Von Thomas Benedikter. Übersetzung von Alexandra Eckert.
Bozen, 19. Juni 2006
Inhalt
Kapitel 1 - Allgemeine Einführung
1.1 Warum territoriale Autonomie? | 1.2 Ein "Recht auf
Autonomie"? | 1.3 Das Konzept der Autonomie | 1.4 Autonomie in
einer historischen Perspektive
Kapitel 2 - Autonomien in Europa
2.1 Die Aland Inseln (Finnland) | 2.2 Die Färöer Inseln
and Grönland (Dänemark) | 2.3 Der spanische Staat der
autonomen Gemeinschaften: der Fall des Baskenlandes | 2.4
Dezentralisierung in Großbritannien: das Beispiel
Schottlands | 2.5 Italiens Regionen mit einem speziellen
Autonomiestatut: der Fall Südtirol | 2.6 Portugals autonome
Inseln: die Azoren und Madeira | 2.7 Die Deutschsprachige
Gemeinschaft in Belgien | 2.8 Gagausien: eine autonome Region
Moldawiens | 2.9 Autonomie in der Russischen Föderation: die
Republik Tatarstan | 2.10 Die autonome Republik Krim
(Ukraine)
Kapitel 3 - Vergleich der europäischen
Autonomiegebiete
3.1 Allgemeine Bemerkungen | 3.2 Politische Repräsentanz |
3.3 Legislativ- und Exekutivkräfte | 3.4 Vertiefungs- und
Revisionsvorgänge | 3.5 Finanzregulierungen | 3.6 Formen der
regionalen Staatsangehörigkeit | 3.7 Sprachpolitik | 3.8
Gemeinschaftliche Strukturen und innere Gewaltenteilung | 3.9
Kontrolle der wirtschaftlichen Ressourcen einer Region | 3.10
Abschließende Bemerkungen
Kapitel 4 - Erkenntnisse aus den
Autonomie-Erfahrungen in Europa
4.1 Konfliktlösung durch territoriale Autonomie? | 4.2
Welche Lehren können aus den jeweiligen territorialen
Autonomien gezogen werden?
1.1. Warum territoriale Autonomie? [ top ]
Im 19. Jahrhundert wurde von den europäischen
Nationalstaatbegründern das Ideal "eine Nation - ein Staat"
propagiert. Jedoch wurde dieses Ideal in nahezu keinem dieser
Staaten bisher verwirklicht. In allen europäischen Staaten,
mit Ausnahme einiger Kleinstaaten, sind nationale Minderheiten
anzutreffen. Die überwältigende Mehrheit der Staaten
setzt sich aus einer Bevölkerungsmehrheit, der sogenannten
"Titularnation", und zusätzlich 3 bis 45 nationalen
Minderheiten zusammen. Im Allgemeinen leben die meisten
nationalen oder ethnischen Minderheiten in ihrer traditionellen
Heimat. Aufgrund historischer Entwicklungen fanden sich diese
Minderheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer
größeren "Titularnation" eingeschlossen. Letztere
charakterisiert eine nationale Mehrheit, die normalerweise eine
kulturelle Vorherrschaft aufgrund ihrer Überzahl sowie ihres
wirtschaftlichen, politischen und sozialen Einflusses
ausübt. Ethnische Minderheiten sind strukturell
benachteiligt und werden häufig von politischer Macht
ausgeschlossen. Wie kann das Gleichgewicht wieder hergestellt
werden? Sind Antidiskriminierungsmaßnahmen ausreichend? Wie
kann Chancengleichheit sichergestellt werden?
Dem Ungleichgewicht zwischen der staatlichen Mehrheit und den
ethnischen Minderheiten kann entgegengewirkt werden, indem man
die Minderheitengruppe mit den notwendigen Machtbefugnissen
innerhalb ihrer Region ausstattet. Hierbei soll das kulturelle
Weiterbestehen gesichert und die Gemeinschaftsrechte
geschützt werden. Das ist der erste Schritt zum Erlangen von
territorialer Autonomie. In der Theorie leitet sich das Konzept
der Autonomie von der Existenz und der Anerkennung ethnischer und
nationaler Volksgruppen, welche Subjekte des Gemeinschaftsrechts
sind, ab. In der Nachkriegszeit wurde vom UN-Menschenrechtssystem
besonderes Augenmerk auf die individuelle Dimension der
Menschenrechte gelegt, um sie als universelle Standards zu
etablieren. Jedoch änderte sich dies bereits kurz nach der
Entkolonisierungsphase sowie nach dem Zusammenbruch des
Sowjet-Blocks. Angesichts der wachsenden Anzahl von
staatsinternen Konflikten, welche durch die Nichtachtung des
Gemeinschaftsrechts verursacht wurden, widmete sich die
internationale Gemeinschaft wieder der gemeinschaftlichen
Komponente der Minderheitenrechte. Minderheitenrechte stellen den
Teil der grundlegenden Menschenrechte dar, welcher die
menschliche Würde gegenüber dem Staat verteidigt.
Verglichen mit den klassischen individuellen Menschenrechten gibt
es jedoch spezifische Minderheitenrechte, welche per Definition
nur gemeinschaftlich ausgeführt werden können (z.B.
religiöse Aktivitäten, kulturelle bzw.
Bildungseinrichtungen, Sprachgebrauch in der Öffentlichkeit
usw.).
Autonomie als eine Kompromisslösung, räumt die
Möglichkeit der vertikalen Gewaltenteilung zwischen dem
Zentralstaat und den nationalen Minderheiten im Bereich der
Legislative sowohl als auch im Bereich der Exekutive ein, wobei
zum einen die Staatsintegrität sowie die
Staatssouveränität erhalten bleiben, und zum anderen
die Möglichkeit der Selbstregierung für die
Minderheitengruppe auf ihrem spezifischen Gebiet sichergestellt
wird. Die derzeitige Relevanz der Autonomiethematik muss daher
von zwei Perspektiven betrachtet werden: einerseits als ein
effizientes Mittel der Konfliktprävention sowie der
Konfliktlösung durch die Anpassung der Grundbedürfnisse
der nationalen Minderheiten an die gegebenen Staatsvorgaben, und
andererseits als das Recht der nationalen bzw. ethnischen
Minderheiten völkerrechtlich anerkannt zu werden.
Autonomieansprüche bleiben eine ernste Thematik sowohl
für die "alten" Demokratien Westeuropas bzw. der EU, als
auch für die "jüngeren" Demokratien, welche mit dem
Zusammenbruch des Ostblocks in den 90iger Jahren entstanden sind.
Im Gegensatz zu Asien und den beiden Amerikas wird
Territorialautonomie weit weniger als ein Recht der indigenen
Bevölkerung verstanden. Beispielsweise erkennen nur die
skandinavischen Länder die Existenz einer indigenen
Bevölkerungsgruppe, der sogenannten Sami, auf ihrem Gebiet
an.
Welcher ist nun der nachhaltigste Weg, um ethnische Konflikte zu
lösen? Die "Realisten" behaupten, dass Gebietsaufteilung und
institutionelle Trennung optimal wären. Auf der anderen
Seite schlagen die "Idealisten" die Erschaffung einer
multiethnischen Gesellschaft vor, die auf Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechts- sowie Minderheitenschutz
basieren soll. Hierbei ist beiden Schulen das wachsende Interesse
an den Formen der territorialen und kulturellen Autonomie, als
ein Mittel um ethnische Konflikte zu lösen und zu managen,
gemeinsam. Daraus folgt, dass territoriale Autonomie als eines
der fortschrittlichsten Projekte des Minderheitenschutzes
angesehen wird. In der Tat kommt es der Unabhängigkeit sehr
nahe. Mit anderen Worten, es werden die grundlegenden Rechte der
nationalen Minderheiten berücksichtigt, so dass sie
zumindest eine interne Selbstbestimmung erfahren können,
ohne die Grenzen bzw. die Integrität des Staates, in dem sie
sich befinden, zu verändern. Innerhalb einer bestimmten
Region hat die Autonomie eine sehr entscheidende Bedeutung sowohl
für die Beziehungen ethnischer Gruppen untereinander, als
auch für den internen Verfahrensablauf: Autonomie muss in
diesem Sinn vielmehr als ein dynamischer Prozess verstanden
werden. Bevor nun zehn repräsentative Beispiele für
Autonomien in Europa vorgestellt werden, soll an dieser Stelle
die Beziehung zwischen Minderheitenschutz und Autonomie
hervorgehoben werden.
1.2 Ein "Recht auf Autonomie"? [ top ]
Nach völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen
Bestimmungen ist die Diskriminierung einer Person aufgrund ihres
Geschlechts sowie ihrer religiösen, ethnischen, kulturellen
und sprachlichen Zugehörigkeit generell verboten. In den
meisten Fällen richten sich die Diskriminierungen gegen
Mitglieder einer bestimmten Gruppe, wobei dies in Europa,
verglichen mit asiatischen Ländern, weniger aufgrund
religiöser und ethnischer Zugehörigkeit geschieht.
Folglich kann ein Mitglied einer nationalen Minderheit sein
Recht, gegen Diskriminierung geschützt zu werden, geltend
machen. Jedoch ist es nicht ausreichend, wenn nur "normale
Gleichheit" garantiert wird, da nationale und ethnische
Minderheiten in der Regel strukturell benachteiligt sind. Der
Staat muss effektive Gleichheit sicherstellen und darüber
hinaus positive Maßnahmen ergreifen, um die Kultur der
Minderheit und deren Gruppenrechte zu fördern und zu
schützen. Nationale Minderheiten können ihre Rechte nur
dann wahrnehmen, wenn der Staat ihnen mit seinen
öffentlichen Institutionen und Dienstleistungen aktiv
beisteht. Ethnische Gemeinschaften benötigen ein spezielles
juristisches und politisches Gerüst - z.B. kann die
Minderheit Verantwortung sowohl für ihr eigenes kulturelles
Weiterbestehen sowie ihre eigenständige kulturelle
Weiterentwicklung, als auch für das der gesamten
Gebietsgemeinschaft, übernehmen. Weiterhin werden spezielle
Vorrichtungen bezüglich der politischen Partizipation
benötigt, um die nationale Minderheit auf gleiche Ebene mit
der nationalen Mehrheit zu stellen. Es wurde weithin anerkannt,
dass ein rein auf individuellen Rechten basierender
Minderheitenschutz nicht ausreicht.
Gemeinschaftsrecht bedeutet völkerrechtlich gesehen, dass
eine Gruppe als Rechtssubjekt anerkannt wird. Die Rechte beziehen
sich auf die Minderheit in ihrer Gesamtheit, und somit nicht nur
auf die einzelnen Mitglieder. Hierbei ist das Gemeinschaftsrecht
mehr als nur die Summe der individuellen Rechte. Über das
fundamentale Ziel des Minderheitenschutzes - die
Gewährleistung derselben Menschenrechte, die der
Titularnation zustehen - hinaus, stehen drei weitere Ziele auf
der Agenda: Konfliktprävention, die Erhaltung der
kulturellen Gruppenidentität und der gegenseitig
bereichernde Austausch.
Der klassische Minderheitenschutz ist beispielsweise eine
Kombination aus Kollektiv- und Gruppenrechten. Ein Mitglied einer
nationalen Minderheit kann seine Identität nur dann
beibehalten, wenn dessen Gruppe die Möglichkeit hat zu
bestehen und sich zu entwickeln. Andererseits können
individuelle Rechte im Gemeinschaftsrecht mit inbegriffen sein,
und somit von diesen nicht verletzt werden. Das Konzept des
Gemeinschaftsrechts hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten
verändert. Dies wird am Beispiel der Erklärung der
Uno-Generalversammlung vom 18. Dezember 1992 "über die
Rechte von Personen, die nationalen, ethnischen, religiösen
oder sprachlichen Minderheiten angehören" deutlich. Auch
wenn diese Erklärung in noch keinem internationalen Abkommen
über Minderheitenschutz festgehalten wurde, beginnt die
internationale Gemeinschaft diese allmählich
anzuerkennen.
Die Mehrzahl der nationalen Minderheitenrechte in Europa nehmen
die Form von konstitutionellen, nationalen oder regionalen
Gesetzen, den internationalen Konventionen, Rechtsakten oder
bilateralen Verträgen entsprechend, an. Die komplexe
Gesamtheit der Minderheitenrechte [ 1 ] war ausschlaggebend für die
Anerkennung ethnischer und nationaler Minderheiten, deren
Sprachen, Kulturen, Traditionen usw., und darüber hinaus
für die Steigerung ihrer gemeinschaftlichen Identität.
Jedoch konnten diese allgemeinen nationalen und regionalen
Gesetze eine weitere Notwendigkeit bzw. Forderung nicht
erfüllen: die der Selbstregierung auf eigenem Gebiet. Es
kann nicht geleugnet werden, dass die Identitätsfrage seit
jeher stark mit dem Gebiet, das von den nationalen Minderheiten
bewohnt wird, verbunden ist. Der Minderheitenschutz muss, bei
differenzierter Betrachtung von persönlicher und kultureller
Autonomie, auf einen exakten geographischen und kulturellen Raum
bezogen und ausgeführt werden. Die traditionelle
Minderheitenproblematik in Europa unterscheidet sich
weitestgehend von den jüngeren Migrationsströme der
letzten Jahrzehnte, da sie - wie auf den meisten anderen
Kontinenten - mit der Identität einer Gemeinschaft verbunden
ist, welche auf dem historisch bewohnten Gebiet gewachsen ist,
und diese Gemeinschaft somit Teil eines Staates mit einer
ethnisch-kulturellen Mehrheit wurde. Dies ist der Beginn der Idee
einer Territorialautonomie.
Jedoch wird den ethnischen Minderheiten von keiner
internationalen Konvention solch ein "Autonomierecht" oder ein
"Recht zur Selbstbestimmung" gewährleistet. Ganz im
Gegenteil wird politische Autonomie weiterhin von vielen Staaten
als der erste Schritt zur Selbstbestimmung und zur Sezession
angesehen. Die Realität zeigt jedoch anhand einiger
historischer Beispiele von Territorialautonomie, dass dieses
Konzept ein effizientes Mittel zur Konfliktlösung, aber auch
zur Verhinderung der Sezession, sein kann. Mit anderen Worten:
Die Verweigerung der Autonomie hat innerhalb des letzten
Jahrhunderts einige kritische Eskalationen des
Minderheitenkonflikts hervorgerufen, was gelegentlich zu
Unabhängigkeitsforderungen und gewalttätigen
Widerständen (z.B. im Baskenland, in Nordirland, in
Südtirol, auf Korsika oder bei den Albanern in Mazedonien)
und faktischen Sezessionen (z.B. bei den Albanern im Kosovo, bei
den Russen in Transnistrien, bei den Abchasen und Südosseten
in Georgien, bei den Türken in Zypern, bei den Tschetschenen
in Russland) führte. Die Errichtung einer
Territorialautonomie hat es den Konfliktparteien dagegen
ermöglicht, einen Kompromiss bezüglich der
Gewaltenteilung im eigenen Land zu schließen. Autonomie
kann beide Positionen geltend machen, indem die territoriale
Integrität beibehalten wird, und den Minderheiten ein hoher
Grad an "interner Selbstbestimmung" gewährleistet wird.
Aufgrund dieser allgemeinen Verbindung zu den fundamentalen
Rechten, lehnen viele Staaten die Autonomie, als einen ersten
Schritt zur Destabilisierung und Sezession, ab.
Bedauerlicherweise gibt es heutzutage weder ein Autonomierecht
noch die Pflicht, dieses zu gewährleisten.
Wie wurden also die europäischen Autonomien verwirklicht?
Wie funktionieren sie und inwiefern können sie zur
Lösung der Konflikte zwischen den Zentralstaaten und den
betreffenden nationalen Minderheiten beitragen? Wie wurde der
innere Konflikt zwischen den verschiedenen, im selben
Autonomiegebiet lebenden, ethnischen Gruppen beigelegt? Waren
diese Autonomiemodelle erfolgreich - wenn ja, warum? Bevor nun
dazu übergegangen wird, die einzelnen Beispiele aufzuzeigen,
soll an dieser Stelle das Konzept der Autonomie samt der vielen,
das Konzept umgebenden, Schwierigkeiten, sowie die internationale
Anwendung des Autonomiekonzepts, näher erläutert
werden.
1.3 Das Konzept der Autonomie [ top ]
In der allgemeinen Rechtssprache bedeutet Autonomie soviel wie
"Selbst-Regierung" oder "Selbst-Regulierung". Dieses Konzept ist
jedoch im allgemeinen politischen Diskurs stark mehrdeutig und
folglich problematisch, so dass sogar Akademiker uneinig
über die genaue Bedeutung von Autonomie, welche sich
eindeutig von verwandten Begriffen wie z.B. Föderalismus,
Dezentralisierung und Regionalisierung unterscheidet, sind.
Völkerrechtlich gesehen besitzt der Begriff Autonomie keine
allgemein akzeptierte Definition. Viele Anwendungsbeispiele der
Autonomie bzw. der Selbst-Regierung lassen keine, auf jegliche
Fälle zutreffende, strikte Definition zu. Der Begriff
Autonomie leitet sich von zwei Wörtern griechischen
Ursprungs ab: "auto" bedeutet "selbst", und "nomos", dass soviel
wie "Gesetz" oder "Herrschaft" bedeutet. Sich seine eigenen
Gesetze zu machen, ist demzufolge die grundlegende Bedeutung von
"Autonomie", wohingegen eine rein örtliche Selbst-Verwaltung
es nicht verdient als "Autonomie" bezeichnet zu werden.
Vom Gesichtspunkt der Minderheitenrechte ist Autonomie
bezeichnend für eine "eingeschränkte
Selbst-Regulierung", welche von Selbst-Regierung in
beschränkten Bereichen bis hin zur vollen, an
Unabhängigkeit grenzende, Selbst-Regulierung variieren kann.
Eine bestimmte autonome Einheit kann unterschiedliche Grade von
Autonomie im politischen Entscheidungsprozess innehaben. In den
meisten Fällen sind autonome Gebiete einzelne Regionen eines
Staates, die sich durch ethnische oder kulturelle
Unterscheidungsmerkmale abheben, und denen eigenständige
Befugnisse in Bezug auf interne Gesetzgebung und Verwaltung, ohne
dass sie sich vom Staat abspalten, gewährt wurden. Die
zentralen Gewalten können, müssen aber nicht,
international dazu verpflichtet werden, diesen Status zu
gewährleisten. In der Regel stellen autonome Gebiete keine
international anerkannte Einheit dar, und können somit
völkerrechtlich nicht als juristischer Person behandelt
werden. Autonomie kann als ein Mittel der Gewaltenteilung
verstanden werden, welches die Einheit des Staates unter
Respektierung der Unterschiede innerhalb der Bevölkerung,
zum Ziele hat [ 2
]. Zur Definition des Staates gehören drei klassische
Elemente: das Staatsgebiet, das Staatsvolk (d.h. die Bewohner des
Staatsgebiets), und die Ausübung der Staatsgewalt (begrenzt
auf das Staatsgebiet). Autonomie bedeutet demzufolge, dass so
viele Befugnisse wie möglich auf ein bestimmtes Gebiet
übertragen werden, so dass dessen Bevölkerung die
Möglichkeit der Selbst-Regierung erlangt, und die
übrigen Kompetenzen beim Zentralstaat bleiben.
Es sollte zwischen allgemeiner bzw. politischer Autonomie und
kultureller Autonomie unterschieden werden. Während die
erste Form generell als Antwort auf Forderungen bezüglich
politischer Selbst-Verwaltung oder Selbst-Regierung verstanden
wird, soll letztere es den ethnischen oder kulturellen
Minderheitengemeinschaften ermöglichen, dass deren
Gebräuche, Praktiken, Sprache, Religion, Sozialstrukturen
vor den Eingriffen seitens der Zentralregierung bewahrt
werden.
Territorialautonomie im eigentlichen Sinne umfasst nicht nur die
Verwaltung der örtlichen Körperschaften, sondern
erfordert auch die Existenz einer örtlich gewählten
Rechtssprechung, die zumindest minimale Befugnisse der
Gesetzgebung auf einigen grundlegenden Bereichen besitzen sollte,
und darüber hinaus eine gewählte Exekutive, welche die
Gesetzgebung innerhalb des autonomen Gebiets ausführt. In
der Praxis ist nicht jede Art der Autonomie mit dem Kriterium der
"demokratisch gewählten autonomen Körperschaften"
vereinbar, insbesondere wenn die betroffene Region Teil eines
nicht-demokratischen Staates ist. Trotzdem sollte der
örtlichen Bevölkerung und den nationalen Minderheiten
die Teilnahme an der Führung ihrer Gebietsangelegenheiten
gestattet werden, auch wenn die "Autonomie" im eigentlichen Sinne
(demokratische Gesetzgebung nicht erlaubt ist) nicht
ausführbar ist. In diesen Fällen spricht man von
"autonomieähnlichen Vereinbarung", wie dies z. B. in China
der Fall ist. Nach Ruth Lapidoth und Christoph Pan/Beate S. Pfeil
[ 3 ] können
drei Arten der Autonomie unterschieden werden:
1.4 Autonomie in einer historischen Perspektive [ 5 ] [ top ]
Seit etwa dem 16. Jahrhundert wurden verschiedene Formen von
religiöser Autonomie für bestimmte Minderheitengruppen,
wie beispielsweise die Protestanten in katholischen Gegenden, die
Juden in verschiedenen Ländern, Muslime in christlichen
Gebieten sowie katholische und orthodoxe Christen im muslimisch
geprägten Osmanischen Reich, sanktioniert. Das letztere
System religiöser und kultureller Identität, das
sogenannte Millet-System wurde während der osmanischen
Herrschaft eingeführt und bestand bis 1918. Dieses System
erlaubte es den Juden und Christen des Osmanischen Reiches ihre
eigenen Gesetze und Traditionen zu bewahren, eigene Gerichte zu
führen, eigene Schulen zu leiten und Steuern von den
Mitgliedern der Gemeinschaft einzutreiben. Die Abschaffung dieser
Millets und die zunehmende Unterdrückung ethnischer und
religiöser Minderheiten trug unweigerlich zur Ablehnung der
islamischen Herrscher durch die örtlichen
Bevölkerungsgruppen auf dem Balkan bei.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in
verschiedenen Fällen Autonomien errichtet, um politische
Konflikte einzudämmen, welche durch die territorialen
Anpassungsmaßnahmen nach Ende des ersten Weltkrieges
entflammten. Einigen nationalen Minderheiten in Zentral- und
Mitteleuropa wurde von den Siegermächten des Ersten
Weltkrieges eine Territorialautonomie anstelle von
Selbstbestimmung zugesprochen. Beispiele dafür sind u.a. die
Freie Stadt Danzig sowie das Memelgebiet. Im Großen und
Ganzen waren die angewandten Lösungen jedoch unzureichend
und unangebracht, da sie letztendlich als Vorwand zur
Wiederaufrüstung für nationalistische Nachbarstaaten
wie z.B. Nazideutschland dienten.
Die Atmosphäre der Nachkriegszeit und des
anschließenden Kalten Krieges bereiteten einer breiten
politischen Diskussion zum Thema Autonomie Schwierigkeiten.
Obwohl das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Volkes als ein
fundamentaler Bestandteil des Völkerrechts in der UN-Charta
(1948) sowie im UN-Pakt über bürgerliche und politische
Rechte (ICCPR 1966) festgehalten wurde, blieb dessen Anwendung
jedoch auf die von den klassischen Kolonialmächten (was die
neueren Formen des Kolonialismus der Entwicklungsländer
ausschließt) kolonisierten Völker beschränkt,
wobei den nationalen Minderheiten und indigene Völker
innerhalb der unhabhängigen Staaten die Inanspruchnahme des
Selbstbestimmungsrechts vorenthalten wurden.
Autonomie als ein Gruppenrecht wurde in Europa mehr als eine
Bedrohung für bereits bestehende Staaten empfunden, wobei
die meisten (mit Ausnahme der Schweiz, Belgiens und seit kurzem
auch Bosnien-Herzegowina) auf der historisch gewachsenen Idee des
Nationalstaates basieren. Angesichts der mehr als hundert
nationalen Minderheiten wurde das gemeinschaftliche Recht auf
Autonomie jedoch eher als Einladung zur Aufspaltung existierender
Staatsstrukturen anstelle eines Ersatzes der Eigenstaatlichkeit
bzw. als Mittel zur internen Selbstbestimmung verstanden.
Ebenso wie Afrika und Asien, stellt Europa ein komplexes Mosaik
ethnischer, kultureller und linguistischer Vielfalt dar, was
darin zum Ausdruck kommt, dass es viele verschiedene Volksgruppen
(vgl. auch Aufsatz I über Minderheitenrechte dieses Bandes)
mit jeweils unterschiedlichen Sehnsüchten gibt. Viele von
ihnen mussten um ihr kulturelles Weiterbestehen als kulturelle
Gemeinschaft mit einer eigenen Gruppenidentität
kämpfen. Ein allgemeiner politischer Ansatz, der all diese
Ansprüche befriedigen konnte, war zu der damaligen Zeit
nicht absehbar, jedoch hätten zahlreiche Konflikte
gelöst werden können, hätte es ein klares,
international anerkanntes Fundament für Minderheitenrechte
und Autonomien gegeben. Nichtsdestotrotz haben einige Staaten
Nord- und Westeuropas einen Weg gefunden, der eine Politik der
Anerkennung und des Schutzes nationaler Minderheiten durch
verfassungsrechtliche Vereinbarungen sowie durch eine spezielle
nationale Gesetzgebung möglicht macht. Ein steigender Trend
in Richtung Regionalisierung von Staatsstrukturen (z.B. in
Italien, Frankreich, Spanien) sowie Dezentralisierung (z.B. in
Großbritannien) gewährte den nationalen Minderheiten
mehr kulturelle Rechte. Spezielle Autonomieformen wurden,
zusätzlich zu Europas ältestem Autonomiegebiet der
Aland Inseln in Finnland, in Italien und Dänemark errichtet.
Am Beispiel von Belgien wurde gezeigt, wie ein ehemals
unitärer und zentralisierter Staat sich schrittweise zu
einem föderalen Staat, der seinen drei verschiedenen
historischen Sprachgruppen, den Flamen (Niederländern), den
Wallonen (französischsprechende Bevölkerung) und den
Deutschsprachigen, kulturelle und sprachliche Autonomie
gewährleistet.
Um dem starken politischen Verlangen der kleineren
geschichtlichen Volksgruppen entgegenzukommen, erkannte Spanien
das "Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen,
aus denen das Königreich Spanien sich zusammensetzt" in
Artikel 2 der Verfassung von 1978 an. Folglich hat sich Spanien
innerhalb der letzten Jahrzehnte von einem stark zentralisierten
Staat unter dem Franco-Regime in einen heute nahezu
föderalen Staat gewandelt. Dieser Wandel bewahrte das Land
vor einer Eskalation der sezessionistischen Bestrebungen,
insbesondere die des Baskenlandes sowie Kataloniens. Das
britische Nordirland musste bis 1998 warten, bis eine geeignete,
international anerkannte Lösung gefunden wurde, bei der die
meisten Regierungsbefugnisse an Belfast übertragen wurden.
Nordirland ist stellvertretendes Beispiel für eine stark
getrennte Gesellschaft mit einer langen Geschichte der
Diskriminierung, der Entbehrungen und des Ausschlusses einer
Gemeinschaft - der katholischen - von politischer Macht. In
Frankreich wurden die Forderungen verschiedener nationaler
Minderheiten nach einem Mindestmaß an kultureller
Autonomie, wie beispielsweise die der Korsen, der Bretonen, der
Basken sowie die der Elsässer, hartnäckig abgelehnt,
mit der Begründung, dass die französische Verfassung
keine weitere Nationalität neben der französischen
anerkenne.
Italien ist laut der Verfassung von 1948 ein Regionalstaat, in
dem, aufgrund von historischen Gegebenheiten, zusätzlich 5
autonome Regionen eingerichtet wurden, um den jeweiligen
nationalen Minderheiten (im Aostatal, in Südtirol, auf
Sardinien und in Friaul) sowie einer starken nationalistischen
Bewegung (wie auf Sizilien) entgegenzukommen. Trotzdem dauerte es
noch 25 Jahre, bis diese komplexe Struktur wirksam wurde, somit
konnten sichtbare Ergebnisse erst seit den 70iger Jahren erzielt
werden. Während der 90iger Jahre, nachdem das ehemalige
Jugoslawien auseinanderbrach, erreichte die europäische
Minderheitenfrage einen kritischen Höhepunkt. Die daraufhin
folgende Serie von Sezessionen und militärischen
Widerständen seitens der ethnischen Minderheiten und die
gegen sie gerichteten "ethnischen Säuberungen" forderten ca.
200.000 Leben und ca. 2 Millionen Vertriebene und
Flüchtlinge während der vier Balkankriege (Kroatien,
Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien).
In vielen Ländern Osteuropas diente die andauernde
Unterdrückung und Verfolgung der ethnisch-sprachlichen
Minderheiten als Zündstoff für das Wiederaufflammen von
Überlegungen bezüglich der Unzulänglichkeiten der
existierenden Mechanismen. Das Wiederentfachen von Nationalismus
und Fremdenhass in den ehemaligen Ostblockstaaten bedrohte die
kulturelle Existenz zahlreicher nationaler Minderheiten, was
wiederum Gewaltanwendungen (z.B. in Moldawien, Georgien,
Aserbaidschan, Mazedonien und im russischen Teil des Kaukasus)
nach sich zog. Letztenendes schuf der Neugestaltung der
europäischen Landesgrenzen keine nationale Homogenität
innerhalb der meisten neugeschaffenen Staaten, da fast
ausnahmslos alle 28 Staaten Zentral- und Osteuropas bedeutende
ethnische oder sprachliche Minderheiten einschließen. Aus
diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass Autonomie
letztendlich von beiden Seiten, d.h. von Staat und den
Repräsentanten der Minderheit, in Betracht gezogen
wird.
Hierbei muss jedoch erwähnt werden, dass auch einige
Erfahrungen mit Autonomie und Konkordanzvorkehrungen in Europa
gescheitert sind. Zypern und Kosovo sind zwei
Beispielländer, in denen es eine strikte Trennung der
Gesellschaft gibt, in denen die Geschichte unzählige
Fälle von Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung
(besonders im Fall Kosovo) der jeweiligen nationalen
Minderheiten, d.h. der Albaner im Kosovo und den Türken auf
Zypern, aufweist. Im Fall Zypern endete der ethnische Konflikt
zwischen Griechen und Türken zuerst in einer
konstitutionellen Krise und führte später zu
ernstzunehmenden internationalen Spannungen. 1974 begann die
Türkei ihre Militärinterventionen, um die
türkische Bevölkerung zu schützen, woraufhin die
Insel zwischen Norden und Süden in zwei ethnisch homogene
geteilt wurden. Es wurden keine Versuche unternommen, das Land
durch effektive Autonomieregulierungen aus der Krise zu
führen, stattdessen gab es nur halbherzig ausgeführte
Anti-Diskriminierungsvorschriften. Auf Zypern wurde der
Territorialautonomie keine Chance gewährt.
Im selben Jahr 1974 wurde die dem Kosovo seit 1948 gewährte
Autonomie radikal reformiert, woraufhin die Kosovaren der Region,
in der es einen albanischen Bevölkerungsanteil von 90% gibt,
fast derselbe Status wie den anderen Völkern Jugoslawiens
eingeräumt wurde. Der multikulturellen Region Vojvodina im
Norden Serbiens wurde im Rahmen der sozialistischen und
föderalistischen Architektur Ex-Jugoslawiens ein
ähnliches Ausmaß an Autonomie gewährt.
Während jedoch im Jahr 1989 der Rest Osteuropas dessen
Wandel von der Abhängigkeit der Sowjetmacht hin zur
Demokratie feierte, geriet Serbien unter die Herrschaft eines
tyrannischen, nationalistischen Regimes, welches gleich zu Beginn
die Autonomie im Kosovo abschaffte. Es war nicht die Autonomie,
die im Kosovo versagte, es war vielmehr die Politik der
nationalistischen Nichtachtung der Grundrechte gegenüber
kleineren Nationalitäten, die einen Teil des Staatsgebietes
bewohnen. Folglich brach Titos gesamte Konstruktion, die der
Bruderschaft innerhalb der sozialistischen Föderation, in
blutigen Auseinandersetzungen, die ihren Höhepunkt in den
Kriegen in Bosnien (1992-95) und im Kosovo (1998-99) fanden,
zusammen. Die "ethnischen Säuberungen" und der
Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, die blutigen
Unterdrückungen des Selbstbestimmungsrechts eines kleinen
kaukasischen Volkes, der Tschetschenen, durch Moskau seit 1994,
und die Sezessionsbestrebungen anderer kleiner, ethnisch sich
unterscheidender Regionen in Osteuropa, wie beispielsweise
Transnistrien (Moldawien), Abchasien und Südossetien
(Georgien) oder Bergkarabach (Aserbaidschan), all diese Beispiele
sind Beweise dafür, dass die existierenden Mechanismen der
Gewaltenteilung und des Minderheitenschutzes unzulänglich
sind.
Eine gewisse Sensibilität bezüglich der Autonomie, in
welcher Form auch immer, ist bei vielen Mitgliedsstaaten des
Europarates immer noch stark vorhanden. Es herrscht eine
weitverbreitete Angst vor der Spirale "kulturelle Autonomie -
Übergang zur Selbstregierung". Die gesamte Problematik muss
daher im Schein der bisherigen Autonomien betrachtet werden, um
herauszufinden, ob diese tatsächlich zu Sezessionen in
Europa geführt haben, oder ob die Autonomie im Gegenteil
dazu führte, dass die legitimen Forderungen und Interessen
nationaler Minderheiten innerhalb existierender Staatsgrenzen
erstmals berücksichtigt wurden. In diesem Sinne muss sich
das Völkerrecht, welches von einer Vollendung des
Minderheitenrechts noch weit entfernt ist, der Herausforderung
stellen, einen Aspekt der Selbstbestimmung zu entwickeln, der auf
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beruht, und der einen
politischen und gesetzlichen Freiraum für eine
gebietsbezogene "interne Selbstbestimmung" schafft. Dieser eher
versöhnliche Ansatz gegenüber den Forderungen der
nationalen Minderheiten findet, dank einer verstärkten
Zusammenarbeit der internationalen und supranationalen
Organisationen, immer mehr Anwendung in Europa. Zusätzlich
kann dieser Lösungsansatz die staatliche Mehrheit davon
überzeugen, dass die Errichtung einer Autonomie auch in
ihrem Interesse liegt, solange Frieden und Grundrechte
sichergestellt werden sollen.
2.1 Die Aland-Inseln (Finnland) [ top ]
Einwohnerzahl (2005
geschätzt): 26.711
Fläche: 6.784 km2
Hauptstadt: Mariehamn
Amtssprache: Schwedisch
Autonomie seit: 1920
http://de.wikipedia.org/wiki/Aland-Inseln
Nicht weniger als 6554 Inseln, wovon geradeeinmal 50
ständig bewohnt sind, bilden das Archipel der Aland-Inseln.
Obwohl die Inseln seit dem frühen Mittelalter stark mit der
schwedischen Kultur verbunden waren, fielen sie 1809 durch einen
geschichtlichen Zufall an Russland. Als Teil des
Großherzogtum Finnlands, das sich in Abhängigkeit zum
zaristischen Russland befand, genossen die Bewohner Alands einige
kulturelle Rechte. Ihnen wurde jedoch nach dem Zerfall des
Zarenreiches im Jahr 1917 das Recht auf Selbstbestimmung
untersagt, und die Aland-Inseln wurden Teil der neuen,
unabhängigen Republik Finnlands. Schweden bestritt diesen
Statuswandel und der daraus hervorgehende Streit wurde 1920 vom
Völkerbund beigelegt, nachdem Finnland das Recht der
Aländer auf die Erhaltung ihrer Kultur, Sprache und
Traditionen, sowie das Recht auf einen entmilitarisierten und
autonomen Status anerkannte. 1920 erhielt das Gesetz über
die Selbstverwaltung der Aland-Inseln die Zustimmung des
finnischen Parlaments, womit die Aland-Inseln als erstes Gebiet
in Europa einen autonomen Status erhielten. Dieses Abkommen wurde
von der ehemaligen "Schutzmacht" Russland gebilligt, wobei die
Unterstützung seitens Russlands in den Jahren 1940 und 1945
erneut zugesichert wurde. Heutzutage gehört Aland zu den
fortgeschrittensten Autonomieregionen weltweit.
Das Selbstverwaltungsgesetz von 1951 wurde mehrere Male
überarbeitet und ist heute in der Fassung vom 16. August
1991 in Kraft. Die Gesetzgebungskompetenz liegt bei den 30
Mitgliedern des Provinzialparlaments von Aland (lagting). Die
Vertreter werden für eine Amtszeit von fünf Jahren
direkt gewählt. Die Aland-Inseln bilden zusätzlich
einen eigenständigen Wahlbezirk bei den gesamtfinnischen
Wahlen, an denen die Aländer teilnehmen. Das
Provinzialparlament erlässt Gesetze in allen, die
Aland-Inseln betreffenden Angelegenheiten, mit Ausnahme derer,
die speziell der Zentralregierung vorbehalten sind, wie
beispielsweise das Verfassungsrecht, die Außenpolitik, das
allgemeines Steuersystem, das Strafrecht sowie ein Großteil
des Zivilrechts, das Rechtswesen, die Sozialversicherung, die
Luft- und Schifffahrt sowie das Fernmeldewesen. Die Aland-Inseln
besitzen Kompetenzen in den Bereichen Kultur, Gesundheitswesen,
Unterrichtswesen und Ausbildung, Berufswesen, Wohn- und
Sozialwesen, sowie im Bereich der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung. Das Provinzialparlament wirkt außerdem bei der
staatlichen Gesetzgebung mit, indem es Gesetzesvorschläge in
Helsinki einbringt, die sowohl die Inseln als auch den Bund
betreffen können. Die finnische Verfassung räumt dem
finnischen Ministerpräsidenten ein Vetorecht bezüglich
der von der aländischen Regierung erlassenen Gesetze ein,
sobald dieser, nachdem er sich die Meinung des Obersten
Gerichtshofes sowie der Alandabordnung eingeholt hat, eine
Einmischung in die Angelegenheiten der Staatsebene seitens der
autonomen Regierung befürchtet. Die Alandabordnung dient als
Verbindungsorgan zwischen der Alandregierung und der
Zentralregierung in Helsinki. Der finnische
Ministerpräsident hat das Recht, das Provinzialparlament
aufzulösen, und Neuwahlen anzuordnen. Er wird durch einen
Gouverneur, welcher aus den Reihen der größten Partei
des Provinzialparlaments gewählt wird, auf den Inseln
vertreten. Die Exekutive auf Aland liegt in den Händen einer
siebenköpfigen Kommision, der "Landskapsstyrelse", deren
Vorsitz der Regierungschef, der "Lantrad" einnimmt.
Die Aland-Inseln besitzen keine selbstständige
Rechtssprechung und müssen sich daher auf die finnischen
Stadt- bzw. Landgerichte als auch auf den Obersten Gerichtshof in
Helsinki berufen. Der Finanzhaushalt der Aland-Inseln wird
gemeinsam vom Provinzialparlament und der Kommission der
Aland-Inseln verwaltet. Die autonomen Inseln tragen
selbstständig die Kosten der Selbstregierung und besitzen
das Recht die Einkommen der Bewohner Alands zu besteuern. Das
Provinzialparlament legt das jährliche Budget fest, ist
zuständig für die Steuereinnahmen und die Erhebung von
Gebühren für die Nutzung der Regierungseinrichtungen.
Es kann frei über die Verwendung des Budgets verfügen.
Hierbei nehmen die Ausgaben für Sozialhilfe, das
Gesundheitswesen, Bildung und Kultur den Löwenanteil des
Budgets ein. Die Kommission der Aland-Inseln bestimmt die
Höhe der Gelder, die für die aländische Regierung
von Helsinki vorgesehen ist, damit die erstere bestimmte
Funktionen ausführen kann, die anderswo von der finnischen
Regierung ausgeführt werden. Für Aland gelten die
üblichen Steuern und Zölle, die vom finnischen Staat
erhoben werden, wobei 0.45% der Einnahmen an Aland wieder
zurückgehen. Aufgrund der Autonomie und des soliden
Finanzsystems können die Aland-Inseln eine starke Wirtschaft
und einen hohen Lebensstandard aufweisen.
Bezüglich der Sprachenpolitik wurde bereits im Jahr 1899 ein
"Sprachengesetz" verabschiedet, in dem Finnland sowohl das
Schwedische als auch das Finnische als offizielle Amtssprache
anerkannte, wobei der schwedischen Sprache eine privilegierte
Stellung eingeräumt wurde. Dies führte in vielen
finnischen Gebieten mit einer schwedischsprechenden Minderheit
zur Herausbildung eines fortschrittlichen Systems der
Zweisprachigkeit. Auf Aland gilt offiziell jedoch die schwedische
Sprache als Amtssprache. Per Gesetz sind alla Beamte Alands dazu
verpflichtet, das Schwedische sowohl mündlich als auch
schriftlich zu beherrschen. Neben dem Schwedischen gehört
auch die englische Sprache zum Schulalltag, während das
Deutsche oder das Finnische eher als mögliche
"Fremdsprachen" gelten. Bürgerrecht auf den Aland-Inseln
besitzen nur diejenigen, die ständig dort wohnen. Jedoch
können auch gewöhnliche Finnen dieses Recht erwerben,
sobald sie die Aland-Inseln mindestens für fünf Jahre
bewohnt haben. Denjenigen, die das Bürgerrecht der
Aland-Inseln nicht besitzen, könnte das Recht Land zu
erwerben oder eine Handelstätigkeit auszuführen,
versagt werden. Die Bürger Alands besitzen die doppelte
Staatsbürgerschaft, die aländische sowohl als auch die
finnisch, und können sich an der finnischen Politik
beteiligen, unterliegen dem finnischen Recht, müssen aber
keinen Militärdienst leisten. Das aländische
"Bürgerrecht" ist ebenfalls erforderlich, um das aktive und
passive Wahlrecht zu auszuüben. Das Bürgerrecht kann
auch von der autonomen Regierung verliehen werden, vorausgesetzt
der Bewerber verfügt über ausreichende
Schwedischkenntnisse.
Aland gehört auch seit 1975 dem Nordischen Rat an, und ist
somit den skandinavischen Staaten und autonomen dänischen
Inseln ebenbürtig. Aland konnte auch eigenständig
entscheiden, ob es im Jahr 1995 der EU beitreten wollte oder
nicht. Einige EU-Vorkehrungen gelten auch heute noch nicht
für die Aland-Inseln, wie beispielsweise die Zollunion, da
Aland in einigen Fällen ein Opt-Out gewährt wurde. In
dem Vertragswerk zwischen Finnland und der EU mussten gesonderte
Regeln für die regionale Mitgliedschaft beachtet werden. Die
Autonomie der Aland-Inseln wurde Schritt für Schritt
erweitert, so dass die Beziehung fast als "Staat im Staat"
bezeichnet werden kann, und folglich einer Unabhängigkeit
sehr nahe kommt. Seit mehreren Jahrzehnten ist Aland eine
entmilitarisierte Zone, d.h. es wurden keine Militärbasen
errichtet und kein militärisches Personal auf den Inseln
stationiert.
2.2 Die Färöer-Inseln und Grönland (Dänemark) [ top ]
Die Dänen sind die Erben einer langen Tradition der Selbstregierung, welche bis zu den Zeiten der Wikinger zurückreicht, als jede Gemeinschaft innerhalb des Königreiches als separate Militäreinheit organisiert war, und sozusagen einen Eidesverband gleichberechtigter Subjekte bildete. Durch die monarchische Zentralisation, die vor etwa einem Jahrhundert einsetzte, wurde die örtliche Selbstregierung nicht abgeschafft. Es wurde jedoch eine Art Feudalhierarchie errichtet, welche die örtliche Kontrolle stark einschränkte. Erst mit der Entstehung des dänischen Zentralstaates im 19. Jahrhundert wurde eine veränderte konstitutionelle Ordnung geschaffen, welche in der Nachkriegszeit teilweise wieder revidiert wurde. Die dänische Verfassung wurde in Bezug auf die staatliche Verwaltung dahingehend verbessert, dass diese nun wieder auf die lokale Ebene übertragen wurde, wobei die staatliche Regierung den allgemeinen Rahmen der Politik festlegt und den Lokalitäten die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellt. Darüber hinaus hat Dänemark zum einen den Färoer-Inseln und zum anderen Grönland sehr spezielle Territorialautonomien gewährt.
2.2.1 Die Färöer-Inseln
Einwohnerzahl (2004):
44.228
Fläche: 1.399 km2
Hauptstadt: Torshavn
Amtssprache: Faröisch, Dänisch
Autonomie seit: 1948
http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%A4r%C3%B6er
Im 9. Jahrhundert wurden die Färöer-Inseln erstmals
von den Wikingern besiedelt. Im Jahr 1035 fielen sie unter
norwegische Herrschaft und wurden 1360, aufgrund der
dänisch-norwegischen Personalunion, eine Provinz des
dänischen Königreichs. Die dänisch-norwegischen
Personalunion wurde zum Ende der Napoleonischen Kriege
aufgelöst und die Inseln fielen nun vollständig unter
dänische Herrschaft. Die Färöer-Inseln blieben bis
1940 eine Grafschaft unter dänischer Verwaltung. 1940 wurden
die Inseln von den Nazis besetzt, woraufhin die Briten die Inseln
verteidigten und danach Kontrolle über dieses Gebiet
ausübten. Nach Kriegsende wurden die Inseln an Dänemark
zurückgegeben, und das dänische Parlament (Folketing)
garantierte ihnen durch das "Gesetz über die innere
Selbstverwaltung" von 1948 die vollständige Selbstregierung.
Die Färöer-Inseln gehören weiterhin der
dänischen Krone. Wie wurde nun die Verfassung gestaltet? Die
färöische Landesregierung setzt sich aus dem
Exekutivrat (Landsstyre), dessen Vorsitz der Premierminister
(Lagmaour) hat, und aus ungefähr drei bis sechs Ministern
(Landsstyrismenn) zusammen. Die Landesregierung wird vom
färöischen Landesparlament (Logting) gewählt und
besitzt absolute Verwaltungshoheit über die
Inselangelegenheiten. Die dänische Regierung wird auf den
Färöer-Inseln durch einen Hochkommissar
vertreten.
Die Legislative setzt sich zur Zeit aus den 32 Mitgliedern des
Landesparlaments (Logting), welches zu den ältesten
Parlamenten weltweit gehört, zusammen. Die Mitglieder werden
für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt.
Zusätzlich werden noch zwei direkt gewählte Vertreter
an das dänische Parlament entsandt. Im Jahr 1948 wurde der
färöer Regierung das Recht, die "spezifischen
Lokalangelegenheiten" zu verwalten, garantiert. Heutzutage
beinhalten diese das Wahlrecht, kommunale Institutionen,
sanitäre Anlagen, örtliche Schulen, den Sozialdienst,
Handelsgesetze sowie das lokale Steuersystem. Ferner müssen
alle dänischen Gesetze vom Landesparlament (Logting)
verabschiedet werden, bevor es auf den Färöer-Inseln in
Kraft treten kann. Die dänische Regierung behält die
Kontrolle über die Verteidigung, die Außenpolitik und
das Rechts- und Finanzsystem. Somit fällt die
Außenpolitik der Inseln in den Bereich der dänischen
Krone bzw. des dänischen Regierung. Trotzdem kann die
Regierung der Färöer-Inseln Verhandlungen mit
Drittländern bezüglich der Handels- und
Fischereiabkommen aufnehmen. Aus diesem Grund sind die
Färöer-Inseln nicht zusammen mit Dänemark der EG
im Jahr 1973 beigetreten. Jedoch haben die Inseln eine Reihe von
vorteilhaften bilateralen Handelsabkommen mit den
EG-Mitgliedsstaaten abgeschlossen. Zusammen mit Grönland
sind die Färöer-Inseln der EU nicht beigetreten, haben
jedoch eine eigene Mitgliedschaft im Nordischen Rat inne. Seit
dem 1. August 2005 bilden sie zusammen mit Island eine
eigenständige "Wirtschaftsunion".
Die Färöer-Inseln besitzen einige lokale Gerichte,
welche die kleineren Zivil- und Straffälle bearbeiten.
Folgenreichere Fälle der ersten Instanz und
Revisionsanträge der lokalen Gerichte werden vor dem Hohen
Gericht in Torshavn verhandelt. Das Höchste Gericht in
Kopenhagen befasst sich dagegen mit den Fällen der letzten
Instanz. Was die Sprache betrifft, so gilt Färöisch
neben dem Dänischen als offizielle Verhandlungssprache. Das
Färöisch, eine der am wenigsten verbreiteten
germanischen Sprachen sowie eine der drei am wenigsten
gesprochenen Sprachen in ganz Europa, hat sich aus dem
Alt-Norwegisch entwickelt. Obwohl die dänische Sprache zur
Kommunikation mit dem Festland dient, widmet sich die
färöische Sprachpolitik aktiv der Entwicklung der
eigenen Sprache, insbesondere in Bezug auf die Modernisierung des
Vokabulars, so dass diese mit den anderen Sprachen mithalten
kann.
Von den sechs Parteien, die in den Wahlen im November 2004
Plätze im Landesparlament (Logting) erhielten, protestierte
nur die linksgerichtete Republikanische Partei (RP), welche 1948
gegründet wurde, gegen die eingeschränkte Autonomie der
Inseln und forderten darüber hinaus die vollkommene
Unabhängigkeit. Von den 32 des Landesparlaments nimmt die RP
acht Sitze ein. Zwei andere Parteien treten für eine
größere Autonomie innerhalb des dänischen Staates
ein. Trotz dieser Forderungen würde, jegliche Änderung
des Statuses, in Betracht der Subventionen, die jährlich von
Dänemark an die Inseln entrichtet werden, eher zu einer
größeren Integration statt zu einer
größeren Autonomie führen.
2.2.2 Grönland
Bevölkerung (2005
geschätzt): 56.375
Fläche: 2.166.086 km2
Hauptstadt: Nuuk
Amtssprache: Grönländisch, Dänisch
Autonomie seit: 1979
http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%B6nland
Grönland war ursprünglich von den nordamerikanischen
Inuit bewohnt und wurde erst im 11. Jahrhundert von den
skandinavischen Wikingern besiedelt. Im Jahr 1380 fiel das Gebiet
unter die Herrschaft der Dänisch-Norwegischen Krone und mit
dem Ende der Napoleonischen Kriege geriet Grönland unter die
alleinige Herrschaft Dänemarks. Die dänische Kontrolle
über Grönland dauerte bis zur Besetzung Dänemarks
durch die Nationalsozialisten im Jahr 1940 an. Ab diesem
Zeitpunkt übernahmen die Vereinigten Staaten die
Verantwortung für die Verteidigung und die Verwaltung der
Insel. Nach dem Krieg wurde Grönland an Dänemark
zurückgegeben. Im dänischen Grundgesetz von 1953 wurde
Grönland als ein integraler Bestandteil des Königreichs
anerkannt, und verlor somit seinen Koloniestatus.
Grönland wurde verstärkt als Militärbasis,
besonders seitens der USA, genutzt. Diese erbauten die Thule Air
Base, welche strategisch sehr wichtig war, da sie den Amerikanern
die kürzeste Flugroute zum Sowjetischen Territorium
sicherte. 1951 wurde zwischen den USA und Dänemark ein
Vertrag über die gemeinsame Verteidigung der Insel
unterzeichnet. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Bedeutung
Grönlands als Militärbasis gesunken, jedoch bestehen
die Vereinigten Staaten weiterhin darauf, Grönland als Basis
für ihr Raketenabwehrprogramm nutzen zu können. Im Jahr
1975, nach mehr als drei Jahrzehnten öffentlicher
Unzufriedenheit über die dänischen Herrschaft, wurde
durch den für Grönland zuständigen dänischen
Minister eine Kommission für die Ausweitung der
Autonomierechte einberufen. Vier Jahre darauf wurde dem
Kommissionsvorschlag über die innere Selbstverwaltung durch
ein Referendum mit einer Stimmenverteilung von 3:1 zugestimmt.
Grönlands Verfassung wurde bereits 1978 von lokalpolitischen
Führern entworfen. Daraufhin erfolgten die ersten Wahlen des
grönländischen Parlaments im April 1979. Einen Monat
später, d.h. im Mai 1979, trat die grönländische
Verfassung mit der Unterzeichnung des Selbstverwaltungsgesetzes
durch das dänische Parlament (Folketing) in Kraft.
Im Oktober 1972 stimmten 75% der Grönländer in einem
allgemeinen dänischen Referendum gegen den EG-Beitritt
Dänemarks. Als Dänemark letztendlich der
EG-Mitgliedschaft zustimmte, sah sich Grönland gezwungen
mitzuziehen. Nachdem die Insel jedoch im Jahr 1979 seine innere
Selbstregierung erlangte, und somit die Kontrolle über die
Fernhandelsbeziehungen besaß, wurde im Februar 1982 erneut
ein Referendum bezüglich der EG-Mitgliedschaft
durchgeführt. Insgesamt 53% stimmten gegen die
Mitgliedschaft, was hauptsächlich auf die Ausbeutung der
grönländischen Fischereigründe durch die Flotte
der EG zurückzuführen ist. Seit dem 1. Januar 1985 hat
Grönland den Status eines assoziierten überseeischen
Landes. Die interne Regierungsstruktur Grönlands ist die
einer parlamentarischen Demokratie, die dem Modell der
Färöer-Inseln sehr ähnelt. Im Landesparlament
(Landsting) sitzen zur Zeit 27 Abgeordnete, welche alle vier
Jahre nach proportionalen Kriterien in den drei Wahlkreisen
gewählt werden. Die drei mächtigsten Parteien sind
Atassut (Bruderschaft), welche eine enge Zusammenarbeit mit
Dänemark unterstützt, die Gemeinschaft der Inuit (Inuit
Ataqatigiit), welche sich für die Unabhängigkeit von
Dänemark einsetzt, sowie die sozialdemokratische Partei
(Siumut). Außerdem werden in Grönland zwei Vertreter,
für eine Amtszeit von vier Jahren, direkt ins dänische
Parlament gewählt. Ähnlich wie auf den
Färöer-Inseln, setzt sich der Exekutivrat, oder die
Regierung (Hjemmestyre), aus dem Premierminister und drei bis
sechs Ministern zusammen, die vom Parlament gewählt werden.
Die Regierung besitzt die Verwaltungshoheit über
Grönlands interne Angelegenheiten.
Seit 1979 wird Dänemark durch einen Hochkommissar auf
Grönland vertreten. Der dänischen Regierung obliegt die
Kontrolle über die Außenpolitik, die Verteidigung
sowie über das Rechts- und Finanzsystem Grönlands. Im
Laufe des Dezentralisierungsprozesses, erlangte die
grönländische Selbstverwaltung volle Kompetenz
über das örtliche Steuersystem, Fischerei, Kultur,
Bebauung, Naturschutz, Ausbildung und Erziehung, Religion, sowie
Arbeits- und Sozialwesen. Obwohl Dänemark die Oberhoheit
über die Außenpolitik besitzt, ist es den
Grönländern gestattet, eigene
Außenhandelsabkommen auszuhandeln. Diese Option wurde im
Februar 1985 genutzt, um aus der dänischen EG-Mitgliedschaft
auszusteigen. Bezüglich des Rechtswesens wurde die Insel in
18 Gerichtbezirke, denen Laienrichter zugewiesen werden,
eingeteilt. Die meisten Fälle der ersten Instanz werden in
den kleinen Gerichten verhandelt, wohingegen die leichten
Berufungsverfahren am Hohen Gericht in Nuuk verhandelt werden,
dass das einzige Gericht mit einem professionellen Richter ist.
Dieses Gericht übernimmt auch die schwereren Fälle der
ersten Instanz und leitet die komplizierten Berufungsverfahren an
das Gericht in Kopenhagen weiter. Als Verhandlungssprachen werden
Grönländisch und Inuktitut, die Sprache der Inuit,
anerkannt, wobei das Dänisch weiterhin als allgemeine
Verständigungssprache dient.
2.3 Der spanische Staat der autonomen Gemeinschaften: der Fall des Baskenlandes [ top ]
Mit dem Ende des Franco-Regimes
(1975) setzte in Spanien ein enormer Regionalisierungsprozess
ein, der sich zu einer föderationsähnlichen Struktur
ausweitete, um den historisch gewachsenen Forderungen kleinerer
Volksgruppen, wie die der Katalanen, der Galizier und der Basken,
entgegenzukommen. Spanien wurde in 17 Regionen bzw. "autonome
Gemeinschaften", die jeweils einen unterschiedlichen Grad an
Autonomie besitzen, eingeteilt. Die heutige Verfassung, welche im
Dezember 1978 verkündet wurde, erkennt den Volksgruppen das
Recht auf Autonomie an und enthält Bestimmungen zur
Förderung des Regionalisierungsprozesses. Kurz darauf
richtete der Staat jede autonome Region einzeln auf der Basis
eines bilateralen Abkommens ein, woraufhin die Autonomie
später in einem verfassungsrechtlichen Vertrag festgehalten
wurde. Das Baskenland, Galizien, Katalonien und Andalusien
durchliefen den ganzen Prozess. Erst danach änderte Spanien
seine Politik und führte den Regionalisierungsprozess mit
einem Mal durch. Bis zum Mai 1983 hatten alle designierten
Regionen den autonomen Status erlangt und der
Regionalisierungsprozess war somit abgeschlossen.
Das Baskenland [ 6
] befindest sich im Süd-Westen Europas, genauer gesagt, im
westlichen Teil der Pyrenäen. Das Konzept vom Baskenland
sowie dessen Abgrenzung gestaltete sich etwas problematisch. Der
Begriff "Baskenland" bezog sich traditionell auf die
baskischsprechende Bevölkerung und somit auf das Gebiet, das
von ihnen bewohnt wird. Jedoch hat der Einfluss der romanischen
Sprachen das Baskische in den letzten Jahrhunderten
allmählich verdrängt und somit dieses Gebiet kleiner
werden lassen. Heutzutage bezieht sich die Bezeichnung
"Baskenland" auf jene politischen bzw. historisch gewachsenen
Gemeinschaften, in denen die baskische Sprache (Euskera) und
Kultur irgendwie erhalten geblieben ist. Das heutige Baskenland
besitzt eine Fläche von rund 20'000 km2, wovon sich
ungefähr 18'000 km2 südlich der Pyrenäen und 2'000
km2 nördlich, d.h. in Frankreich, befinden.
Hierbei ist es von Anfang an wichtig klarzustellen, dass die
überwiegende politische Meinung behauptet, dass Navarra
nicht zum baskischsprachigen Gebiet gehört. In der Tat
gehören nur die folgenden drei Provinzen Biscaya,
Guipúzcoa und Álava mit einer Gesamtfläche von
ungefähr 7'000 km2 zur baskischen autonomen Gemeinschaft.
Die derzeitige Anzahl der baskischen Bevölkerung
beträgt etwa 2,8 Millionen, wovon ungefähr 2,1
Millionen innerhalb der baskischen autonomen Region ansässig
sind. Ein Drittel der Bevölkerung kehrten besonders in den
60er und 70er Jahren aus verschieden spanischen Gebieten
zurück ins Baskenland. Nur ein Drittel der Bewohner des
Baskenlandes besitzt einheimische Großeltern. Es gibt auch
eine sehr bedeutende baskisch Gemeinschaft in Lateinamerika und
den vereinigten Staaten. Im Baskenland gibt es nur eine kleine
Gruppe ausländischer Zuwanderer (ca. 2,5%), wobei die
meisten von ihnen aus anderen europäischen Staaten
kommen.
Das Baskenland (Euskadi)
Einwohnerzahl (2005):
2.124.846
Fläche: 7.234 km2
Hauptstadt: Vitoria-Gasteiz
Amtssprache: Baskisch, Spanisch
Autonomie seit: 1979
http://de.wikipedia.org/wiki/Baskenland_%28Region%29
Während des 19. Jahrhunderts begann sich der spanische
Nationalismus nach dem französischen Vorbild zu entwickeln.
Die politischen Bestrebungen das Königreich zu einigen,
entfachte einen Konflikt mit der politischen Führung der
baskischen Provinzen. In den Jahren 1839 und 1876 wurden Gesetze
erlassen, die zur Unterdrückung des halb-unabhängigen
politischen Systems führten. Als Reaktion darauf entwickelte
sich eine baskische Nationalismusbewegung, die durch die
Gründung der nationalistischen Partei "Eusko Alderdi
Jeltzalea-Partido Nacionalista Vasco" (EAJ-PNV) [ 7 ] in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts einen starken Auftrieb erhielt.
Nach der Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik im Jahr 1931,
wurden einigen Regionen verfassungsrechtliche Möglichkeiten
eingeräumt, die ihnen eine Autonomie ermöglichten. Im
Baskenland (ohne Navarra) wurde 1936 eine autonome Regierung
gewählt, welche im Jahr darauf, während der
vollständigen Belagerung der Region durch
Militäreinheiten im Spanischen Bürgerkrieg, erneut
unterdrückt wurde. Das Franco-Regime führte die
Unterdrückung der baskischen nationalen Identität und
Sprache auf schlimmste Weise fort. Die Gegenreaktion auf diese
Unterdrückungsmaßnahmen manifestierte sich in der
Entstehung neuer linksgerichteter, nationalistischer Gruppen, die
nicht vor Gewalttaten gegen die Diktatur zurückschreckten.
Eine dieser Gruppen - die sogenannte Euskadi Ta Askatasuna (ETA)
[ 8 ] - wurde 1962
gegründet. Mehr als 40 Jahre lang fanden gewalttätige
Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der ETA und den
Truppen der Staatssicherheit sowie Attentate auf spanischen
Politiker statt.
Der heutige Konflikt hat kaum noch etwas mit bewaffneten
Auseinandersetzungen zu tun, jedoch dreht sich vieles um die
politische Kontroverse bezüglich der staatlichen
Souveränität und dem Recht der Basken zur
Selbstbestimmung. Die Autonomie des südlichen Baskenlandes
sowie die der historisch gewachsenen Provinzen wurde in der
Spanischen Verfassung von 1978 verankert. Navarra ist heute eine
eigene autonome Gemeinschaft außerhalb der baskischen
autonomen Region, welche die Provinzen Biscaya, Guipúzcoa
und Álava umfasst. Diese drei Regionen stimmten in einem
Referendum dem Autonomiegesetz zu, welches 1979 vom spanischen
Parlament verabschiedet wurde.
Die derzeitigen Bemühungen der baskischen Politiker
konzentrieren sich auf die Überarbeitung des bisherigen
Autonomiestatuts. Die autonome Region soll demnach mehr
Kompetenzen und eine bessere Vertretung auf nationalem sowie
internationalem Gebiet erhalten. Weiterhin soll den Basken das
Recht auf Selbstbestimmung gewährt werden. Wie zu erwarten,
wurde das im Januar 2005 vom baskischen Parlament verabschiedete
Statut vom spanischen Parlament abgelehnt.
2.4 Dezentralisierung im Vereinigten Königreich: das Beispiel Schottlands [ top ]
Einwohnerzahl (2001):
5.062.011
Fläche: 78.782 km2
Hauptstadt: Edinburgh
Amtssprache: Englisch, Gälisch
Autonomie seit: 1998
http://de.wikipedia.org/wiki/Schottland
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und
Nordirland setzt sich aus den Regionen England, Schottland, Wales
und Nordirland zusammen. Nach einem zwei Jahrzehnte andauernden
Dezentralisierungsprozess der Legislativ- und
Exekutivkräfte, hat sich das Königreich nun zu einer
Union entwickelt, in der beträchtliche Autonomierechte auf
die Regionen Schottland und Wales ausgeweitet wurden.
Darüber hinaus besteht derzeit eine annähernd
föderative Beziehung mit Nordirland sowie spezielle
Übereinkommen bezüglich der Gewaltenteilung mit
kleineren Inseln, wie beispielsweise der Isle of Man. Aus
Platzgründen wird hier nur auf das Beispiel Schottlands
näher eingegangen. Schottland ist ein eigener Staat
innerhalb des Vereinigten Königreichs von
Großbritannien und Nordirland. Schottland nimmt den
nòrdlichen Teil der größten europäischen
Insel Großbritannien ein. Es wurde 1707 durch den Act of
Union mit England vereinigt. Mit diesem Gesetzesakt behielt
Schottland sein eigenständiges Rechtssystem, seine
unabhängige Kirche, seine eigene Staatsbank sowie eine
eigene Flagge und eine eigene Währung, und erhielt
darüber hinaus einen festen Prozentsatz an Sitzen im
britischen Parlament und das Recht der Selbstverwaltung in Bezug
auf das lokale Parlament sowie auf das Bildungs- und
Sozialsystem.
Seit 1939 wird Schottlands Verwaltung vom Schottischen Büro,
welches seinen Sitz in Edinburgh sowie in London hat,
organisiert. Das Schottische Büro ist eine Abteilung, die
dem schottischen Staatsekretär, d.h. dem schottischen
Vertreter im britischen Parlament, untergeordnet ist. Obwohl
viele Angelegenheiten wie beispielsweise die Wirtschaftpolitik
vom Britischen Parlament reguliert werden, obliegt es dem
Schottischen Büro, sich um die Verwaltung des
eigenständigen Rechtssystems, des Bildungssystems und der
schottischen Rundfunkanstalten zu kümmern. Im Juli 1978
wurde vom Parlament in Westminster ein Gesetz erlassen, welches
ein schottisches Referendum über eine direkt gewählte
Versammlung in Edinburgh vorsah. Das schottische Referendum wurde
parallel zu einem Referendum in Wales über eine direkt
gewählte Versammlung in Cardiff durchgeführt. 33% der
schottischen Wähler stimmten für eine
Dezentralisierung. Es wäre jedoch ein Minimum von 40%
notwendig gewesen, um das Gesetz zu verabschieden. In Wales
befürworteten nur 20% das Dezentralisierungsgesetz.
1987 schlossen sich schottische und walisische Parlamentarier
zusammen, um konstitutionelle, wirtschaftliche und soziale
Reformen in Schottland und Wales schneller voranzutreiben. Die
Vertreter beschlossen, gemeinsam auf ihre Verfassungsziele
hinzuarbeiten: Unabhängigkeit für Schottland und
Selbstregierung für Wales. Im Oktober 1990 wurde in
Schottland eine verfassungsgebende Versammlung einberufen, um
einen Plan für ein schottisches Parlament mit einer
exklusiven Kontrolle über die Verteidigung,
außenpolitische Angelegenheiten, soziale Absicherung und
einige monetäre, fiskale und Steuerangelegenheiten, zu
entwerfen. Nach dem Referendumsgesetz des Jahres 1997 wurde
erneut eine Volksbefragung bezüglich der Dezentralisierung
durchgeführt. 74,3 % der Schotten befürworteten die
Dezentralisierung und 25% stimmten dagegen. Die Wähler
wurden auch gefragt, ob sie mit einer Steuerhoheit des
schottischen Parlaments einverstanden wären. 63,5%
befürworteten diesen Vorschlag.
Daraufhin wurde 1998 der "Scotland Act" verabschiedet, welcher
den Weg für ein erstmals seit 1707 unabhängiges
schottisches Parlament bereitete. Zur selben Zeit wurde eine
walisische Versammlung einberufen, deren Aufgabe es war, der
walisischen Bevölkerung mehr Kompetenzen bezüglich
ihrer eigenen Angelegenheiten gegenüber dem Vereinigten
Königreich zu verschaffen. Der "Scotland Act" räumte
dem schottische Parlament in vielen Bereichen, die
hauptsächlich Schottland betreffen, Gesetzgebungskompetenzen
ein. Die Aufgaben der schottische Legislative werden von den 129
Mitgliedern des schottischen Parlaments übernommen. Einer
der Abgeordneten wird, nach der Nominierung durch das Parlament,
von der Königin zum Ersten Minister ernannt. Der Erste
Minister erhält den Vorsitz der schottischen Exekutive und
ist dem direkt gewählten schottischen Parlament
rechenschaftspflichtig. Die schottische Regierung ist für
das Gesundheits- und Bildungssystem, sowie für die
örtliche Regierung, Sozialarbeit, wirtschaftliche
Entwicklung, Gesetzte und interne Angelegenheiten wie
beispielsweise für den Großteil des Zivil- und
Strafrechts, Umwelt, Landwirtschaft, Sport und Statistiken,
verantwortlich. Dagegen behält sich das Vereinigten
Königreich die Kompetenzen bezüglich der
Außenpolitik, der Verteidigung und nationalen Sicherheit,
der wirtschaftlichen Stabilität, des gemeinsamen Marktes
für britische Produkte, der Beschäftigungspolitik, der
Sozialversicherung und vieler Bereiche der
Transport-Sicherheitsvorkehrungen, vor.
Schottland wird im britische Unterhaus durch 59 Abgeordnete, aus
schottischen Wahlkreisen stammend, repräsentiert. Ein
schottischer Staatssekretär erhält einen Sitz im
britischen Kabinett und kümmert sich um die Bereiche, in
denen das Büro eine eingeschränkte Befugnis besitzt,
sowie um die Verbindungen zu den anderen Ministern in London. Das
schottische Parlament kann die ihm übertragenen
Angelegenheiten an die Zentralregierung in London
zurückübertragen, wenn es dem schottischen Anliegen
angemessener erscheint, eine königreichweite Regelung auf
diesem Gebiet zu haben. Schottland ist weiterhin ein integraler
Bestandteil des Vereinigten Königreiches, dessen
Staatsoberhaupt die englische Königin ist. Seit dem Jahr 200
ist da schottische Parlament, welches 1999 zum ersten Mal direkt
gewählt wurde, voll funktionsfähig. Die
Dezentralisierung wird von beiden Seiten, d.h. vom Vereinigten
Königreich und von Schottland, gutgeheißen,
insbesondere weil es der schottischen Regierung mehr
Möglichkeiten bezüglich der Parlamentsreformen und der
Ausweitung individueller Rechte gewährt.
Heutzutage konzentrieren sich die politischen Debatten in
Schottland hauptsächlich auf die traditionell
klassenbasierende Trennung zwischen Rechts und Links, welche auch
im gesamten Königreich vorherrscht. Die schottische Politik
wurde während der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts
von der Dezentralisierungsdebatte dominiert, welche mehr oder
weniger von allen Parteien Großbritanniens unterstützt
wurde (auch wenn die Labourpartei sowie die Konservativen sich
zeitweise dagegen aussprachen). Der langwierige Streit um den
schottischen Status galt mit der Umsetzung der
Dezentralisierungspolitik als beendet.
2.5 Italiens Regionen mit einem speziellen Autonomiestatut: der Fall Südtirol [ top ]
Einwohnerzahl (2005):
481.133
Fläche: 7.400 km2
Hauptstadt: Bozen/Bolzano
Amtssprachen: Deutsch, Italienisch, Ladinisch
Autonomie seit: 1948
http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdtirol
Nach 20 Jahren faschistischer Herrschaft wurde das politische
System Italiens am Ende des 2. Weltkrieges grundsätzlich
geändert: Im Jahr 1946 wurde die Monarchie abgeschafft und
durch eine Republik ersetzt. Zwei Jahre später (1948) wurde
der Wandel von einem unitären Staat zu einem Regionalstaat
mit einer neuen Verfassung besiegelt. Es dauerte jedoch noch mehr
als 20 Jahre, bis die 15 neuen "Regionen mit einem
gewöhnlichen Statut" offiziell errichtet waren, d.h.
über eine demokratisch gewählte Legislative sowie
Exekutive verfügten, denen eine Anzahl von autonomen
Befugnissen zugestanden wurde. In Italien wurde diese Entwicklung
zusätzlich durch spezielle historische und
ethnisch-linguistische Faktoren behindert, die über die
großen wirtschaftlichen Diskrepanzen und kulturelle
Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen hinausgehen. Allein
im Norden gab es drei Hauptregionen, in denen die ethnischen
Minderheiten ein Recht auf Selbstbestimmung oder zumindest eine
Autonomieregelung forderten: das Aostatal mit seiner
französischsprechenden Bevölkerung, Friaul-Julisch
Venetien, mit ihren rätoromanischen und slowenischen
Minderheiten, und zuletzt Südtirol mit den deutschsprachigen
Tirolern. Im Süden Italiens forderte Sizilien zuerst die
Unabhängigkeit, später zusammen mit Sardinien, deren
Inselbewohner sich linguistisch vom Festland unterscheiden, eine
Autonomie. Im Folgenden wird das Beispiel Südtirols kurz
vorgestellt.
Südtirol befindet sich im Nordosten Italiens und grenzt im
Westen an die Schweiz und im Norden an Österreich.
Früher War Südtirol für einige Jahrhunderte ein
Teil Tirols und gehörte somit vom 13. Jahrhundert bis 1919,
mit Ausnahme der Jahre 1810-14 unter napoleonischer Belagerung,
zum österreichischen Königreich. Im Jahr 1915
unterzeichnete Italien einen Geheimpakt mit den
Ententemächten, um während des 1. Weltkrieges an deren
Seite zu kämpfen. Im Gegenzug wurde Italien das Gebiet um
Südtirol versprochen.
Im Vertrag von St. Germain-en-Laye wurde Südtirol im Jahr
1919 offiziell von Italien annektiert. Laut einer letzten
Volkszählung im Jahr 1910, die von Österreich
durchgeführt wurde, waren ungefähr 89% der
südtiroler Bevölkerung deutschsprachig, 4%
ladinischsprachig (rätoromanisch) und 3%
italienischsprachig. Italien versprach, die neuen linguistischen
Minderheiten nach der Annektierung zu schützen. Es wurden
diesbezüglich jedoch keine Maßnahmen ergriffen.
Jegliche Hoffnungen der Südtiroler bezüglich des
Schutzes der eigenen Sprache und Kultur wurden mit der
Machtergreifung der Faschisten im Jahr 1922 zerstört.
Während des 2. Weltkrieges mussten sich die
deutschsprachigen Südtiroler entscheiden entweder das Land
zu verlassen und sich im Dritten Reich niederzulassen oder in
Südtirol zu verbleiben und mit der Gefahr zu leben, nach
Süditalien verschleppt zu werden. Nach dem 2. Weltkrieg
versuchten südtiroler Vertreter gemeinsam mit der
provisorischen österreichischen Regierung krampfhafte
Friedensverhandlungen aufzunehmen und einen Anschluss an
Österreich zu erzwingen. Jedoch wurden die derzeitigen
italienischen Außengrenzen in den Pariser
Friedensverträgen 1947 erneut bestätigt. 1946 wurde in
Paris der Vertrag über die Selbstregierung Südtirols im
Zusammenhang mit dem Friedenvertrag mit Italien unterzeichnet,
und somit galt die Südtirolfrage als geklärt.
1948 wurde das erste Autonomiestatut vom italienischen Parlament
verabschiedet. Dieses bezog sich jedoch nicht nur auf das
deutschsprachige Südtirol, sondern es wurde auch auf die
italienischsprachige Region Trentino ausgeweitet. Folglich waren
die Nachkriegsjahre durch Streitigkeiten zwischen der
italienischen und der südtirolerischen Regierung aufgrund
der gegensätzliche Interessenlage gekennzeichnet.
Südtiroler Aktivisten organisierten Bombenanschläge,
woraufhin die italienischen Behörden mit verschärften
Maßnahmen antworteten. Gleichzeitig wurden die Vereinten
Nationen durch Österreich auf diese Vorfälle aufmerksam
gemacht. Im Jahr 1969 wurde dann eine neue Vereinbarung, auch
bekannt als da "Paket", getroffen, in deren Vordergrund eine
Anzahl von Maßnahmen standen, die darauf abzielte, eine
funktionsfähige Autonomie in Südtirol zu errichten.
Insgesamt wurden 137 Maßnahmen in diesem "Paket"
vereinbart, wovon 97 nur durch eine Erweiterung des
Autonomiestatuts von 1948 durch ein Verfassungsgesetz umgesetzt
werden konnten. Weiter acht Maßnahmen bedurften der
exekutiven Mittel des ebengenannten Statuts, weitere 15 bedurften
der normalen staatlichen Gesetzgebung, neun bedurften einer
administrativen Verordnung und der Rest wurde mithilfe von
verwaltungstechnischen Regulierungen umgesetzt. Aufgrund dieses
"Pakets" wurde ein neues Autonomiestatut ausgearbeitet, welches
am 20. Januar 1972 in Kraft trat. Nach 20 Jahren intensiver
Verhandlungen waren alle wichtigen Maßnahmen, die in dem
"Paket" vereinbart wurden, umgesetzt. Erst am 11. Juni 1992 wurde
der Konflikt zwischen Österreich und Italien im Rahmen einer
offiziellen Erklärung vor den Vereinten Nationen beigelegt
[ 9 ]. Dieses
Statut wurde im Jahr 2001 in 50 Einzelpunkten erneut erweitert.
Es bildet einen integralen Bestandteil der italienischen
Verfassung.
Mit diesem Statut wurden die Befugnisse der Region sowie die der
Provinzen neu festgelegt, wobei die Befugnisse der Provinzen, im
Vergleich zu früheren Vereinbarungen, stark ausgebaut
wurden. Die Autonomiebestimmungen trafen generell auf beide
Provinzen im gleichen Maße zu. Für Südtirol
wurden jedoch zusätzlich spezielle Regelungen vorgesehen,
die insbesondere die Muttersprache, die Schule, die Kultur, die
Zweisprachigkeit und das Proporzsystem bei der Stellenvergabe
usw. betreffen. Auf der Grundlage der Pariser Verträge
sollte das Autonomiestatut für Südtirol die
Beibehaltung der sprachlichen und kulturellen Entwicklung der
deutschen und ladinischen Sprachgruppen innerhalb des
italienischen Staates gewährleisten; Gleichzeitig ist diese
Form der Autonomie aber auch eine territoriale Autonomie, d.h.
die Vorzüge, welche sich aus der Erweiterung der
Selbstregierungsbefugnissen ergibt, entfallen auf alle Mitglieder
der jeweiligen drei Sprachgruppen in Südtirol.
Dank des zweiten Autonomiestatuts erhielt die Provinz
Südtirol (sowohl als auch die Provinz Trento) eine
weitreichende Selbstständigkeit dem italienischen Staat
gegenüber. Die wichtigsten Befugnisse der Provinz Bozen -
Südtirol sind: Ortsnamensgebung, Bautenschutz in Bezug auf
Bauten von besonderem artistischen oder volkshistorischen Wert,
regionales Brauchtum, Raumordnung und Bauleitpläne;
Landschaftsschutz; Gemeinnutzungsrechte; Ordnung der
Mindestkultureinheiten; Handwerk; geförderter Wohnbau;
Messen und Märkte; Katastrophenvorbeugung; Bergbau; Jagd und
Fischerei; Almwirtschaft und Tier- und Pflanzenschutz;
öffentliche Arbeiten; Transportwesen; Fremdenverkehr und
Gastgewerbe; Land- und Forstwirtschaft; Enteignungen;
Arbeitsvermittlung; öffentliche Fürsorge;
Kindergärten Schulbau- und Schulfürsorge;
Berufsertüchtigung; beschränkte Zuständigkeit:
Unterricht an Grund- und Sekundarschulen; Handel Lehrlingswesen;
Förderung der Industrieproduktion; Hygiene und
Gesundheitswesen; Sport und Freizeitgestaltung usw.. Die Region
hingegen hat nur noch bescheidene Befugnisse u.a.: Ordnung der
Regionalämter; Abgrenzung der Gemeindegebiete; Führung
der Grundbücher; Katasterämter; Feuerwehrdienste;
Ordnung der sanitären Körperschaften und der
Handelskammern.
Die Provinzialregierung Südtirols begann sich
loszulösen, was von der Regierung in Rom akzeptiert wurde.
Dieser Prozess wird seither als "dynamische Autonomie"
bezeichnet. Die Bemühungen des südtiroler Parlaments um
eine erneute Ausweitung der Autonomie und der
Zuständigkeitsbereiche der Verwaltungsstrukturen waren sehr
erfolgreich. Während der letzten Jahre konnte die Autonomie
auf die folgenden Bereiche ausgeweitet werden:
Vergütungsverträge und Erweiterung der Befugnisse bei
der Erstellung der Lehrpläne an Schulen, die Übernahme
des Arbeits- und Verkehrsamtes, Übernahme der
Staatsstraßen, Übergabe der Staatsimmobilien,
Reduzierung der staatlichen Kontrollfunktionen (Rechnungshof),
Erweiterung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Zukunftspläne im
Energiesektor, Anerkennung der Zuständigkeiten auf EU-Ebene
(Europabüro), Zuständigkeiten im universitären
Bereich mit der darauffolgenden Gründung der Freien
Universität Bozen und schließlich bezüglich der
Verpflichtungen gegenüber den Rechten der Ladiner
(Verfassungsrecht). Das bisher Erreichte stärkte zusehends
die Selbstsicherheit der südtiroler Bevölkerung. Die
südtiroler Provinzialregierung hat gezeigt, das eine
Autonomieregelung nicht notwendigerweise eine statische
Vereinbarung ist, sondern das Potenzial besitz, sich den
Gegebenheiten anzupassen und sich dementsprechend
weiterzuentwickeln.
Um die Autonomie Südtirols zu beurteilen, müssen zwei
Dinge unbedingt in Betracht gezogen werden. Erstens, die strenge
Regelung der Zweisprachigkeit, die auf den gesamten
öffentlichen Dienstleistungsbereich sowie alle
öffentlichen Institutionen angewendet wird, unabhängig
davon, ob sie stadt-, provinz- oder staatseigen sind, womit auch
die Rechtssprechung sowie das Polizeiwesen einbezogen ist.
Ausgenommen sind nur die Armeemitarbeiter sowie der italienische
Regierungsvertreter in Bozen. Jeder, der sich um eine Stelle im
öffentlichen Dienst bewirbt, muss mithilfe der
Zweisprachigkeitsprüfung eine ausreichende Sprachkompetenz
in den Sprachen Deutsch und Italienisch nachweisen. Im
ladinischsprachigen Raum muss sogar eine
Dreisprachigkeitsprüfung abgelegt werden.
Zweitens, eine weitere Besonderheit südtiroler Autonomie ist
das "Proporzprinzip" in Übereinstimmung mit der
zahlenmäßigen Stärke der jeweiligen offiziell
anerkannten Sprachgruppe. Hierbei müssen zwei
Anwendungsbereiche der Proporzberechnung für alle
öffentlichen Kommissionen und Körperschaften, als ein
grundlegendes Mittel der Konkordanz zwischen Verwaltung und
Regierung im Zusammenhang mit interethnischer Zusammenarbeit in
einer Demokratie, unterschieden werden. [Anmerkung des
Übersetzers: Der ethnische Proporz kommt gegenwärtig
bei der Besetzung der Stellen sowohl der örtlichen
öffentlichen Körperschaften als auch bei jener der
staatlichen Verwaltungen zur Anwendung. Die Anwendung bei
ersteren erfolgte bereits unter dem alten Autonomiestatut, jene
in den staatlichen Verwaltungen erst nach der Reform des alten
Statuts.] Darüber hinaus stehen der Region wesentliche
öffentliche Mittel zur Verfügung, wie beispielsweise
Wohnungsbausubventionen, Sozialbeihilfen, Zivildienststellen, die
nach den jeweiligen Gruppenanteilen an der Gesamtbevölkerung
verteilt werden. Um dem nachzukommen, muss sich jeder
Südtiroler in freier Selbstentscheidung seine
"Zugehörigkeit zu einer der offiziellen Sprachgruppen der
Provinz Bozen - Südtirol" erklären und in ein Register
eintragen.
Zumindest die Finanzregulierung der autonomen Provinz gestaltete
sich als recht vorteilhaft. Die Provinz kann bezüglich ihrer
Ausgaben frei haushalten, ist jedoch in Bezug auf die Besteuerung
eingeschränkt. 90% aller staatlichen Steuereinnahmen, die
innerhalb des autonomen Gebiets eingetrieben werden, bleiben in
Südtirol.
2.6 Portugals autonome Inseln: die Azoren und Madeira [ top ]
Einwohnerzahl (2001): 241.763
Fläche: 2.333 km2
Hauptstadt: Ponta Delgada, Horta
Amtssprache: Portugiesisch
Autonomie seit: 1976
http://de.wikipedia.org/wiki/Azoren
Portugal galt über jahrzehnte hinweg als ein Land ohne
nationale Minderheiten oder Minderheitensprachen. Trotz der
"Entdeckung" der Mirandês Sprechenden - ein kastilischer
Dialekt - nahe der Spanischen Grenze und der Vorkommen einiger
Zigeunergruppen (Roma) wurde die Autonomie nicht den ethnischen
bzw. linguistischen Minderheiten sondern einer geographischen
Einheit zugesprochen: nämlich den zwei Inselgruppen Madeiras
und der Azoren. Erstere liegt ca. 100 km südlich des
portugiesischen Festlandes, während die Azoren sich inmitten
des Atlantiks, auf halbem Wege zwischen Europa und Nordamerika,
befinden. Die Azoren bestehen aus drei Inselgruppen und Madeira
aus vier Inseln. Beide Gebiete wurde zuerst von den Portugiesen
entdeckt und im 14. und 15. Jahrhundert besiedelt. Das Interesse
der Seefahrer bestand darin, die westafrikanische Küste zu
erforschen. Dies in Kombination mit dem westafrikanischen
Sklaven- und Goldhandel führte dazu, dass Madeira sich als
optimaler Zwischenstop für portugiesische Schiffe
etablierte. Wie Madeira im Süden, galten die Azoren, bevor
die europäischen Westexpansion einsetzte, als westlichste
Grenze Europas. In der Zeit der portugiesischen Entdeckungen in
der Neuen Welt, wurden die Azoren als letzter Stützpunkt vor
der Fahrt über den Atlantik genutzt. Mit dem Ende der
Entdeckungsjahre und der Eingliederung Portugals in das
Königreich Spanien im Jahr 1580, wurden die Azoren bis in
die 1920iger als Fluchtort für politische Exilanten
genutzt.
Den Azoren sowie Madeira wurde in der portugiesischen Verfassung
von 1976 ein spezieller Status als "autonome Regionen"
eingeräumt. Laut der portugiesische Verfassung basiert diese
spezielle politische und verwaltungstechnische Vereinbarung mit
den Azoren und Madeira auf "deren geografischen, wirtschaftlichen
und sozialen Verfassungen sowie des historisch gewachsenen
Wunsches der Bevölkerung auf Autonomie". Es wurde
darüber hinaus vereinbart, dass die Autonomie in keinster
Weise die volle Staatssouveränität Portugals
beeinflussen und nur im Rahmen der nationalen Verfassung
ausgeübt werden darf. Aus politischen und
verwaltungstechnischen Gründen wurden die Azoren in drei
Verwaltungseinheiten geteilt, wobei jede Einheit einen Vertreter
an das Parlament in Lissabon entsendet. Madeira und Porto Santo
werden offiziell als Bezirk Funchal bezeichnet, aus dem zwei
Abgeordnete an die portugiesische Nationalversammlung gesandt
werden.
2.6.1 Madeira
Einwohnerzahl (2003):
265.000
Fläche: 964 km2
Hauptstadt: Funchal
Amtssprache: Portugiesisch
Autonomie seit: 1976
http://de.wikipedia.org/wiki/Madeira
Die exekutive Gewalt innerhalb der beiden autonomen Regionen
wird vom portugiesischen Präsident und einem
fünfköpfigen Ratskomitee an den Minister der Republik
übertragen. Die Autorität des Ministers, die die
meisten internen Angelegenheiten betrifft, wird immer mehr auf
die Regionalregierungen der Azoren und Madeiras übertragen.
Den Vorsitz der Regionalregierungen haben die Präsidenten,
die von der jeweiligen Regionalversammlung gewählt und vom
Minister der Republik ernannt werden. Der Präsident
nominiert die Regierungsminister, die auf die gleiche Weise
ernannt werden. Die Regierung ist der Regionalversammlung
gegenüber rechenschaftspflichtig und kann durch eine
Misstrauensabstimmung aufgelöst werden. Die legislative
Gewalt wird von der aus einer Kammer bestehenden
Regionalversammlung ausgeführt. Deren Mitglieder werden
direkt für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Die
Rechtssprechung in den autonomen Regionen steht unter der
Schirmherrschaft des portugiesischen Systems. In jeder Region
befinden sich Bezirks- und Berufungsgerichte. Das portugiesische
Hohe Gericht bildet die letzte Instanz.
Die Regionalversammlungen sind dazu ermächtigt Gesetze
bezüglich der regionalen Spezialinteressen zu erlassen, die
regionalen Gesetze auszuführen, regionale
Wirtschaftspläne zu entwerfen und sich an der Ausarbeitung
der nationalen Wirtschaftspläne zu beteiligen. Die
Regionalregierungen können darüber hinaus Steuern und
Zölle erheben und über 95% der eigenen Einnahmen
selbstständig verfügen. Die portugiesische Verfassung
von 1976 garantiert den autonomen Regionen das Recht, an
internationalen Verhandlungen teilzunehmen und von jenen
Vorteilen zu profitieren, die sich aus internationalen
Verträgen und Vereinbarungen die jeweilige Region betreffend
ergeben. Die Amtssprache auf den Inseln ist Portugiesisch. In den
80iger Jahren wurde von einigen Gruppen eine Erweiterung der
Autonomie auf den Azoren gefordert. Der Konflikt mit Lissabon
entfachte aufgrund der Bestrebungen seitens der Inseln, ihre
eigene Flagge sowie eine eigene Hymne zu etablieren. Die "Front
für die Befreiung der Azoren" (FBA), mit Unterstützung
seitens der reichsten Inselfamilien, drohte mit
gewalttätigen Widerständen, um ihre Ziele zu erreichen.
Anfangs wurden die Forderungen vom portugiesischen
Präsidenten Soares zurückgewiesen, später jedoch
wurden, aus Angst um die nationale Einheit, Zugeständnisse
bezüglich einer Erweiterung der Autonomie der Azoren gemacht
und der Streit um die Symbole beigelegt.
Im Gegensatz zu Grönland, sind Madeira und die Azoren volle
Mitglieder der EU, da diese Regionen nicht über dieselben
Befugnisse wie Grönland in den internationalen Beziehungen
verfügen. Wirtschaftlich sind die Azoren vom Tee-, Tabak-
und Orangenanbau abhängig. Weiterhin dienen die Inseln als
Zwischenstation im Nordatlantik. Seit 1913 befindet sich der
amerikanische Luftstützpunkt von Terceira auf den Azoren.
Die Inseln wurden regelmäßig von Erdbeben und
Vulkanausbrüchen heimgesucht. Auch Madeira diente im
Zeitalter der portugiesischen Kolonialherrschaft als wichtiger
Flottenstützpunkt. Heutzutage ist der Tourismus,
insbesondere der aus Großbritannien, die wichtigste
Einnahmequelle der Insel.
2.7 Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien [ top ]
Einwohnerzahl (geschätzt 2005):
72.000
Fläche: 894 km2
Hauptstadt: Eupen
Amtssprache: Deutsch/Französisch
Autonomie seit: 1973-1994
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschsprachige_Gemeinschaft_Belgiens
1. Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft in
Belgien
Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens bildet den Hauptteil
des gleichnamigen Ostkantons, der zur belgischen Provinz
Liège gehört. Fast alle 72.000 Bewohner der neun
Gemeinden sind deutsche Muttersprachler. Die beiden Gemeinden
Malmedy und Weimses, die zur Französischen Gemeinschaft
gehören, werden zusammen mit dem Gebiet der Deutschen
Gemeinschaft als Ostkantone bezeichnet. Diese Region war bis 1920
Teil der preußischen Rheinprovinz. Nach der deutschen
Niederlage im ersten Weltkrieg wurden die Kreise Eupen und
Malmedy anschließend, wie im Versailler Vertrag vereinbart,
an Belgien abgetreten. Dieser einstige Teil der Rheinprovinz
wurde somit als die "erlösten Kantone" (cantones
redimés) bzw. später als "Ostbelgien" oder
"Deutschbelgien" bezeichnet.
Der Versailler Friedensvertrag forderte die Befragung der
örtlichen Bevölkerung bezüglich ihrer politischen
Zugehörigkeit. Dies wurde jedoch nicht im Rahmen eines
anonymen Referendums durchgeführt. Stattdessen wurden jene
Ansässigen, die keine Belgier werden wollten und dafür
plädierten, dass diese Region wieder an Deutschland
zurückgegeben werden sollte, wurden gezwungen sich mit
vollständigem Namen und Adresse registrieren zu lassen. Mit
dieser Vorgehensweise verhinderte die belgische
Militärverwaltung eine freie und gerechte Volksbefragung, da
sich zahlreiche Anwohner vor Vergeltungsmaßnahmen und
Vertreibung als Folge der Registrierung fürchteten. Mitte
der 20iger Jahre wurden Verhandlungen zwischen Belgien und
Deutschland geführt und das belgische Königreich war
dazu geneigt, das Gebiet wieder an Deutschland zu verkaufen.
Daraufhin schritt die französische Regierung, aus Angst vor
der gesamten Nachkriegsordnung, in Brüssel ein woraufhin die
Deutsch-Belgischen Verhandlungen beendet wurden.
Die neuen Kantone waren gerade einmal 20 Jahre ein Teil Belgiens,
als sie 1940 erneut von Deutschland besetzt wurden. Die Mehrheit
der Bewohner der Ostkantone befürwortete dies, da sie sich
selbst als Deutsche betrachteten. Nach der Niederlage
Deutschlands im Jahr 1945 wurden die Kantone abermals von Belgien
annektiert. Aufgrund der vermeintlichen Zusammenarbeit mit
Nazi-Deutschland, wurde von den belgischen und wallonischen
Machthabern der Versuch unternommen, die deutschbelgische
Bevölkerung zu "entgermanisieren" [ 10 ].
2. Die Autonomievereinbarungen
Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist ein Rechtssubjekt des
öffentlichen Rechts innerhalb eines genauestens definierten
Gebiets in Belgien. Ähnlich wie das kanadische Gebiet
Nunavut stellt die Deutschsprachige Gemeinschaft ein
asymmetrisches Element der föderalen Strukturen des
Belgischen Staates dar. Diese Strukturen wurden eingerichtet, um
den Interessen der kleinsten Sprachgruppe, der ca. 72.000
"Deutschbelgiern" (etwa 0,7 % der Belgischen Bevölkerung),
entgegenzukommen. Zur Zeit setzt sich Belgien aus drei Regionen
zusammen (Flandern, Wallonien und Brüssel) die grobgesehen
den Ländern eines Bundesstaats entsprechen. Parallel dazu
existiert eine weitere Einteilung des belgischen Staates in drei
"Gemeinschaften", die in etwa den Sprachgrenzen innerhalb der
Regionen entsprechen. In Artikel 2 der belgischen Verfassung
heißt es: "Belgien umfasst drei Gemeinschaften: die
Deutschsprachige Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft
und die Französische Gemeinschaft." Diese Gemeinschaften
verfügen über weitreichende Befugnisse in allen
"personenbezogenen Angelegenheiten", wie zum Beispiel Bildung,
Kulturpolitik, Erhaltung von Kulturstätten, Familie,
Sozialhilfe, Gesundheits- und Beschäftigungspolitik.
Befugnisse der Gemeinschaft Befugnisse der Region (personenbezogene Angelegenheiten) Kultur- und Sprachpolitik Stadtplanung Medien Umwelt- und Energiepolitik Unterrichtswesen Wohnungsbau Gesundheitsfürsorge Lokale Wirtschaftspolitik Sozialfürsorge Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik Jugendschutz Transport und Kommunikation Grundlagenforschung Landwirtschaft Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaften Lokale Verwaltung und Kontrolle der Gemeinden Lokale Wirtschaftsentwicklung Internationaler Handel
Alle drei autonomen Gebiete haben ein eigenes Parlament, eine
eigene Regierung sowie eigene Ministerien, um ihre Befugnisse
auszuüben. Gegenüber den großen Gemeinschaften
kann die Deutschsprachige Gemeinschaft nur die Unterrichtssprache
regulieren. Sie verfügt jedoch auch regionale
Befugnisse.
"Belgien umfasst vier Sprachgebiete: das deutsche Sprachgebiet,
das französische Sprachgebiet, das niederländische
Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet
Brüssel-Hauptstadt" (Art. 4 der Verfassung). Die
deutschsprachige Region umfasst 9 Gemeinden in Ostwallonien. Laut
allgemeinem Rechtsprinzip gilt überall diejenige Sprache,
die dem jeweiligen Territorium zugewiesen wurde, als Amtssprache
in der Verwaltung, den Schulen sowie der Rechtssprechung. Es gibt
spezielle sprachbezogene Vorkehrungen für die
Französischsprachigen innerhalb der Deutschsprachigen
Gemeinschaft, in Privatunternehmen sowie für die
Deutschsprachigen in den zwei angrenzenden
französischsprachigen Gemeinden. Nach einer
Verfassungserweiterung im Jahr 1997 erhielt die Deutschsprachige
Gemeinschaft die Befugnis über die Bestimmung der
Unterrichtssprache.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft besitzt ebenfalls Befugnisse
bei der Stadtplanung, der Beschäftigungs- sowie der lokalen
Wirtschaftspolitik. Darüber hinaus kann sie
außenpolitische Verträge abschließen und
über internationale Zusammenarbeit entscheiden. Im Jahr 2005
übernahm die Deutschsprachige Gemeinschaft eine Kontroll-
und Rechnungsprüfungsfunktion über die Gemeinden.
3. Die politische Vertretung
Die Deutschen sind in Belgien auf drei Ebenen vertreten:
1. Das deutschsprachige Gebiet bildet zusammen mit dem
wallonischen Gebiet in Liège einen gemeinsamen Wahlkreis.
Aus diesem Grund wurde bisher noch kein deutschsprachiger
Vertreter ins belgische Parlament gewählt, darum fordern die
Deutschbelgier weiterhin einen garantierten Sitz im Parlament.
Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft ernennt einen
Abgeordneten für die zweite Kammer des belgischen
Parlaments, den Senat (71 Abgeordnete). Im Senat gibt es keinen
direkt gewählten Abgeordneten, da die Anzahl der
deutschsprachigen Wähler nicht ausreicht.
2. Auf regionaler Ebene ist die Deutschsprachige Gemeinschaft
durch 3 Angeordnete im wallonischen Regionalparlament vertreten,
es gibt jedoch keinen eigenen Wahlkreis für deutschsprachige
Wähler. In der Provinz Liège sind die
Deutschsprachigen derzeit mit 6 Abgeordneten in der
Provinzialversammlung vertreten.
3. Das demokratisch gewählte Parlament der Deutschsprachigen
Gemeinschaft in Eupen vertritt die Deutschsprachigen Gemeinschaft
in der Kommission, die eine Zusammenarbeit mit den Parlamenten
der anderen Gemeinschaften untereinander koordinieren soll.
Darüber hinaus bildet die Deutschsprachigen Gemeinschaft
einen Wahlkreis für die Europaparlamentswahlen.
Die durchdachte Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft
konnte nur im Rahmen der Umgestaltung des belgischen Staates von
einem unitären zu einem föderalen Staat in den Jahren
1973 bis 1994 umgesetzt werden. Die ersten Vorkehrungen den
offiziellen Sprachgebrauch betreffend wurden bereits 1962-63
getroffen, die Deutschsprachige Gemeinschaft an sich konnte
jedoch erst mit der ersten Staatsreform im Jahr 1973 etablieren.
Ein Jahr darauf (1974) wurde das erste Parlament der
Deutschsprachige Gemeinschaft gewählt. Die zweite
Staatsreform von 1980-83 erweiterte die kulturellen Rechte und
personenbezogenen Angelegenheiten. Seitdem stellt das Parlament
direkt die Regierung des deutschsprachigen Gebiets dar.
Später, mit der dritten Staatsreform, erhielt die
Deutschsprachige Gemeinschaft die vollständige Verantwortung
für das gesamte Unterrichtswesen.
In den 90iger Jahren wurde die verfassungsrechtliche Anerkennung
der Deutschsprachigen Gemeinschaft, welche mit zusätzlichen
Befugnissen ausgestattet wurde, verstärkt. Mit der vierten
Staatsreform von 1993-94 wurde das belgische Nationalparlament
reformiert, wobei der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine direkte
Vertretung im Senat eingeräumt wurde. Gleichzeitig wurde die
Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft weiter ausgebaut.
Sie erhielt nun Befugnisse in der Sozialfürsorge, der
Erhaltung der Kulturgüter und -stätten, der
Arbeitsmarktpolitik und anderen Arbeitsmarktangelegenheiten, der
Finanzierung der örtlichen Behörden sowie die Kontrolle
und Rechnungsprüfung der Gemeinden. 2001 wurde das
Finanzierungssystem der Deutschsprachigen Gemeinschaft
grundlegend geändert. Die Regierung der Deutschsprachigen
Gemeinschaft setzt sich aus drei bis fünf Ministern
zusammen.
Heutzutage fordert die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien
eine Ausweitung der bisherigen Autonomie, denn sie möchte
langfristig als "gleichwertige Region" neben Wallonien und
Flandern innerhalb des Föderalstaates anerkannt werden. Der
führende Minister der Gemeinschaft, Karl-Heinz Lambertz,
verkündete, dass er bereits Verhandlungen mit der
Französischsprachigen Gemeinschaft Walloniens aufgenommen
habe. Die Deutschsprachige Gemeinschaft möchte
zusätzliche Befugnisse bezüglich der Stadtplanung, der
Wohnungsbaupolitik, des Straßenbaus sowie der
Landwirtschaft. Diese Strategie wurde im Jahr 2001 einstimmig vom
Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft beschlossen. Es wurde
entschieden, schrittweise auf die Erweiterung der Autonomie
hinzuarbeiten. Auf längere Sicht soll die Deutschsprachige
Gemeinschaft als vierte Region neben Flandern, Brüssel und
Wallonien anerkannt werden. Bisher hat Wallonien die Forderungen
der Deutschbelgier bezüglich eines "Staates in einem Staat"
abgelehnt. Wallonien ist, aus Angst vor der vollständigen
Abspaltung Deutschbelgiens von der wallonischen Region,
abgeneigt, der Deutschsprachigen Gemeinschaft mehr Befugnisse
einzuräumen.
Hierbei sollte man bedenken, dass die Deutschsprachige
Gemeinschaft im Falle einer Abspaltung von Wallonien mit den
anderen drei bereits existierenden Regionen gleichgestellt
würde. Somit würde sie ihre heutige
Territorialautonomie aufgeben und zu einem konstituierenden Teil
des belgischen Föderalstaates werden.
2.8 Gagausien: eine autonome Region Moldawiens [ top ]
Einwohnerzahl (2001):
171.500
Fläche: 1.831,5 km2
Hauptstadt: Comrat
Amtssprache: Gagausisch, Moldauisch, Russisch
Autonomie seit: 1994
http://de.wikipedia.org/wiki/Gagausien
Gagausien umfasst eine Fläche von rund 1831,5 km2, das
entspricht etwa 5,4%, des Moldawischen Gebiets. Die
Bevölkerung setzt sich wie folgt zusammen: 78,8% Gagausier,
5,5% Bulgaren, 5,4% Moldawier, 5% Russen, 4% Ukrainer, 1,3
Sonstige. Aufgrund religiöser Unterschiede kämpfen die
Anhänger von vier orthodoxen Glaubensrichtungen um die
Vorherrschaft: die moldawisch-orthodoxe Kirche, die russisch-,
ukrainisch, und gagausisch-orthodoxe Kirche. Moldawien (offiziell
Republik Moldau) ist ein multiethnischer Staat in Osteuropa, in
dem es zahlreiche ethnische Konflikte gibt. Die Gagausen
zählen zu den Turkvölkern, welche während der
russisch-ottomanischen Kriege im 18. Jahrhundert ins Balkangebiet
flohen. Heutzutage gehören die Gagausen neben den
Tschuwaschen zu den einzigen Turkvölkern, die
christianisiert wurden. Die Gagausen leben seit Jahrhunderten in
Bulgarien, wo sie den christlichen Glauben annahmen. Als das
Gebiet des heutigen Moldawiens von Russland annektiert wurde,
musste die muslimische Bevölkerung dieser Region vor den
neuen russischen Herrschern fliehen. Letztere lockten daraufhin
die Bewohner der Nachbarländer mit Privilegien, wie
beispielsweise Ländereien, Steuervergünstigungen und
Befreiung vom Militärdienst, damit diese sich in dem Gebiet
niederließen. Somit kam es, dass die Gagausen diesen Platz
einnahmen. Ihre Sprache ist türkischen Ursprungs, jedoch
haben sie den christlich-orthodoxen Glauben angenommen.
Während der Konflikt zwischen der moldawischen Zentralgewalt
und der russischen Minderheit in Transnistrien (A.d.Ü.: Als
Transnistrien wird der östliche Teil Moldawiens bezeichnet)
auch weiterhin ungelöst ist, konnte dagegen ein stabiler
Kompromiss zwischen dem moldawischen Staat und der kleinen
Volksgruppe der Gagausen geschlossen werden, wobei letzteren eine
territoriale Autonomie gewährt wurde. Ein Drittel der
moldawischen Bevölkerung gehören verschiedenen
Minderheiten an. Nachdem Moldawien die Unabhängigkeit im
Jahr 1991 erlangte, befürchteten die Gagausen, dass die
moldawische Nationalbewegung eine Wiedervereinigung mit
Rumänien anstreben würde. Die Spannungen stiegen nicht
nur in Transnistrien, sondern auch in der süd-gagausischen
Bergregion, woraufhin sich die Gagausen zu einer gemeinsamen
Volksfront zusammenschlossen. Als die neu-konstituierte Republik
Moldau eine Amtssprachenregelung verabschiedete, die sich auf den
Gebrauch der moldawischen Sprache konzentrierte, riefen die
Gagausen ihre eigene kleine Sowjet-Republik in Comrat, der
Hauptstadt dieser Region, aus. Einige Beobachter
befürchteten blutiger Auseinandersetzungen zwischen der
zweiten Frontlinie und der separatistischen Miliz, jedoch einigte
sich die gagausische Führung mit der Regierung der
kürzlich unabhängig gewordenen Republik Moldau darauf,
in politischen Verhandlungen einen tragbaren Kompromiss zu
erarbeiten.
Am 23. Dezember 1994 wurde nach tagelangen Verhandlungen, welche
ausnahmsweise in Russisch geführt wurden, das "Gesetz
über den speziellen Rechtsstatus Gagausiens (Gagauz Yeri)
innerhalb der Republik Moldau" verabschiedet. Der Kern des
Gesetzes stellt die Bewilligung einer internen Selbstbestimmung
im Rahmen einer Verfassung als autonome Territorialeinheit der
gagausische Volksgruppe dar, welche demzufolge "eine autonome
Gebietseinheit mit einer besonderen Rechtsstellung, die als Form
der Selbstbestimmung der Gagausen ein Bestandteil der Republik
Moldau ist" darstellt. Auf dieser Grundlage konnte im März
1995 in einem Referendum in allen Gebieten Süd-Moldawiens,
in denen Gagausen ansässig sind, über die Annahme des
Autonomiestatuts abgestimmt werden. In 30 Wahlkreisen wurde
diesem Vorschlag, der somit am 1. Januar 1996 in Kraft treten
sollte, zugestimmt.
Laut dem Autonomiegesetz aus dem Jahr 1994 gehören all jene
Ortschaften zum Gebiet der Gagauz Yeri, in denen der Anteil der
gagausischen Bevölkerung bei über 50% liegt. Es fanden
örtliche Volksbefragungen in den Ortschaften statt, in denen
der Anteil weniger als 50% betrug, um zu ermitteln, ob diese
Wahlkreise ebenfalls zu dem autonomen Gebiet gezählt werden
möchten.. Die Parlamentsversammlung der Gagauz Yeri, welche
direkt gewählt wird, übernimmt die Gesetzgebung. Die
hauptsächlichen Befugnisse beziehen sich auf das
Bildungswesen, die Kultur, die lokale Entwicklung, Budget- und
Steuerangelegenheiten, soziale Sicherheit, Umwelt und
Stadtplanung. Darüber hinaus nimmt das gagausische Parlament
an den Abstimmungen über die moldawische Innen- und
Außenpolitik teil. Das Verfassungsgerichts kann durch das
Parlament aufgefordert werden, staatliche Gesetze zu
überprüfen. sobald diese in den
Zuständigkeitsbereich der gagausischen Gesetzgebung
eingreifen. An der Spitze der Exekutive steht ein Gouverneur, der
direkt von der Bevölkerung der Gagauz Yeri für eine
Amtszeit von 4 Jahren gewählt wird. Per Definition ist er
ein Mitglied der moldawischen Regierung. Die gagausischen
Regierungsvertreter werden vom gagausischen Parlament
ernannt.
Im Justizbereich werden die Berufungsverfahren der örtlichen
Gerichtsbezirke vom gagausische Gerichtshof bearbeitet. Die
Richter werden vom moldawischen Präsident, nachdem sie vom
gagausischen Parlament vorgeschlagen wurden, ernannt. Der Oberste
Richter des gagausischen Gerichtshofes ist per Definition
Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Moldawien. Ebenso
beteiligen sich die gagausischen Rechtsanwälte an
verantwortungsvollen Aufgaben auf verschiedenen Ebenen. Für
die Gagausier enthält das "Autonomiegesetz" zwei besonders
wichtige Abschnitte. Erstens, die Gagausier (Gagauz Yeri) sind
die Staatsbürger der autonomen Region. Folglich stellen die
Gagausier keine "Minderheit" bzw. "ethnische Gruppe" dar.
Zweitens, das Autonomiegesetz trägt der geschichtlich
gewachsenen Befürchtungen der Gagauz Yeri, bezüglich
der Möglichkeit einer erneuten Annexion durch das
angrenzende Rumänien, wie es bereits in den Jahren 1918-1940
und 1941-1944 geschah, Rechnung. Dieser Artikel besagt: "Im Falle
einer Änderung der Eigenstaatlichkeit Moldawiens, besitzt
das gagausische Volk das Recht auf externe Selbstbestimmung."
Dies ist gleichzustellen mit dem Recht auf Sezession und folglich
zur eigenen Staatsgründung.
Gagausien wird von einem Parlament und einem Gouverneur regiert,
letzterer wurde zum ersten Mal im Juni 1995 direkt gewählt.
Seit 1998 hat Gagausien auch eine eigene Verfassung. Neben dem
Russischen gelten auch Moldauisch (Rumänisch) sowie das
Gagausisch als Amtssprachen des autonomen Gebiets. Das Gebiet ist
nicht einheitlich begrenzt, da es sich aus dem Kerngebiet um die
Hauptstadt Comrat, dem südöstlich angrenzenden
Ceadîr Lunga, sowie drei Enklaven um die Stadt Vulcanesti
im äußersten Süden, sowie den Dörfern
Copceac und Carbolia, zusammensetzt. Die Errichtung der
Territorialautonomie trug entscheidend dazu bei, den starken
Konflikt zwischen den Gagausen und der Zentralregierung in
Chisinau zu beenden. Im Oktober 1990 und im August 1991 stand
sich der Konflikt kurz vor der Eskalation. Die
Autonomielösung entspannte ebenfalls die Situation innerhalb
des zweiten ethnischen Konfliktzone Transnistrien. Im Sommer 1992
brach ein kurzer Krieg im Bereich der Stadt Bendery/Tiglina
zwischen der moldawischen Armee und transnistrischen Separatisten
aus, und forderte tausende Opfer und ca. 100.000
Flüchtlinge. Bis heute existiert noch keine definitive
Lösung des Konflikts. Vor dem Hintergrund dieser fragilen
Situation erschien der Durchbruch in der Kompromissfindung mit
Gagausien als ein Sieg der politischen Vernunft über die
Interessen der ehemaligen Machteliten.
Die Standpunkte der betreffenden politischen Institutionen und
Kräften, sowie die der lokalen Bevölkerung, sowohl der
Gagausen als auch der Nicht-Gagausen, waren sehr unterschiedlich.
Hauptsächlich wurde die unvollkommene Gewaltenteilung
zwischen der Zentralregierung und den autonomen Institutionen,
sowie die schwache Vertretung des autonomen Gagausen-Landes auf
zentraler Ebene, kritisiert. Trotzdem wird die
Autonomielösung sogar von den führenden moldawischen
Politikern als Erfolg angesehen. Das Autonomiestatut Gagausiens
wird heutzutage, sogar von der Mehrheit der nicht-gagausischen
Bevölkerung der autonomen Region, nicht mehr hinterfragt.
Wohingegen außerhalb des autonomen Gebiets in allen
führenden politischen Positionen, Unternehmen, Medien,
Verwaltung die Beherrschung der moldauischen Sprache gefordert
wird, ist das gagausische Gebiet dreisprachig. Aus diesem Grund
ist es nicht wunderlich, dass nun ebenfalls die bulgarische
Minderheit im Süd-Westen Moldawiens die Errichtung einer
territorialen Autonomie fordert. Wie auch immer, der Fall
Gagausiens unterstreicht die Annahme, dass jede
Autonomielösung den jeweiligen Gegebenheiten der
interethnischen Beziehungen exakt angepasst werden muss. Eine
erfolgreiche Autonomieform kann in einem Fall sehr gut
funktionieren, wohingegen andere Konflikte verschiedene
Lösungsansätze erfordern können.
Die Autonomie der moldawischen Gagauz Yeri ist von
ausschlaggebender Wichtigkeit für das Zentral- und
Osteuropa, nachdem in den Jahren nach 1990 in den meisten
post-kommunistischen Staaten starke nationalistische Kräfte
wiedererwachten. Obwohl seit längerer Zeit der
Minderheitenschutz eher als ein zweitrangiges Thema der
Staatspolitik angesehen wurde, führen nun neuentfachte
Assimilationspolitiken zu erneuten Spannungen. Eine große
Anzahl von Minderheiten fühlten sich somit frustriert und
bedroht, da sie als "Menschen zweiter Klasse" behandelt wurden,
und manchmal sogar als Sündenböcke für die
wirtschaftliche und soziale Unterentwicklung herhalten mussten.
Es wurden wenige Versuche unternommen, um die Gleichheit der
Minderheiten herzustellen. Weiterhin wurde Autonomie oftmals als
ein Angriff auf die territoriale Integrität des Staates
verstanden. Die Autonomie des Gagausen-Landes stellt ein erstes
Beispiel für territoriale Autonomie und für kollektive
Minderheitenrechte in Osteuropa seit dem Ende des Kommunismus
dar. Es bewies, dass diese Methode die Befürchtungen aller
Beteiligten auf angemessene Art und Weise entkräften
kann.
2.9 Autonomie in der Russischen Föderation: die Republik Tatarstan [ top ]
Einwohnerzahl (2002):
3.779.265
Fläche: 67.836,2 km2
Hauptstadt: Kasan
Amtssprache: Russisch, Tatarisch
Autonomie seit: 1994
http://de.wikipedia.org/wiki/Tatarstan
Regionale Autonomie innerhalb einer Föderation ist dem
ersten Anschein nach widersprüchlich, da jede
Föderationsrepublik laut Definition über einen gewissen
Grad an Autonomie verfügt. Die Russische Föderation ist
das weltweit beste Beispiel für eine "asymmetrische
Föderation". Deren Verfassung erkennt sechs verschiedene
Formen von föderalen Subjekten: Republiken, Bezirke,
Gebiete, Städte mit föderalistischer Bedeutung,
autonome Gebiete, und autonome Kreise. Die Asymmetrie umfasst
drei Aspekte: Unterschiede im verfassungsrechtlichen Status,
Unterschiede in der Exekutivgewalt, die in bilateralen
Verträgen zwischen der föderalen Einheit und der
Föderation vereinbart wurden, sowie Unterschiede im
innenpolitischen System, manchmal sogar im Kontrast zur
föderalen Verfassung. Der Autonomiegrad sowie die Anzahl der
Befugnisse nimmt, je nach Stellung des föderalen Subjektes,
ab. Asymmetrische Föderalstaaten passen ihre Struktur der
Gewaltenteilung den jeweiligen Bedürfnissen und Interessen
der einzelnen Gebietseinheiten an. Wie in der Russischen
Föderation, wo auf alle Einheiten angewandte, symmetrische
Elemente mit asymmetrischen kombiniert wurden, welche wiederum
nur auf bestimmte Einheiten bzw. in Einzelfällen zutreffend
sind. Deshalb gibt es heutzutage unterschiedliche Formen der
zentralen Machthabe, unterschiedliche Kontrollebenen der
örtlichen Ressourcen, sowie Unterschiede zwischen den
autonomen Legislativ- und Exekutivkräften innerhalb der
Russischen Föderation. Schließlich jedoch besitzen die
föderalen Subjekte auch Gemeinsamkeiten bezüglich
einiger juristischer Charakteristika, ohne die das ganze System
unregierbar wäre. Anders als zu Sowjetzeiten besitzen die
Föderalrepubliken keine Souveränitätsrechte.
Warum sollte die Republik Tatarstan nun in diesem Zusammenhang
als ein Spezialfall angesehen werden? Tatarstan ist nicht nur die
am dichtesten bevölkerte autonome Republik innerhalb der
Russischen Föderation, sondern sie verfügt auch
über eine besonders fortschrittliche Form der Autonomie.
Tatarstan war ein Mitgliedsstaat der ehemaligen UdSSR. Vor der
Gründung der Russischen Föderation, wurde die ehemalige
UdSSR in 15 Gemeinschaftsrepubliken (Sozialistische
Sowjetrepubliken), 20 Autonome Sozialistische Sowjetrepubliken
(ASSR), acht autonome Gebiete (Oblast) sowie zehn nationale
Verwaltungseinheiten (Okrug) eingeteilt.
Tatarstan war damals eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik,
die sich im Zentrum der ehemaligen UdSSR befand und an die
Autonomen Sozialistischen Sowjetrepubliken Mordwinien,
Tschuwaschien, Mari, Udmurtien und Baschkortostan angrenzte. Die
Tartaren bilden mit über 51% die größte
Volksgruppe in Tatarstan, danach folgen die Russen (43,3%) und
die Tschuwaschen (3,7%). Darüber hinaus leben in Tatarstan
auch Mordwinen, Udmurten, die Mari sowie Baschkiren. Die Tartaren
sind größtenteils Muslime und bilden nach den Russen
die zweitgrößte Volksgruppe innerhalb der Russischen
Föderation. Sie gehören zu den Turkvölkern, welche
sich in der Nord-Ost-Mongolei sowie in den Khanaten der Uiguren
ansiedelten. Ein Großteil der Tartaren siedelte sich
während des 11. Jahrhunderts in der mittleren Wolgaregion
und in den anliegenden Uralregionen an. Heutzutage leben die
Tartaren auf zahlreiche Regionen der Russischen Föderation
sowie auf der ganzen Welt verteilt. Bei dem russischen Zensus von
1989 wurden 6.645.558 Tartaren gezählt, wovon etwa 5,5
Millionen innerhalb der Russischen Föderation lebten. Seit
den späten 1980igern, setzten sich die Tartaren
verstärkt für eine Ausweitung der Autonomie, besonders
in Bezug auf die Verwaltung der Ölreserven und anderer
Naturvorkommen auf ihrem Gebiet, ein. Tatarstan befindet sich
föderationsweit, gemessen an der Wirtschaftskraft, an achter
Stelle. Diese Region ist wirtschaftlich gesehen für die
Föderation von strategisch großer Bedeutung, da etwa
79% des Öls, ein Großteil der Lastwagen,
Militärbomber, und hochentwickelte Maschinenbauanlagen dort
produziert werden.
Am 30. August 1990, als die UdSSR unter Führung Gorbatschows
aufgelöst wurde, erklärten alle Unionsrepubliken ihre
Souveränität und Unabhängigkeit. So erklärte
sich auch Tatarstan als eine "souveräne Republik". Dies
wurde zwei Jahre darauf durch ein Referendum bestätigt. Die
UdSSR befand sich auf dem Weg zu einer stärkeren
Dezentralisierung und Wiederherstellung der Autonomiebefugnisse
der einzelnen Regierungen. Im November 1992 nahm Tatarstan (eine
ASSR und keine Gemeinschaftsrepublik) eine republikanische
Verfassung an, und erklärte somit die Unabhängigkeit
des Landes. Im Dezember des Folgejahres wurde die russische
Verfassung verabschiedet und Tatarstan lehnte die Unterzeichnung
des multilateralen Föderationsvertrages ab. 1994 wurde ein
Abkommen zwischen der Republik Tatarstan und der Föderation
getroffen und daraufhin ein bilateraler Vertrag unterzeichnet,
der die Trennlinien der Befugnisse zwischen den Staatsagenturen
der Russischen Föderation und denen der Republik Tatarstan
festlegte. Dieser Vertrag garantierte der Republik Tatarstan
keine Souveränität. Ganz im Gegenteil, der Vertrag
bezeichnete Tatarstan als einen "mit Russland vereinigten Staat
auf der Grundlage der Verfassungen der beiden Staaten und dem
Vertrag über die Trennlinien der Befugnisse zwischen den
Staatsagenturen der Russischen Föderation und denen der
Republik Tatarstan."
Russland erkannte das Recht der Republik Tatarstan an, in Bezug
auf ihre Außenpolitik sowie ihren Handel eigenständige
Entscheidungen treffen zu können, an. Weiterhin kann die
Republik über eine eigene Verfassung, eigene Gesetze, einen
eigenen Haushalt, eine eigene Steuererhebung verfügen,
unabhängiges Rechts- und Justizwesen sowie Bankenwesen
aufbauen, und über die Nutzung der Naturvorkommen
entscheiden. Gemeinschaftliche Arbeitsbereiche umfassen u.a. die
Verteidigung der persönlichen Rechte und Freiheiten sowie
der Schutz der ethnischen Minderheiten. Die
Souveränität der Republik Tatarstan bezieht sich auf
deren territoriale Integrität, die Waffenproduktion, den
Umbau der Verteidigungsanlagen für den zivilen Gebrauch, die
Koordinierung des Außenhandels, der Wirtschaftspolitik, der
Geldpolitik sowie der Transport- und Kommunikationspolitik. In
den meisten Autonomievereinbarungen behält dagegen der
souveräne Staat die Kontrolle bezüglich der
Außenpolitik, der internationalen Beziehungen und der
Verteidigung.
2.10 Die autonome Republik Krim (Ukraine) [ top ]
Einwohnerzahl (2002): 2.000.192
Fläche: 26.100 km2
Hauptstadt: Simferopol
Amtssprache: Russisch, Ukrainisch, Tatarisch
Autonomie seit: 1994
Bevölkerung: Russen: 1,180.000 (58,3%); Ukrainer: 492.000
(24,3%); Krimtataren: 243.400 (12%); Sonstige: 5,4%
http://de.wikipedia.org/wiki/Krim
Die Krimhalbinsel, das südlichste Gebiet der Ukraine,
zeugt von einer langen Geschichte multiethnischer Politik.
Jahrhundertelang war die Krim ein Khanat der Tatare, bevor sie im
Jahr 1745 unter die Herrschaft des Ottomanischen Reiches fiel und
kurz darauf (1783) dem Russischen Reich einverleibt wurde. Im 19.
Jahrhundert wurde die Krim einer ausgedehnten Russifizierung
unterzogen. Nach der russischen Oktoberrevolution richteten die
Bolschewiki eine "Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim"
(ASSR) innerhalb der Russischen Sozialistischen Föderativen
Sowjetrepublik (RSFSR) ein. Im Jahr 1944 erlitten die Bewohner
der Krim ein schweres Trauma, als Stalin ca. 190.000 Tataren nach
Zentralasien deportieren ließ, wobei annähernd die
Hälfte an Hunger und Kälte starben. Russen besetzten
daraufhin die leeren Häuser der deportierten muslimischen
Tataren, eines von vielen Völkern, welche Opfer des Genozids
des stalinistischen Regimes wurden.
Im Jahr 1954 sprach Chruschtschow die Krim der Ukraine zu,
wahrscheinlich um mehr Unterstützung durch letztere zu
erhalten. Heutzutage ist dieser Teil die einzige Provinz der
Ukraine mit einer russischen Mehrheitsbevölkerung. Nach dem
Zusammenbruch des sowjetischen Systems im Jahr 1991 wollte sie
russische Mehrheit die Zeit ins Jahr 1954 zurückdrehen und
erklärten erneut eine "Autonome Krim", wobei sie den
Anschluss an Russland befürworteten. Die Zeit bis 1994 war
deshalb durch starke politische Auseinandersetzungen zwischen
Moskau, Kiew und einer gespalteten Bevölkerung auf der Krim
gekennzeichnet: Ukrainer und Tataren sprachen sich für die
Beständigkeit innerhalb der Ukraine aus, wohingegen die
Russen eine "Rückkehr zu Russland" bevorzugten. Erst im
Herbst 1995 konnte, aufgrund der entscheidenden Tätigkeit
des russlandfreundlichen, ukrainischen Präsidenten Leonid
Kutschma, eine neue Verfassung für die Krim angenommen
werden, in der deren autonomer Status sowie die eigene
Vorstellung als "untrennbarer Bestandteil der Ukraine"
festgehalten wurde.
Die Autonome Republik Krim (ARK) ist berechtigt eine eigene
Verfassung anzunehmen, die jedoch vom ukrainischen Parlament
genehmigt werden muss. Ein weiterer wichtiger und grundlegender
Bestandteil der Entwicklung sowie der Legitimierung der Autonomie
der Krim sind auch, neben dem Ukrainisch-Russischen Konflikt, die
in der Vergangenheit begangenen Verbrechen gegen die
traditionellen Bewohner der Halbinsel, u.a. der Tataren. Artikel
11 der Verfassung garantiert "die Entwicklung der ethnischen,
kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität
aller einheimischen Völker und nationalen Minderheiten der
Ukraine". Der Bevölkerungsanteil der Russen auf der Krim
sank im Zeitraum von 1989 bis 2001 von 65,6% auf 58,3%.
Wohingegen die Anteil der Tataren an der Bevölkerung im Jahr
1989 bei gerade einmal 1,9% lag, stieg dieser besonders
während der 90iger Jahre aufgrund der Rückkehr
tausender Familienangehöriger aus Usbekistan. Sollte dieser
Trend in diesem Maße voranschreiten, so gäbe es im
Jahr 2011 keine russische Mehrheit mehr auf der Krim.
Darüber hinaus endet 2007 der Pachtvertrag über den
Hafen von Sevastopol für die Russische Flotte im Schwarzen
Meer. In Usbekistan leben immer noch 188.000 Krimtataren, von
denen mindestens 73% sich eine Rückkehr auf die Krim
wünschen. Schlechte Wohnzustände, hohe
Arbeitslosigkeit, allgemein schwere Lebensbedingungen halten sie
jedoch davon ab, Die Rückkehr anzutreten.. Die Krimtataren,
welche heutzutage rund 12% der Gesamtbevölkerung darstellen,
lehnen es trotzdem weiterhin ab als "nationale Minderheit"
betrachtet zu werden.
Die ARK verfügt über legislative und exekutive
Befugnisse in den folgenden Politikbereichen: Landwirtschaft,
Jagd und Fischerei, Landgewinnung und Bergbau, öffentliche
Arbeiten, Handwerk und Handel, Städte- und Wohnungsbau,
sowie kulturelle Angelegenheiten, öffentlicher Verkehr,
Straßen, Wasserversorgung, und
Sanitätsdienstleistungen. Sollte der ukrainische
Präsident den Gesetzesbeschlüsse der Krim als
verfassungswidrig erachten, so kann er diese zeitweilig
außer Kraft setzen und vom Verfassungsgericht in Kiew
prüfen lassen. Weiterhin hat der Präsident das Recht,
die ARK mit Hilfe seiner ukrainischen Vertreter auf der Krim zu
beobachten und zu kontrollieren, letztere sind folglich sehr
einflussreich.
Die Sprachregulierung auf der Krim ist ein sehr heikles Thema, da
mindestens drei wichtige Sprachgruppen auf der Halbinsel
vertreten sind: Russisch, Ukrainisch, und Tatarisch. Artikel 10
der Verfassung der ARK schreibt der russischen Sprache "als die
Sprache der Mehrheitsbevölkerung und als Sprache, die eine
interkulturelle Verständigung ermöglicht und daher in
allen Lebensbereichen Anwendung findet" eine besondere Rolle zu.
Folglich gelten im Allgemeinen Russisch und Ukrainisch als
effektiv genutzte Amtssprachen, wohingegen das Tatarische nur auf
Wunsch verwendet wird.
Das Parlament der ARK soll, laut Verfassung, eine gleichwertige
Vertretung aller nationaler Minderheiten der Halbinsel
garantieren: von den 100 Sitzen sind 14 für die Krimtataren
und jeweils einer für die Abgeordneten der kleineren
Minderheiten, wie beispielsweise den ehemals Vertriebenen
Volksgruppen der Armenier, der Bulgaren, der Griechen und der
Deutschen, reserviert. Alle 14 Sitze, die für die
Krimtataren reserviert sind, wurden nur einmal, im Zeitraum von
1994-1998, vollständig besetzt. Es gibt immer noch keine
sichergestellte, proportionale Vertretung der bereits
angesiedelten Krimtataren im Parlament (nur sechs der 14
möglichen Plätze sind besetzt). Dagegen wurden jedoch
nahezu 1000 Tataren auf allen Ebenen des Rates gewählt. Der
stellvertretende Vorsitzende des Medjlis, dem traditionellen
Parlament der Tartaren, wurde Vize-Sprecher des Krim-Parlaments.
Drei weitere Krimtataren wurden Mitglieder der Krim-Regierung und
ein anderer Vize-Premierminister der Republik Krim. Die letzten
Wahlen zum ARK-Parlament fanden am 31. März 2002 statt, die
nächsten sind für das Frühjahr 2006
vorgesehen.
Zusammenfassend kann man über die Autonome Republik Krim
sagen, dass sie eine multikulturelle Region innerhalb der Ukraine
ist, und größtenteils eine Antwort auf den drohenden
und immer noch weiter vorherrschenden Irredentismus (A.d.Ü.:
In diesem Fall versteht man unter Irredentismus die
Anschlusssuche der russischen Bevölkerungsteile an das
russische Mutterland). Diese Vereinbarung ist bisher einzigartig
in der Geschichte der Ukraine und keine weitere Region hat jemals
ähnliche Autonomieansprüche an die Regierung der
Ukraine gestellt. Russland hat dahingegen kein Interesse daran,
den Irredentismus voranzutreiben. Stattdessen bevorzugt die
russische Regierung eine enge Allianz mit der Ukraine. Der
OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten und der
Europarat unterstützten ebenfalls diese Art der Autonomie,
die eventuell etwas ungewöhnlich ist, jedoch in der heutigen
Ukraine zu einem Bestandteil der Realität geworden ist. In
der derzeitigen konstitutionellen Vereinbarung finden jedoch die
Forderungen der Krimtataren, die vor über 60 Jahren
massenweise von der Halbinsel deportiert wurden und nun zahlreich
in ihre ehemalige Heimat zurückgekehrt sind, wenig
Beachtung. Die gut organisierten Tatare üben nun Druck aus,
indem sie verstärkt in der internen sowohl als auch in der
internationalen Politik einflussreich tätig sind. Der Zensus
von 2001 hat gezeigt, dass der demographische Trend zugunsten der
Krimtataren ist. Dies stellt eine wirkliche Herausforderung
für die Autonomie dar.
Das ungewöhnliche Autonomie-Experiment der Ukraine hat
womöglich dazu beigetragen, dem Konflikt vorzubeugen. Es
könnte natürlich auch sein, dass dies sich nur
zufällig mit einer Periode ohne ziviler Unruhen
überschneidet. Jedoch kann man, nachdem die Autonomie seit
fast 10 Jahren ausreichend etabliert ist, einen vorläufigen
Schluss ziehen: Die Autonomie hat nicht versagt, sie war eher
erfolgreich und könnte dies in noch größerem
Maße sein, wenn die Krimtataren mehr Stimmgewalt
besäßen. Letztendlich hat sich das ukrainische
Experiment trotz einiger Schwächen und obwohl alles als
politischer Kompromiss begann, haltbarer erwiesen, als jemals
erwartet wurde. Die Krim kann heutzutage als multinationale
Region mit einem speziellen Status innerhalb des ukrainischen
Einheitsstaates verstanden werden. Die Bedrohung durch den
russischen Irredentismus ist rückläufig. Die
Autonomievereinbarung ist weiterhin einzigartig in der Ukraine,
und die Autonomie der Krim hat sich sogar in den Entscheidungen
des Verfassungsgerichts weiter eingebürgert. Trotz alledem
sind einige Aspekte weiterhin ungelöst: Die Forderungen der
Krimtartaren, jene der bereits Zurückgekehrten sowie die
derjenigen, die noch auf ihre Rückkehr warten, wurden bisher
noch nicht berücksichtigt. Die Interessenvertreter arbeiten
weiterhin auf allen Ebenen, um die vollständige
Legitimität und Würde als einer der "Titularnationen"
der ARK zu erwirken. Wenn die Missstand der Krimtartaren auf
friedliche Art und Weise gelöst werden könnte,
könnte diese Autonomie ein wahrer Erfolg werden und das
ukrainische Experiment würde sich als haltbar erweisen, auch
wenn es weiterhin einige Ungereimtheiten und Schwächen geben
wird.
3.1 Allgemeine Bemerkungen [ top ]
Die Autonomiegebiete Europas besitzen einige Gemeinsamkeiten, zeugen jedoch auch von Unterschieden bezüglich ihrer Entstehung, Lage, ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, sowie politischen Voraussetzungen. Unter Autonomien versteht man grundsätzlich institutionelle und verfahrensrechtliche Systeme, welche auf komplexen Rechtsvorkehrungen basieren, die von einem einfachen Autonomiestatut oder -verfassung bis hin zu Gesetzeserlassen und -verordnungen, die die rechtlichen Vorkehrungen umfassen und von den autonomen Institutionen anerkannt werden müssen, variieren können. Obwohl das eigentliche Ziel - nämlich territoriale Selbstverwaltung - der diversen Autonomievereinbarungen annähernd identisch ist, fällt die konkrete Umsetzung, die das Ergebnis einer dialektischen Beziehung zwischen der Autonomie und der Zentralgewalt ist, sehr unterschiedlich aus. Schließlich sollten die Autonomien in Europa und weltweit anhand von allgemeingültigen, objektiven Kriterien, bezogen auf die friedliche Ausübung der Autonomie, die Achtung der Minderheitenrechte, Stabilität sowie einer positiven sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bewertet werden. Bei den begrenzt gegebenen Möglichkeiten sollte der Vergleich auf folgende, essentielle Aspekte einer jeden Autonomie konzentriert werden: das Ausmaß der an die Region übertragenen Befugnisse, die Art der politischen Vertretung, die Sprachpolitik, die Vorkehrungen einer regionalen Staatsbürgerschaft, die Festigungs- und Revisionsmechanismen der Autonomie, die finanziellen Vorkehrungen, Konkordanzstrukturen sowie interne Gewaltenteilung, und die Möglichkeit einer Kontrolle über die regionalen, wirtschaftlichen Ressourcen. Seit kurzem werden auch Zugeständnisse an die autonomen Kräfte auf dem Gebiet der Außenpolitik gemacht. Die einzelnen Aspekte werden im Folgenden untersucht. Abschließend wird ein schematischer Überblick über die Einstufung der Qualitätsmerkmale der einzelnen Autonomien gegeben.
3.2 Politische Repräsentanz [ top ]
Alle Autonomien werden von einer demokratisch gewählten
Legislative, in Form eines Parlamentes oder eines Rates, regiert,
wobei die Interessen der gesamten Bevölkerung des autonomen
Gebietes vertreten sind. Die Exekutive der autonomen Region wird
entweder direkt von der Bevölkerung oder durch den
Legislativrat, d.h. unabhängig von der Zentralregierung,
gewählt. Die Bevölkerung des autonomen Gebietes wird
auch auf nationaler Ebene vertreten. Als Staatsbürger der
jeweiligen Staaten bilden sie einen oder mehrere Wahlkreise
für die Wahl der Abgeordneten des Nationalparlaments. In
einigen Regionalstaaten, wie z.B. in Italien oder Spanien, gibt
es zusätzlich eine zweite Kammer, in der die
Regionalinteressen vertreten werden, deren Mitglieder jedoch nach
einem anderen Vorgehensweise gewählt oder ernannt werden.
Der italienische Senat, beispielsweise, wurde erst vor kurzem zu
einer Art "Regionalkammer" umfunktioniert, die der zweiten Kammer
einiger Föderalstaaten, wie z.B. Russland, der Schweiz,
Österreich oder Deutschland, sehr ähnelt. Im Falle der
nordischen Inseln, der Azoren sowie Madeiras sind die Wahlkreise
der autonomen Gebiete viel kleiner als jene des Staates. Somit
wird ihnen trotz mangelnder Zahlenstärke die
Möglichkeit einer Vertretung durch ihre Abgeordneten im
Nationalparlament gegeben.
Eine spezielle Vertretungsform auf exekutiver Ebene stellt unter
anderem die außerordentliche Mitgliedschaft des
gagausischen Gouverneurs im moldawischen Parlament dar. In
Italien ist der Präsident einer autonomen Region dagegen nur
ermächtigt, an den Sitzungen des Nationalparlaments in Rom
teilzunehmen, insofern die dort behandelten Themen in Bezug zur
jeweiligen Autonomie stehen. Einige autonome Regionen wie
beispielsweise die Aland-Inseln, die Färöer-Inseln und
Grönland sind sogar berechtigt, mit einem Delegierten bei
internationalen Organisationen wie dem Nordischen Rat vertreten
zu sein.
3.3 Legislativ- und Exekutivkräfte [ top ]
Bezüglich der inhaltlichen Befugnisse, die den autonomen
Regionen übertragen wurden, gibt es große
Unterschiede. Am unteren Ende befindet sich Korsika, deren
autonome Befugnisse sich fast nur auf verwaltungstechnische
Kompetenzen beschränken. An oberster Stelle befinden sich
die nordischen Inseln, welche nur in Bezug auf die
Außenpolitik, die Verteidigung, das monetäre System
und Teile der Rechtssprechung von ihren jeweiligen Staaten
Dänemark bzw. Finnland abhängig sind. Andere Regionen,
wie beispielsweise Katalonien oder das Baskenland, sind wiederum
mit Verwaltungsbefugnissen in der Rechtssprechung
ausgestattet.
Alle Autonomien in Europa haben jedoch eine grundlegende
Gemeinsamkeit: schwerpunktmäßig konzentrieren sich die
Vorkehrungen auf die Erhaltung der kulturellen Identität
(Bildungssystem, Sprachpolitik, kulturelle Angelegenheiten)
kombiniert mit territorialen Funktionen (Arbeitsmarkt, regionale
Wirtschaftspolitik, Stadtplanung, Gesundheits- und
Sozialdienstleistungen, Umweltschutz, öffentlicher
Transport, Energieversorgung, Lokalverwaltung und alles, was die
Verwaltung der lokalen Ressourcen betrifft). Im Allgemeinen sind
die der autonomen Region übertragenen Zuständigkeiten
genau aufgelistet, wobei alle übrigen Politikbereiche in den
Zuständigkeitsbereich des Staates fallen.
Nur Madeira und die Azoren verfügen über allgemeine
Gesetzgebungsbefugnisse, wobei die übrigen Bereiche in den
Zuständigkeitsbereich des portugiesischen Zentralstaates
fallen. Im Rahmen der Gewaltenteilung mit der autonomen Region
bestehen Mittel zur gegenseitigen Kontrolle: das Vetorecht sowie
das Recht gewisse Entscheidungen vor dem Obersten Gericht neu zu
verhandeln. Aber auch die Zentralregierung verfügt über
ein Vetorecht in Bezug auf die Gesetzgebung und
Entscheidungsfällung der autonomen Region, insbesondere
dann, wenn die legislative Gewalt ihre Kompetenzen
überschreitet. In Grönland und auf den
Färöer-Inseln wurden Expertenkommissionen, in denen
Abgeordnete der Zentralregierung sowie der autonomen Region
vertreten sind, mit der Aufgabe vertraut, zwischen den beiden
Interessensphären zu vermitteln. Dagegen werden in allen
anderen Autonomien die Konflikte bezüglich der
Gewaltenausübung sowie der Gewaltenteilung vor dem
Verfassungsgericht verhandelt und bestenfalls beigelegt. Der
ukrainische Präsident besitzt sogar das Recht, die Gesetze
der Autonomen Republik Krim, insofern sie gegen die nationale
Verfassungsgrundsätze verstoßen, kurzzeitig
außer Kraft zu setzen.
3.4 Vertiefungs- und Revisionsvorgänge [ top ]
Die europäischen Autonomievereinbarungen wurden in den
meisten Fällen auf Verfassungsebene verankert.
Beispielsweise liegen im Fall der Azoren sowie Madeiras
Sonderstatute vor. Die Autonome Republik Krim wurde als
Rechtssubjekt in der jeweiligen Staatsverfassung festgeschrieben.
Auf ähnliche Weise genießen die Autonomiestatute
Südtirols sowie des Aostatals eine gesicherte,
verfassungsrechtliche Stellung. Obwohl die Autonomie der
Aland-Insel und der Gagausiens keinen Eingang in die Verfassung
fanden, können diese, aufgrund besonderer Verfahrensweisen
zum Schutze der Autonomie, nur mit einer 2/3 Mehrheit (im Fall
Finnlands) bzw. mit einer 3/5 Mehrheit (im Fall Moldawiens) bei
einer Abstimmung im Nationalparlament verändert werden. In
Spanien ist das Recht auf Autonomie verfassungsrechtlich
anerkannt worden, jedoch wird über die Anerkennung der
einzelnen Autonomiestatute, die von den jeweiligen autonomen
Gemeinschaften ausgearbeitet wurden, nur in einem einfachen
Verfahren durch die Parlamentsversammlung abgestimmt. Diese
Autonomiestatute können entweder durch bestimmte Prozeduren,
die in demselben festgeschrieben sind, oder durch regionale
Referenden erweitert und verändert werden. Nur der jeweilige
Status der autonomen Regionen Korsika, Grönland und der
Färöer-Inseln fand keine verfassungsrechtliche
Verankerung. Theoretisch könnten diese Autonomien mir einem
einfachen Gesetzesverfahren ohne jegliche qualifizierte Mehrheit,
ganz nach den Launen des Nationalparlaments, abgeschafft werden.
Da es diesen Autonomievereinbarungen an jeglicher Rechtsgrundlage
in Internationalen Verträgen mangelt, ist die
Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit zwischen der Mehrheit und der
nationalen Minderheit sowie der autonomen Gemeinschaft die
Grundvoraussetzung für das Weiterbestehen der
Autonomie.
Trotz Ermangelung einer verfassungsrechtlichen Verankerung stellt
die Anerkennung der Autonomie an sich, laut einiger Experten,
gleichzeitig eine völkerrechtliche Anerkennung des Rechts
auf interne Selbstbestimmung der nationalen Minderheit dar. In
diesem Sinne ist eine jedweilige Autonomievereinbarung durch das
allgemeine Prinzip der Selbstbestimmung der Völker
geschützt. Daraus folgt, dass jeder Staat, der die
Etablierung einer Autonomie einmalig anerkannt hat, in keinster
Weise berechtigt ist, diese der Minderheit gewährten Rechte
ohne deren Einverständnis wieder rückgängig zu
machen oder gar die Autonomie gänzlich abzuschaffen. Bisher
gibt es im Völkerrecht noch keine allgemeingültigen
Beobachtungs-, Kontroll- bzw. Garantiemechanismen für
Autonomievereinbarungen. Solche Vorkehrungen wären ein
essentieller Bestandteil einer, bereits 1994 in einem FUEV -
Entwurf vorgeschlagenen, "Rahmenkonvention über das Recht
auf Autonomie" [ 11 ].
Autonomien verfügen nicht über verfassungsrechtliche
Legislativ- bzw. Exekutivbefugnisse, wie es beispielsweise bei
den Bundesländern bzw. -staaten eines föderalen Systems
der Fall ist. Dafür besitzen die Vertreter normalerweise das
Recht, Gesetzesvorschläge einzubringen, um Reformen die
Autonomie betreffend voranzutreiben, oder sie beteiligen sich
zumindest an Kommissionen, die in Zusammenarbeit mit Vertretern
der Zentralregierung Reformen ausarbeiten. In wessen
Zuständigkeitsbereich fallen nun die Maßnahmen
für eine Vertiefung bzw. Revision der Autonomiestatute?
Besitzen die regionalen Gemeinschaften und nationalen
Minderheiten irgendwelche Souveränitätsrechte, um ihr
internes Regierungssystem zu regulieren? Üblicherweise wird
das Autonomiestatut bzw. die Regionalverfassung vom
Nationalparlament unter Mitwirkung der nationalen Minderheit
ausgearbeitet und verabschiedet. In Ausnahmefällen
(Baskenland, Katalonien, Krim, Azoren, Madeira) sind die
autonomen Regionen berechtigt, im Rahmen der Verfassung das
Ausmaß sowie die Form ihrer Autonomie zu bestimmen. Die
autonomen Regionen in Spanien können beispielsweise ihr
eigenes Statut ausarbeiten und verabschieden, danach
bedürfen sie jedoch noch der Zustimmung durch das
Nationalparlament. Somit besitzen die Bewohner der betroffenen
Region eine eingeschränkte Verfassungsgebungskompetenz.
3.5 Finanzregulierungen [ top ]
Damit die Autonomie ausgeführt werden kann, bedarf es selbstverständlich einer Möglichkeit der Finanzierung. Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Finanzregime: ersteres ist durch den einfachen Geldtransfer von der Zentralregierung zur autonomen Region gekennzeichnet. Eine zweite Möglichkeit der Finanzierung besteht in einer Aufteilung der Steuereinnahmen der autonomen Region, so dass letztere über einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen selbst verfügen kann. Systeme des Finanzföderalismus mit zusätzlichen Kompetenzen in der Steuererhebung gibt es derzeit im Baskenland und Katalonien, sowie, zwar in etwas eingeschränkterer Form, auf den Aland-Inseln und in Gagausien. Auf den Azoren und Madeira können eigene Steuern erhoben werden. Bis auf Korsika können alle autonomen Regionen autonom über ihre Ressourcen und Finanzmittel verfügen.
3.6 Formen der "regionalen Staatsangehörigkeit" [ top ]
Im Allgemeinen besitzen die autonomen Regionen und Republiken
weder eine eigene Staatsbürgerschaft noch verfügen sie
über Befugnisse, um politisch in diese Angelegenheit
eingreifen zu können. Regulierungen bezüglich der
Staatsbürgerschaft, der Ausstellung von
Identifikationsdokumenten, Asylrechte sowie die
Einwanderungskontrolle werden nach neuesten Entwicklungen immer
häufiger dem Kompetenzbereich einer supranationaler Ebene,
nämlich dem der EU, zugeschrieben. Folglich haben diese
Autonomiegebiete keine direkte Kontrolle über die Migration
innerhalb der eigenen Region. Trotzdem gibt es einige Arten von
"regionaler Staatsangehörigkeit" (z. B. auf der Krim, den
Aland-Inseln, den Färöer-Inseln, Grönland,
Südtirol und Gagausien), die im Grunde genommen in der
Zuweisung bestimmter Rechte und Privilegien besteht, und von der
Dauer der Ansässigkeit in dieser Region abhängt. Um
bestimmte Rechte wahrnehmen zu können muss die Person
über einen gewissen Zeitraum hinweg einen legalen Wohnsitz
in der Region gemeldet haben. Diese Rechte sind einerseits von
politischer (z. B. das aktive und passive Wahlrecht) und
andererseits von sozialer Art (z.B. Wohnungsbau, soziale
Unterstützung, Stipendien). Der Besitz der "regionalen
Staatsangehörigkeit" bedeutet gleichzeitig die
Möglichkeit, in ein ziviles Amt gewählt werden zu
können und Vorteile auf dem regionalen Arbeitsmarkt zu
besitzen.
Auf den Aland-Inseln ging man diesbezüglich noch etwas
weiter: jeder, der die schwedische Sprache nicht beherrscht, darf
weder Grundstücke bzw. Immobilien erwerben noch einer
gewerblichen Tätigkeit auf den Inseln nachgehen, selbst wenn
derjenige bereits seit mehr als fünf Jahren auf den Inseln
ansässig ist. Weiterhin wird er vom finnischen
Militärdienst nicht ausgeschlossen. Bezüglich der
"regionalen Staatsangehörigkeit" gibt es starke Unterschiede
zwischen den kleineren Inselregionen Finnlands, Dänemarks
und Portugals, und den großen Regionen, die durch einen
vollständig integrierten, gemeinsamen Markt gekennzeichnet
sind, wie beispielsweise Katalonien, das Baskenland,
Friaul-Julisch-Venetien usw.
3.7 Sprachpolitik [ top ]
Eine weitere Gemeinsamkeit der Autonomien in Europa ist das
Vorhandensein von Minderheitensprachen, denen neben der
Staatssprache ebenfalls der Status einer Amtssprache zugesprochen
wurde. Die Anerkennung, der Schutz und die Förderung der
Minderheitensprache sind kennzeichnend für den eigentlichen
Grundgedanken der territorialen Autonomiebewegungen (klassische
Beispiele hierfür sind: Gagausien, Südtirol, das
Baskenland, Katalonien und Galicien, Korsika, Sardinien, die
Aland-Inseln, die Färöer-Inseln und Grönland). Nur
Korsika bildet bei der Umsetzung dieses Grundgedanken eine
Ausnahme, da das Korsische weiterhin nicht als Amtssprache
anerkannt wird. Auf den Aland-Inseln wird sogar nur das
Schwedische als Amtsprache verwendet. Die Zweisprachigkeit wird
in den meisten Regionen als eine Grundvoraussetzung für den
Zutritt zu zivilen Amtstätigkeiten angesehen, d.h. jeder
Bewerber muss einen formellen Nachweis erbringen. Weiterhin kommt
es vor, dass die Ortsnamen entweder in zweisprachiger
Ausführung oder in der Lokalsprache vorzufinden sind (diese
Maßnahmen wurden unter anderem auf den Nordischen Inseln,
im Aostatal und in Teilen des Baskenlandes getroffen).
Anders als in der Schweiz, wo das "Sprachgebietsprinzip"
angewendet wird (d.h. es wurden jeweils 4 Sprachen zu
Amtssprachen in den jeweiligen Kantonen erhoben, und auf
föderaler Ebene kommt den drei Hauptsprachen eine
gleichwertige Bedeutung zu), sind die meisten autonomen Regionen
in Europa überhaupt nicht bzw. nicht überwiegend
einsprachig: Südtirol, das Aostatal, die Krim, Korsika, die
spanischen Gemeinschaften, Wales, Gagausien usw. In all diesen
Regionen, mit Ausnahme Korsikas, gelten die Minderheitensprachen
als Amtssprachen, die eine gleichrangige Stellung mit den
Staatssprachen genießen. In einigen Fällen musste ein
komplexes Rechtssystem der Zweisprachigkeit ausgearbeitet werden,
um das Recht eines jeden Bürgers auf die Verwendung seiner
Muttersprache auf allen Ebenen und Gebieten der öffentlichen
Verwaltung garantieren zu können. Einige Regionen (z. B.
Südtirol, Katalonien, die Krim, die Aland-Inseln) gestatten
sogar die Verwendung der Muttersprache auf der Rechtsebene.
Die Problematik der Minderheitensprache beeinflusste stark die
Förderung von Menschenrechten, welche häufig unbeachtet
bleiben. Daraufhin wurden die autonomen Regierungen aufgefordert,
Langzeitmaßnahmen zum Schutze sowie zur Modernisierung der
"weniger verbreiteten Sprachen" (z. B. Baskisch, Irisch,
Walisisch, Färöisch, Inuktitut, Korsisch, Galizisch,
Ladinisch, Gagausisch, Tatarisch bzw. Krimtatarisch) zu
unternehmen. Die Sprachpolitik hat weiterhin enormen Einfluss auf
das Bildungswesen: es gibt verschiedene Regelungen in den
europäischen Autonomiegebieten. Ausgehend von der
schwächsten Form der Förderung einer etablierten
Minderheitensprache auf Korsika, wobei die korsische Sprache
höchstens als Wahlfach zur Geltung kommt, bis hin zu
unterschiedlichen Arten von zweisprachigen Schulsystemen
(Großbritannien, Aostatal, Baskenland) und streng
einsprachigen Schulsystemen.
3.8 Konkordanzstrukturen und innere Gewaltenteilung [ top ]
Im Grunde genommen ist Autonomie eine interne Vereinbarung, um
regionale Konflikte zwischen den nationalen "Mehr-" und
"Minderheiten" zu lösen. Beide Gruppen streben eine
Beilegung des Konfliktes um Gruppenrechte und Forderungen an,
ohne jedoch die Staatsgrenzen zu verändern.
Autonomievereinbarungen in europäischen Konfliktregionen
(Vgl.: Stefan Wolff, 2005) bedeuten nicht nur die Erweiterung
regionaler Kompetenzen, sondern auch, aufgrund des Vorhandenseins
unterschiedlicher Ethnien, die Notwendigkeit der Etablierung
gebietsübergreifenden Loyalität sowie interner
Gewaltenteilungsmechanismen. Während territoriale Autonomie
grundsätzlich einer spezifischen Gruppe zugute kommt, indem
es dieser einen größeren Grad an Selbstverwaltung
ihrer inneren Angelegenheiten gewährt, sorgen
Konkordanzvereinbarungen dafür, inneren Frieden und
Stabilität sowie interethnische Zusammenarbeit in den
gespalteten Gesellschaften zu stärken und die politische
Partizipation aller Bewohner der autonomen Region zu
ermöglichen. Das institutionelle Gefüge solcher
"regionalen Konkordanzen" sowie die politisch-rechtlichen
Regelungen müssen an die lokalen Gegebenheiten angepasst
werden, um die Gewaltenteilung funktionsfähig zu machen und
zu erhalten.
Bei den Insel-Autonomien (u.a. die Nordischen Inseln, die Azoren
und Madeira) gibt es nur wenige solcher Regulierungen, da die
Bevölkerungen dieser Regionen ethnisch gesehen relativ
homogen sind. Die Notwendigkeit regionaler Konkordanz steigt mit
zunehmender interner Heterogenität: das Baskenland (nicht
einmal 30% der Bevölkerung verwenden die baskische Sprache
aktiv), Südtirol (26% sind Italiener und 4% Ladiner), die
Krim (58% Russen, 12% Tataren sowie 24% Ukrainer), Nordirland
(45% Katholiken, 55% Protestanten). Es existiert ein
bemerkenswertes Mittel, welches einen ersten Grad an
"konkordierter Gewaltenteilung" gewährt: demokratische
Wahlen samt eines garantierten Mindestanteils an politischer
Vertretung aller Gruppen. In Südtirol muss die kleine Gruppe
der Ladiner laut Gesetz, unabhängig vom Wahlausgang, im
Parlament vertreten sein. Auf der Krim sind 14 von 100 Sitzen des
Nationalparlament für die Tataren reserviert und jeweils
einer für die Abgeordneten anderer kleinerer Minderheiten
reserviert. Die Bildung politischer Koalitionen ist eine
Möglichkeit, sich auf eine konkordierte Art und Weise
ethnien- und politikübergreifend zu koordinieren. Um eine
stabile Koalition im Regionalparlament bilden zu können,
müssen die Vertreter der Minderheiten untereinander
notwendigerweise eng zusammenarbeiten. Dies nennt man auch
"Konkordanzdemokratie", welche ursprünglich in der Schweiz
Eingang gefunden hat.
Es können vier weitere Maßnahmen zur Absicherung
der Minderheitenrechte innerhalb der europäischen Autonomien
beobachtet werden:
- verpflichtende exekutive Gewaltenteilung,
- segmentierte Autonomie für jede Gruppe,
- Proportionalität in allen Regierungsfunktionen,
- Vetorecht für die Minderheiten.
Um die Partizipation aller Gemeinschaften in der nordirischen
Volksversammlung sicherzustellen und um deren Rechte zu
schützen, wurden spezifische Verfahren für die
Sitzverteilung entwickelt. Maßgebliche Entscheidungen
müssen Gemeinschaftsübergreifend (eine Mischung aus
Konsens und gewichteter Mehrheitsentscheidung) getroffen werden.
Eine "Gerechtigkeitskommission" wurde aus diesem Grund etabliert.
Damit die Volksaversammlung nach diesem Prinzip arbeiten kann,
ist es notwendig, dass die Abgeordneten ihre Zugehörigkeit
zur nationalistischen, unionistischen oder sonstigen politischen
Richtung registrieren lassen.
Die Exekutivaufgaben werden proportional, je nach
Parteienstärke in der Volksersammlung und auf Kreisebene,
verteilt. In der nordirischen Regierung müssen Mitglieder
aller Gemeinschaften vertreten sein. Der erste Minister und
dessen Stellvertreter dürfen beispielsweise nicht Mitglieder
ein und derselben Gemeinschaft sein. Ähnliche Vorkehrungen
wurden auch im Autonomiestatut Südtirols verwirklicht. Die
autonome Provinzregierung muss sich aus den Mitgliedern aller
drei Sprachgruppen zusammensetzen und die Ministerien müssen
je nach erreichter Zahlenstärke jeder Gemeinschaft bei den
Wahlen zur Provinzialversammlung zugewiesen werden.
Zusätzlich kann jede Gemeinschaft Einwand erheben, wenn sie
sich ethnisch diskriminiert fühlt, indem sie eine separate
Abstimmung innerhalb einer jeden Gemeinschaft fordert. Somit
genießt jede Minderheit ein Vetorecht bei sehr wichtigen
Entscheidungen, wie beispielsweise bei Haushaltsentscheidungen.
In Südtirol werden die Regierungs- und Verwaltungspositionen
anhand des Proporzprinzips besetzt. Schließlich besitzt
jede Gemeinschaft eine Teilautonomie bezüglich ihrer
kulturellen Belange: die jeweiligen Sprachgruppen können ihr
Bildungssystems und ihre Kulturpolitik autonom verwalten.
Die Autonome Republik Krim hat ebenfalls Vorkehrungen solcher
Art, insbesondere in Bezug auf deren kulturelle Belange sowie den
Angelegenheiten der auf der Halbinsel ansässigen Etnien,
getroffen. Die drei Hauptgruppen müssen in parlamentarischen
Kommissionen sowie im Parlament selbst vertreten sein. Abgesehen
davon gibt es aber auch Vorkehrungen, die gemeinschaftliche
Entscheidungsprozesse absichern sollen. Es gibt also keine klaren
Vorgaben, wie genau die Autonomievereinbarungen gestaltet werden
müssen, d.h. es existiert keine Musterlösung, die in
gleicher Art und Weise auf die Konfliktregionen in Europa
angewendet werden kann.
3.9 Kontrolle über die wirtschaftlichen Ressourcen einer Region [ top ]
Da Autonomie als Selbstverwaltung definiert wird, so muss auch
die Möglichkeit bestehen, dass die soziale und
wirtschaftliche Entwicklung auf lokaler Ebene von der
Gemeinschaft selbst gestaltet werden kann. Um die Nutzung der
lokalen Naturvorkommen kontrollieren bzw. über diese in
eigenständiger Regie verfügen zu können, bedarf es
einiger Mittel. Für viele Ureinwohner ist dies ein besonders
wichtiger Aspekt, da deren gesamtes Leben in den meisten
Fällen, wenn nicht sogar in allen, in Verbindung mit den
natürlichen Vorkommen, wie z.B. Land, Wälder, Seen,
steht, und sich daraus, über Jahrhunderte hinweg,
Abhängigkeitsverhältnisse herausgebildet haben. In
Europa kommen diese Formen des Gemeinschaftsbesitzes
höchstens gelegentlich einmal vor. Dagegen ist dies eher in
den Gebieten der Ureinwohner Indiens, Russlands, Amerikas oder
Afrikas der Fall. In Europa sind die meisten Autonomieregionen
fest in einen nationalen Markt und darüber hinaus auch in
den gemeinsamen Markt der EU eingegliedert.
In einigen Fällen führte dies zu einem Anstieg der
Ausbeutung der lokalen Naturvorkommen, wie es beispielsweise bei
den grönländischen und färöischen
Fischereigründen vorkam, woraufhin diese Gebiete ihre
Mitgliedschaft in der EU beendeten, um sich ihre Fischereirechte
zu sichern. Diese rechtliche Möglichkeit wurde nur noch den
Aland-Inseln eingeräumt. Folglich muss die Notwendigkeit der
Kontrolle der regionalen Wirtschaftsentwicklung mit einer
allgemeinen Wirtschafts- und Fiskalpolitik einhergehen und
zusätzlich noch mit den Interessen auf nationaler bzw.
EU-Ebene abgestimmt werden. Eine Machtverteilung bietet hierbei
einen flexiblen Rahmen für die Gestaltung der
Wirtschaftspolitik: Subventionen und Regulierungen der einzelnen
Sektoren, insbesondere der Landwirtschaft, weiterhin der Ausbau
der Infrastruktur, direkte Eingriffe durch öffentliche
Firmen, Umweltschutz, Kontrolle der Energieversorgung, Stadt- und
Wirtschaftsplanung. Die Grundlage für dies ist jedoch, wie
bereits erwähnt, ein solides Finanzierungssystem.
3.10 Abschließende Bemerkungen [ top ]
In Betracht der eben genannten Kriterien, mit besonderem
Hinblick auf den Grad der Selbstverwaltung, kann eine Rangliste
der oben aufgeführten Autonomien erstellt werden. Diese
Bewertung ist jedoch eher grob und vorläufig, jedoch ist sie
hilfreich, um die unterschiedlichen politischen, historischen und
sozialen Gegebenheiten und deren Auswirkungen auf die Form der
Autonomie besser verstehen zu können.
Die Aland-Inseln verfügen hierbei über die
weitreichendsten Autonomierechte. Aufgrund des
Selbstverwaltungsgesetzes von 1991 genießen die
Aländer legislative und exekutive Kompetenzen in fast allen
Politikbereichen, die relevant für die Regulierung des
Lebens sowie der kulturellen Entwicklung auf den Inseln sind. Die
Aland-Inseln verfügen über einen
Verwaltungsgerichtshof, während die ordentliche
Rechtssprechung weiterhin zu den staatlichen Angelegenheiten
gehört. Weiterhin haben die Inseln eine weitreichende
Finanzautonomie samt einiger eingeschränkter
Steuerbefugnisse. Schließlich gibt es auch eine Art
"Inselbürgerschaft", was eine Voraussetzung für die
Erlangung des regionalen Wahlrechts ist. Schwedisch gilt als
einzige lokale Amtssprache. Die Aländer bilden wahrlich eine
eigene Gemeinschaft, deren einzige Verbindung mit Finnland in
Gemeinsamkeiten des Rechtssystems (Verfassungs-, Zivil, und
Strafrecht) besteht. Wahrscheinlich sind die einzigartigen
Voraussetzungen auf den Aland-Inseln eher die Ausnahme.
Schließlich haben diese auch ein Mitspracherecht bei
internationalen Entscheidungen sowie die Möglichkeit, bei
internationalen Institutionen vertreten zu sein. Für einige
Aländer stellt die Inselregion einen "Staat innerhalb eines
Staates" dar.
Ein weitreichender Grad an Autonomie, die annähernd einer
Eigenstaatlichkeit in den meisten politischen Bereichen
gleichkommt, wurde auch den Färöer-Inseln sowie
Grönland gewährt. Die legislativen und administrativen
Befugnisse beinhalten eine freie Haushaltsplanung und eine
gewisse Steuerbefugnis. Nur die Rechtssprechung wird weiterhin
vom dänischen Staat kontrolliert. Obwohl die
Souveränität formell bei Dänemark liegt,
verfügen die Färöer-Inseln ebenfalls über
eine "Inselbürgerschaft". Der hohe Grad an Selbstverwaltung
wird durch das Partizipationsrecht der Inselbevölkerung an
den sie betreffenden, außenpolitischen Entscheidungen
untermauert. Alle drei Inselregionen sind im Nordischen Rat,
unabhängig von den dänischen bzw. finnischen
Staatsrepräsentanten vertreten. Jedoch gibt es einen
großen Unterschied: Nicht-Aländer können auf den
Aland-Inseln kein Land erwerben. Dies ist hingegen in den
Nichtbürgern der anderen beiden Regionen möglich.
Auch Grönland und die Färöer-Inseln erlangten
autonome Entscheidungsbefugnisse bezüglich ihrer
Partizipation an internationalen und supranationalen
Organisationen. 1985 nutzte Grönland die Möglichkeit
eines Opt-outs und beendete seine Mitgliedschaft in der EU, um
die Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen
wiederzuerlangen. Wenn man bedenkt, dass etwa ein Drittel aller
EU-Verordnungen in Brüssel erlassen werden, so sollte man
sich bewusst werden, dass der Autonomiegrad nicht nur
gegenüber dem Staat, sondern auch im Hinblick auf die
supranationale Ebene gemessen werden muss. In einem sich immer
stärker globalisierenden Marktgefüge, müssen sich
die Autonomien zusätzlich gegen die Einmischung der
EU-Entscheidungsträger wehren, damit wenigstens die
wichtigsten autonomen Befugnisse unangetastet bleiben. Die
Nordischen Inseln, Dänemark und Finnland sind in dieser
Hinsicht die Pioniere, wobei die Aland-Inseln einen weiteren
Schritt voraus sind, indem sie die Immigration anhand der
"Inselbürgerschaft" regulieren können.
Auch die spanischen, autonomen Gemeinschaften, insbesondere die
Autonomieformen der ursprünglichen "Nationalitäten" der
Basken, der Katalanen und der Galizier, können als
weitreichend in Bezug auf die legislativen und exekutiven
Befugnisse, die nahezu alle intern relevanten Politikbereiche
einbeziehen. Weiterhin ist die autonome Regionalregierung nur dem
Regionalparlament gegenüber rechenschaftspflichtig. Diese
Regionen verfügen nicht nur über eine
Haushaltsautonomie, sondern auch über klar definierte
Teilbefugnisse bezüglich der Besteuerung. Darüber
hinaus verfügen sie über eine eigene Zivil- und
Verwaltungsrechtssprechung. Das Baskenland und Katalonien haben
sogar eigene Polizeikräfte. Die spanischen, autonomen
Gemeinschaften sind auch mit Befugnissen ausgestattet, die
normalerweise nur den Föderalstaaten einer Föderation
zustehen: es wurde ihnen gestattet, ihr eigenes Autonomiestatut
auszuarbeiten. Diese hohe Anzahl an autonomen Befugnissen der
spanischen Regionen ermöglicht es den Regionen sich, im
Rahmen der Staatsverfassung, selbst zu verwalten.
Folglich, werden die spanischen Autonomien andauernd erweitert
und verbessert. Nichtsdestotrotz müssen die Statute von
einer einfachen Mehrheit vom Nationalparlament in Madrid
gebilligt werden. Spanien ist ein sehr komplexer und dynamischer
"Staat der Autonomien" mit einer fortlaufenden Evolution der
Beziehungen zwischen dem Zentralstaat und den Autonomien. Die
kleineren historisch gewachsenen Nationen Katalonien, das
Baskenland, und Galizien zusammen mit den Kanaren, Valencia und
Navarra offenbaren im Laufe dieses Prozesses immer weitere
Forderungen nach einer Ausweitung ihrer "autonomen
Staatlichkeit", womit der Staat immer wieder gefordert wird, ein
neues Equilibrium zu schaffen. Das spanische System der
Autonomien, welches informell gelegentlich auch als
fast-föderal oder als "asymmetrischer Föderalismus"
bezeichnet wird, ist aufgrund entscheidender Merkmale ein Model
für andere europäische Staaten, in denen mächtige
nationale Minderheiten leben. Jedoch zeigt der Fall des in dieser
Hinsicht fortschrittlichen Spaniens, dass die kontinentalen
Regionen, wie beispielsweise Katalonien, sich von den weit
entfernten Inselgruppen in ihren Autonomierechten, insbesondere
in den Kontrollrechten über eine autonomen
Staatsbürgerschaft, der Migration sowie der Integration in
supranationalen Organisationen, unterscheiden.
Die portugiesischen Inselgruppen, die Azoren und Madeira,
folgten dem spanischen Vorbild bei der Erlangung und Erweiterung
ihrer Autonomie, auch wenn sie sich ethnisch und sprachlich
gesehen nicht vom portugiesischen Festland unterscheiden. Somit
stellen die Azoren und Madeira eine "nicht-ethnische
Inselautonomie" dar, die ehr aufgrund geographischer anstatt
kultureller Gegebenheiten und Bedürfnissen von vielen
anderen Inselregionen gefordert wird. Die neue portugiesische
Verfassung gestattet den beiden Regionen weitreichend exekutive
und legislative Befugnisse, und zwar all jene, die nicht explizit
dem Zentralstaat vorbehalten sind. Im Allgemeinen obliegen die
legislativen Befugnisse dem jeweiligen Regionalparlament der
Azoren sowie Madeiras. Die gewählten Regionalregierung der
Inseln sind grundsätzlich unabhängig von der
Zentralregierung mit Sitz in Lissabon. Ähnlich wie bei den
autonomen Regionen Spaniens, konnten die Inselregionen ihr
Autonomiestatut frei gestalten. Sie verfügen über
interregionale Haushalts- und Steuerbefugnisse, besitzen jedoch
keine eigenständige Rechtssprechung.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Autonomien, die in den
90iger Jahren in den ehemaligen kommunistischen Staaten
Moldawien, Ukraine und Russland eingerichtet wurden, gelegt
werden Die Autonomie Gagausiens basiert auf dem moldawischen
Staatsrecht, welches legislative und exekutive Kompetenzen in
Teilen der Bildung, der kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen,
außenpolitischen Angelegenheiten an die autonome Region
übertrug. Die gagausische Regierung kann sogar die
Anstellung der Mitarbeiter der lokalen Rechtssprechung
entscheiden. Das höchste Exekutivorgan ist der Gouverneur,
welcher neben seiner Funktion im Exekutivrat auch mit
Regierungsfunktionen auf nationaler Ebene ausgestattet ist. Die
Zentralregierung aller der Gebiete - Krim, Gagausien, Tatarstan -
hat weitreichende Exekutiv- und Legislativbefugnisse an die
autonomen Regionen übertragen. Darüber hinaus wurde den
Regionen ein gewisser Grad an Finanz- und Budgetautonomie
garantiert. Weiterhin genießen diese Regionen, obwohl sie
unterschiedlicher Größe sind, eine eigene
Sprachpolitik, mit deren Hilfe die Gleichberechtigung der
Minderheitensprache abgesichert werden kann. Die autonomen
Regionen können sogar gewisse außenpolitische
Angelegenheiten regulieren, insbesondere jene, die die
Beziehungen zu ihren Partnerstaaten betreffen. Die Zivil- und
Strafrechtssprechung obliegt weiterhin dem Zentralstaat, jedoch
besitzen Tatarstan und die Autonome Republik Krim eine eigenen
Verfassungsgerichtshof. Die Bewohner der Provinz haben
zusätzlich zu der ukrainischen eine spezielle krimmer
Staatsbürgerschaft, welche einen gewissen Aufschluss
über die demographische Entwicklung auf der Krim geben
soll.
Die autonomen Subjekte der Russischen Föderation besitzen,
laut derzeitiger Verfassung, formal eine Autonomie mit
weitreichenden, autonomen Befugnissen. Im Rahmen der russischen
Verfassung können sie ihr Autonomiestatut eigenständig
ausarbeiten und die Amtssprache bestimmen. Sie genießen
legislative, exekutive sowie finanzielle Autonomie. Obwohl die
zivile Rechtssprechung weiterhin eine staatliche Kompetenz ist,
besitzen die meisten autonomen Subjekte einen eigenen
Verfassungsgerichtshof.
Italien ist eine Kombination aus regionalen und föderalen
Elementen (asymmetrisch strukturiert), insbesondere seit der
letzten Regionalisierungsreform, welche im November 2005
verabschiedet wurde. Die legislativen und exekutiven Befugnisse
aller 20 Regionen wurden weitreichend erweitert, eine finanzielle
Autonomie wurde ihnen jedoch nicht gewährt. Die Regionen
besitzen jeweils ein unabhängiges Regionalparlament und sie
können eigenständig über ihr Statut abstimmen. Die
Ausübung der Rechtssprechung ist alleinig dem Staat
vorbehalten. Seit Kurzem wird auch die zweite Kammer des
italienischen Parlaments zu einer Art "Kammer der Regionen"
umstrukturiert, was wiederum die Bedeutung der italienischen
Regionen in Folge des Regionalisierungsprozesses stärkt.
Sowohl Italien als auch Spanien können als "asymmetrische
Regionalstaaten" bezeichnet werden, die auf dem Weg zur
Föderalisierung sind. Jedoch stellen das Wiederaufflammen
veralteter Zentralisierungstendenzen, die schlechte Finanzlage
der Regionen sowie der Dualismus zwischen Nord- und
Süditalien ein großes Hindernis für den weiteren
Ausbau des Regionalismus und der damit verbundenen
Kompetenzübertragung dar.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien erreichte, im Zuge
der Transformation des belgischen Staates hin zu einem
Föderalstaat, einen bemerkenswerten Grad an kultureller
sowie territorialer Autonomie, obwohl sie jedoch noch keine
Gleichberechtigung mit den anderen beiden konstituierenden
Sprachgemeinschaften, den Flandern und den Wallonen, erlangt hat.
Als Teil des wallonischen Sprachgebiets hat sich die
Deutschsprachige Gemeinschaft jedoch schrittweise eine spezielle
Territorialautonomie geschaffen, was gleichzeitig den
asymmetrischen Charakter des belgischen Föderalismus
stärkte.
Ein weiteres typisches Merkmal einer Territorialautonomie kann am
Beispiel des Vereinigten Königreiches illustriert werden.
Die europäischen Nationalstaaten haben im Zuge ihrer
Entstehung gelegentlich kleinere historisch gewachsenen Nationen
mit eingeschlossen. Dies geschah sowohl in Spanien,
Großbritannien, als auch in Russland und im Balkangebiet.
Der Regionalisierungsprozess im Vereinigten Königreich ist
nicht nur aufgrund der sprachlichen Besonderheiten, sondern auch
aufgrund historischer Entwicklungen gerechtfertigt. Insbesondere
letztere haben, aufgrund jahrhundertealter Ansprüche auf ein
gewisses Maß an "Staatlichkeit", zu internen Konflikten
(z.B. in Irland) geführt.
Die Forderungen nach Selbstverwaltung und Autonomie auf
regionaler Ebene sind sehr tief (jedoch nicht
ausschließlich) in der europäischen Geschichte der
Entstehung der Nationalstaaten verwurzelt. Ein starkes regionales
Bewusstsein, welches hauptsächlich auf kulturellen,
sprachlichen und ethnischen Kennzeichen basiert, ist
annähernd überall in Europa zu verspüren. Einige
europäische Staaten versuchten diese kulturelle
Komplexität mit föderalen Strukturen anzugehen (z.B.
die Schweiz, Belgien, Deutschland, Russland und seit Kurzem auch
Bosnien-Herzegowina). Andere (z.B. Spanien, Italien, Serbien vor
1989, und das Vereinigte Königreich) versuchten es mit
"asymmetrischen, regionalen Autonomieformen". Jedoch gibt es eine
große Anzahl an regionalen Gemeinschaften, die in dieser
Hinsicht offensichtlich hinterherhinken, und somit in einer
ständigen Konfliktsituation mit der Zentralregierung sind.
Sobald die bisherigen Autonomien sich als ein wahrer,
historischer Erfolg herausstellen, d.h. sobald sie die Testphase
erfolgreich überstanden haben, werden umso mehr Staaten den
Weg für weiter Autonomievereinbarungen freimachen.
Der nun folgende, abschließende Vergleich der
europäischen Autonomieregionen versucht das bisher Erreichte
anhand der oben aufgeführten Kategorien zu qualifizieren.
Hierbei muss darauf hingewiesen werden, dass aus
Platzgründen nicht alle existierenden Autonomieregionen
aufgelistet wurden. Für die 17 spanischen und die 5
italienischen Autonomieregionen wurde jeweils eine Region
stellvertretend vorgestellt. Russland wurde dagegen als
"asymmetrisches Föderalsystem" mit dessen autonomen
Republiken, Kreisen und Regionen betrachtet. Der Vergleich zeigt
nicht anderes, als dass Unterschiede im Autonomiegrad bzw. in der
Qualität vorhanden sind, eine Aspekt, der weiterer Analyse
bedarf. Die Nordischen Inseln, Südtirol, die spanischen,
autonomen Gemeinschaften Katalonien, das Baskenland und Galizien,
das russische Tatarstan können anhand der Kriterien als sehr
fortschrittlich eingestuft werden, wohingegen Korsika (eine
"collectivité territoriale" in Frankreich) sich weiterhin
am Anfang des langen Weges hin zu einer weitreichenden Autonomie
befindet. Dazwischen befinden sich zahlreiche Autonomieformen,
die weiter ausgebaut und verbessert werden könnten.
4.1 Konfliktlösung durch territoriale Autonomie? [ top ]
Die Etablierung von Territorialautonomien hat sich in Europa
schon längst als wahrer Erfolg für alle beteiligten
Personen, d.h. die regionalen Gemeinschaften, die nationalen
Minderheiten, sowie die Zentralstaaten, herausgestellt. In keiner
der zehn vorgestellten Staaten, die politische Autonomie auf
ihrem Gebiet gewährt haben, gibt es Diskussionen über
die Rücknahme der Autonomierechte, ganz im Gegenteil: In den
meisten Fällen wurde die bereits bestehende Autonomie sogar
noch erweitert bzw. ausgebaut, jeweils mit dem Ziel, die
Verteilung der Selbstverwaltungskompetenzen effizienter zu
gestalten. Spanien führt hierbei die Gruppe derjenigen
Staaten an, die einen dynamischen Entwicklungsprozess in Richtung
eines "Staates der Autonomiegebiete" vorangetrieben haben. Im
September 2005, wurde in Katalonien, gemessen an der
Einwohnerzahl eines der größten Autonomiegebiete
Europas, ein neu reformiertes Autonomiestatut mit einer
großen Mehrheit des Parlaments in Barcelona verabschiedet.
Auf Korsika arbeiten die Lokalpolitiker eine Reform der noch
immer schwach ausgeprägten Autonomie aus, mit dem Ziel mehr
legislative Befugnisse zu erhalten. Der Regionalisierungsprozess
in Italien treibt den italienischen Staat immer mehr hin zu einer
föderalen Struktur, indem den Regionen mehr Befugnisse
übertragen werden. Gleichzeitig wird die Position der
fünf Regionen, die ein spezielles Autonomiestatut besitzen,
gestärkt. Am schwersten hat es Nordirland, da die
Selbstverwaltungsbefugnisse stark mit Konkordanzvereinbarungen
zwischen den beteiligten Parteien verbunden sind. Der Konflikt
wird mittlerweile auf politischer Ebene ausgetragen, jedoch haben
die vorhergehenden Jahrzehnte der Gewalt und politischen
Aufspaltung tiefsitzende Narben hinterlassen. Das Vorantreiben
der europäischen Integration ist den Autonomielösungen
definitiv sehr förderlich, da sie von den Partnerstaaten
entscheidend mitgetragen werden.
In diesem politischen Zusammenhang können drei Arten der
Regionalautonomie unterschieden werden. Erstens, die
"traditionelle Art" eine Autonomie mithilfe einer regionalen
Sonderlösung, aufgrund von spezifischen kulturellen,
historischen, ethnischen Besonderheiten, zu gewähren (z.B.
in Moldawien, der Ukraine, Portugal, Frankreich, Dänemark,
Finnland, und dem Vereinigten Königreich). Hierbei gelten
die Autonomievereinbarungen als Ausnahme, um
Minderheitenforderungen entgegenzukommen, während der Staat
an sich nicht gewillt ist, sich in einen Föderal- oder
Regionalstaat zu transformieren. Die zweite Möglichkeit
besteht in der Errichtung unterschiedlicher Autonomieformen, wie
es beispielsweise in Spanien und Italien seit den 70ger Jahren
der Fall ist. Der dritte Lösungsansatz liegt in der
Abstufung der Selbstverwaltungsrechte, was insbesondere in
ethnisch heterogenen Ländern wie Russland Anwendung
findet.
Die neugeschaffenen Autonomien in Osteuropa, die seit etwa einem
Jahrzehnt Bestand haben, befinden sich noch immer in einer
Testphase mit teilweise widersprüchlichen Entwicklungen in
den interethnischen Beziehungen innerhalb der autonomen Regionen.
So behielten die russische Bevölkerungsanteile der autonomen
Republik Krim ihre Vorherrschaft, während die Rückkehr
der in den 40iger Jahren von Stalin deportierten Krimtataren
sowie deren Nachkommen bis heute noch nicht abgeschlossen ist.
Dagegen stellt Tatarstan ein positives Beispiel für die
Lösung des nationalen Konflikts mithilfe eines
Machtausgleiches zwischen dem Zentrum in Moskau und der ethnisch
vielseitigen Region Kazan dar. Betrachtet man den noch immer
andauernden, kriegsähnlichen Zustand in Tschetschenien, so
kann man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass man eine
Autonomielösung ins Auge fassen sollte, bevor kleinere
Konfliktherde in fürchterliche, ethnische Kriege ausarten.
Was die osteuropäischen Autonomieregionen besonders
auszeichnet, ist ihre bemerkenswerte Pionierrolle, in einem teil
des Kontinents, in dem seit 1990 die Nationalisierungs- bzw.
Zentralisierungstendenzen, sowie die Ablehnung gegenüber
Autonomielösungen stark zugenommen haben. Eine besondere
Vorreiterrolle spielen hierbei Gagausien, Tatarstan und der Krim.
Sollten sich diese als erfolgreich herausstellen, so könnten
sie den Weg für weitere Autonomiezugeständnisse, wie
beispielsweise den Südosseten in Georgien, den Albanern in
Mazedonien, den Ungarn in Transsilvanien, den Serben in der
Slowakei, den Türken in Bulgarien, sowie weiteren
Kaukasusregionen, ebenen.
In der Tat wird den Autonomielösungen immer häufiger
der Vortritt auf dem Weg zur Beilegung von Konflikten gegeben,
bei denen es hauptsächlich um die Erkämpfung des Rechts
auf Selbstbestimmung geht, da diese als Alternative zur Sezession
akzeptiert werden. So mussten Staaten wie Bosnien-Herzegowina,
Belgien und Mazedonien gewisse Autonomievorkehrungen treffen, um
eine Abspaltung einiger Regionen zu verhindern. Während
diese Staaten ein neues, zwar noch unsicheres, Equilibrium
gefunden haben, so müssen andere Staaten wie z.B. Zypern
(Nordzypern), Moldawien (Transnistrien) und Georgien (Abchasien
und Südossetien) weitere Versuche unternehmen, um die
jeweiligen Regionen zu befrieden. Der Kosovo ist derzeit,
mithilfe internationaler Unterstützung, auf dem besten Weg,
die vollständige Unabhängigkeit zu erlangen, da die
vorherige Autonomielösung unter serbischer Herrschaft
eindeutig fehlschlug. Selbst die Versuche der IRA in Nordirland
sowie der ETA im Baskenland, das Recht auf Selbstbestimmung auf
gewaltsame Art und Weise zu erlangen, konnten, dank
fortschrittlicher Autonomievereinbarungen, nahezu gänzlich
beigelegt werden. Langwierige, gewaltsame Auseinandersetzungen,
haben die Kompromisslösung in Form einer
Autonomievereinbarung ausgelöst. Anscheinend erkennen nun
mehrere Staaten, dass die Vorteile einer Autonomielösung
bezüglich der Minderheitenintegration nicht zu verachten
sind, da sie eher stabilisierend als schwächend auf das
Staatsgefüge wirken.
4.2 Welche Lehren können aus den jeweiligen territorialen Autonomien gezogen werden? [ top ]
Die Frage ist nun, ob die Gewährung einer territorialen
Autonomie in Europa es ermöglicht, die Selbstverwaltung
eines begrenzten Gebiets sicherzustellen und somit die darin
lebende Minderheit zu schützen. Im Großen und Ganzen
sind die europäischen Staaten demgegenüber immer noch
recht skeptisch. Häufig wird argumentiert, dass das Konzept
der Autonomie viel zu vage sei und nicht recht definiert werden
könne. Um jedoch Missverständnisse zu vermeiden, sollte
man genauestens zwischen dem Recht auf Autonomie und den
konkreten Formen der Umsetzung unterscheiden. Nichtsdestotrotz,
das Interesse des Staates seine Integrität zu bewahren wird
keinesfalls mit dem Recht auf Autonomie in Konflikt treten. Eine
Autonomievereinbarung muss oftmals jedoch zwei Probleme
gleichzeitig lösen: einerseits soll es die nationale
Minderheit innerhalb ihres traditionellen Wohngebietes
schützen, gleichzeitig jedoch auch die anderen
Bevölkerungsanteile derselben Region in die Selbstverwaltung
mit einbeziehen. Die Territorialautonomie soll der gesamten
Gemeinschaft, und nicht nur einem Teil dieser, zugute
kommen.
Jedes Autonomiemodel in Europa besitzt charakteristische
Merkmale, die den jeweiligen Bedürfnissen angepasst wurden,
um regionalspezifische Probleme zu lösen. Aufgrund
unterschiedlichster minderheitenspezifischer und regionaler
Voraussetzungen weist jede europäische Autonomieform eine
besondere "Architektur" auf, bei der verschiedenste Mechanismen
der Partizipation, der Konfliktlösung, des
Minderheitenschutzes und der Stabilisierung entwickelt wurden.
Man kann diese Autonomien mit einer "ständigen Baustelle"
vergleichen, da sie fortlaufend transformiert, korrigiert bzw.
reformiert werden. Autonomien müssen notwendigerweise
dynamisch sein, damit sie den Anforderungen einer sich
entwickelnden Gesellschaft gerecht werden können.
Andererseits haben sich in der vergleichenden Analyse jedoch auch
einige Elemente und Voraussetzungen als unabdingbar für den
Erfolg herausgestellt. Die kommenden Autonomieverhandlungen
sollten gewisse Aspekte mit besonderer Vorsicht betrachten, um
bereits begangene Fehler möglichst zu vermeiden. Welche
Schlussfolgerungen können nun aus den europäischen
Autonomie-Erfahrungen gezogen werden?
Nachweis [ top ]
Webseiten mit allgemeinen Informationen über nationale Minderheiten in Europa und Autonomien:
Links zu allgemeinen Informationen über Minderheiten und Autonomien:
Webseiten mit Informationen zu spezifischen Autonomien:
Der Autor, Thomas Benedikter (geb. 1957 in Bozen), ist in Bozen als Wirtschaftswissenschaftler und Sozialforscher tätig. Er studierte an der Universität in München (D), wo er auch seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften erlangte. Danach studierte er politische Ökonomie an der Univerisität in Trient (I). Neben seiner jahrelangen Tätigkeit in der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung in seiner Heimatregion Südtirol, beteiligt er sich seit 1983 ununterbrochen an Projekten für Entwicklung und Zusammenarbeit und anderen Menschenrechtsprojekten, die von NGOs organisiert werden und sich insbesondere für die Rechte von Minderheiten und indigenen Völkern einsetzen. Darüber hinaus befasst er sich mit Friedensforschung, internationalen Konflikten sowie Nord-Süd-Fragen. Tomas Benedikter war Leiter der GfbV-Italien, d.h. der italienischen Außenstelle der internationalen NGO "Gesellschaft für bedrohte Völker" mit Hauptsitz in Deutschland. Für Forschungs- und Hilfszwecke hielt er sich etwa zwei Jahre in Lateinamerika, auf dem Balkan und Südasien (hauptsächlich in Nepal, Kashmir und Sri-Lanka) auf, und verfasste zahlreiche Zeitungsartikel und Berichte. Seit 2003 arbeitet er zusammen mit der Europäischen Akademie in Bozen (im Bereich Autonomie und Minderheiten) an einem "Austauschprogramm für politische Anerkennung" (minority protection system) im südasiatischen Raum.
Anmerkungen
Übersetzung von Alexandra Eckert.