige Zahlungsgarantie.

Analyse "euromosaic": Deutsch ist "bedroht".

obenDeutschland - die verpasste Chance
Eine Allianz aus CDU-Rechten und akademischen Linken hatte 1994 erfolgreich verhindert, dass Gsamt-Deutschland den Minderheitenschutz in der Verfassung verankert. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet den Minderheitenschutz, so der damalige Innenminister Manfred Kanther. Linke orteten im Minderheitenschutz völkisches Denken, ein Hindernis, auf dem Weg in die multikulturelle Gesellschaft.

Die Minderheiten in Deutschland, die 10.000 Friesen, die 50.000 Dänen, die 50.000 Sorben und die 70.000 Sinti und Roma sind die Überreste des alten multinationalen Deutschlands - zerstört von den Nazis.

Es gab im demokratischen Deutschland auch Fortschritte - Schleswig-Holstein änderte die Landesverfassung zugunsten der Dänen und Friesen (wenn auch nur zaghaft); Sachsen und Brandenburg garantieren in ihren Verfassungen den Sorben bestimmte Rechte. Ansätze, die mehr erlauben und notwendig machen. Der Minderheitenschutz im Grundgesetz wäre die konsequente Fortsetzung dieser in Ansätzen positiven Entwicklung gewesen.

Es ist makaber genug, dass ausgerechnet ein deutsches Parlament den Minderheitenschutz scheitern ließ, in einem Land, in dem zwei seiner Minderheiten, die jüdische und die der Sinti und Roma, nahezu kollektiv vernichtet wurde.

Die dänische Minderheit (von den 50.000 sollen nur mehr 8.000 die dänische Sprache im Alltag verwenden) wird durch die bilaterale dänisch-deutsche Erklärung von 1955 geschützt. Dänisch gilt als Amts- und Unterrichtssprache (Verwaltung, Gericht, Schule).

Seit 1921 fordern die Friesen die Anerkennung als Minderheit, seit 1925 wurde Friesisch als Freifach an den Schulen möglich, seit 1990 sind die Friesen in der Landesverfassung von Schleswig-Holstein erwähnt, deren Schutz gilt als Staatsziel.

Die Sorben in Ost-Deutschland haben auf einen Verfassungsartikel gehofft. Die festgeschriebenen Rechte in den Ländern Sachsen und Brandenburg konnten bisher nicht verhindern, dass auch sorbische Schulen dem Rotstift zum Opfer fallen, die Strombranche den sorbischen Dörflern den Grund und Boden wegbaggert, der 1991 ins Leben gerufene Stiftung für das sorbische Volk jährlich die notwendigen Finanzen weggestrichen werden. Die Entwicklung hat inzwischen dazu geführt, dass das Sorbische ein linguistisches Randdasein führt.

Die deutschen Sinti und Roma, deren Bürgerbewegung gemeinsam mit der GfbV 1979 die Anerkennung des Genozids erzielte, sind von der Ablehnung des Minderheitenschutzes in der Verfassung besonders getroffen. Sie werden in keiner Landesverfassung erwähnt, Diskriminierung und Vorurteile haben keineswegs nachgelassen. Die Sinti drängen auf die Anerkennung als nationale Minderheit, deren Romanes in der deutschen Sprache wurzelt.

Als Minderheit anerkannt werden wollen auch die Nachfahren der polnischen Bergleute im Ruhrgebiet, die 1870 - vielfach aus Oberschlesien - in die Bergbaugebiete Westdeutschlands strömten. Eine halbe Million soll es gewesen sein. Deutsch-polnische Organisationen gehen davon aus, dass mindestens 200.000 Bürger Nordrhein-Westfalens oberschlesischer Abstammung sind.

Analyse "euromosaic": Friesisch ist "nicht überlebensfähig"; Dänisch und Sorbisch sind "bedroht".

obenLeben lassen ist nicht genug - Österreich und seine sechs Sprachminderheiten
Die drei EU-Weisen haben in ihrem Österreich-Report festgestellt, dass die sprachlichen Minderheiten geschützt sind - in der Verfassung, mit Verfassungsurteilen und mit entsprechenden Gesetzen. Der österreichische Minderheitenschutz geht zurück auf den Artikel 19 der Verfassung von Österreich-Ungarn, auf den Staatsvertrag von Saint-Germain (acht Artikel zum Schutz der Minderheiten); auf Artikel 8 der österreichischen Verfassung, der die Rechte der Minderheiten garantiert und auf den Artikel 7 des Staatsvertrages aus dem Jahr 1955.

Trotz dieses juristischen Netzwerkes wurde das entsprechende Minderheitenschutzgesetz erst 1976 (Volksgruppengesetz) erlassen. Das inzwischen veraltete Gesetz ist zum Teil nicht umgesetzt (fehlende Amts- und Unterrichtssprache, fehlende zweisprachige Ortsnamen, mangelnde mediale Versorgung). Die Regierung hat inzwischen eine Reform angekündigt, die rasche Umsetzung ausstehender Bestimmungen.

Das Österreichische Volksgruppenzentrum (ein Dachverband regierungsunabhängiger Minderheitenorganisationen) und die Initiative Minderheiten (linke Minderheitenverbände) stellen fest, dass der gesetzliche Anspruch politisch nicht umgesetzt wird. Es war immer wieder der Verfassungsgerichtshof, der die Regierung an die gesetzlichen Vorgaben erinnern und anmahnen mußte, diese auch umzusetzen.

Trotz des Lobes der EU-Weisen muß unterstrichen werden, dass sich immer weniger Angehörige der Minderheiten zu ihrer Sprachgruppe "bekennen", was wohl auf einen starken Assimilierungsdruck schließen läßt.
Im Bundesland Steiermark haben sich die dortigen Landesregierung aber auch die Bundesregierung dagegen ausgesprochen, trotz Artikel 7 des Staatsvertrages, die slowenische Sprachgruppe anzuerkennen.

Während im Burgenland die Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ inzwischen die versprochenen zweisprachigen Ortsnamen akzeptiert hat, durch Aufstellung der Ortstafeln, wird in Kärnten von Landeshauptmann Jörg Haider das Klima wird antislowenischer. Die vielen Ankündigungen zugunsten der slowenischen Spachgruppe sind bisher noch nicht umgesetzt.


obenZwischen Modell und kalter Schulter
Italiens schlampiger Umgang mit seinen Minderheiten

In kaum einem Land der EU leben so viele alteingesessene minderheitliche Sprachgruppen. Von den 13 sprachlichen, ethnischen und nationalen Minderheiten haben nur vier eine gesetzliche Anerkennung - abgeleitete aus internationalen Verträgen. Im Gegensatz zu Frankreich erkennt Italien die Existenz der Minderheiten an. Artikel 6 der Verfassung, aus dem Jahr 1946, schreibt den Schutz der Minderheiten vor. Die antifaschistischen Gründerväter haben dem demokratischen Nachkriegs-Italien damit einen strikten Auftrag in die Verfassung geschrieben. Aber erst 1999 verabschiedete das Parlament das entsprechende Gesetz, das aber noch immer nicht umgesetzt ist.
Nur vier Minderheiten schafften es, dank des Drucks (Frankreich für Aosta, Jugoslawien für die Slowenen in Triest und Österreich für Südtirol) von außen und internationaler Abkommen (Pariser Vertrag für Südtirol, der Londoner Vertrag für die Triestiner Slowenen) zu ihrem Recht zu kommen. Zu den Minderheiten "erster Klasse" zählen 400.000 Staatsbürger. Zur zweiten Klasse gehören - trotz parlamentarischer Genehmigung des Minderheitengesetzes - die Slowenen der Provinzen Görz und Udine (autonome Region Friaul-Julisch-Venetien), die deutschen Sprachinseln in Friaul (während diese Sprachinseln in Aosta und im Trentino inzwischen anerkannt wurden), die Ladiner in der Region Veneto, die Frankoprovenzalen und die Okzitanen in der Region Piemont, die ladinischen Friulaner (es gilt inzwischen eine friulanisches Sprachengleichstellungsgesetz, das nur zögerlich umgesetzt wird), die Sinti und Roma, Kroaten, Albaner und Griechen in Süditalien (wobei die die entsprechenden Regionen Kalabrien, Molise und Basilicata Gesetze zur Anerkennung des Minderheitenerbes - vielfach folkloristischer Natur - erließen). In Sardinien gilt seit kurzem die Sprachengleichstellung, die autonome Region hat daraus bisher wenig gemacht.

Insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen warten auf die Umsetzung des Artikels 6 der Verfassung. Einige dieser Gruppen sind mittlerweile fast völlig assimiliert. Die akute Gefährdung der Minderheitensprachen macht deutlich, dass ein bloß passiver Schutz, also Nicht-Diskriminierung der Sprache zu wenig ist.

Mit dem Labor-Südtirol ist es Italien gelungen, ein international anerkanntes (die Autonomie basiert auf einem internationalen Vertrag - Pariser Vertrag von 1946 - , daraus entwickelte sich das ersten Autonomiestatut 1948, Südtirol war Verhandlungsthema bei der UNO- 1960 und 1961 -, es folgte das zweite Autonomiestatut 1969) Modell zu entwickeln. Entstanden nach Verhandlungen zwischen Österreich (als Schutzmacht und ehemaliges Mutterland), Italien und der Südtiroler Volkspartei (absolute Mehrheitspartei). Dadurch erhielt Südtirol eine weitgehende Selbstverwaltung: Deutsch ist gleichberechtigte Behörden- und Justizsprache; die Schulen sind muttersprachlich; nach einem Quotensystem werden im öffentlichen Dienst die Arbeitsplätze verteilt; der Südtiroler Landtag hat weitreichende parlamentarische Kompetenzen.

Ähnliches gilt für das francoprovenzale Aosta (1948 per Verfassungsgesetz zur autonomen Region mit gleichgestellter französischer Amtssprache). Die Schule ist zweisprachig und erfüllt - so die Kritiker - nicht den Zweck des Minderheitenschutzes. 1993 nahm Aosta in das Statut auch den Schutz der deutschsprachigen Walser auf.

Der Londoner Vertrag zwischen Italien und Jugoslawien (1946) hat nur für die Slowenen in Triest einige wenige Rechte gesichert, wie den Gebrauch der Muttersprache - der immer wieder in Frage gestellt wird. Der italienisch-jugoslawische Vertrag von Osimo (1975) bestätigte die Schutzklauseln für die Slowenen in Trienst aber auch für Görz und Udine. Das entsprechende Slowenengesetz ist ausständig, auch weil die Rechtsopposition mit mehr als 2000 Abänderungsanträgen die Behandlung verhindert. Die Regionalautonomie für Friaul-Julisch-Venetien (1963) hat weder den Slowenen, noch den ladinischsprachigen Friulanern und den deutschen Sprachinseln Schutz und Förderung gebracht.

Die sardische Regionalautonomie (1948) wurde erst 1998 mit einem Sprachengesetz zugunsten der sardischen Sprache vervollständigt. Die sardische Regionalregierung hat daraus wenig gemacht.

Mit der Schaffung der Regionen (1970) kamen weitere Ansätze eines Minderheitenschutzes hinzu. So erließen die Regionen Piemont (Frankoprovenzalen, Okzitanen und Walser), Venetien (Ladiner und Deutsche), Molise (Albaner und Kroaten), Basilicata (Albaner) und Kalabrien (Okzitanen) eigene Gesetze, um das kulturelle Erbe der Minderheiten zu bewahren und das Brauchtum zu fördern. Es ist jedoch zu wenig, vielfach nur eine Absichtserklärung, um einen echten Schutz samt Förderung zu bewirken.

Keinen Hinweis auf Minderheiten enthalten die Statute der Regionen Ligurien (Okzitanen), Abruzzen (Albaner), Kampanien (Albaner) und Apublien (Albaner, Griechen und Francoprovenzalen).

Das vor einem Jahr genehmigte Gesetz öffnet Schule, Ämter und Medien den Minderheiten. Im Dialog mit den Regionen mit Minderheiten-Bevölkerung will die Regierung die Maßnahmen erlassen. Es ist aber bereits ein folgenloses Jahr vergangen. Zuviel Zeit für Minderheiten, deren Existenz bedroht ist.

Analyse "euromosaic": Albanisch, Griechisch (Apulien und Kalabrien), Katalanisch (Sardinien), Kroatisch (Molise), Okzitanisch (Piemont) und Sardisch sind "begrenzt" bzw. "nicht überlebensfähig"; Französisch (Aosta), Friulanisch und Slowenisch (Friaul) sind "bedroht", Ladinisch gilt als "relativ überlebensfähig" und Deutsch in Südtirol als "vollkommen vital".

obenBeispiel Griechenland - Gräzisierung statt Mehrsprachigkeit
Der griechische Staat schickt immer wieder Polizisten gegen politisch aktive Slawo-Mazedonier. Bemüht werden dabei verschiedene Gesetzesverstöße, innere Sicherheit, die Einheit des Staates. Als besonders bedrohlich empfindet Griechenland die Partei Regenbogen, deren Aktivisten immer wieder verhaftet werden.

Die Existenz der ethnischen Minderheiten im Nordwesten - Slawo-Mazedonier, Aromunen (Zinzaren oder Vlachen) und die albanische Minderheiten - wird hartnäckig geleugnet. Sie sind vor Übergriffen nicht sicher. Wer sich zu seiner Identität bekennt, wird vom Geheimdienst überwacht und muß mit Strafverfolgung rechnen. Seit Jahrzehnten werden diese Minderheiten unerbittlich gräzisiert.

In Westthrakien hat Griechenland den Vertrag von Lausanne 1923 weitgehend erfüllt, in dem der Schutz der muslimischen Minderheit (Türken, bulgarischsprachige Pomaken und Roma) vereinbart wurde. Die türkischen Regierungen haben im Gegensatz dazu die Vereinbarungen ignoriert und die griechisch-orthodoxe Minderheit aus Istanbul und von den Inseln Tenedos und Imbros bis auf einen verschwindend kleinen Rest vertrieben.

Türkisch-griechische Vereinigung im Ausland beklagen jedoch, dass griechische Behörden, Gerichte, Polizei und Armee den muslimischen Minderheiten in Westthrakien Bürgerrechte vorenthalten. So fällen Richter diskriminierende Urteile, Land wird widerrechtlich enteignet und administrative Schikane-Maßnahmen gegen türkische Schulen und islamische Institutionen sind an der Tagesordnung. Überfälle auf Muslime sind keine Einzelfälle.

Seit 1993 schreibt der griechische Staat vor, dass jeder Bürger in seinem Personalausweis seine Religionszugehörigkeit eintragen lassen muß. Diese religiöse Vorsortierung kommt einer ethnischen Aufschreibung gleich, die Diskriminierungen zur Folge haben können.

Griechenland zählt mit Frankreich in der EU und mit der Türkei im Europarat zu jenen europäischen Staaten, die Initiativen zum Minderheitenschutz ablehnen. Das hat auch schon das Europaparlament kritisiert. Als einziger EU-Staat hat Griechenland bisher dem renomierten Bureau for lesser used languages die Gründung einer Sektion verweigert.

Analyse "euromosaic": Albanisch, Aromunisch, Bulgarisch (Pomakisch) und Slawo-Mazedonisch werden als "begrenzt" bzw "nicht übrlebensfähig" eingestuft.
Quellen: Report "L'Europa delle Minoranze" des italienischen Innenministeriums; pogrom;

obenHoffen auf das "neue Europa"
Instrumentarien des Minderheitenschutzes des Europarates

Am 1. Februar und am 1. März 1998 sind die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates in Kraft getreten. Vor- und Nachteile beider Instrumentarien:

1) Rahmenkonvention
Vorteile:
· Erstes multilaterales völkerrechtliches Abkommen, das eigens dem Schutz "nationaler Minderheiten" gewidmet ist und
· Grundlage für die Bildung eines weiteren Netzwerkes bilateraler Minderheitenschutzverträge zwischen einzelnen Vertragsstaaten sein kann.
· Die Konvention enthält Ansätze zur "positiven Diskrimierung".

Nachteile:
· Enthält keine Definition des Begriffs "nationale Minderheiten", sondern überläßt diesen - und damit die Bestimmungen der zu schützenden Minderheiten - dem staatlichen Belieben.
· Enthält keine direkten Gruppenrechte für nationale Minderheiten als solche, lediglich die Möglichkeit der Rechtsausübung von Individuen "gemeinsam mit anderen".
· Allgemein großer Umsetzungsspielraum der Vertragsstaaten durch unpräzise, vage und vielfach einschränkende Formulierung der einzelnen Bestimmungen.
· Schwacher Kontrollmechanismus: Berichtsystem.

Zweischneidigkeit:
- Positiv: Bei gutem Willen brauchbare und entwicklungsfähige Grundlage,
- Negativ: Bei mangelndem guten Willen ein Instrument zur legalen Verhinderung des Minderheitenschutzes.
(aus: Die Volksgruppen in Europa - ein Handbruch von Christoph Pan und Beate Sibylle Pfeil - Südtiroler Volksgruppen-Institut)

Der Rahmenkonvention sind zehn der 15 EU-Länder beigetreten (ratifiziert): Österreich, Dänemark, Finnland, Deutschland, Irland, Italien, Portugal, Spanien, Schweden, Großbritannien). Laut den Berichten dieser Staaten an den Europarat (1999), war die Ratifizierung der Konvention (kaum mehr als) eine Bestätigung bereits bestehender Rechte zum Schutz von Sprache und Kultur ihrer Minderheiten.

2) Die Charta der Regional- und Minderheitensprachen

Vorteile:
Im Rahmen des Kontrollmechanismus gewisse Mitwirkungsmöglichkeiten "rechtmäßig eingetragener Organisationen bzw Verbände", d.h. auch von Volksgruppenorganisationen und NGO.

Nachteile:
1) Nur indirekter Minderheitenschutz, da in erster Linie auf Minderheitensprachen, nicht auf deren Sprecher bezogen.
2) Großer Umsetzungsspielraum der Vertragsstaaten, v.a. durch "a´ la carte"-System.
Bezüglich des Maßnahmenkatalogs in Teil 3 der Charta können diese
- die Sprachen, auf die dieser Teil anwendbar sein soll, selbst festlegen und dabei
- aus den 100 Einzelmaßnahmen jene 35 auswählen, die sie verbindlich umsetzen wollen.
3) Schwacher Kontrollmechanismus: Berichtsystem
(aus: Die Volksgruppen in Europa - Ein Handbuch von Christoph Pan und Beate Sibylle Pfeil; Südtiroler Volksgruppen-Institut)

Der Sprachen-Charta sind fünf EU-Staaten mit entsprechender Ratifikation beigetreten: Dänemark, Finnland, Deutschland, Italien, Holland und Schweden. Auch hier gilt, dass die Ratifizierung kaum mehr als eine Bestätigung bereits bestehender Rechte ist.

1997 hat der ehemalige Fuev-Vorsitzende Christoph Pan vom Südtiroler Volksgruppen-Institut auf einem Seminar in Bozen beispielsweise das Rahmenabkommen als einen ersten multilateralen völkerrechtlich bindenden Vertrag bezeichnet. Wegen der inhaltlichen Schwächen hat die Konvention aber keine unmittelbar praktische Bedeutung: Zwar kann es bei gutem Willen eine brauchbare und ausbaubare Grundlage abgeben. Im gegenteiligen Fall aber ist die Konvention dazu angetan, zu einem legalen Verhinderungsinstrument zu werden.

In den vorliegenden Berichten unterstreichen die Staaten (die ratifiziert haben), dass entweder die Konvention oder die Charta bereits erfüllt ist - durch die entsprechenden Staatsgesetze.

obenCharta & Konvention
Sie versprechen mehr
Die Hoffnungen beispielsweise von Minderheitenorganisationen in Österreich, dass die beiden Europarats-Dokumente die bereits erlassenen Gesetz ergänzen, sind damit hinfällig. Auch das Italien-Komitee des EU-Büros für wenig gebräuchliche Staaten (Confemili) hat klar gestellt, dass mit der Ratifizierung von Rahmen-Konvention und Sprachen-Charta die Probleme der Sprachminderheiten nicht gelöst sind. Italien verweist nämlich in seinem Staatenbericht auf die bisher praktizierte Minderheitenpolitik und auf das Minderheitenschutzgesetz - das seit einem Jahr auf die Umsetzung wartet.

Besonders ernüchternd wirken die Aussagen des französischen Europaministers Pierre Moscovici, der bei der Unterzeichnung der Charta durch Frankreich unmißverständlich klar stellte, dass damit keine Minderheiten anerkennt werden. Die französische Regierung hat sich verpflichtet, von den 98 Charta-Maßnahmen zugunsten der Regional- und Minderheitesprachen 39 umzusetzen, vier mehr als unbedingt nötig. Frankreich geht es laut Moscovici aber darum, das linguistische Erbe Europas zu fördern und Angehörigen von Regional- und Minderheitensprachen jedoch keine Kollektivrechte anzuerkennen.

Konkret hat Frankreich sich verpflichtet, "die wichtigsten nationalen Gesetzestexte und die Texte, die ausschließlich die Benutzer der Regional- und Minderheitensprachen betreffen, in dieser Sprachen zugänglich zu machen", wobei jedoch "nur die offizielle Version der Gesetzestexte in französischer Sprache rechtskräftig ist". Die Regierung genehmigt ferner "die Veröffentlichung der offiziellen Texte lokaler Gebietskörperschaften" in einer Regional- oder Minderheitensprache.

Diese Bestimmungen dürfen der Verfassung nicht widersprechen, laut der "moralische Personen des öffentlichen Rechts und Personen des privaten Rechts in Ausübung einer Mission des öffentlichen Dienstes sowie die Benutzer (dieser Dienste) zum Gebrauch des Französischen verpflichtet sind".

Im Erziehungswesen (Charta-Art. 11) sieht Frankreich einen auf die jeweilige Situation der betreffenden Sprache angepassten Unterricht vor: Dies reicht vom wahlweisen Unterricht bis hin zum Regelunterricht der Regional- und Minderheitensprachen in Grund-, Ober-, Technischer und Hochschule als "integraler Bestandteil des Lernprogramms". Die Regierung stellt klar, dass Unterricht in einer Minderheitensprache die Schüler nicht "den Rechten und Pflichten entziehen" dürfe, "die für alle Benutzer gelten, die den öffentlichen Dienst im Unterrichtswesen gewährleisten oder dazu beitragen". Mit anderen Worten, die Fähigkeit, die Ausbildung in Französisch bestreiten zu können, darf nicht beeinträchtigt werden.

Damit klammert Frankreich von vornherein wesentliche Bestimmungen der Sprachencharta aus, nämlich den Artikel 3 zu "Regionalsprachen als Amts- und Gerichtssprachen". Die von Frankreich unterzeichnete - aber wegen der Unvereinbarkeit mit der Verfassung nicht ratifizierte - Charta bleibt ein Stückwerk.

a) - "Begrenzt" bzw. "nicht überlebensfähige" Minderheitensprachen sind: Belgien: Deutsch (Montzen); Deutschland: Niederfriesisch, Saterfriesisch (Oldenburger Land); Frankreich: Baskisch, Bretonisch, Korsisch, Niederländisch (Westflandern); Okzitanisch (Provenzalisch), Slawomazedonisch; Großbritannien: Irisch (Nordirland), Kornisch (Cornwall); Italien: Albanisch, Griechisch (Apulien und Kalabrien ), Katalanisch (Sardinien), Kroatisch (Molise), Okzitanisch (Piemont), Sardisch; Portugal: Mirandisch; Spanien: Portugiesisch. "Bedrohte" Minderheitensprachen sind: Dänemark: Deutsch (Nordschleswig); Deutschland: Dänisch (Südschleswig), Sorbisch (Lausitz); Griechenland: Türkisch (West-Thrakien); Großbritannien: Gälisch (Schottland); Irland: Irisch; Niederlande: Friesisch (Friesland); Italien: Französisch (Aosta), Friulanisch und Slowenisch (Friaul); Spanien: Baskisch (Provinz Navarra) und Katalanisch (Aragon).


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