Tschetschenische Flüchtlinge in Lagern, einfache Dorfbewohner und Menschenrechtler in Moskau bekommen nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Vergeltung für das Moskauer Geiseldrama zu üben, bereits zu spüren. "Wir sind in großer Sorge um das Leben und die Gesundheit der tschetschenischen Zivilbevölkerung", erklärte die Osteuropa-Referentin der GfbV, Sarah Reinke, am Dienstag in Göttingen. Ein zuverlässiger Mitarbeiter der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial habe der GfbV telephonisch berichtet, dass russische Truppen das Dorf Tschetschen Aul seit dem 25. Oktober von der Außenwelt abgeriegelt hätten. Vier Menschen seien bereits umgebracht worden. Um das Dorf seien Zelte aufgebaut worden, in denen möglicherweise Zivilisten gefoltert werden sollen, befürchtet Memorial. Auch die Stadt Urus Martan und die umliegenden Dörfern würden wieder "gesäubert".
In den meisten Flüchtlingslagern in Inguschetien sei der Strom - und damit die Heizquellen - abgeschaltet worden. Russische Sicherheitskräfte hätten Kontrollposten in den Lagern errichtet, die die Flüchtlinge häufig in Angst und Schrecken versetzen. So habe ein betrunkener russischer Soldat am Montag im Lager Severny wild um sich geschossen. Außerdem würden die Flüchtlinge bedroht, sie müssten noch vor dem Jahreswechsel zurück nach Tschetschenien.
Aus Moskau berichtete die tschetschenische Menschenrechtlerin Zainap Gaschajewa von massiven und willkürlichen Kontrollen tschetschenischer Zivilisten. Ihr selbst sei am Montag am Moskauer Flughafen die Ausreise zum tschetschenischen Weltkongress nach Dänemark verweigert worden. Außerdem sei sie zweimal von russischen Polizisten kontrolliert worden.