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Minderheiten und Medien - Minderheiten in Medien

Bozen, 10. Januar 2002

INDEX


Minderheiten und Medien. Ein kommunikatives Missverhältnis
Von Cornelia Kogoj, Initiative Minderheiten [ top ]

Der Zugang zu den Massenmedien ist eine der wichtigsten Fragen für moderne Gesellschaftsformen geworden. Denn anhand der Herstellung von Öffentlichkeiten können in parlamentarischen Demokratien Interessen artikuliert und durchgesetzt werden. Das bedeutet, daß mittels öffentlicher Kommunikation Hierarchien und Herrschaftspositionen geschaffen werden. Daher sieht das Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor, eben diese Positionen mittels gesetzlicher Rahmenbedingungen auszubalancieren, um allen relevanten Gruppen möglichst gleiche Chancen zu geben, sich im politischen und gesellschaftlichen Prozess durchzusetzen.

Individuen haben heute kaum mehr die Möglichkeit, die Komplexität der Gesellschaft als eigene Erfahrungen zu verarbeiten. Die zunehmende Differenzierung des Gesamtsozialsystems erfordert eine regelmäßige Versorgung aller gesellschaftlicher Gruppen mit Informationen, die ihnen helfen, sich im Alltag zurechtzufinden. Dafür ist jedoch Medienkompetenz notwendig, die sich als Fähigkeit zur Dekodierung medialer Information ausdrückt. Wie können aber Minderheitenangehörige diese Kompetenz erwerben? Brauchen sie eigene Medien, oder sind ihre Medienbedürfnisse denen der Mehrheit so ähnlich, daß jene nicht notwendig sind? Wie sieht dies gesamtgesellschaftlich aus: Ist es für eine Gesellschaft notwendig, daß Minderheiten in den Mainstreammedien vorkommen? Und welche Bilder werden dann transportiert?

Minderheitenmedien - Medien für Minderheiten?
Die Ansicht, daß Medien-Produkte, deren Inhalte bewußt auf das Interesse eines homogenen Publikums zugeschnitten sind, mit einer starken Rezipientenbindung rechnen können, hat sich in den letzten Jahren zunehmend verfestigt Unter einem homogenen Publikum wird verstanden, daß die Bedürfnisse der Rezipienten gleich bzw. ähnlich sind. Gesellschaftliches Leben vollzieht sich jedoch in einer Vielzahl von Einheiten, deren Verbindung in unterschiedlichen Interessen oder Zugehörigkeiten besteht Jedes Individuum ist Mitglied mehrerer solcher sozialer Gruppen, die sich überschneiden und daher auch nicht klar voneinander abgegrenzt werden können. Alter, Geschlecht, Sprache, Ethnie und immer stärker auch der Lebensstil prägen ganz entscheidend Einstellungen, Verhaltensmuster und Identitäten.

Mitglieder von Minderheiten sind also nicht nur auf ihr "Minderheitenmerkmal" wie Sprache, Kultur, sexuelle Präferenzen oder Behinderung zu reduzieren, sondern gehören zudem anderen gesellschaftlichen Gruppen an. Das bedeutet, daß das potentielle Publikum für Minderheitenmedien vielschichtig und inhomogen ist da Interessen und Lebensweisen genau wie bei anderen Bevölkerungssegmenten weit auseinanderklaffen können und es in der Praxis auch tun. Bei Minderheiten wird jedoch erwartet - oft auch von deren Angehörigen selbst-, dass diese eine in sich geschlossene Einheit bilden. Medienbedürfnisse von Minderheiten unterscheiden sich nicht von denen der sogenannten Mehrheit. Denn genau wie diese stellen auch Minderheiten unterschiedliche thematische, politische und ästhetische Erwartungen an die Medien. Es stellt sich daher die Frage, ob eigene Medienprodukte überhaupt notwendig sind, um, wie eingangs erwähnt, sich als Gruppe zu artikulieren, im politischen Prozess durchzusetzen und im Alltag besser zurechtzufinden.

Die wichtigsten Funktionen von Minderheitenmedien sind die Artikulationsfunktion, die Weitergabe von Informationen innerhalb einer Gruppe und damit die Schaffung eines Gruppenbewusstseins. Jene Besonderheiten der Gruppe (Ethnie, sexuelle Präferenzen, Behinderung etc.) werden in den Minderheitenmedien angesprochen und thematisiert - ähnlich einer juristischen Zeitung für Juristen, einer Botanikzeitschrift für Botaniker oder einer ganz bestimmten Jugendsendung für eine ganz bestimmte Zielgruppe innerhalb der Jugendlichen. Das heißt Informationen für ein ganz kleines Segment Der Unterschied besteht lediglich darin, daß sich Minderheitenpublikationen meist als politische Publikationen verstehen und den Anspruch haben, gesellschaftliche Zustände verändern zu wollen.

Auch wenn das Ideal, daß durch das Öffentlichmachen von Anliegen und Zielen alle am politischen Prozeß beteiligt sind und dadurch Veränderungen herbeigeführt werden, nur sehr schwer durch diese "Minderheitenmedien" erreicht werden kann, ist es dennoch notwendig, daß es sie gibt.Publizistische Vielfalt - also Vielfalt von Meinungen und Informationen -, die sich nicht nur an der Marktfähigkeit orientiert, ist heute unverzichtbar.

Minderheiten in den Mainstreammedien
Wenn nun Minderheitenrezipienten heterogen sind, stellt sich weiter die Frage, ob sich ihre Differenziertheit auch in den Medien selbst niederschlägt. Bislang gehören Volksgruppen, Migrantinnen, Behinderte und Homosexuelle in den österreichischen Mainstreammedien - bis auf wenige Ausnahmen – kaum zum "Personal", weder vor noch hinter der Kamera. Ihnen werden genau abgegrenzte Terrains zur Verfügung gestellt, sei es in "Heimat, fremde Heimat", in "Help TV", oder in "Licht ins Dunkel". Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein völlig undifferenziertes und auf das Minderheitendasein reduziertes Bild. Minderheitenwirklichkeiten abseits von Tamburizza spielenden Kroaten, von flüchtenden Albanern und von Homosexuellen in den "Seitenblicken" werden so gut wie gar nicht thematisiert Es gibt in TV-Filmen, Serien und Werbespots keine rollstuhlfahrenden Managerinnen, keinen schwulen Bauarbeiter und keine muslimischen Schuldirektorinnen.

Gerade publikumswirksame Sendungen wären gut geeignet, abseits von Klischees soziale Wirklichkeiten von Minderheiten zutransportieren. Denn in reichweitenstarken Serien, Filmen und Spots, die (wie aus kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen hinlänglich bekannt ist) nachhaltig Einstellungen und Gefühle prägen, könnten Minderheiten eine zum Alltag gehörende "Normalität" erlangen, die nicht vom Nachrichtenwert "Besonderheit" geprägt ist Doch davon sind wir noch weit entfernt

Minderheiten in den Medien: Inhalt oder Verkleidung?
Von Franjo Schruiff, Initiative Minderheiten [ top ]

Am Anfang war das Medium. Alles andere sind Gerüchte. Ohne Medium kein Wort, ohne Medium keine Sprache, ohne Medium keine Kultur. Das gilt noch immer. Ursprünglich wurden Medien als dienende Transportmittel für Gedanken, Inhalte und Sprachen verstanden. Tatsächlich haben sich Medien nie mit dieser untergeordneten Rolle begnügt Medien haben eigene Gesetze, denen alle unterworfen sind, die sich ihrer bloß bedienen wollen. Dabei macht es vom Prinzip her nicht viel Unterschied, ob es um ursprüngliche Medien, wie den akustischen Vortrag vor einem oder mehreren Visavis, oder um handschriftliche Mitteilungen geht, oder, wie in unserem Jahrhundert, um Möglichkeiten der globalen Massenkommunikation über Massenmedien.

Medien sind lediglich viel effizienter geworden. Es geht schneller, weiter und interaktiver. Aber es geht nach wie vor nur das, was das Medium zu transportieren bereit ist, und es geht nach wie vor nur so, wie es das Medium transportieren kann. Auswahl und verkürzende Darstellung sind Grundprinzipien der medialen Kommunikation. Alte Trachten, ausgefallene Gewohnheiten, sonderbare Bräuche, skurrile Riten, exotische Lieder und Tänze sind ein attraktives Angebot für Massenmedien. Aber hier geht bereits die erste Falle auf.

Unterwerfung unter Medien
Medien dienen nicht nur, sie unterwerfen. Sie unterwerfen Menschen und Kulturen unter ihre Regeln. Erfolgreiche Ideen und Kulturen, die sich halten, durchsetzen und weiterentwickeln wollen, brauchen erfolgreiche Kommunikation nach innen und außen. Dazu müssen sie medientauglich sein. Sie müssen nach Möglichkeit den Anforderungen des effizientesten Mediums entsprechen. Und das ist meist das weitestreichende, verständlichste und schnellste. Minoritäre Lebensformen und Kulturen stehen im selben medialen Auseinandersetzungsprozess. Sie konkurrieren mit Informationen über andere Kulturen der Minderheiten und Mehrheiten. Und sie unterliegen den Gesetzen der medialen Kommunikation, die wiederum durch Rückkoppelung Einfluss auf die jeweilige kulturelle Ausprägung nehmen.

Durch die Effizienz und Geschwindigkeit der gegenwärtigen Massenmedien besteht ein andauerndes Überangebot an Informationen. Nur noch ein Bruchteil des Angebotes kann von den Rezipienten tatsächlich empfangen und verarbeitet werden. Die Konkurrenz ist enorm. Wer etwas zu sagen hat, muß sich erst einmal Gehör verschaffen. Und das geht wieder nur durch Unterwerfung unter die Gesetze der Medien. Wer gehört oder gesehen werden will, muß etwas zu bieten haben, Medien und Konsumenten verlangen nach News und Infotainment Eine Botschaft muß sich vom Überangebot klar abheben. Deshalb muß sie entweder völlig neu sein (oder zumindest so erscheinen), oder sie muß durch ihre Ausgefallenheit aus dem Überangebot herausstechen. Dann ist die Botschaft mediengerecht und hat eine Chance, "rüberzukommen".

"Newswert" der Minderheiten
Minderheiten können in dieser umgekehrten Auktion der medialen Informationsverteilung nur beschränkt mitbieten. Zu oft wird minoritäres Selbstverständnis an die Erhaltung und Tradierung überkommener Werte gebunden. Der"Newswert" ist also eher gering. Bleibt die Ausgefallenheit. Und da haben Minderheiten durchaus etwas zu zeigen. Alte Trachten, ausgefallene Gewohnheiten, sonderbare Bräuche, skurrile Riten, exotische Lieder und Tänze sind ein attraktives Angebot für Massenmedien. Aber hier geht bereits die erste Falle auf. Weil eben (Massen-)Medien nur bestimmte Inhalte in bestimmter Art transportieren können und wollen, transportieren sie regelmäßig nur kleine Ausschnitte des kulturellen Selbstverständnisses von Minderheiten. Je bunter und ausgefallener ein Bild, desto leichter kommt es "rein" und "rüber".

Hier beginnt die Rückkopplung. Minoritäre Lebensformen, Minderheitensprachen und Minderheitenkulturen brauchen - wie auch alle majoritären Lebensformen - Geld und andere Ressourcen (unter anderem auch mediale Präsenz, um die eigene Attraktivität direkt zu steigern). Um Geld und Ressourcen zu bekommen und die erhaltenen Subventionen zu rechtfertigen, müssen minoritäre Lebensformen in der Gesamtgesellschaft wahrgenommen werden. Es ist ganz einfach: Wen es nicht gibt, für den gibt es nichts. Um aber wahrgenommen zu werden, unterwerfen sich Träger von Minderheitenkulturen den Gesetzen der Massenmedien: Die Chance für Künstler und Kulturschaffende aus den Minderheiten, Sendeplatz in elektronischen Medien zu bekommen, ist um ein Vielfaches größer, wenn sie sich als Bauern der Jahrhundert wende verkleiden und in historischen Trachten anmarschieren. Mit dem realen Leben hat das oft wenig zu tun. Aber es wirkt.

Die bunten Gewänder
Weil man am Erfolg lernt, treten immer mehr Kulturschaffende in bunten Gewändern ihrer Großeltern auf. Sie inszenieren nicht etwas, sondern sich als etwas. Das hat zur Folge, dass bestimmte minoritäre Kulturen mit bestimm ten Bildern verknüpft werden. Meist dauert es nicht lange, bis auch die Minderheitenangehörigen selbst (die es ja besser wissen müß ten) auf die verkürzende Medienvermittlung hereinfallen und nur noch das für "Burgenlandkroatisch", "Slowenisch" oder "Polnisch" halten, was sie im Fernsehen gezeigt und ihre Angehörigen daheim gesehen haben. Wenn heute Delegationen aus kroatischen Dörfern des Burgenlandes zum Landeshaupt mann fahren, nehmen sie ein junges Paar in alten Bauerngewändern mit. Auch wenn der Herr Bischof ins Dorf kommt ist es sittsam, sich zu seiner Begrüßung zu verkleiden. Statt der ursprünglichen Kultur haben die Gesetze der Massenmedien bei den Minderheiten eine "Kultur des Verkleidens" geformt.

Aber es trifft nicht nur die minoritären Kulturschaffenden – die Kultur des Verkleidens ist weit verbreitet und beliebt. Natürlich sind Touristen (die mit den TV-Übertragungen angelockt werden sollten) dann enttäuscht, wenn es unter den "Einheimischen" nur wenige "Eingeborene" gibt, wie ihnen vorgegaukelt wurde. Mancherorts wird dem bereits abgeholfen. "So-zu-leben-wie-es-unserer-Kultur-entspricht" wird zum 40-Stunden-Job: Die Kultur des Verkleidens als Arbeitsplatzbeschaffung. Die Folge: Verkleidete Hufschmiede schmieden ganztägig Hufe für Pferde, die es nicht gibt, und die EU finanziert das Ganze unter dem Titel "Regionalentwicklung". Es liegt auf der Hand, daß diese Lebensformen weder von Außenstehenden noch von den Betroffenen selbst als attraktiv empfunden werden. Sie dienen der Unterhaltung. Echtes Interesse am Leben der Menschen besteht nicht, man muß es bloß "einmal gesehen haben".

Chancen minoritärer Kulturen
Aber nicht nur die Fremddarstellung ist Verursacherin einer Musealisierung von traditionellen Kulturformen. Auch Minderheitenmedien sind an der Entwicklung beteiligt Minderheitenangehörige berichten für Minderheitenangehörige am liebsten über "typisch kroatische Events", über "echtes slowenisches Brauchtum" oder über "original serbische Folklore in Wien". Moderne kulturelle Entwicklungen innerhalb der Minderheiten werden oft ignoriert, bisweilen sogar als "unecht" oder "untypisch für uns" kritisiert. Die Folge ist eine weitgehende Reduzierung der Berichterstattung auf bestimmte traditionelle Aspekte des Lebens. Die Schere zwischen dargestellter und tatsächlicher Kultur und Interessen der Menschen vergrößert sich immer weiter.

Natürlich gäbe es den anderen Weg auch noch. Aber der ist schwieriger. Wer zeitgemäße und innovative Ideen transportieren will, ist einer größeren Konkurrenz ausgesetzt und muß im allgemeinen Überangebot mithalten können. Zweitklassige Ware ist heute nicht mehr zu verkaufen (es sei denn, man verpackt sie in bunte Gewänder und verkauft die Verpackung. Trotzdem werden nur solche minoritäre Kulturformen wirklich überleben, die sich aufgrund ihrer eigenen Qualität durchsetzen und sich auf dem "großen Markt" ihren Platz erkämpfen. Die Kultur des Verkleidens mag zwar vordergründig Erfolge verschaffen. Ihre Unehrlichkeit bleibt aber weder dem Publikum noch den Minderheitenangehörigen selbst verborgen. Ihre Anziehungskraft bleibt beschränkt, ihre innere Innovationsfähigkeit ist marginal. Minoritäre Kulturen müssen dennoch im Überangebot der Medienwelt nicht chancenlos sein.

Notwendig wäre aber ein radikales Umdenken in der Selbstdarstellung. Es ist zu wenig, die Besonderheiten (-Skurrilität) einer Gruppe mediengerecht hervorzustreichen und die Individualität und Kreativität der einzelnen Gruppenangehörigen hinter gruppentypischen Masken und Verkleidungen zu verstecken. Der mediale Kredit der gruppentypischen Verkleidung ist bald aufgebraucht. Perspektiven haben in erster Linie kreative Menschen aus Minderheiten, die einzeln oder gemeinsam attraktive Ideen und Inhalte mediengerecht anbieten. Denn erst wenn es Minderheitenangehörigen gelingt, mit ihren individuellen Leistungen "rein-" und "rüberzukommen", gewinnt die Gruppe wieder an Attraktivität.

Nicht genügend
NGO-Zusatzbericht zur UN-Rassen-Diskriminierungskonvention
Von Cornelia Kogoj, Initiative Minderheiten [ top ]

Obwohl Österreich gesetzlich dazu verpflichtet ist, alle zwei Jahre einen umfangreichen Bericht über die Umsetzung der internationalen Rassendiskriminierungskonvention der UN-Rassendiskriminierungskommission vorzufegen, ist die Republik seit 1992 säumig. Heuer wurde nach sieben Jahren wieder ein Bericht nach Genf geschickt. Die Initiative Minderheiten hat zusammen mit Helping Hands, dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte und Nikolaus Kunrath einen Zusatzbericht erstellt; der in diesen Tage ebenfalls in Genf übergeben wurde. Wir bringen Auszüge aus jenem Teil des Papiers, der die Volksgruppen und ethnischen Minderheiten betrifft.

Allgemeines
Im österreichischen Staatenbericht wird nicht zuletzt aufgrund der Geschichte Österreichs als Vielvölkerstaat detailliert auf die Situation der Volksgruppen - also der autochthonen Minderheiten - eingegangen. Für die Analyse der Lage der Volksgruppen werden im österreichischen Bericht insbesondere international auferlegte gesetzliche Verpflichtungen wie der Staatsvertrag von St. Germain von 1919 und der Österreichische Staatsvertrag von 1955 herangezogen. Kurz eingegangen wird auch auf das Volksgruppengesetz von 1976. Die gesellschaftliche und politische Situation der Volksgruppen in Österreich ist heute nach den schrecklichen Bombenattentaten Mitte der 90er Jahre - bei denen vier Roma getötet und mehrere Personen verletzt wurden - gespannter denn je. Trotz Versprechungen seitens der Bundesregierung wurden seit damals keine konkreten Maßnahmen zur allgemeinen Verbesserung der Minderheitensituation gesetzt.

Auch im Bericht des österreichischen Staates zur Rassendiskriminierungskonvention (RDK) sind keine angefühlt. Im Art 2 der RDK, auf den sich Österreich in seinem Bericht bei der Ausführung über die Volksgruppensituation berufen hat, verurteilen die Vertragsstaaten "die rassische Diskriminierung und verpflichten sich, mit allen geeigneten Mitteln und unverzüglich eine Politik der Beseitigung der rassischen Diskriminierung in allen ihren Formen und Förderung des Verständnisses unter allen Rassen zu verfolgen".

Nach Art. 2(2) sollen die Vertragsstaaten besondere und konkrete Maßnahmen ergreifen, "um die angemessene Entwicklung und einen hinreichenden Schutz bestimmter rassischer und ethnischer Gruppen oder ihnen angehörender Einzelpersonen sicherzustellen". Diese geforderten Maßnahmen sind als konkrete Aufforderung zur Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen zu verstehen. Vorauszuschicken ist jedoch die bedauerliche Tatsache, daß fast alle Verbesserungen für die österreichischen Volksgruppen in den letzten Jahren auf Urteile des Verfassungsgerichtshofes zurückgehen, mit denen auf Betreiben von Volksgruppenangehörigen restriktive Gesetzesbestimmungen aufgehoben wurden, wie z. B. die Installierung einer zweisprachigen (slowenisch-deutschen) öffentlichen Volksschule in Klagenfurt.

In den nachfolgenden Punkten werden Mängel angeführt, die aufzeigen sollen, daß der Art 2 der RDK bis jetzt nicht zufriedenstellend erfüllt worden ist

Minderheitenmedien - Wozu?
Von Cornelia Kogoj, Initiative Minderheiten [ top ]

Massenmedien - so wird attestiert - erbringen für den Fortbestand unserer Gesellschaft und für den Einzelnen bestimmte Leistungen. Einerseits können komplexere Gesellschaftssysteme nicht ohne unterschiedliche Formen der Kommunikation integriert und erhalten werden. Das bedeutet, daß Kommunikation und Gesellschaft in starker Wechselbeziehung zueinander stehen. Andererseits erfüllen Medien auch für den Einzelnen bestimmte Funktionen. Als Rezipienten, die wir täglich Medien konsumieren, erwarten wir, daß diese uns informieren und unterhalten.

Ethnische Minderheiten haben grundsätzlich keine anderen Interessen und Motive als die Mehrheit, wenn sie sich Medieninhalten zuwenden. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß sie eine andere Muttersprache sprechen. Welchen Inhalten wir uns zuwenden, hängt von unseren Kommunikationsbedürfnissen ab und davon, wie gut Medien diese zu befriedigen vermögen. "Mediennutzung gilt als eine in viele andere Handlungsabläufe eingebettete Aktivität des Individuums, sie gilt als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen. Können nun Medien Minderheitenbedürfnisse befriedigen? Haben Angehörige von Minderheiten andere mediale Bedürfnisse als die Mehrheit? Brauchen sie - provokant gefragt - ihre eigenen (anderen) Medien? Oder genügt eine "minderheitengerechte" Berichterstattung über minoritäre Belange in den "großen" Medien?

Mediale Minderheitenbedürfnisse
Ethnische Minderheiten haben grundsätzlich keine anderen Interessen und Motive als die Mehrheit, wenn sie sich Medieninhalten zuwenden. Auch Minderheiten verwenden Medien, um Informationen über ihre Umwelt zu erhalten, als Ablenkung und Zeitvertreib, als Unterhaltung und als Mittel, um mehr über sich selbst zu erfahren. Auch Minderheiten stellen unterschiedliche thematische, weltanschauliche, ästhetische und politische Erwartungen an die Medien. Der Unterschied zur Mehrheit besteht - insbesondere bei den Volksgruppen – lediglich darin, daß sie eine andere Muttersprache sprechen. Die Volksgruppen sind heute im großen und ganzen voll in die Gesellschaft integriert. Diese haben - so scheint es -"im sozialen, kulturellen und sozioökonomischen Bereich den Status als Minderheit hinter sich gelassen ..."? Jenen Status also, der sie Jahrzehnte lang als sozial benachteiligte Gruppe kennzeichnete. So ist beispielsweise die jüngere Generation der Kärntner Sloweninnen durchschnittlich besser gebildet als die deutschsprachige Mehrheit. Sozial lassen sich also nur marginale Unterschiede festmachen.

Zielgerichtete Mediennutzung
Seit Beginn der siebziger Jahre beschäftigt sich die Kommunikationswissenschaft mit der Frage, wie Rezipienten die Medien für die Befriedigung ihrer medialen Bedürfnisse heranziehen. Während vorherige Modelle die Menschen im Prozess der Massenkommunikation als Objekte betrachteten, die passiv auf mediale Reize reagieren, geht die Theorie des "Nutzenansatzes" von einem aktiven Publikum aus, das aus Individuen besteht, die nicht bloß reagieren, sondern von den Medien und ihren Informations- und Unterhaltungsangeboten zielgerichtet Gebrauch machen. Man unterstellt also, daß die Empfängerinnen mit massenmedialen Inhalten subjektiv umgehen und sie auf ganz persönliche Weise für sich nützen.

Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Annahme, daß man Medien deshalb konsumiert, weil man sich davon eine Art "Belohnung" (Gratifikation) erwartet. Konkret ist vorstellbar, daß sich verschiedene Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen ein und demselben Medium bzw. Medieninhalt zuwenden und ganz unterschiedliche Gratifikationen durch diese Zuwendung erhalten. So könnten z. B. zwei Menschen aus ein und demselben Fernsehkrimi ganz verschiedene Gratifikationen beziehen: Der eine hofft, Details einer Stadt wiederzusehen, in der er den letzten Urlaub verbracht hat; der andere schaut sich den Film nur deswegen an, um am darauffolgenden Tag in Gesprächen am Arbeitsplatz "mitreden" zu können. Rezipienten wählen also entweder ganz gezielt oder auch unbewußt bestimmte Medien aus. So werden beispielsweise an Minderheitenmedien andere Gratifikationserwartungen gestellt als an die übrigen Medien.

Funktionen von Minderheitenmedien
Brigitte Busch kommt in ihrem Buch Der virtuelle Dorfplatz. Minderheitenmedien, Globalisierung und kulturelle Identität" zu dem Ergebnis, daß sich die Minderheitenmedien in Kärnten auf bestimmte Kommunikationsfunktionen spezialisiert haben und andere teilweise an Medien in der Mehrheitssprache abgegeben haben. "Die beziehungs- und identitätsstiftenden Komponenten der Kommunikation sind bei den Minderheitenmedien in den Vordergrund getreten, während Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse zu einem großen Teil nur mehr von den Medien in der Mehrheitssprache abgedeckt werden." So nehmen Minderheitenmedien vor allem die Funktion eines "virtuellen Dorfplatzes" ein, sind bedeutend für die sprachliche Sozialisation und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Mediale Vollständigkeit fehlt jedoch. Es gibt kein Set von Medienangeboten, welche imstande wären, von Special-Interest-Zeitschriften bis hin zu TV-Serien alle Bereiche medialer Bedürfnisse abzudecken.

Neben den bereits genannten Funktionen werden die klassischen Volksgruppenmedien natürlich immer auch im Zusammenhang mit dem Topos von der "kulturellen Identität" verknüpft, die es zu wahren gilt. Identität unterliegt jedoch zeitlichen Dimensionen. Das Konzept der "kulturellen Identität" sollte daher, wie es der niederländische Kommunikationswissenschafter Cees Hamerlink vorschlägt, durch jenes der "kulturellen Entwicklung" ersetzt werden, das durch die drei Elemente Dynamik, Vielfalt und Diskurs gekennzeichnet ist:

- Dynamik soll Anpassung an eine sich immer schneller wandelnde, immer komplexer werdende Umwelt erlauben;
- Vielfalt ist nicht nur im Bereich der Kommunikationsmedien Voraussetzung für einen offenen Meinungsbildungsprozess, sondern wichtigste Ressource und Voraussetzung jeder gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt;
- und Diskurs soll Toleranz und Integration ermöglichen.

Mediale Konstruktion der Minderheitenwirklichkeit
Wenn man davon ausgeht, daß Medien beeinflussen, worüber wir nachdenken, und gewissermaßen Themen auf unsere "Denk"-Tagesordnung setzen, so heißt dies in bezug auf Minderheiten, daß die großen Medien aufgrund ihrer starken Präsenz die Themen vorgeben. Mit dieser Tagesordnungs- oder auch Thematisierungsfunktion werden den Medien vor allem kognitive Effekte unterstellt. "Es geht um unsere Aufmerksamkeit, unser Wissen und Problembewusstsein gegenüber den täglich berichteten Ereignissen, Personen, öffentlichen Themen und Fragestellungen."

Das bedeutet, daß einerseits Minderheitenmedien so gut wie keine Tagesordnungspunkte der öffentlichen Diskussion bestimmen und sich selbst "eine ,Welt in der Welt' schaffen, in der über bestimmte Themen kommuniziert werden kann, die sonst nirgends vertreten sind." Andererseits stehen Minderheitenthemen in der Regel nicht auf der Tagesordnung von Mainstreammedien – es sei denn, sie sind vom Nachrichtenwert "Konflikt" geprägt.

Es wird also eine weitgehende "minderheitenfreie" Welt gezeigt, oder Minderheiten werden - insbesondere in den Nachrichten - im Zusammenhang mit "Gewalt" als Täter oder Opfer in Verbindung gebracht. Für die Rezipienten bedeutet dieser Umstand, daß ein Teil der Wirklichkeit medial nur im Zusammenhang mit negativen Ereignissen wahrgenommen werden kann. Medien sind also nicht nur Instanzen zur Übertragung von Information, sondern sie sind selbst Produzenten von Wirklichkeit. Medien geben bis zu einem bestimmten Grad vor, was in einer Gesellschaft als "Norm" gilt. Damit Minderheiten als gesellschaftliche "Norm" gelten und als solche von den Minderheiten selbst und auch von der Mehrheit wahrgenommen werden, müssen sie aber in den Medien vorkommen, allerdings in einer Darstellung, die auf ihre Differenziertheit Rücksicht nimmt. Gleiches gilt auch für das Minderheitenpublikum. Denn dieses ist vielschichtig und heterogen. Und ob Minderheitenmedien von den Minderheiten genutzt werden, hängt wie bei den Medien der Mehrheit auch davon ab, wie sehr sie es verstehen, ihre Interessen, Einstellungen, Weltanschauungen und Lebensweisen zu thematisieren.

Ohne eigene Sprache geht gar nichts
Von Franjo Schruiff [ top ]

Fünf der sechs anerkannten "Volksgruppen" in Österreich definieren sich selbst über ihre nichtdeutsche Muttersprache. Das Volksgruppengesetz 1976 fordert als Abgrenzungskriterium von der Mehrheitsbevölkerung eine "nichtdeutsche Muttersprache". Selbst die sechste Gruppe, die "Volksgruppe der Roma und Sinti", ist bestrebt, die eigene Sprache zu verschriftlichen und als identitätsstiftenden Faktor zu stärken. Das klassische Instrumentarium des Minderheitenrechtes im Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien, im bereits veralteten Volksgruppengesetz 1976 und in den Minderheitenschulgesetzen für das Burgenland bzw. für Kärnten stellt dementsprechend fast ausschließlich auf Spracherhaltung und Sprachvermittlung ab. Es gibt (mehr oder weniger weitreichende) Regelungen zur Verwendung von Minderheitensprachen vor Ämtern und Behörden, Regelungen zur Verwendung von Minderheitensprachen in topographischen Bezeichnungen, Regelungen zum Unterricht in Minderheitensprachen bzw. zum zweisprachigen Unterricht in Schulen und Kindergärten und einiges mehr.

Minderheitensprachen in Medien
Auffallend ist, daß es keine Regelungen zur Verwendung von Minderheitensprachen im Bereich der Medien gibt. Das hat zwei Ursachen. Zum einen ist Minderheitenrecht in der österreichischen Praxis ein typischerweise unbeweglicher Rechtsbereich. Die Grundzüge des österreichischen Minderheitenschutzsystems liegen im Minderheitenverständnis des vorigen Jahrhunderts, also in einer Zeit, in der die Bedeutung der medialen Kommunikation kein Thema war. Die Tendenz ist klar: Die Verwendung von Minderheitensprachen soll ausnahmsweise erlaubt werden, um Staatsbürgern, die die deutsche Staatssprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen, ausnahmsweise den Zugang zur Verwaltung in der eigenen Sprache zu ermöglichen. Diese Grundhaltung zieht sich vom Staatsgrundgesetz 1867 bis hin zum Volksgruppengesetz 1976 mit seinen "Hilfsübersetzungen in Volksgruppensprachen" durch. Selbst die Schulgesetze der 90er Jahre wollen lediglich "in Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen Österreichs" jenen Staatsbürgern, die deklariertermaßen einer Volksgruppe angehören, das Recht zubilligen, neben der Staatssprache Deutsch auch in der Muttersprache unterrichtet zu werden. Dementsprechend wenig Wert legen die "Minderheitenschutzbestimmungen" auf die offensive Fortentwicklung von Minderheitensprachen und auf die allgemeine Mehrsprachigkeit in den traditionell mehrsprachigen Regionen. Von Minderheitenmedien wissen die bestehenden Gesetze nichts.

Zum anderen sind die Minderheiten und ihre Organisationen aus strukturellen Gründen nicht in der Lage, entsprechend schnell auf neue Herausforderungen der Praxis zu reagieren. Im Gegensatz zu anderen Interessensvertretungen wie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden oder Berufsvertretungen gelingt es Minderheitenorganisationen regelmäßig nicht, ausreichend Einfluß und politischen Druck zu entwickeln, um den Gesetzgeber zu Reaktionen auf neu entstandene Bedürfnisse und Problemlagen zu bewegen. Deshalb hinken gesetzliche Regelungen zu Minderheitenfragen weit hinter den aktuellen Problemen der Gegenwart nach. Besonders kraß wirkt sich die Langsamkeit in dynamischen Bereichen aus, die sich schnell weiterentwickeln.

Medialer Platz
Im Bereich der medialen Versorgung für Minderheiten und vor allem in Minderheitensprachen hat diese Langsamkeit und Schwäche der Minderheiten bedrohliche Auswirkungen. Durch die explosionsartige Entwicklung der Massenkommunikation in den letzten beiden Jahrzehnten sind die Sprachen der Minderheiten enorm in die Defensive geraten. Das Angebot in Minderheitensprachen blieb auf einige von Vereinen herausgegebenen Wochenzeitungen und auf wenige Sendeminuten im Rundfunk beschränkt. Der prozentuelle Anteil des Angebotes in den Minderheitensprachen am Gesamtangebot ist daher wegen des enorm gewachsenen deutschsprachigen Angebotes dramatisch zurückgegangen.

Die Minderheiten konnten mit der Gesamtentwicklung nicht Schritt halten, weil sie bei ihren Bemühungen alleingelassen wurden. In einer Gesellschaft, in der die öffentliche Kommunikation immer mehr Bereiche des alltäglichen Lebens dominiert, kommt vor allem den elektronischen Medien zentrale Bedeutung zu. Öffentlichkeit spielt sich schon lange über die Medien ab. Was im Radio oder Fernsehen nicht gesendet wurde, hat - für die meisten Menschen - eben nicht stattgefunden. Eine Minderheit, die in den Medien keinen Platz findet, wird früher oder später auch ihren Platz in der Gesellschaft verlieren. Nicht anders sieht es mit der Sprache der Minderheit aus.

Sprachbildung durch Medien
Massenmedien haben eine wesentlichste sprachbildende Funktion übernommen. Nur durch die tägliche Konfrontation mit der Muttersprache ist es möglich, mit der rasanten technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen auch sprachlich Schritt zu halten. Wenn eine Minderheitensprache keine neuen Begriffe für neue Themen entwickelt oder zumindest alte Begriffe neu besetzen kann, wird sie bald ihre Ausdrucksfähigkeit für aktuelle Fragen verlieren. Vor allem in der frühen Kindheit, in dem der Grundstein für die Sprachentwicklung gelegt wird, geht die Schere zwischen Angeboten in der Minderheitensprache und Angeboten in der Mehrheitssprache immer schneller auseinander. Elektronische (und ausnahmslos einsprachig deutsche) Medien erreichen heute mit spezifischen Angeboten nahezu alle Kinder, sobald sie überhaupt zu sprechen beginnen. Die Sprachvermittlung durch die Eltern macht nur mehr einen geringen Teil aus. Weder der ORF noch andere Anbieter nehmen auf die Wünsche nach Kindersendungen in Minderheitensprachen Rücksicht. So gibt es zwar deutschsprachige Kindersendungen für alle Altersstufen rund um die Uhr, aber keine einzige zweisprachige Fernseh-Sendung für Kinder.

Nach dem Schweizer Kommunikationsforscher Ludwig Hasler ist für die Funktionalität einer Zweisprachigkeit die alltägliche Konfrontation beider Sprachen mit der sich dauernd ändernden Umwelt unabdingbar. Geht einer Sprache der Weltanschluss, der Anschluss an das öffentliche Leben der Gesellschaft, verloren, taugt sie schließlich nur noch für Mitteilungen über Dinge der wiederkehrenden Art: Bemerkungen zum Wetter und zu anderen natürlichen Vorkommnissen, Gespräche über familiäre Angelegenheiten, übers Kinderkriegen und Altwerden, übers Essen und Trinken. Die öffentlichen Angelegenheiten der Weltgesellschaft drücken sich in der Staatssprache oder in Englisch aus. Die "Minderheitensprache" wird zur Feierabendsprache, zur Sprache der Privatleute - ohne die Sphäre des Privaten angemessen zur Sprache bringen zu können; denn auch das Private unterliegt einem steten Wandel, der in abgeschlossene Sprachen keinen Eingang findet.

Vielfalt und Memorandum
Eine von der medialen Öffentlichkeit abgeschlossene Sprache verkümmert zur Schwundsprache: weltfremd, zur lebenspraktischen Orientierung ebenso untauglich wie zur zeittheoretischen Argumentation. Sie sinkt von der Sondersprache zur Sprache von Sonderlingen herab. Dann aber gibt es keinen plausiblen Grund, diese Sprache zu retten. Sie verkommt zum Privatvergnügen einer immer kleiner werdenden Gruppe, die sich aus Anhänglichkeit ans herkömmlich Vertraute der Muttersprache (noch) in der Sprache der Volksgruppe freizeitlich unterhält - um den Preis gegenwärtiger und zukünftiger Weltfremdheit.

Man könnte nicht behaupten, daß Gesellschaft und Politik die wachsende Bedeutung der Medien für die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt verkannt hätten. Viel Geld und viele Ressourcen werden mittlerweile in die Absicherung der Medien- und Meinungs-Vielfalt investiert. Die Politik hat die Gefahren erkannt, die im zu langen Zuwarten und Nichtstun liegen. Medienkonzentrationen und Monopole wachsen oft schneller, als man sie zurechtstutzen kann. Trotzdem ist die Notwendigkeit von Beschränkungen und lenkenden Eingriffen unbestritten. Durch einen Mix an öffentlich-rechtlichem Angebot und enormen Förderungen von privaten Printmedien soll die Vielfalt des Angebotes erhalten werden. Wenn es auch an der Absicherung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt gelegen haben soll, dann besteht auch hier Handlungsbedarf. Die Organisationen der "anerkannten Volksgruppen" haben vor nunmehr zwei Jahren in einem gemeinsamen Memorandum ihre Vorstellung von einer sinnvollen Medienpolitik zugunsten von Minderheiten definiert.

Schwerpunkte bilden die flächendeckende Versorgung durch Mutter sprachliche Angebote im öffentlich-rechtlichen Mediensektor, spezielle Förderungen für Printmedien in Minderheitensprachen und darüber hinaus die integrative Einbeziehung von Minderheitensprachen und Minderheitenthemen in das allgemeine Medienangebot. Dadurch soll die reale sprachliche und kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft auch in den Medien abgebildet werden. Bundesregierung und Nationalrat haben das Memorandum feierlich übernommen und eine wohlwollende Behandlung zugesagt. Passiert ist seit nunmehr zwei Jahren überhaupt nichts. Das Minderheitenrecht ist in der österreichischen Praxis eben ein typischer weise unbeweglicher Rechtsbereich. Angemessene Adaptierungen und zeitgemäße Reaktionen auf aktuelle Bedürfnisse sind seine Sache nicht.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060316de.html | www.gfbv.it/3dossier/rai3-99/rai-a.html | www.gfbv.it/3dossier/errc-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/autonom.html | www.gfbv.it/3dossier/vielfalt-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/3indice.html#eu-min

* www: www.eurominority.org/version/eng/

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