Abseits der Weltöffentlichkeit führt die "Demokratische Volksrepublik" Laos einen schmutzigen Krieg gegen Angehörige ehemaliger CIA-Kämpfer aus dem Volk der Hmong.
Das laotische Militär erhöht seit
Monaten den Druck auf die im Dschungel versteckten Hmong.
Gemeinsam mit vietnamesischen Sicherheitskräften
durchkämmen laotische Soldaten den Dschungel nach
entkräfteten Hmong. Die Gebirgsregion Xaysomboun gilt als
Rückzugsgebiet. Ausländer haben keinen Zugang zu dieser
Zone, so dass die Armee ihre Gräueltaten - Einsatz von
chemischen Waffen, Vergewaltigungen von Frauen und Kindern,
Folter und Massaker - fortsetzen können. Anfang Oktober
wurden 53 Hmong-Familien, insgesamt 438 Menschen, verschleppt,
nachdem sie ihr Dschungelversteck aufgegeben hatten. Weitere
20.000 Hmong - meist Kinder und Frauen - halten sich noch immer
im Dschungel versteckt. Immer wieder werden Hmong-Gruppen, die
den Dschungel verlassen, von laotischen und vietnamesischen
Soldaten verschleppt, vergewaltigt, gefoltert und
schließlich umgebracht.
Für die laotische Regierung sind die in den Wäldern
versteckten Hmong zu bekämpfende "Rebellen". Denn die Hmong
wurden seit 1960 systematisch vom US-Geheimdienst CIA angeworben,
um gegen die Pathet Lao zu kämpfen und ihre Machtergreifung
zu verhindern. Bis zu 40.000 Hmong standen zeitweise im Sold der
USA. Die Hmong bezahlten einen hohen Preis für diese
Partnerschaft: Mindestens 30.000 von ihnen wurden in den bis
Mitte der 70er Jahre andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen
mit der Pathet Lao getötet - ein Zehntel der damaligen
Hmong-Bevölkerung. Nach der Machtergreifung der Pathet Lao
flüchteten bis zu 300.000 Hmong aus Laos. Hunderttausende
leben heute in den USA im Exil. Bis heute versuchen laotische und
vietnamesische Militärs, die letzten Verstecke der Hmong
ausfindig machen und jeglichen Widerstand zu zerschlagen. Bei den
Hmong in den Wäldern handelt es sich jedoch
größtenteils um wehrlose Frauen und Kinder und
Angehörige der zweiten und dritten Generation, die selbst
nie in direkte Konflikte mit der Regierung verwickelt waren. Um
von den Soldaten nicht aufgespürt zu werden, können die
Hmong, die häufig seit 30 Jahren im Dschungel leben, weder
Nahrung anbauen noch Feuer machen. Die meisten ernähren sich
ausschließlich von Pflanzen und Wurzeln. Es fehlt am
Allernötigsten, nicht nur an Nahrungsmitteln, sondern auch
an Medikamenten. Oft müssen Körperteile amputiert
werden, weil Wunden nicht versorgt werden können. Viele
Hmong sterben an Hunger, Erschöpfung und Krankheiten. Immer
wieder müssen verzweifelte, halb verhungerte Mütter
machtlos zusehen, wie ihre Babys sterben, weil sie zu wenig
Muttermilch haben.
Flüchtlinge: Am Ende ihrer Kraft
Angehörige der Hmong, die im Vertrauen auf eine von der
laotischen Regierung versprochenen Amnestie ihre Verstecke
aufgeben, müssen befürchten, verhaftet und interniert
zu werden: Als sich im Juni 2005 eine Gruppe von 171 Hmong den
Behörden ergab, erwartete sie statt der versprochenen
Amnestie die Internierung in einem Lager in der Provinz Xieng
Khouang. Augenzeugen berichteten: "Wir sahen alte Leute, die von
jüngeren Menschen auf dem Rücken getragen wurden. Wir
sahen kleine Kinder, die verängstigt und traumatisiert
waren. Alle trugen heruntergekommene Kleidung, viele waren
schmutzig… Sie warteten nur noch auf Hilfe… Es war
das Traurigste, was ich je in meinem Leben gesehen habe."
UN-Vertretern, die diese Gruppe erwartet und Nahrungshilfe
bereitgestellt hatten, wurde der Zugang zu den halb verhungerten
Menschen untersagt.
Insbesondere Kinder und Jugendliche leiden enorm unter
Mangelernährung und der ständigen Flucht. Viele haben
schwereTraumata, nachdem sie jahrelang in ständiger
Todesangst gelebt haben und oft den Tod naher Angehöriger
miterleben mussten. Tausenden Hmong ist es gelungen, in das
Nachbarland Thailand zu fliehen. In Thailand werden sie jedoch
als "illegale Einwanderer" in überfüllten
Flüchtlingslagern oder Haftzentren festgehalten und sind von
der Abschiebung nach Laos bedroht. Die jüngste Abschiebung
fand Mitte November statt - eine Gruppe von 53 verzweifelten
Hmong wurde nach Laos deportiert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
wurden sie dort in Haft genommen - so wie 26 Hmong-Jugendliche,
die im Dezember 2005 von Thailand an Laos ausgeliefert wurden. 20
Mädchen aus dieser Gruppe, im Alter von zwölf bis 16
Jahren, werden Berichten zufolge bis heute an verschiedenen Orten
ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und sollen schwer
misshandelt und vergewaltigt worden sein.
Berichterstattung unerwünscht
Wenn im Ausland bis jetzt nur selten über
die massiven Menschenrechtsverletzungen an den Hmong und ihre
humanitäre Tragödie berichtet wurde, ist dies auch eine
Folge des drakonischen Vorgehens der laotischen Behörden
gegen ausländische Journalisten. So wurden vier
US-Staatsbürger, die filmten, wie sich eine große
Hmong-Gruppe 2005 den Behörden ergab, festgenommen und
verhört. Einer von ihnen, ein US-Bürger laotischer
Abstammung, wurde länger festgehalten. Die anderen wurden
nach zwei Tagen in die USA abgeschoben. Ihr Filmmaterial wurde
von den laotischen Behörden vernichtet.
Für großes Aufsehen sorgte auch die Gefangennahme von
zwei europäischen Journalisten, Thierry Falise und Vincent
Reynaud, die jedoch unter internationalem Druck bald wieder frei
kamen. Ihre laotischen Begleiter jedoch sind mit großer
Wahrscheinlichkeit bis heute noch inhaftiert. Nach Berichten von
Augenzeugen wurden sie gefoltert. Reynaud zeigte sich
erschüttert über das Ausmaß der humanitären
Tragödie der Hmong: "Das erste, was wir sahen, als wir das
von den Hmong kontrollierte Gebiet erreichten, waren alte Frauen
auf der Suche nach Nahrung und vor Unterernährung sterbende
Kinder. Sie benötigen dringend Hilfe." Andrew Perrin vom
"Time Asia Magazine", äußerte sich entsetzt über
das Ausmaß der humanitären Tragödie.
Die Hmong
Die Hmong sind eines der größten indigenen Völker
im Vierländereck zwischen Thailand, Laos, Vietnam und China.
In China leben neun Millionen Hmong, die sich dort Miao nennen.
Im Vielvölkerstaat Laos stellen sie eine der
größten ethnischen Gruppen unter der Bevölkerung
des Berglandes, die mehr als die Hälfte der
Gesamtbevölkerung ausmacht. Acht Prozent der 5,3 Millionen
Einwohner der Demokratischen Volksrepublik Laos sind Hmong. Zwar
bekleiden einzelne Hmong hohe Staatsämter in dem
sozialistischen Staat, doch der Status dieser Volksgruppe ist
spätestens seit der Machtergreifung der kommunistischen
Pathet Lao und der Ausrufung der Demokratischen Volksrepublik im
Jahr 1975 äußerst schwierig. Tausende flüchten in
das benachbarte Thailand, weil sie in Laos um ihr Leben
fürchten müssen oder stark diskriminiert sind. Unter
anderem leiden zahlreiche laotische Hmong unter
großflächigen Umsiedlungsprojekten im Zusammenhang mit
dem Bau neuer Staudämme. Wer für die Demokratisierung
und die Rechte der Hmong eintritt, riskiert in Laos sein
Leben.
Quelle: Rebecca Sommer, www.rebeccasommer.org.
Zwangsumsiedlungen
Die GfbV alarmierte die Weltöffentlichkeit in den letzten
Monaten nicht nur bezüglich der in den laotischen
Wäldern versteckten Hmong-Gruppen, die dort
buchstäblich "wie Tiere gejagt" werden, sondern weist auch
immer wieder auf das Problem großflächiger
Umsiedlungsprojekte in Laos hin, von denen Angehörige der
Hmong besonders betroffen sind. Systematisch organisierte
Zwangsumsiedlungen finden in Laos bereits seit zwanzig Jahren
statt. Betroffen sind davon fast ausschließlich indigene
Bevölkerungsgruppen des laotischen Hochlandes, zu denen auch
die Hmong gehören. Schätzungen über die Zahl der
bisher umgesiedelten Menschen gehen in die Hunderttausende.
Aktuell ist bekannt, dass zwischen 2000 und 2005 etwa 60.000
Menschen betroffen waren und in den folgenden Jahren bis zu
150.000 weitere Berglandbewohner in Zentraldörfer im
Tiefland umgesiedelt werden sollen.
Für die indigenen Völker haben solche Umsiedlungen
häufig katastrophale wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Auswirkungen. Die Betroffenen kommen in eine ihnen völlig
fremde Welt. Die klimatischen, geographischen und sozialen
Bedingungen, auf die sie dort treffen, sind ganz andere. Sie
können ihre ursprüngliche Wirtschaftsweise nicht mehr
praktizieren. Die Betroffenen beklagen, dass ihnen ihre
traditionellen Landrechte entzogen werden und man ihnen Land
zuteilt, für dessen Nutzung sie sich hoch verschulden
müssen. Damit verlieren sie auch dieses Land wieder an ihre
Gläubiger. Die Völker sind außerdem gezwungen,
ihre traditionellen Lebenspraktiken, Normen und Bräuche
aufzugeben. Durch den abrupten Lebenswandel werden zudem viele
der umgesiedelten Gruppen schwer krank. Orientierungslos und ohne
jede Unterstützung kämpfen sie um ihr Überleben.
Solche und andere Erscheinungen der Umsiedlung führen zur
Zerstörung der Lebensgrundlage und einer massiven
Existenzgefährdung der indigenen Völker.
Die verheerenden Folgen der Zwangsumsiedlungen für die
indigenen Völker in Laos können nur durch einen Wandel
in der laotischen Umsiedlungspolitik beendet werden. Westliche
Geberländer und internationale Organisationen müssen
daher verstärkt Druck auf die laotische Regierung
ausüben und die eigene Entwicklungshilfe abhängig davon
machen, dass keine Umsiedlungen mehr stattfinden, welche die
Belange der indigenen Bevölkerung einfach
übergehen.
Rebecca Sommer: Unermüdlich im
Einsatz für die bedrohten Hmong
Rebecca Sommer ist UN-Repräsentantin der GfbV. Sie
verbrachte im Herbst 2005 drei Monate in Südost-Asien, um
Menschenrechtsverletzungen an Angehörigen indigener
Völker zu dokumentieren. Sie führte Hunderte Interviews
mit Hmong-Flüchtlingen in Thailand. Die von ihr gesammelten
Zeugenaussagen sowie aus dem Dschungel von Laos geschmuggelte
Filmaufnahmen belegen eindeutig Menschenrechtsverletzungen, die
an den Hmong begangen wurden. In einem Bericht hat sie die
Gräueltaten der laotischen und vietnamesischen Soldaten an
den Hmong zusammengefasst. Unermüdlich informiert Sommer
gemeinsam mit dem Göttinger GfbV-Büro Regierungs-, UN-
und Medien-Vertreter über neue Entwicklungen zum Thema Hmong
und setzt sich für eine humanitäre Lösung der
Situation in Laos ein.
Im Sommer 2006 besuchte Rebecca Sommer eine Gruppe von 29 Hmong
Flüchtlingen - in der Mehrzahl Kinder -, die seit drei
Monaten unter menschenunwürdigen Bedingungen in der
Polizeistation von Petchabun in Thailand inhaftiert waren. Me
Lee, eine der Inhaftierten, sagte: "Wenn ich unsere Kinder hier
sehe, erfüllt mich so großer Schmerz… Was haben
sie erlebt außer Angst, Verzweiflung, Hunger, Tod und
Morden, und nun verbringen sie Monate ihres Lebens in einem der
schlimmsten Alpträume, den man sich vorstellen kann!" Sommer
alarmierte daraufhin die UN sowie die Presse - mit Erfolg: Die
Gruppe wurde mittlerweile in menschenwürdige Quartiere
verlegt, die Kinder können im Freien spielen. Ende Oktober
zeigte Rebecca Sommer im New Yorker "UN-Church Center"
Ausschnitte aus ihrer neuen Film-Dokumentation "Hunted like
Animals" über die Hmong in Laos. Dabei erzählte eine
Hmong-Frau, die 20 Jahre im Dschungel gelebt hat, ihr Schicksal.
Rebecca Sommer organisierte mehrere Treffen mit UN-Vertretern und
bereitet ein Treffen mit dem "Office of the Special Adviser of
the Secretary-General for the Prevention of Genocide" vor.
Sommer wird ihren Film über die Hmong an alle Regierungen
und UN-Behörden schicken. Sommer führt damit die Arbeit
von Ruhi Hamid weiter. Die BBC-Korrespondentin, die vor einigen
Jahren den beschwerlichen und gefährlichen Weg durch die
Frontlinien der laotischen Truppen wagte, war nach 30 Jahren der
Isolation die erste Europäerin, die Kontakte zu den Hmong
aufnahm. Ihr aufrüttelnder Film machte diesen vergessenen
Konflikt zum ersten Mal seit Jahren wieder öffentlich.
Bis heute ist Ruhi Hamid das Schicksal der Hmong im Dschungel von
Laos ein großes Anliegen: "Das ist eine humanitäre
Krise und die Welt muss sie endlich zur Kenntnis nehmen. Diese
Menschen sind keine Rebellen oder Widerstandskämpfer. Hier
geht es um verzweifelte Frauen und Kinder und ein paar
Männer, die versuchen, ihre Familien zu verteidigen. Sie
haben keine Munition und die wenigen Waffen, die sie besitzen,
sind alt und rostig. Wenn nicht bald Hilfe seitens der
internationalen Gemeinschaft kommt, haben sie keine Chance zu
überleben."
Aus pogrom-bedrohte Völker 239 (5/2006).