Von Wolfgang Mayr
Bozen, 14. September 2004
Inhalt
>> Regionalstaat Spanien:
Multinationale und mehrsprachige autonome Regionen
>> Italien:
Verfassungsauftrag Minderheitenschutz und
Regionalisierung
>> Bundesstaat Belgien: Zwei
staatstragende Sprachgemeinschaften und dazwischen eine
Minderheit
>> Großbritannien:
Dezentral und mehrsprachig
>> Die Aland-Inseln:
Unerreichtes Modell
>> Kalaallit Nunat:
Grönlands Autonomie
>> Die EU-Regionen: Die
dritte Ebene der Union
Im westlichen Europa wurden nicht nur im Zuge der
europäischen Einigung einige Fortschritte in der
Nationalitätenfrage erreicht (Gründung des
EU-Minderheitenbüros Eblul durch das Europaparlament;
Schaffung einer EU-Sprachenagentur zur Förderung der
Mehrsprachigkeit, Ausschuss der Regionen als Teil der
EU-Architektur, Verbot der Diskriminierung in der
Grundrechtecharta der EU).
In einigen Staaten erfolgte die Regionalisierung als Reaktion auf
ethnisch, kulturell, sprachlich oder historisch bedingte
Autonomieforderungen, die es durch Anpassungen des politischen
Systems in geordnete Bahnen zu lenken galt. So entstand der Staat
der Autonomien in Spanien in erster Linie auf Druck der sich
selbst als eigenständige Nationen begreifenden Katalanen und
Basken; auch die italienische Regionalisierungspolitik kann
zumindest teilweise als Antwort auf Autonomiebestrebungen nach
dem Zweiten Weltkrieg im Aosta-Tal, Südtirol, Sizilien und
Sardinien erklärt werden. Diese Motivation der
Regionalisierungspolitik wird beispielsweise darin deutlich, dass
in beiden Ländern regionale Autonomie jenen Teilen des
Staatsgebietes, in denen es regionalistische Bewegungen gab,
früher und umfassender gewährt wurde als übrigen
Landesteilen. Dabei ist in Italien der privilegierte Status der
Regionen mit Sonderstatut dauerhaft angelegt, während die
spanische Verfassung von 1978 nach Ablauf einer
Fünf-Jahres-Frist eine Angleichung der unterschiedlichen
Kompetenzniveaus zwischen den historischen Nationen Katalonien,
Galizien und Baskenland einerseits und den übrigen
Autonomien andererseits ermöglicht.
Geographisch bedingt ist hingegen der "partielle Regionalismus"
in Dänemark oder Portugal, der Regionalautonomie nur
für die Inselterritorien Färöer und Grönland
sowie Madeira und die Azoren kennt. In Belgien schließlich
sind Staatsreformen seit 1970, mit denen die Regionen und
Gemeinschaften geschaffen wurden, als Versuch zu sehen,
Dauerkonflikt zwischen Wallonen und Flamen zu entschärfen
das drohende Auseinanderbrechen des Staates zu verhindern. In
Frankreich steht die Dezentralisierung der 80er Jahre im
Zusammenhang mit der Modernisierung der Staatsorganisation; hinzu
kommt als weiteres Motiv der Wunsch nach Stärkung der
Partizipationsmöglichkeiten der Bürger. Dabei wurden
die Regionen jedoch auf der Grundlage der departements gebildet,
so dass sie kaum Anknüpfungspunkte an historische
Regionalismen bieten, die die Einheit der "Republiqueune et
indivisible" unter Umständen hätten in Frage stellen
können. Trotz eines negativen Referendums plant die
konservative französische Regierung die Einrichtung einer
korsischen Insel-Autonomie.
In Großbritannien schließlich führte die Furcht
der konservativen Tory-Partei vor einer Untergrabung der
staatlichen Einheit und der unteilbaren Souveränität
des britischen Parlaments lange dazu, dass die historischen
Regionen trotz eigener Sprache wie in Wales und Schottland und
eigenem Bildungs- und Rechtssystem (Schottland) keine Rolle in
der Verwaltungsgliederung des Staates spielten. Die
Labor-Regierung von Toni Blair übertrug inzwischen Wales und
Schottland ein Mindestmaß an
Selbstverwaltungskompetenzen.
Die rechtlichen Grundlagen der regionalen Strukturen und ihre
Kompetenzausstattung sind unterschiedlich. In den Verfassungen
verankert sind neben den deutschen Ländern nur die
belgischen Regionen und Gemeinschaften, die niederländischen
Provinzen, die italienischen Regionen, die spanischen Autonomen
Gemeinschaften sowie portugiesischen Regionen. Während die
niederländische und die portugiesische Verfassung lediglich
die Existenz der jeweiligen regionalen Verwaltungsebene
garantieren, enthalten die Verfassungen der Bundesrepublik,
Belgiens, Italiens und Spaniens umfassende Bestandsgarantien,
nach denen sowohl eine Neugliederung des Staates als auch eine
Änderung der Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und
Regionen der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen
Bevölkerung bzw. der Regionalorgane bedürfen.
Die Regionen mit der umfassendsten Bestandsgarantie sind dabei
auch diejenigen mit der größten Kompetenzfülle:
Lediglich die deutschen Länder, die belgischen Regionen und
Gemeinschaften, die spanischen Autonomen Gemeinschaften wie die
italienischen Regionen besitzen sowohl legislative auch exekutive
Befugnisse. Die deutschen Länder und die spanischen
Autonomen Gemeinschaften verfügen über eine
annähernd gleiche Bandbreite an Kompetenzen im Bereich der
Gesetzgebung; auch das System der innerstaatlichen
Kompetenzverteilung ist gewisser Weise vergleichbar.
Beispielhafte Selbstverwaltungsmodelle mit bereits
jahrzehntelanger Tradition stellen die zu Dänemark
gehörenden Faröer-Inseln und Grönland und die von
Schweden bewohnten Aaland-Inseln.
In Spanien wurden nach dem Zusammenbruch des Franco-Faschismus
auch die von nicht-spanischen Nationalitäten besiedelten
Regionen Katalonien, das Baskenland (ohne die Provinz Navarra),
Galicien, die Balearen und die Provinz Valencia zu autonomen
Regionen erklärt.
Im Zuge der internationalen Auseinandersetzungen zwischen
Österreich und Italien erkämpften die deutschsprachigen
Südtiroler eine Regionalautonomie, in die auch ein Teil
Ladiniens einbezogen wurde. Südtirol gilt in der
Minderheitenpolitik als Modellfall für die Regelung anderer
europäischer Nationalitätenkonflikte.
Die Labor-Regierung leitete als eine ihrer großen Reformen
die Dezentralisierung Großbritanniens ein. So erhielten
Schottland und Wales erste Selbstverwaltungsbefugnisse, in beiden
Regionen wurden die alteingesessenen gälischen Sprachen
anerkannt und werden gefördert. Der immer wieder stockende
Friedensprozess, eingeleitet durch das Good-Friday-Agreement
zwischen Irland und Großbritannien, ermöglicht die
Umwandlung der britischen Provinz Ulster in eine bilaterale
autonome Region.
Das Südtiroler Volksgruppen-Institut (SVI) untersuchte in
seiner Studie "Minderheitenrechte in Europa" den rechtlichen
Statuts der Sprachminderheiten. Fazit des Instituts: Nur sechs
europäische Staaten garantieren einen hohen Rechts-Standard.
Belgien, Dänemark, Finnland, Schweiz, Spanien und Ungarn.
Ein Großteil der europäischen Staaten kommt nur
halbherzig den Verpflichtungen nach, Minderheiten zu
fördern. Mit der Ratifizierung der Rahmenkonvention zum
Schutz nationaler Minderheiten und der Charta der Regional- und
Minderheitensprachen des Europarates durch die meisten
EU-Mitgliedsländer und der Mehrheit der europäischen
Staaten wurde aber laut SVI ein unumkehrbarer Prozess
eingeleitet.
Im vergangenen Sommer sprach sich die Parlamentarische
Versammlung des Europarates für das Instrument der Autonomie
zur Verhinderung und zur Lösung von ethnischen Konflikten
aus. Eine konsequente Fortsetzung, denn der Europarat
plädiert für eine großzügigen Ausbau
kommunaler und regionaler Selbstverwaltung.
Einige EU-Länder setzten schon vor Jahren um, was inzwischen
zum Empfehlungs-Repertoire des Europarates gehört:
Mit der republikanischen Verfassung 1948 gewährte die
Republik Italien Regionen mit Sprachminderheiten
Sonder-Autonomien. Die Regionen Sizilien, Sardinien,
Friaul-Julisch-Venetien, Trentino-Südtirol und Aosta wurden
mit zum Teil weitereichenden Selbstverwaltungsbefugnissen
ausgestattet.
1978 gab sich das nachfrankistische Spanien eine neue Verfassung.
Der Zentralstaat wurde in 19 Regionen unterteilt, in Galicien, im
Baskenland und in Katalonien wurden die Sprachen der historische
Nationalitäten als gleichberechtigt mit der kastilischen
Staatsprache anerkannt.
Die spanische Regierung beantragte bei der EU die amtliche
Anerkennung der baskischen, galicischen und katalanischen Sprache
als EU-Verkehrssprache. Die verfassungsmäßig
garantierte spanische Mehrsprachigkeit strahlt in die EU
aus.
1993 wandelte sich Belgien in einen Föderalstaat um. Die
beiden Regionen Wallonien und Flandern sind gleichberechtigte
Landesteile, Brüssel erhielt einen Sonderstatus. Die
deutschsprachige Minderheit in Wallonien wurde als
eigenständige "Gemeinschaft" anerkannt.
Die Labor-Regierung von Toni Blair setzte einen weitreichenden
Dezentralisierungsprozeß in Gang mit Parlamenten für
Wales und Schottland. Das Büro zur Förderung der
walisischen Regionalregierung forderte die britische Regierung
auf, dem spanischen Beispiel zu folgen - walisisch als anerkannte
Sprache im Amtsverkehr zwischen der EU-Zentrale in Brüssel
und Wales.
Erstmals besteht auch die Chance, den Konflikt in Nord-Irland
über ein bilaterales Abkommen zwischen Großbritannien
und Irland, mit der Anerkennung des pluri-nationalen Charakters
der nordirischen Bevölkerung und der Gewährung einer
weitreichenden Selbstverwaltung zu lösen.
Von den 450 Millionen Bürgern der Europäischen Union
sprechen 46 Millionen eine andere Sprache als die offizielle
Staatssprache des Mitgliedslandes. Irland, Finnland, Belgien und
Luxemburg unterstützen die Forderung des European Bureau for
lesser used languages nach Anerkennung dieser Sprachenvielfalt
einschließlich der Regional- und Minderheitensprachen. Die
deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien, die Provinz Friesland
in den Niederlanden, die schwedische Minderheit in Finnland, das
Baskenland, Wales in Großbritannien oder die Autonome
Provinz Bozen/Südtirol-Italien tragen als autonome Regionen
die Eblul-Initiativen mit. Sie sind ein Europa im Kleinen, mit
einer klaren Leaderfunktion im Bereich Sprachenmanagement.
Spätestens seit dem Europäischen Jahr der Sprachen ist
eine klare Trendwende zu verzeichnen, und in den über zwei
Jahrzehnten, in denen sich beispielsweise das Europäische
Parlament mit dieser Thematik auseinandersetzt, war noch nie so
viel Zustimmung für den Schutz und die Förderung der
Regional- und Minderheitensprachen zu verzeichnen wie im
vergangenen Jahr, als das EP der EU-Kommission mit absoluter
Mehrheit legislative Maßnahmen in diesem Bereich vorschlug.
Im europäischen Kontext hat sich längst erwiesen, dass
der gegenseitige Respekt für sprachliche und kulturelle
Vielfalt der Grundstein der europäischen Integration und
Kohäsion ist.
Die EU übernimmt immer mehr Instrumentarien aus dem
Menschenrechtskatalog des Europarates. Ein Großteil der
EU-Mitgliedsstaaten ratifizierte die Rahmenkonvention zum Schutz
nationaler Minderheiten und die Charta der Regional- und
Minderheitensprachen. Minderheitenrechte sollen als
Individualrechte in der neuen EU-Verfassung Eingang finden. Die
Parlamentarische Versammlung des Europarates initierte 1957 die
Konferenz der Gebietskörperschaften. Seitdem sind die
Regionen vernetzt, über einen Kongress der lokalen und
regionalen Gebietskörperschaften, in der Versammlung der
Regionen, im "Europa der Regionen", die in der EU-Architektur
auch eine regionale Ebene einforderten. Das Europäische
Parlament zog nach, mit gleich mehreren pro-regionalistischen
Berichten und Entschließungen.
Der Vertrag von Maastricht, die Gründungsurkunde der EU,
sieht dann auch konsequenterweise den Ausschuss der Regionen vor.
Die Regionen drängen auf die Anerkennung als dritte Ebene in
der EU-Verfassungsordnung. Das sind neben den autonomen deutschen
Ländern auch die Regionen der Katalanen und Basken in
Spanien, der Aostaner, Friulaner, Südtiroler und Sarden in
Italien, der Waliser und Schotten in Großbritannien und die
föderalen Teile Belgiens.
Als einer der regionalisiertesten EU-Staaten gilt Spanien mit
seinen 17 autonomen Regionen. Deren Befugnisse sollen erweitert
werden, das fordern nicht nur die autonomen Katalanen (18 Prozent
der Bevölkerung), Basken (1,5 Prozent) und Galicier (6
Prozent), sondern inzwischen alle Regionalregierungen - auch
jene, die von der konservativen Volkspartei (Partido Popular/PP)
geführt werden. Mehr Autonomie, das wollen auch die Bewohner
der Kanaren. Dezember 1996 stimmte das Parlament Spaniens einer
solchen Erweiterung für die Kanarischen Inseln und Aragon zu
und bezeichnete deren Einwohner in seinem Beschluss als
"Nationalitäten".
Die Verfassung von 1978 ermöglichte die Regionalisierung des
einst zentralistischen Staates über die Autonomiestatute,
die auch die Sprachen der "historischen Nationalitäten" der
Katalanen, der Basken und Galicier anerkannte. Das
Autonome Gebiet Baskenland verwaltet das Bildungswesen,
Gesundheit und Soziales, Landwirtschaft, Fischerei, Tourismus,
Kultur, Telekommunikation, Polizei, Justiz, Innenpolitik,
Industrie, Arbeitsmarkt und Wohnungsbau. 1979 hatte eine
große Mehrheit der baskischen Bürger für das
Autonomiestatut gestimmt. Vielen Basken geht der
Autonomieprozeß dennoch viel zu langsam voran, bewertet der
Jurist Joxerramon Bengoetxea die Stimmung in Euzkadi (2,1
Millionen Einwohner, davon mehr als eine halbe Million
baskischsprechende Bürger). Trotz der Mängel in der
Selbstverwaltung und der Ausgliederung der ehemaligen baskischen
Provinz Nafarroa (Navarra, von einer halben Million Einwohner
sprechen 50.000 baskisch) aus der autonomen Region ist Euzkadi
vital. Im Wirtschaftsbereich ist das Experiment gelungen -
kooperative Gesellschaften und Holdings konnten einen Teil der
Strukturkrise auffangen. Die Schule schaffte es, die
Spracherosion zu stoppen.
Die baskische Schulbehörde kann bei den 3- bis
17-jährigen (im Vergleich dazu den 35- bis 44-jährigen)
bereits eine wieder deutlich wachsende Sprachkompetenz
feststellen: 27 Prozent (gegenüber 21 Prozent) sprechen
Baskisch, 34 Prozent (gegenüber 12 Prozent) verstehen es
zumindest; 40 Prozent (gegenüber 68 Prozent) sprechen und
verstehen nur Spanisch. Damit beherrscht die jüngere
Generation die baskische Sprache am besten. Das ist ein Erfolg
der baskischen Schulen. Aufgrund eines Erlasses der
Regionalregierung von 1983 können die Eltern zwischen drei
Schultypen bzw. Sprachmodellen frei wählen:
Modell A: Alle Fächer werden auf spanisch gelehrt. Baskisch
wird drei bis vier Stunden als Fach unterrichtet.
Modell B : Die Hälfte der Wochenstunden wird jeweils auf
baskisch (u. a. Sprache, Geographie, Geschichte, Sport, Kunst und
Religion) bzw. auf spanisch (u. a. Sprache, Mathematik)
unterrichtet.
Modell C: Alle Fächer werden auf baskisch gelehrt. Spanisch
wird drei bis vier Stunden als Fach unterrichtet.
Mit der Autonomie übertrug der Zentralstaat Schule und
Bildung an die baskische Region. Diese konnte die Spracherosion
als Folge des Franco-Faschismus stoppen.
Galicien, das westlich des Baskenlandes und
nördlich von Portugal liegt, wurde von Madrid sträflich
vernachlässigt. In den vergangenen 30 Jahren verließen
über 600.000 Galicier ihre Heimat. die Galicier gelten
ebenfalls als historische Nationalität. Ihre Sprache, das
Galicische bzw. Galego, ist mit dem Portugiesischen verwandt und
wird trotz jahrhundertelanger Unterdrückung bis heute von
einer Mehrheit der Galicier gesprochen. Das Autonomiestatut von
1978 hat das Galicische zu einer Amtssprache gemacht.
Alle Bürger Galiciens verstehen das Galicische, 80 Prozent
sprechen es sogar. Fast 90 Prozent der Schüler und Studenten
sind in der Lage, Galicisch zu sprechen und zu schreiben. Das
Galicische ist überall zu hören. Die Sprache hat gute
Chancen, Terrain zurückzugewinnen. Die Sprachwissenschaftler
Peter Nelde (Universität Brüssel), Miquel Strubell
(Sprachabteilung der katalanischen Regionalregierung) und Glyn
Williams (Universität Wales) bestätigen ihm in der 1996
veröffentlichten EU-Studie "Euromosaic" Vitalität und
Zukunft. Dies verdankt das Galego auch der Autonomie und der
amtlichen Zweisprachigkeit.
Autonomiestatus Kataloniens
Neun Millionen Bewohner Spaniens in Katalonien, auf den Belaren
und in der Region Valencia sprechen überwiegend katalanisch.
Diese eigenständige romanische Sprache unterscheidet sich
von der kastilischen Staatssprache.
Das Selbstverständnis und die Kompetenzen Kataloniens sind
rechtlich im Autonomiestatut definiert. Danach besteht das
Territorium Kataloniens aus den Provinzen Barcelona, Girona
(Gerona), Lleida (Lerida) und Tarragona. Die Sprachenfrage wird
in Artikel 3 definiert:
1. Die eigene Sprache Kataloniens ist das Katalanische.
2. Die katalanische Sprache ist die offizielle Sprache in
Katalonien, sowie auch das Kastilianische gilt, die offizielle
Sprache für den ganzen spanischen Staat.
3. Die Generalität wird den normalen und offiziellen
Gebrauch beider Sprachen garantieren, die notwendigen
Maßnahmen unternehmen, um ihre Kenntnis zu
gewährleisten, und Bedingungen schaffen, die zur vollen
Gleichheit führen, was die Rechte und Pflichten der
Bürger Kataloniens betrifft.
4. Die aragonesische Sprache wird Gegenstand des Unterrichts und
der besonderen Einhaltung und des Schutzes sein.
Da in den westlichen Teilen, zur Grenze nach Aragonien, auch
Aragonesisch gesprochen wird, ist auch dieses ausdrücklich
erwähnt und geschützt. Aragonesisch wird als
eigenständige Umgangssprache verwendet, d. h., es weist
grammatikalische Differenzen zur kastilianischen (spanischen) und
katalanischen Sprache auf. Dieser Artikel 3 des katalanischen
Autonomiestatuts findet seine Absicherung in der Verfassung
Spaniens. Dort heißt es in Artikel 3 ganz ähnlich, nur
von der Bundesebene aus formuliert:
1) Kastilisch ist die offizielle spanische Sprache des Staates.
Alle Spanier haben die Pflicht, sie zu kennen, und das Recht, sie
zu benutzen.
2) Die anderen spanischen Sprachen sind ebenfalls offiziell in
den entsprechenden autonomen Gemeinden gemäß den
Statuten.
3) Der Reichtum der verschiedenen linguistischen Formen in
Spanien ist ein kulturelles Erbe, das besonders respektiert und
geschützt wird.
Im Autonomiestatut werden die Kompetenzen der Exekutive
festgelegt. Danach hat die katalanische Regierung die
Zuständigkeit unter anderem für folgende Bereiche:
Organisation der Selbstverwaltungsinstitutionen, Kultur,
Raumordnung und Wohnbau, Gesundheit, Tourismus, Natur- und
Denkmalschutz, Handwerk, Sozialarbeit, Jugend,
Frauenförderung, Sport, Freizeit und teilweise in den
Bereichen Infrastruktur, Polizei, Schule und Berufsausbildung,
soweit es die spanische Verfassung jeweils zulässt.
"Spanisch" bezeichnet also keinen sprachlichen oder kulturellen,
sondern einen politischen Begriff für das gesamte
Staatsgebilde. Daher gibt es folgende spanische Sprachen:
Kastilisch, Katalanisch, Galicisch und Baskisch.
Die Katalanen bilden keine ethnisch homogene Gruppe in ihrer
Region. Aufgrund von innerspanischen Wanderungen insbesondere
seit dem Wirtschaftsaufschwung in den fünfziger Jahren ist
der industrielle Raum Barcelona ein Anziehungspunkt für
Zuwanderer aus den ärmsten Regionen des Landes geworden. Die
kastilischsprechenden Migranten sind überwiegend aus den
Regionen Andalusien, Estremadura, Murcia und die
galicischsprechenden aus Galicien gekommen. Da das Katalanische
als eine Aufstiegssprache auch für das berufliche Fortkommen
der Zuwanderer gilt, hat in den letzten Jahren die
Sprachkompetenz auch bei den Nichtkatalanen zugekommen.
Das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und der
autonomen Regionen Katalonien ist relativ entspannt. Die zaghafte
Dezentralisierung, die erfolgte Regionalisierung und der Ausbau
der Autonomie haben zur Entkrampfung beigetragen. Katalonien gilt
als ein Modell für ein Europa der Regionen.
Aufgrund der Verfassung wurden 13 Sprachminderheiten
anerkannt. Sie stellten 2,5 Millionen der insgesamt 57 Millionen
Staatsbürger. Die Francoprovenzalen in Aosta, die
deutschsprachigen Südtiroler, die Sarden und die Friulaner
und Slowenen erhielten Sonder-Autonomien. Weitreichend ist die
Südtiroler Autonomie. Die autonome Provinz Bozen in Italien
gilt als Labor und Vorbild für einen gesamteuropäischen
Minderheitenschutz: Regionalisierung, Dezentralisierung,
Autonomie, Gruppenschutz und Quotenregelung. Das sind die
Bestandteile des Pakets, die Südtirol eine weitreichende
Selbstverwaltung garantiert.
Dieses Autonomiestatut ist ein Paket aus dem Pariser Abkommen
zwischen Österreich und Italien vom 5. September 1946, dem
alten Autonomiestatut vom 26. Februar 1948, dem neuen
Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol vom 10.
November 1971, dem Staatsgesetz Nr.118 vom 11. März 1972 und
den bis heute erlassenen Durchführungsbestimmungen. Dieses
Paket garantiert den Südtirolern folgende Rechte:
1. Zuständigkeit der Provinz Bozen für Schule und
Kultur, Gesundheitswesen, Wohnungsförderung, Raumordnung und
Umwelt, öffentliche Bauarbeiten, Land- und Forstwirtschaft,
Handwerk, Handel, Industrie, Fremdenverkehr und Sport.
2. Recht der Kinder aller drei Volksgruppen - Deutsche, Italiener
und Ladiner -, in Kindergärten und in Schulen
muttersprachlichen Unterricht durch muttersprachliche Lehrer zu
erhalten. Ab erster Klasse wird Italienisch bzw. Deutsch sowie
Englisch gelehrt.
3. Ethnischer Proporz im öffentlichen Dienst, d. h., die
drei Sprachgruppen werden im Verhältnis zu ihrer
zahlenmäßigen Stärke berücksichtigt. Das ist
ein doppelter gegenseitiger Schutzmechanismus: zunächst
für die Deutschen und Ladiner, nicht vom italienischen
Staatsvolk benachteiligt zu werden, gleichzeitig für die
zahlenmäßige Minderheit der Italiener in der Provinz
Bozen, nicht von der deutschen Mehrheit benachteiligt zu
werden.
4. Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst, d. h., für
die Aufnahme in den staatlichen Dienst wird die Kenntnis beider
Sprachen verlangt. Das erfolgt durch eine
Zweisprachigkeitsprüfung.
5. Rechtsschutz beim Sprachgebrauch vor Gericht und in der
Verwaltung. Jeder ist berechtigt, seine Muttersprache zu
gebrauchen. Falls nötig, wird ein Dolmetscher
hinzugezogen.
Die Nationbildung Belgiens hatte einen Geburtsfehler: Die
Dominanz einer belgischen französischsprachigen Elite und
die Unterdrückung der flämischen Sprache und Kultur.
Erst nach anderthalb Jahrhunderten wurde der Fehler durch den
langen Kampf der Flamen um die Anerkennung ihrer Sprache und
Kultur korrigiert. Er führte nach dem Zweiten Weltkrieg zu
einer allmählichen Umwandlung des unitarischen Staates in
einen Bundesstaat. Erst der bisher letzte Kompromiss von 1993 hat
zu einem tragfähigen Konsens geführt. Es ist ein
relativ komplizierter föderaler Aufbau Belgiens entwickelt
worden. Hintergrund dieser föderalen Konstruktion ist die
ethnische Bipolarität (60 Prozent Flamen, 36 Prozent
Wallonen, 67.000 Deutsche) des Landes.
Zwischen der nationalen Ebene und der kommunalen Ebene der
Provinzen und Gemeinden gibt es zwei miteinander kompliziert
verschränkte Ebenen: die Region und die Gemeinschaft. Laut
Verfassung besteht Belgien aus drei Regionen:
Wallonische Region: Sie umfasst das französische und das
deutsche Sprachgebiet mit den fünf Provinzen Luxemburg,
Namur, Lüttich, Hennegau und Wallonisch-Brabant.
Flämische Region: Sie umfasst das niederländische
Sprachgebiet mit den Provinzen Westflandern, Ostflandern,
Antwerpen, Limburg und Flämisch-Brabant.
Brüsseler Region: Sie umfasst das zweisprachige Gebiet der
Hauptstadt mit 19 Gemeinden.
Jede Region verfügt über einen demokratisch zu
wählenden Regionalrat als Legislative und eine
Regionalregierung als Exekutive. Verfassungsrechtlich sind die
Regionen für folgende Aufgaben zuständig:
Gebietsplanung, Umwelt, ländliche Erneuerung und
Naturschutz, Beziehungen zu den Provinzen und Gemeinden,
Wohnungsbau, Wasserpolitik, Wirtschaft, Arbeitspolitik,
Energiepolitik, öffentliche Arbeiten und
Transportwesen.
Weiterhin ist Belgien in drei Gemeinschaften gegliedert:
Flämische Gemeinschaft: Sie umfasst das niederländische
Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet der Hauptstadt
Brüssel. Französische Gemeinschaft: Sie umfasst das
französische Sprachgebiet und das zweisprachige Sprachgebiet
der Hauptstadt Brüssel.
Deutschsprachige Gemeinschaft: Sie umfasst das kleine deutsche
Sprachgebiet im belgischen Grenzgebiet hinter Aachen.
Verfassungsrechtlich sind die Gemeinschaften für folgende
Bereiche zuständig: Kultur, Rundfunk und Fernsehen,
Tourismus, Sport, Pressehilfe, Kulturgut, Unterrichtswesen,
Gesundheitspolitik, Familien- und Jugendpolitik, Sozialhilfe,
Sprachenpolitik und internationale Zusammenarbeit. Das Besondere
an diesem Föderalismus ist, daß die Regionen und
Gemeinschaften im Rahmen ihrer Zuständigkeiten
internationale Verträge schließen können.
In Flandern entschied man sich 1980 für die Fusion der
Flämischen Gemeinschaft mit der Region Flandern, d. h., es
gibt ein flämisches Parlament und eine flämische
Regierung.
Auf wallonischer Seite wurde die Trennung zwischen Region und
Gemeinschaft beibehalten, d.h. es gibt einerseits einen
Wallonischen Regionalrat und andererseits einen Rat der
Französischen Gemeinschaft (mit Vertretung aus
Brüssel).
Der Regionalrat der Hauptstadt Brüssel steht den
Kommissionen der Französischen und Flämischen
Gemeinschaft sowie den inter-ethnischen Gemeinschaftskommissionen
vor. In Belgien sind konsequent die politischen Elemente der
dezentralen Regionalisierung und der autonomen
Entscheidungskompetenz miteinander verbunden worden.
Mit Referenden haben die Bürger von Schottland (5
Millionen) und Wales (2,8 Millionen) eigene Parlamente und ein
Mindestmaß an Selbstverwaltung erhalten. Alan Campbell von
der schottischen Sprachbewegung ist seitdem optimistisch.
Während der Referendums-Kampagne hatten die "Scottish
Constitutional Convention'" (1989 von Labor und den
Liberaldemokraten gegründet) und die 20 Prozent starke
Schottische Nationalpartei SNP für eine Anerkennung des
Gälischen geworben.
Die gälische Sprache ist nun Verkehrssprache bei
Behörden, vor Gericht, in den Medien und im Erziehungswesen.
Allan Wynne vom walisischen EU-Büros für
Sprachminderheiten hofft, dass die walisische Autonomie auch neue
Impulse für die Sprachenförderung bringt. Im Parlament
werden beide Landessprachen gesprochen und die Parlamentsakte
zweisprachig verfasst. In Wales konnte die Spracherosion bereits
gestoppt werden. In einigen dünnbesiedelten Regionen im
Norden des Landes wird das Walisische von einer Mehrheit
gesprochen. Insgesamt liegt die Zahl der zweisprachigen Waliser
seit 1971 konstant bei 20 Prozent. Bei Jugendlichen unter 16
Jahren nahm sie aufgrund der zweisprachigen Schulen im
walisischen Westen, und im Norden sogar auf 25 Prozent zu. Auch
im englisch-dominierten Industriegürtel im Süden bieten
70 Schulen zweisprachigen Unterricht an.
Walisische Sprachpolitiker rechnen damit, daß die Zahl der
zweisprachigen Bürger von Wales deutlich über 20
Prozent steigen wird (mehr als 21.000 sprechen
ausschließlich, eine Million Walisisch und Englisch).
Unterstützt wurde diese Entwicklung durch das walisische
Sprachgesetz von 1993, das den Status des Walisischen als
gleichberechtigte Amtssprache in Lokalverwaltungen weitgehend auf
die zweisprachigen Regionen begrenzte. Das walisische Parlament
dehnte inzwischen die Zweisprachigkeit auf wesentliche Bereiche
aus, wie Staatsverwaltung, öffentliche Körperschaften,
Justiz und Bildungswesen. Die Mittel für die Förderung
des Walisischen wurden aufgestockt.
Durch den Dezentralisierungsprozess in Großbritannien gibt
es wieder Hoffnung für ein dauerhaftes Überleben der
gälischen Sprache auch in Schottland. Mit der Einrichtung
eines schottischen Parlaments, das seit Mai 1999 für innere
Belange Schottlands verantwortlich ist, ist die
gälischsprachige Bevölkerung viel näher an das
Machtzentrum heran gerückt. Die schottische Identität
gründet sich nicht primär auf die Sprache. Der
gälischen Sprachbewegung scheint eine aktive
Sprachförderung jedoch dringend nötig. Nach einigen
Jahrhunderten harscher Anglisierung ist die Zahl derer, die -
nach eigenen Angaben - Gälisch sprechen, auf 65.000 bzw. ein
Prozent der Bevölkerung zurückgegangen (im westlichen
Hochland, in den westlichen Küstenregionen Sutherland, Ross
& Cormarty, Inverness und Argyllshire sowie auf den
Hebriden). Nachdem Gälisch 1958 offiziell als
Unterrichtssprache an Primarschulen zugelassen wurde, wird es
heute an 2.000 Grundschulen und an 40 Sekundarschulen
unterrichtet. Anerkennung fordern inzwischen auch die 3,5
Millionen Schotten, die Lallans, einen englischen Dialekt,
sprechen. Ein Regierungsbericht bestätigt die große
Bedeutung des Lallans für Schottland.
Die Aktivitäten der gälischen Sprachbewegung sind auch
außerhalb des Gaidhealtachd, der gälischen
Sprachregionen, hörbar geworden. Inzwischen gibt es
regelmäßige Radio- und Fernsehsendungen bis hin zu
einer gälischen Seifenoper, die - englisch untertitelt - von
500 000 Schotten regelmäßig gesehen wird. In weiten
Teilen Schottlands wird Gälisch als Unterrichtsfach an
Grund- und Oberschulen angeboten, teilweise sogar
durchgängig als Unterrichtssprache eingesetzt.
Schließlich hat das gälischsprachige College auf Skye
Aufwertung erfahren, als es 1998 in die University of the
Highlands and Islands integriert wurde.
Von Beginn an ließ die schottische Regierung durch die
Ernennung eines (muttersprachlichen) Vizeministers für
Gälisch keinen Zweifel daran, dass die Sprache künftig
eine bedeutendere Rolle spielen sollte. Von großem
symbolischen Wert ist vor allem die Präsenz des
Gälischen im Schottischen Parlament. Neben der
vollständig zweisprachigen Beschilderung im Parlament ist
hier die Einrichtung eines gälischen Dienstes zu nennen, der
für gälischsprachige Broschüren, die Beantwortung
gälischer Anfragen o.ä. zuständig ist. Somit ist
Sprechern des Gälischen eines der sprachlichen Grundrechte,
die Kommunikation mit den Behörden in der Muttersprache,
gewährt worden.
Von noch größerer Bedeutung ist der Gebrauch des
Gälischen im Parlament und seinen Ausschüssen: Am 2.
März 2000 kam es zur ersten - simultan gedolmetschten -
gälischsprachigen Parlamentsdebatte seit dem 14. Jahrhundert
(damals war Gälisch endgültig von englischen Dialekten
als Herrschaftssprache verdrängt worden). Von besonderer
Wichtigkeit war zudem, dass auch von Nichtgälischsprechern
das Gälische als elementarer Bestandteil der allgemeinen
schottischen Kultur anerkannt wurde, und somit die Verantwortung
für die Unterstützung der Sprache allgemein angenommen
wurde.
Schulbildung ist der Kern der Bewahrung der
Sprache und steht somit im Zentrum der Aufmerksamkeit. So
erfährt der Gälischunterricht noch größere
Aufmerksamkeit durch verstärkte Finanzierung von Schulen,
Lehrerausbildung und Unterrichtsmaterialien. Im Bereich der
Medien und Kulturpflege wurde die finanzielle Unterstützung
ebenso erhöht wie der Austausch mit Sprachgemeinschaften des
irischen Gälisch in Irland. Die Benutzung der Sprache bei
den Behörden soll ebenfalls Teil der schottischen
Normalität werden. Von den Kernbereichen der Sprachpolitik
ist somit lediglich der Gebrauch des Gälischen im
Gerichtssaal noch nicht berücksichtigt. Es lässt sich
feststellen, dass die allgemeine Akzeptanz der Sprache als
schottisches Nationalerbe von elementarer Bedeutung ist. Die enge
Abstimmung mit Vertretern des Gälischen und die Planung des
ständigen Gälischkomitees zeigen zudem, dass die
Regierung gewillt ist, die Meinung der gälischen
Sprachgemeinschaft direkt in den Entscheidungsprozess
einfließen zu lassen.
Die Aland-Inseln liegen vor der Südwestküste
Finnlands. Seit dem Mittelalter gehören die Inseln zu
Finnland. Die schwedische Bevölkerung der Inseln erhielt
1921 eine weitgehende Autonomie. Etwa sechs Prozent der fünf
Millionen Staatsbürger Finnlands gehören der
schwedischen Minderheit an, die in der Inselrepublik und auf dem
finnischen Festland lebt. Das Selbstverwaltungsgesetz, das von
Finnland nicht einseitig verändert werden kann, wurde
zuletzt 1991 überarbeitet.
Die Selbstverwaltung der Inselprovinz basieren auf einer
völkerrechtlichen Verpflichtung Finnlands. Als das heute
gültige Selbstverwaltungsgesetz erarbeitet wurde, waren vor
allem die Prinzipien der Verteilung von Steuergeldern Gegenstand
der Diskussion. Denn da die Provinz Aland mehrere der Aufgaben
übernehmen sollte, die auf dem Festland dem Staat obliegen,
mußte sie mit den notwendigen Geldmitteln ausgestattet
werden. Man einigte sich auf einen Anteil von 0,45 Prozent des
Staatseinkommens, wobei das Gesetz die Möglichkeit
zuläßt, in besonderen Fallen davon abzuweichen.
Kompetenzen der Äland-Verwaltung
Das neue Gesetz hat die Selbstverwaltungsbefugnisse Alands
erweitert. Neue Zuständigkeitsbereiche sind Rundfunk und
Fernsehen, Archivverwaltung, Sozialhilfe und Denkmalschutz. Schon
früher hatte die Provinz eigene Briefmarken; nun liegt auch
die Postverwaltung in ihrer Kompetenz. Unverändert blieben
auch die Befugnisse der aländischen Behörden in der
Gesetzgebung: von ihr erlassene Gesetze und Verordnungen
unterliegen der Aufsicht des Staatspräsidenten, die
Durchführung obliegt den Provinzbehörden. Zu den
traditionellen Aufgabenbereichen gehören ferner das
Verwaltungsrecht, Schul- und Bildungswesen, Bauplanung und
Bauüberwachung und in weiten Teilen auch Gesundheitswesen
und Polizei. Steuerrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht
und Prozeßrecht verbleiben hingegen im staatlichen Bereich.
Eine eigene Kommunalverfassung regelt die Tätigkeit der
aländischen Kommunen.
Der Zweck der aländischen
Selbstverwaltung
Die aländische Selbstverwaltung hat zum Ziel, die
schwedische Sprache und Bildung zu schützen. Deshalb ist
Schwedisch die ausschließliche Amtssprache sämtlicher
Behörden auf den Inseln, sowohl der staatlichen als auch
derjenigen der Provinz. Alle aländischen Gesetze,
Verordnungen und anderen Dokumente erscheinen im schwedischen
Wortlaut. Gleiches gilt für Schriftwechsel zwischen
Aländern und ihren Behörden sowie aländischen
Behörden und dem finnischen Staat. Ein finnischer
Staatsbürger hat nur vor den staatlichen (finnischen)
Behörden der Inseln das Recht, die finnische Sprache zu
benutzen. Unterrichtssprache der Schulen ist Schwedisch.
Autonomie auch in der EU
Nur im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung diskutierte man
darüber, ob die Aland-Inseln auch auf dieser Ebene einen
Sonderstatus erhalten müssten. Zwar entscheidet die
finnische Regierung, sofern es in den Bereich der Gesetzgebung
hineinreicht auch das Parlament, über die Beziehungen
Finnlands zu ausländischen Staaten. Sobald von einer
Entscheidung in diesem Bereich auch das Selbstverwaltungsgesetz
der Aland-Inseln betroffen ist, muss der aländische Lagting
jedoch zustimmen. Mit Spannung wurde erwartet, ob es zu einer
Konstellation wie im Falle Dänemarks kommen würde, wo
das "Mutterland" Mitglied der EU ist, das autonome Grönland
jedoch nicht. Im Dezember 1994 akzeptierte der Lagting, daß
die EU-Konvention auch die Aland-Inseln betrifft, auch in den
Punkten, wo diese von den Bestimmungen des
Selbstbestimungsgesetzes abweicht. Dem Vertrag über den
Beitritt von Finnland, Norwegen, Schweden und Österreich
wurde ein entsprechendes Protokoll beigefügt, in dem die
Anwendung der europäischen Konvention auf die Aland-Inseln
geregelt wird. Die Privilegien der Aländer in den Bereichen
des Immobilienhandels sowie von Handel und Gewerbe blieben
bestehen.
1979 erhielt die Insel von Dänemark eine Autonomie, die
weiter reicht als die Selbstverwaltungsbefugnisse
europäischer Regionen. Die damalige EG hatte den Austritt
mit ihrem Griff nach Grönlands Fischbeständen
provoziert. Die Inuit beanspruchten nämlich die
Alleinverfugung über ihr Territorium und die Ressourcen,
inklusive der Küstengewässer. 55.400 Menschen leben auf
der knapp 2,2 Mio. qkm großen Insel. Die große
Mehrheit sind "Grönländer", Nachfahren aus Ehen
zwischen Inuit und Dänen, die sich selbst Inuit nennen. 20
Prozent der Bevölkerung sind Dänen. Das Inseldasein,
die Entfernung von 3 000 km zu Dänemark und die indigene
Bevölkerungsmehrheit machen die Autonomie Grönlands zu
einem Modellfall.
Die grönländische Regierung ist seit 1979
zuständig für die Verwaltung, für Steuer- und
Sozialpolitik, für Schul- und Ausbildungswesen, Kultur,
Gesundheitsfürsorge, Arbeitsmarktpolitik, Fischerei,
Landwirtschaft, Jagd, Natur- und Umweltschutz, Stadtplanung und
Verkehr. Sie hat auch die Königlich-Grönländische
Handelsgesellschaft mit 3 000 Arbeitnehmern übernommen. Die
KGH hatte früher das Außenhandelsmonopol,
kontrollierte den inländischen Handel und unterband jede
Privatinitiative. Besonders gedrängt haben die
Grönländer von Anfang an auf die Übertragung der
Zuständigkeit im Schulbereich. Lange wurden Inuit-Kinder in
Internate nach Dänemark verschickt und dort ihrer Kultur und
Sprache entfremdet. Das hat sich radikal geändert. Im
gesamten Bildungssystem gilt Kalaallit (Grönländisch)
heute als Unterrichtssprache, Dänisch als erste
Fremdsprache. Mit Hochdruck werden an der Lehrerbildungsanstalt
in Sisimiut Lehrer in Kalaallit ausgebildet.
Wer darf Grönlands Rohstoffe abbauen?
Nach langen schwierigen Verhandlungen einigten sich Dänen
und Grönländer darauf, dass in Rohstofffragen beide
Regierungen entscheiden sollen - mit gegenseitigem Vetorecht.
Dänemark überweist der ehemaligen Insel-Kolonie
jährlich an die 1,4 Milliarden Euro Förderungs- und
Entwicklungsgelder, die von den Grönländern als
Wiedergutmachung kolonialistischen Unrechts empfunden
werden.
Doch grönländische Politiker geben sich optimistisch.
Die Fischereiwirtschaft soll ausgebaut und modernisiert werden.
Bereits jetzt gehen 80 Prozent der Produktion in den Export. Seit
dem EG-Austritt haben sich die Beziehungen zwischen Grönland
und der EU verbessert. EU-Flotten dürfen eine vertraglich
festgelegte Menge an Fisch in grönländischen
Gewässern fangen. Im Gegenzug kann Grönland seine
Erträge zollfrei in der EU verkaufen. Für die an
EU-Flotten vergebenen Fischereirechte erhält Grönland
von Brüssel jährlich 140 Millionen Euro. Seit 1992 hat
Grönland in Brüssel ein Büro, um seine Interessen
direkt vertreten zu können.
Die dänische Wirtschaftspolitik in Grönland war ein
wichtiger Anstoß der Autonomiebewegung. 1972 beispielsweise
ließ Kopenhagen auf der Insel Disko ein Kohlebergwerk
schließen. 1 500 Menschen wurden aus- und umgesiedelt, nach
Nuuk, Grönlands Hauptstadt, und Ilulissat. Die
Übersiedlungshilfe kam auf Sperrkonten. Die Inuit galten als
unmündig. Die dänische Regierung hatte damals weder die
Betroffenen, noch die lokalen Behörden gefragt.
Grönland steckt voller mineralischer Rohstoffe. Neben Blei
und Zink, Kohle und Uran, sind die Rohstoffkonzerne aus
Nordamerika und der EU auf die Erdölvorkommen an der
grönländischen Ostküste erpicht. Ausgebeutet
wurden sie bislang nicht, denn die Kosten wären astronomisch
hoch. Die grönländische Regierung will mit intensivem
Rohstoffabbau ohnehin warten, bis umweltfreundlichere
Technologien entwickelt sind.
Immer noch Teil Dänemarks
Kopenhagen hat die Kontrolle über Grönland nicht
vollständig aufgegeben. Ein Hoher Kommissar überwacht
als dänischer Staatshalter die autonome Insel. Er
überprüft die grönländischen Landesgesetze
auf ihre Abstimmung auf dänische Vorgaben. Trotz
vielfältiger Einschränkung der Insel-Autonomie hat die
grönländische Selbstverwaltung Modellcharakter. Sie
entstand im Dialog zwischen der dänischen Regierung und der
Autonomiebewegung und verschaffte den Inuit ein hohes Maß
an Selbstbestimmung.
Die Regionen fordern eine Ergänzung der bislang
zweistufigen Ordnung der EU - die Regionen sollen die
eigenständigen dritte Ebene werden. Der Ausschuss der
Regionen wurde von der EU aufgefordert, zur Stärkung der
Legitimität der EU von unten beizutragen. Das
Europäische Parlament appellierte in seiner Charta der
Regionalisierung an die Nationalstaaten, die sub-nationale Ebene
zu stärken. Das EU-Parlament verlangt einen gemeinsamen
rechtlichen Status der regionalen Gebietskörperschaften und
eine entsprechende Anpassung der "Verfassungs"-Ordnung der
Europäischen Union an die regionalen Gegebenheiten.
Bereits jetzt können die Regionen über den Ausschuss
der Regionen ihre Interessen einbringen. Dazu gehört
insbesondere
- dass sie an der Behandlung von Angelegenheiten der EU im
nationalen Rahmen mitwirken und ihre entsprechenden Rechte
verstärken;
- dass sie ihre eigenständigen Aktivitäten
gegenüber den Organen der EU fortsetzen und
verstärken;
- dass sie von den in Artikel 146 des EG-Vertrags vorgesehenen
Möglichkeiten Gebrauch machen;
- dass sie die neue Institution AdR nutzen und sich um ihre
Aufwertung und Stärkung bemühen;
- dass sie nicht zuletzt auch ihren Verbands-Zusammenhalt,
insbesondere im Rahmen der Versammlung der Regionen Europas,
stärken und verbessern.
Der AdR verlangt das Klagerecht vor dem Europäischen
Gerichtshof, die Erweiterung seiner beratenden Befugnisse, die
Anerkennung des Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis
zwischen Union und Regionen. Europäische Regionalpolitiker
drängen auf eine Gleichberechtigung des AdR mit dem Rat und
dem Europäischen Parlament. Der Ausschuss versteht sich
nicht als Forum zur Formulierung von Sonderinteressen einzelner
Regionen, sondern als regionale Gebietskörperschaft, die
weitgehend einvernehmlich übergeordnete gemeinsame Interesse
in die EU einbringt. Der AdR sieht sich in festen
Kooperationsbeziehungen mit anderen Organen der Union, vorrangig
Kommission und Europäischem Parlament. Die Kommission hat
insbesondere bei Fragen der Strukturpolitik und des Einsatzes der
entsprechenden Fonds ein starkes Interesse an aktiver Mitwirkung
der Regionen. Die EU-Kommission setzt besonders bei der
Durchführung strukturpolitischer Maßnahmen auf das
Prinzip der "Partnerschaft". Die große Chance der Regionen,
die sie nutzen wollen.
Quelle: betrifft: Das Europa der Regionen -
Rudolf Hrbek/Sabine Weyand (Beck'sche Reihe)
Links-Infos zum Thema:
Versammlung der Regionen Europas: www.a-e-r.org/index-D.html
und
www.eblida.org/lobby/lobbying/gats/Brixen%20Declaration-D.pdf
Rat der Gemeinden und Regionen Europas: www.rgre.de/
LACE: www.esprid.org/details.asp?resid=169
Europäischer Fonds für regionale Entwicklung: europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l60015.htm
Materialiensammlung zu Europa der Regionen der Universität
Mannheim:
www.uni-mannheim.de/mateo/verlag/reports/otteu/otteuro.htm
Materialien zu Europa der Regionen der Universität Marburg:
geogate.geographie.uni-marburg.de/parser/parser.php?file=/deuframat/deutsch/6/6_1/ott/start.htm
Vertrag über die Europäische Union: europa.eu.int/abc/obj/treaties/de/detoc01.htm
und: ue.eu.int/cms3_fo/showPage.ASP?lang=de,
www.dadalos-d.org/europa/materialien/begriffe_i-m.htm
EU-Ausschuß der Regionen: www.cor.eu.int/de/prss/cprss2003/cor_03_07064.html,
www.cor.eu.int/,
www.europa-web.de/europa/03euinf/10counc/ausregio.htm, www.thueringen.de/de/tsk/tskb/ausschuss/,
www2.jura.uni-halle.de/vwronline/INFO_PORTAL_OEFFENTLICHES_RECHT.HTM,
www.gfbv.it/3dossier/eu-min/conseu-en.html
EU-Regionalpolitik: www.zei.de/download/zei_dp/dp_c134_gross.pdf
Zentrum für europäische Integrationsforschung: www.zei.de/
Katalanische Regionalregierung: www.gencat.net/
Regionalregierung der Balearen: www.caib.es/pidip/guia/index.de.jsp?codi=33
Baskische Regionalregierung: www.euskadi.net/home/menu800_i.htm
Galicisische Regionalregierung: www.euskadi.net/home/menu800_i.htm
Autonome Region Valencia: www.gva.es/
Schottische Regionalregierung: www.scotland.gov.uk/Home
Walisische Regionalregierung: www.wales.gov.uk/index.htm
Autonome Region Aaland: www.aland.fi/
Belgische Föderalregierung:
www.belgium.be/eportal/application?pageid=aboutBelgium
Schweizer Eidgenossenschaft:
www.admin.ch/ch/d/sr/101/ und http://www.admin.ch/
Autonome Region Aosta: www.regione.vda.it/
Autonome Region Friaul-Julisch-Venetien: www.regione.fvg.it/welcome.asp
Autonome Region Sardinien: www.regione.sardegna.it/
Autonome Provinz Bozen/Südtirol: www.provinz.bz.it/aprov/suedtirol/themen.htm
EU und Regionen: www.aillyacum.de/Dt/Wahlen-Europa/FAQ.html
Europarat: www.coe.int/T/D/Com/Europarat_kurz/
Europarat und Autonomie: www.andigross.ch/html/auton_coe.pdf