Von Renate Domnick (Gesellschaft für bedrohte Völker)
Bozen, 30. April 2003
Nevada im Südwesten der USA ist traditionelles Western
Shoshone-Land. 1863 haben die USA im Vertrag von Ruby Valley fast
zwei Drittel des damals noch nicht von Weissen begehrten
Halbwüstenstaates offiziell als Western Shoshone Territorium
anerkannt. Doch schon mit den ersten Goldfunden wurde der Vertrag
gebrochen. Heute ist Newe Sogobia, wie die Shoshone ihr Land
nennen, der größte Goldproduzent der USA. In den 30er
Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ihr Territorium rechtswidrig
der Verwaltung diverser US-Behörden, wie zum Beispiel dem
BLM (Bureau of Land Management) unterstellt. Seither wurde immer
mehr Land der Western Shoshone für militärische Zwecke
- z.B. das Atomtestgebiet NTS - und für den Goldabbau,
enteignet.
Inzwischen kommen 80% der US-Goldproduktion aus Newe Sogobia.
Doch die Western Shoshone erhalten nichts vom Reichtum ihres
Landes. Im Gegenteil - sie kämpfen verzweifelt gegen ihre
Zwangsenteignung. Eine Entschädigung, die 1979 von der
Indian Claims Commission angeordnet wurde, lehnen sie bis heute
ab, weil sie zutiefst überzeugt sind, daß man Land
nicht verkaufen darf.
Die grössten Goldkonzerne der Welt
Von den 12 weltweit grössten Goldkonzernen sind 4 auf dem
Land der Western Shoshone aktiv - meist betreiben sie mehrere
Minen gleichzeitig. Insgesamt sind auf ihrem Gebiet mindestens 30
große Goldminen multinationaler Konzerne in Betrieb.
Round Mountain war eine der ersten modernen Goldminen, für
die ein Dorf und ein Friedhof weichen mußten. Hier
produzierte die Echo Bay Mining Co. eine halbe Million Unzen Gold
pro Jahr und hat dafür über die Hälfte eines
Gebirgszuges zerstört. Die größte Fundstelle der
USA, der Carlin Trend, wurde 1961 entdeckt. Die 70 Kilometer
lange Strecke in den Tuscarora Mountains verspricht mehr als 600
Tonnen Gold und hat zahlreiche multinationale Konzerne angezogen.
Allein die kanadische Firma Newmont erwarb hier mehr als 1300
Quadratkilometer Land für vier Bergwerke, fünf
Aufarbeitungsanlagen und drei Laugeplätze.
Auch im Crescent Valley wurden riesige Goldreserven entdeckt.
Hier, im Herzen des Western Shoshone Territoriums, entstand u. a.
die Cortez-Mine. Hinzu kam später die Pipeline Mine, die
fast zehn Quadratkilometer Land verbraucht: neben Becken für
Cyanid-Laugung, Abwässer und flüssige Abfälle,
Flächen für Gesteins- und Schutthalden. In Crescent
Valley liegt auch die Ranch der traditionellen Familie Dann, von
denen vor allem Mary und Carrie als die profiliertesten
Verfechterinnen der Landrechte bekannt sind. Für ihr
Engagement erhielten sie den "Right Livelihood Award" auch
Alternativer Nobelpreis genannt. Carrie Dann schildert ihre
heutige Situation so: "Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue,
sehe ich als erstes die Krane der Goldminen - es ist ein
trauriger Anblick. Die Erde und das Wasser sind heilig - die
Goldminen zerstören das alles. Sie öffnen die Adern der
Erde und vergeuden das kostbare Wasser".
Viele Western Shoshone sind heute Rancher auf kleinen Betrieben.
Wer jedoch nicht vom Land leben kann, muß sich einen Job
suchen. Außer den Casinos von Las Vegas gibt es fast nur
die Goldminen. Doch trotz dieser ökonomischen
Abhängigkeit leisten sie Widerstand gegen den Goldabbau, der
ihr Land zerstört. Das Western Shoshone Defense Project, das
zur Verteidigung der Landrechte gegründet wurde, musste sich
nun mit einem Fachgebiet auseinandersetzen, über das es in
der Öffentlichkeit kaum Informationen gab, um bei
Anhörungen oder Aktionärsversammlungen der Konzerne den
Protest der Western Shoshone sachkundig vortragen zu
können.
Goldminen sind chemische Zeitbomben
Beim Goldabbau wird mehr Abfall produziert als bei jedem anderen
Bergbau, nämlich 99,9% - weil Gold fast nur noch in
mikroskopischen Spuren von 1-3 g pro Tonne Gestein vorkommt.
Dieses Micro-Gold findet man fast überall, auch bei uns -
doch hier wird es nicht abgebaut - mit gutem Grund. Die Konzerne,
die überwiegend aus Kanada, USA und Australien stammen,
bauen es nur dort ab, wo keine strengen Umweltgesetze gelten.
Diesen Profitinteressen fallen die Lebensgrundlagen der Menschen
zum Opfer, deren Ernährung und Existenz vom Land und vom
Wasser abhängen.
Der großindustrielle Goldabbau kam Anfang der 70er Jahre
durch die Entwicklung der Zyanid-laugung ins Rollen. In Nevada
wurde dieses Verfahren erstmals von Newmont in großem Stil
eingesetzt. Heute ist grossindustrieller Goldabbau ohne Zyanid
undenkbar. Zyanid, das Salz der Blausäure ist ein schnell
wirkendes Gift. Im Wasser tötet es schlagartig alles Leben.
Es wird beim Goldabbau eingesetzt, weil es die Goldpartikel im
Gestein an sich bindet. Zunächst werden riesige Halden
zermahlenen Gesteins mit einer Zyanidlösung getränkt,
um dann das Gold in einer chemischen Verarbeitungsanlage
herauszufiltern. Zyanid wird in großen Mengen gebraucht -
je nach Größe der Mine und Goldgehalt des Gesteins
mehrere Tonnen täglich.
Goldminen graben dem Land das Wasser ab
Wasser, das lebenspendende Element, hat sich in vielen Teilen der
Welt ins Gegenteil verkehrt - es macht krank, weil es durch
industrielle Aktivitäten wie den Goldabbau vergiftet wird.
Nevada hat weniger als 30 cm Niederschlag pro Jahr und jahrelange
Dürreperioden. Allein im Gebiet des Humboldt River pumpen
die Minen täglich Millionen Liter Wasser ab. Weil die Gruben
unterhalb des Grundwasserspiegels liegen, läuft Wasser
hinein - um sie trocken zu halten, pumpt allein eine Mine wie die
Pipeline Mine 150 000 Liter Wasser pro Minute ab - 24 Stunden am
Tag. Da Wasserverschwendung in dem Ausmass den Gesetzen der USA
widerspricht, wird dieses Wasser in Sickerteichen gesammelt - in
der Hoffung, dass es von dort zurücksickert ins Grundwasser.
Doch das funktioniert nicht, wo es wasserundurchlässige
Schichten gibt - und so verdunstet ein grosser Teil in der
trockenen Hitze des Halbwüstenklimas. Dem Protest von
Umweltschützern und Western Shoshone begegnen die Betreiber
mit geschönten Gutachten. Angeblich sei der Einfluß
auf Quellen und Bäche gering. Doch wo der Grundwasserspiegel
gesunken ist, versiegen Quellen und Bäche oft in grossem
Umkreis. Neue Brunnen zu bauen ist für die Western Shoshone,
die als Viehhirten in der Halbwüste leben, unerschwinglich.
Die Tiere finden über weite Strecken kein Wasser mehr und
verenden.
Wasser - für hunderte von Jahren
vergiftet
Wenn die Minen stillgelegt werden, füllen sich die Gruben
wieder mit Wasser und werden zu giftigen Seen, belastet mit dem
Vermächtnis des Goldabbaus. Die häufigste Ursache
großer Umweltkatastrophen sind die Rückhaltebecken, in
denen die am stärksten verseuchten Schlämme gelagert
werden. Die notwendigen Sicherheitsstandards für ihren Bau
werden von den Konzernen oft nicht eingehalten, um Kosten zu
sparen. Sie müssen Mengen von mehreren hundert Millionen
Kubikmetern halten - diesem Druck sind die Dämme oft nicht
gewachsen, sodass zyanidhaltige Abfälle auslaufen und die
Umwelt vergiften. Wo ein ganzes Bergmassiv zu "Abfall" wird, sind
Abraumhalden schon aufgrund ihrer schieren Größe
schwer in den Griff zu bekommen. Abraumhalden enthalten je nach
Gesteinsart Arsen, Schwefel und vor allem giftige Schwermetalle,
darunter radioaktive Stoffe wie Uran. Beim Zerkleinern
bloßgelegt, lösen sie sich und gelangen - z.B. durch
Niederschläge - in Böden und Gewässer. So entsteht
Acid Drainage, die Zersetzung des Gesteins, bei der Schwermetalle
und andere Giftstoffe frei gesetzt und durch Niederschläge
in die Gewässer gespült werden. In Kalifornien
muß Acid Drainage noch 150 Jahre nach dem Goldrush von 1849
bekämpft werden.
Die Zerstörung heiliger
Stätten
Die gewaltige Landschaftszerstörung bringt auch einen
enormen Verlust spiritueller und historischer Stätten mit
sich. Viele davon sind qualifiziert, in das National Heritage
Register aufgenommen zu werden, das Orte des nationalen
kulturellen oder historischen Erbes unter Schutz stellt. Dazu
gehören zum Beispiel der Rock Creek Canyon, dessen heilige
Quellen noch heute von Medizinleuten der Shoshone genutzt werden,
und in dem sich Shoshone aus dem ganzen Territorium zu Zeremonien
versammeln, oder der Tosawihi (White Knife) Quarry, ein
Steinbruch, von dem die White Knife Shoshone ihren Namen haben,
weil ihre berühmten Werkzeuge aus seinem weißen Stein
gefertigt waren. Archäologische Untersuchungen zeigen,
daß der Ort seit 5000 Jahren zu diesem Zweck genutzt wurde.
Die Grabstätte von Shoshone Mike, wo das letzte Massaker bei
ihnen verübt wurde, liegt zwischen Abraumhalden der Twin
Creeks Mine. Der Zugang ist jedoch schwer bewacht, wie bei allen
Goldminen.
Das Bureau of Land Management
Die für den Umweltschutz zuständige Behörde ist
das BLM (Bureau of Land Management). Zugleich vergibt sie aber
auch die Nutzungsgenehmigungen für militärische
Übungsgebiete und Industrie-Anlagen. Dieser Kombination aus
Interessenkonflikt und Machtfülle fällt nicht nur der
Umweltschutz zum Opfer, es entsteht auch ein Klima von Kumpanei
mit den Konzernen, das zur Verfälschung von Gutachten und
zur Duldung von Umweltverbrechen führt. Leckagen grosser
Mengen an Flüssigabfällen mit Cyanid und anderen Giften
sind laut Gesetz strafbar, ebenso die Zerstörung
historischer oder archäologischer Stätten. Doch statt
die Gesetze anzuwenden, wird eher gemeinsam vertuscht.
Widerstand
Bis in die 90er Jahre gab es kaum ein öffentliches
Bewußtsein für die Probleme des Goldabbaus, denn er
betraf überwiegend marginalisierte Bevölkerungen in
Ländern der Dritten Welt. Erst 1994 trafen sich aud
Einladung von Mining Watch Indigene Delegierte aus allen Teilen
der Welt zu einer ersten Consultation in London, um sich
gemeinsam zu wehren. 1999 folgte der "Peoples Gold Summit", der
usprünglich bei den Western Shoshone stattfinden sollte.
Doch bei ihnen spielt das BLM etwa die Rolle, die bei den meisten
Indianern das BIA spielt Als die für den Goldabbau
zuständige Behörde mit engen Kontakten zu den Konzernen
nimmt es deren Interessen wahr als wären es die eigenen. Das
Risiko, dass es eine Konferenz gegen den Goldabbau bei den
Western Shoshone als Provokation auffassen und verhindern
würde, war gross. So wurde der "Peoples Gold Summit" nach
Kalifornien verlegt, wo der Goldabbau im 19. Jahrhundert für
Indianervölker traurige Berühmtheit erlangt hat, denn
für viele bedeutete er das Ende ihrer Existenz.
Kampf um Landrechte, im Kongress und
international
Auch für die Western Shoshone könnte er das Aus
für ihre Landrechte bedeuten, denn in dem einst relativ
wertlosen Halbwüstenland sind die Grundstückspreise
aufgrund des Goldabbaus immens gestiegen. Nevadas Politiker
würden das Land daher gern privaten Investoren zum Verkauf
anbieten. Da das jedoch nicht geht, ohne den anhaltenden
Rechtsstreit um die Landansprüche der Western Shoshone zu
beenden, brachte Senator Harry Reid ein Gesetz im Senat und
Kongress ein, das den Western Shoshone eine finanzielle
Entschädigung aufzwingen soll, die sie seit jeher abgelehnt
haben, da es die endgültigen Aufgabe ihrer Landrechte
bedeuten würde.
Um den Widerstand der Western Shoshone zu umgehen, versuchte Reid
es mit einem Handstreich: in enger Zusammenarbeit mit einigen am
Geld interessierten Stammesmitgliedern wurde eine Abstimmung
durchgeführt, über die die Mehrheit der Western
Shoshone jedoch nicht informiert wurde und folglich auch nicht
teilnehmen konnte. Anschliessend war in der Presse zu lesen, dass
die Mehrheit sich für das Geld entschieden habe. Tatsache
ist, dass von rund 4 000 in Nevada lebenden Western Shoshone
1,183 an der Abstimmung teilgenommen haben, darunter der
Stammesvorsitzende der Temoak, dem das Mikrofon abgedreht wurde,
als er sich vehement gegen die Annahme des Geldes aussprach. Das
Gesetz sieht die Aufteilung der Entschädigung von 1979 auf
individueller Basis vor - 20.000 Dollar für jedes
Stammesmitglied. Im August 2002 führte das Senatskomitee
für indianische Angelegenheiten in Washington DC eine
Anhörung zu dem Gesetz durch. Doch obwohl Senator Reid
dafür sorgte, das nur die von ihm handverlesenen Western
Shoshone bei einer Anhörung zugelassen wurden, ist sein
Gesetz im Congress gescheitert - möglicherweise, weil die
Stimmen derjenigen, die sich gegen das Geld aussprechen, doch
nicht vollständig unterdrückt werden konnten. Nevadas
Politiker haben verkündet, dass sie das Gesetz erneut
einbringen werden.
Die Western Shoshone haben sich schon häufig an
internationale Gremien gewandt, um ihre Landrechte zu verteidigen
und obwohl ihre Situation oft hoffnungslos aussah, haben sie sich
bisher behaupten können. Seit Jahren hat sich in Genf nicht
nur die Arbeitsgruppe für Indigene Völker mit ihrem
Fall befasst, sondern auch das CERD (Committe for the Elimination
of Racial Discrimination). Auch der Menschenrechtskommission der
OAS (Organisation of American States) liegt ihr Fall vor. Sie hat
die US-Regierung mehrfach gemahnt, dass die Löschung von
Landrechten durch eine Zwangsentschädigung die
Menschenrechte der Western Shoshone, das Recht auf Eigentum und
das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren verletzt.
Und schließlich waren die Western Shoshone die ersten
amerikanischen Ureinwohner, die die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) um Hilfe baten, um
sich gegen Senator Reid's Gesetz zum Ausverkauf ihres Landes zu
wehren. Sie baten den OSZE-Vorsitzenden Antonio Martins da Cruz,
er möge Untersuchungen der an den Western Shoshone durch die
USA begangenen Menschenrechtsverletzungen einleiten.