Das heute erneut von einem islamischen Gericht in Nigeria bestätigte Todesurteil gegen die 30-jährige Amina Lawal stellt das Land nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor eine Zerreißprobe: "Jetzt muss dass Oberste Gericht darüber entscheiden, ob die Scharia mit ihren drakonischen Strafen verfassungskonform ist. Damit werden die höchsten Richter des Landes entweder die Politik der muslimischen Führer im Norden oder den Kurs des demokratisch gewählten Präsidenten Olusegun Obansanjo bestätigen", erklärte der GfbV-Afrikaexperte Ulrich Delius am Montag in Göttingen. Er warnte vor einer erneuten Eskalation ethnisch-religiöser Konflikte in Nigeria, denen seit Ende der Militärdiktatur 1999 schon Tausende von Menschen zum Opfer gefallen seien. Das Oberste Gericht muss bis zum Januar 2004 entscheiden. Dann soll das Urteil an der 30-Jährigen vollstreckt werden. Sie war im März 2002 zum Tod durch Steinigung verurteilt worden, weil sie nach ihrer Scheidung schwanger geworden und eine Tochter zur Welt gebracht hatte. Mit Hilfe lokaler Menschenrechtsgruppen hatte sie Einspruch gegen das Urteil eingelegt und erwirkt, dass die Strafe bis zum Abstillen ihrer Tochter ausgesetzt wird.
Die Scharia wurde von 1999 an in den zwölf nördlichen der insgesamt 36 nigerianischen Bundesstaaten eingeführt. Sie verstößt sowohl gegen die demokratische Verfassung des Landes, die die Todesstrafe verbietet, als auch gegen internationale Menschenrechtsabkommen, die Nigeria unterzeichnet hat. Unter Berufung auf die Scharia hetzen muslimische Führer im Norden immer wieder gegen die christliche Bevölkerung im Süden.