Bozen, Göttingen, 21. Januar 2008
Einleitung
Die auf den Philippinen von der Regierung geförderten
umfangreichen Bergbauprojekte stellen eine erhebliche Bedrohung
für Mensch und Natur dar. Da zudem immer deutlicher wird,
dass die einzigen Nutznießer des Raubbaus an der Natur die
Bergbauunternehmen sind, nimmt vielerorts der Widerstand zu. So
wurde am 03. Oktober 2007 bei einem Protest gegen den auf der
Insel Sibuyan (Provinz Romblon) geplanten Nickelbergbau der
Gemeinderat Armin Rios Marin vom Sicherheitspersonal eines der
beteiligten Bergbauunternehmen erschossen. Damit hat der von
weiten Teilen der Bevölkerung getragene Kampf gegen den vor
allem von australischen Firmen vorangetriebenen Bergbau auf der
Philippineninsel Sibuyan eine neue Stufe der Eskalation erreicht
und erhebliche mediale Aufmerksamkeit erlangt. Vom geplanten
Nickelabbau betroffen wären neben dem Mount Guiting-Guiting
Nationalpark auch das Schutzgebiet der etwa 1.700 Ureinwohner vom
Volk der indigenen Mangyan-Tagabukid, deren Lebensgrundlagen
durch die mit dem Bergbau einhergehenden Schäden
unwiderruflich zerstört werden würden.
Philippinen
Die Philippinen bestehen aus 7.107 Inseln und sind mit 297.179
km2 - nach Indonesien - der zweitgrößte Inselstaat der
Welt. 10 Prozent ihrer 88,7 Millionen Einwohner sind indigener
Abstammung. Sie beherbergen ein fragiles ökologisches System
mit einer enormen Artenvielfalt. Als einer von wenigen Orten
werden sie sowohl als Megadiversity Country als auch als
Biodiversity Hotspot klassifiziert, d.h. sie verfügen sowohl
allgemein über eine enorme Artenvielfalt, als auch über
eine hohe Zahl an Arten, die ausschließlich auf ihrem
Gebiet vorkommen. Insgesamt sind auf den Philippinen bislang mehr
als 52.000 Arten identifiziert worden - unter ihnen mindestens
6.000 endemische Pflanzen - sowie zahlreiche Säugetier-,
Amphibien- und Vogelarten. Die überwiegende Mehrzahl dieser
Arten ist für ihr Überleben auf die rasch
dahinschwindenden Regenwaldgebiete des Landes angewiesen. Deren
Existenz ist akut bedroht. Zunächst der Holzeinschlag und
später vor allem Rodungen zur Gewinnung von Ackerfläche
für die rasch wachsende Bevölkerung haben die
Waldfläche der Philippinen von 270.000 km2 im Jahr 1898
über 150.000 km2 im Jahr 1946 auf gerade einmal 8.000 km2 im
Jahr 2006 schrumpfen lassen. Selbst das aufgrund seines
Ressortzuschnitts sowohl für Umwelt- als auch für
Bergbaubelange zuständige Department für Environment
and Natural Ressources (DENR) geht davon aus, dass nur noch "ein
schmales Zeitfenster zur Verfügung steht, in dessen Rahmen
sich die vollkommene Zerstörung dieses Biodiversity Hotspots
und das Aussterben der dort beheimateten einzigartigen
Lebensformen verhindern ließe."
Bergbau
Die Philippinen sind allerdings nicht nur ein besonders arten-,
sondern auch ein sehr rohstoffreiches Land (z.B. Kupfer, Nickel,
Gold, Silber und Kobalt). Das hat dem Land die Aufmerksamkeit
zahlreicher international tätiger Bergbauunternehmen (z.B.
BHP Billiton, TVI, Rio Tinto, Lafyette, Pelican) eingetragen. Die
philippinische Regierung fördert Bergbauprojekte
ausdrücklich als Teil ihrer Strategie zur
Armutsbekämpfung. Sie ist dafür in vielen Fällen
sogar bereit, ihre eigenen Gesetze zum Schutz von Umwelt und
Menschenrechten zu umgehen und Abbaupraktiken zu dulden, die weit
hinter international geltenden Sicherheitsmaßstäben
zurückbleiben.
Dabei ist durch zahlreiche Studien (u.a. von UN und Weltbank)
belegt, dass die Förderung von Bergbauprojekten im Rahmen
einer langfristigen und auf Nachhaltigkeit angelegten
Entwicklungsstrategie im Normalfall keinen Sinn ergibt. Von einer
derartigen Politik profitieren fast ausschließlich die
Bergbauunternehmen. Die langfristigen Folgen der
Umweltzerstörung und die sozialen Kosten haben dagegen die
jeweiligen Entwicklungsländer und in ihnen zumeist die
ärmeren Bevölkerungsschichten zu tragen. Zudem sind die
Auswirkungen für die langfristigen Entwicklungschancen der
Region in den meisten Fällen katastrophal.
Es besteht weitestgehende Einigkeit, dass die Zukunft der
Philippinen in der Nutzung ihrer erneuerbaren Ressourcen, d.h.
vor allem in einer umweltverträglichen Entwicklung von
Tourismus, Landwirtschaft und mariner Ressourcen, liegt. Die
Verwüstung und Kontamination ganzer Landstriche durch den
Bergbau gefährdet dieses langfristige Ziel in erheblicher
Weise. Auch kurzfristig sind kaum nennenswerte Vorteile zu
erwarten. Untersuchungen auf lokaler Ebene (z.B. in Marunduque
und Benguet) zeigen, dass durch den kapitalintensiven
maschinellen Bergbau in aller Regel für die oft kaum
ausgebildete Bevölkerung vor Ort kaum Jobs entstehen. Auch
größere Steuereinnahmen sind im Gegenzug für die
Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen durch den Bergbau
kaum zu erwarten. Denn internationale Bergbauunternehmen werden
vor allem mit Hilfe umfangreicher Steuererlasse und
-erleichterungen auf die Philippinen gelockt. Ende 2006 lagen
nicht weniger als 2.000 Anträge für Bergbauprojekte
vor.
Sibuyan
Die 456 km2 große Insel Sibuyan liegt 350 Kilometer
südlich der philippinischen Hauptstadt Manila. Von ihren
50.000 Einwohnern leben mehr als die Hälfte unterhalb der
staatlich definierten Armutsgrenze. Die Provinz Romblon, in der
Sibuyan liegt, belegt hinsichtlich ihres Human Development Index
nur den 64. Rang unter den 77 philippinischen Provinzen. Sibuyan
ist erdgeschichtlich seit geraumer Zeit durch
Tiefwassergräben vom Rest der Philippinen getrennt. So
konnte auf ihr eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt
entstehen, derentwegen Sibuyan auch als "Galapagos der
Philippinen" bezeichnet wird. Besonderes Kennzeichen der Insel
ist die Existenz verschiedener Waldformen, die von Mangroven-
über Moos- und Auen- bis hin zum Bergwald des 2.058 Meter
hohen Mt. Guiting-Guiting reicht. Eine nahe liegende
Möglichkeit, den Lebensstandard auf Sibuyan nachhaltig zu
heben, wäre daher z.B. die mit Augenmaß betriebene
Entwicklung von Tourismusprojekten. Dem entgegen stehen
allerdings die Interessen von zahlreichen Bergbauunternehmen aus
dem In- und Ausland, die die reichen Nickelvorkommen der Insel
ausbeuten wollen.
Nationalpark
Der Mount Guiting-Guiting Nationalpark wurde 1996 gegründet,
um die einzigartige Natur Sibuyans zu schützen. Noch im
selben Jahr wurde die Insel Teil eines von der Europäischen
Union geförderten Naturschutzprogramms, National Integrated
Protected Areas Programme (NIPAP), in dessen Rahmen die
Einrichtung von acht Schutzgebieten mit 10,6 Millionen Euro
gefördert wurde. Der Park selbst ist 160 km2 groß und
nimmt zusammen mit seiner 100 km2 großen Pufferzone mehr
als die Hälfte der Insel ein. Seine Schutzbestimmungen
bedeuteten für die Mangyan-Tagabukid, deren Lebensraum sich
weitgehend auf dem Gebiet befindet, erhebliche
Einschränkungen ihrer Lebensweise. Daher wurde mit
Unterstützung der Niederlande und des philippinischen WWF
ein Projekt ins Leben gerufen, das die Integration der
Lebensweise der indigenen Bevölkerung vom Volk der
Mangyan-Tagabukid in das Schutzkonzept zum Ziel hatte (Integrated
Conservation and Development Project (ICDP)).
Mangyan-Tagabukid - Ancestral Domain
Die heute ca. 1.700 Mangyan-Tagabukid sind eines der am wenigsten
erforschten indigenen Völker der Philippinen. Sie leben in
den höher gelegenen Waldregionen Sibuyans. Ihre Existenz auf
der Insel wird bereits in den Berichten der spanischen Eroberer
des 16. Jahrhunderts erwähnt. Wie fast alle Indigenen
pflegen sie eine außerordentlich enge Beziehung zu ihrem
Land, dessen Natur sie als beseelt begreifen. Ihren
Lebensunterhalt bestreiten sie als Jäger und Sammler sowie
durch Subsistenzlandwirtschaft.
Die Rechte der Mangyan-Tagbukid wurden 2001 nach den als
fortschrittlich geltenden Vorschriften des Indigenous Peoples
Rights Act (IPRA) gestärkt, indem ihre traditionellen
Siedlungsgebiete als "Ancestral Domain" ausgewiesen wurden. Damit
genießen sie auf einer Fläche von 79 km2, die sich zu
60 Prozent mit der Fläche des Nationalparks
überschneidet, besondere Rechte gegenüber Verwaltung
und anderweitigen wirtschaftlichen Interessen. In der Praxis
werden diese Rechte allerdings oft missachtet.
Konsequenzen
Sibuyan ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die
Förderung von Bergbauprojekten meist nicht mit dem
langfristigen Ziel nachhaltiger Entwicklung in Einklang bringen
lässt. In Anbetracht der fatalen Auswirkungen des Bergbaus
ist es besonders bedenklich, dass eine Reihe großer
internationaler Konzerne (unter ihnen Pelican Resources Ltd. and
BHP Billiton) Einfluss auf regionale Unternehmen gewonnen haben
und so - unter Umgehung der Beteiligungsrechte der
Mangyan-Tagabukid und der lokalen Bevölkerung - die
Exploration der reichen Nickelvorkommen vorantrieben. Die dabei
genutzten Genehmigungen (small-scale mining permits) verbieten
zwar den Einsatz schweren Geräts, sind aber in jedem Fall
nur die Vorstufe des geplanten großflächigen
Nickelabbaus, der das Ökosystem der Insel - und damit
unausweichlich auch das Gebiet des Mount Guiting-Guiting
Nationalparks und der Ancestral Domain der Mangyan-Tagabukid - im
wahrsten Sinne des Wortes verwüsten würde. Auch die die
Insel säumenden Mangrovenwälder und vorgelagerte
Korallenriffe wären in diesem Fall akut gefährdet. Mit
der Zerstörung der einzigartigen Natur aber wäre
jegliche Chance dahin, die Insel in nachhaltiger Weise zu
entwickeln und so zu bleibendem Wohlstand zu gelangen.
Hoffnung für Sibuyan
Die Bedrohung, der Sibuyan durch die Aktivitäten der
Bergbauunternehmen ausgesetzt ist, ist - wie erwähnt - alles
andere als ein Einzelfall. Allerdings ist hier aufgrund der
einzigartigen, noch weitgehend unberührten Natur der
Konflikt zwischen dem Umweltschutz als Voraussetzung einer
nachhaltigen Entwicklung und der diesem Ziel zuwiderlaufenden und
im Ergebnis katastrophalen Bergbauförderung der Regierung
besonders deutlich und symbolträchtig.
Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass es offenbar des
Todes von Gemeinderat Marin bedurfte, damit die Proteste gegen
die Machenschaften der Bergbauunternehmen auf Sibuyan endlich
auch politisches Gehör finden. Unmittelbar nach dem Tode
Marins widerrief der zuständige Minister des Department for
Environment and Natural Resources (DENR), Lito Atienza, eine von
seinem Vorgänger erteilte Genehmigung zum Einschlag von
70.000 Bäumen. Im gleichen Atemzug bekundete Atienza, dass
er Bergbauprojekten auf der Insel äußerst kritisch
gegenüberstünde. Ohne jeden Zweifel sind die
Bergbauunternehmen nach dem Tod von Gemeinderat Marin in die
Defensive geraten. Auch wenn der Anlass tragisch ist, die
Chancen, den Bergbau von Sibuyan zu verhindern, haben sich damit
erst einmal verbessert. Dafür aber ist es unbedingt
notwendig, den politischen Druck auf die Entscheidungsträger
aufrecht zu erhalten bzw. weiter zu erhöhen.