Nach dem überwältigenden Wahlsieg der gemäßigten islamischen AK-Partei sollte die deutsche Bundesregierung nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) endlich auf einschneidende Reformen im Menschenrechtsbereich in der Türkei drängen. "Ohne Not hat die rotgrüne Koalition auf amerikanische Anweisung hin den Weg für den EU-Beitritt der Türkei geebnet", kritisierte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Dienstag in Göttingen, "doch so lange 2,5 Millionen kurdische Vertriebene, Staatsbürger der Türkei, aus 3.428 von der türkischen Armee mutwillig zerstörten Dörfern im Südosten des Landes nicht in ihre Häuser zurückkehren dürfen, darf an einen EU-Beitritt nicht einmal gedacht werden." Der Türkei müsse klar gemacht werden, dass die EU einen Staat, in dem Flüchtlinge in bitterster Armut, hungernd oder unzureichend ernährt am Rand der Großstädte in selbst gebauten Hütten und anderen Notquartieren leben müssten - unter ihnen Hunderttausende Kinder -, nicht in ihrer Mitte dulden könne.
Ebenso unerträglich sei es, sagte Zülch, dass in einem europäischen Staat, Mitglied des Europarates, der NATO und der OSZE, die frei gewählte Parlamentarierin Leyla Zana, Mutter von zwei Kindern, nur deshalb seit 1994 inhaftiert ist, weil sie ihren Eid auf die türkische Verfassung in ihrer kurdischen Muttersprache bekräftigt hat. "Erst wenn Leyla Zana freikommt, die mehreren tausend kurdischen politischen Gefangenen amnestiert werden und die Flüchtlinge in ihre Dörfer zurückkehren können, darf der türkischen Regierung die Bereitschaft zur Aufnahme in die EU signalisiert werden."